Die folgende Arbeit soll das Musikleben im Konzentrationslager Theresienstadt in der Zeit
von 1941 bis 1945 näher beleuchten. Dabei werde ich mich beispielhaft auf die Kinderoper
Brundibár von Hans Krása beziehen, da diese Oper eine besonders wichtige Funktion im
Theresienstädter Musikleben einnahm. Eine Analyse des kompletten Musiklebens in
Theresienstadt wäre zu umfangreich und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch
sollen andere wichtige Komponisten wie Viktor Ullmann oder Gideon Klein und ihre Werke
nicht außer Acht gelassen werden.
Es stellt sich die Frage, ob die musizierenden Häftlinge in Theresienstadt das Kulturleben
nutzten, um in eine Scheinwelt zu fliehen und das Grauen nicht so wahrnehmen zu müssen
oder ob sie durch ihr Musizieren ein Lebensbedürfnis verwirklicht haben, um sich ihr
Mensch-Sein bewahren zu können.
Leid kann nicht gemessen werden. Selbstverständlich können Nichtbetroffene das Grauen
eines Menschen in einem Konzentrationslager nicht ermessen. Aus diesem Grund werde ich
auf meine Fragestellung keine allgemeingültige Antwort geben können, aber ich möchte eine
These aufstellen und diese am Schluss der Arbeit aus meiner Perspektive und den
Erkenntnissen, die ich aus meiner Recherche zusammen getragen habe, begründen.
Die These lautet, dass sich die Menschen in Theresienstadt durch das Musizieren in erster
Linie ihr Mensch-Sein bewahren konnten. In dieser Hinsicht halte ich das Musikleben in
Theresienstadt für überlebensnotwendig für die inhaftierte jüdische Bevölkerung.
In dieser Arbeit soll der Fokus auf die Menschen gelegt werden, die trotz des beispiellosen
Unternehmens der Nationalsozialisten in der Lage waren, Musik zu komponieren,
aufzuführen und zu rezipieren. Es geht mir hierbei nicht um eine analytische Bewertung des
Musikschaffens unter ästhetischen Aspekten. Meines Erachtens relativieren sich die Begriffe
Leben, Kultur und Musik und erhalten, je nach den Lebensumständen, einen völlig anderen
Sinn. Ein schlichtes, heimlich unter der Decke gesungenes Lied mag für einen Häftling eine
ganz andere Bedeutung haben als ein Konzertabend für denselben Menschen in Freiheit.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Begriffserklärung
- 1. Theresienstadt
- 1.1 Geschichtlicher Abriss
- 1.2 Historische Entwicklung des Konzentrationslagers
- 1.3 Organisationsstrukturen
- 1.3.1 Selbstverwaltung
- 1.3.2 Lebensbedingungen
- 2. Hans Kråsa und seine Kinderoper Brundibår
- 2.1 Biografische Daten
- 2.2 Kompositorisches Schaffen
- 2.3 Brundibår
- 2.3.1 Entstehung von Brundibår
- 2.3.2 Die zwei Fassungen
- 2.3.3 Brundibår heute
- 3. Zur Bedeutung des Musiklebens in Theresienstadt
- 3.1 Das Musikleben in Theresienstadt
- 3.1.1 November 1941 bis Februar 1942
- 3.1.2 Februar 1942 bis Dezember 1942
- 3.1.3 Dezember 1942 bis April 1945
- 3.2 Das "Vorzeigelager"
- 3.2.1 Besuch des Internationalen Roten-Kreuz-Komitees
- 3.2.2 Die Filmarbeiten zu dem NS-Propagandafilm "Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet"
- 3.3 Brundibår in "Iheresienstadt
- 3.4 Zeitzeugengespräch
- 3.5 Das kulturelle Ißben: Scheinwelt oder Notwendigkeit?
- 3.5.1 Musikalische Gegenwelt zum Alltag im Konzentrationslager
- 3.5.2 Zur politischen Dimension des Kulturlebens
- 3.1 Das Musikleben in Theresienstadt
- 4. Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
- Anhang
- 1. Verzeichnis der Kompositionen Hans Kråsas (chronologisch)
- 2. Wichtige Theresienstädter Musiker und Komponisten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit dem Musikleben im Konzentrationslager Theresienstadt in der Zeit von 1941 bis 1945 und analysiert exemplarisch die Bedeutung der Kinderoper Brundibår von Hans Kråsa für das Theresienstädter Musikleben. Die Arbeit untersucht, ob die musizierenden Häftlinge in Theresienstadt das Kulturleben nutzten, um in eine Scheinwelt zu entfliehen oder ob sie durch ihr Musizieren ein Lebensbedürfnis verwirklichten, um sich ihr Mensch-Sein bewahren zu können.
- Das Musikleben im Konzentrationslager Theresienstadt
- Die Bedeutung der Kinderoper Brundibår von Hans Kråsa
- Die Funktion des Kulturlebens als Scheinwelt oder Notwendigkeit
- Die politische Dimension des Kulturlebens in Theresienstadt
- Die Rolle der jüdischen Selbstverwaltung im Konzentrationslager
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet einen historischen Abriss über die Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" und die Geschichte des Konzentrationslagers Theresienstadt. Es werden die Organisationsstrukturen und die Lebensbedingungen in Theresienstadt beleuchtet, wobei der Fokus auf die jüdische Selbstverwaltung und ihre Rolle im Lageralltag liegt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Komponisten Hans Kråsa und der Entstehungsgeschichte der Kinderoper Brundibår. Es werden Kräsas Kompositionen, insbesondere Orchestergrotesken, Verlobung im Traum und Brundibår, analysiert und die beiden existierenden Fassungen der Kinderoper verglichen. Das Kapitel beleuchtet auch die Rezeptionsgeschichte von Brundibår nach 1945.
Das dritte Kapitel analysiert das Musikleben in Theresienstadt in vier Phasen: Die anfänglichen illegalen Aktivitäten, die Phase der Duldung durch die SS-Lagerleitung, die offizielle Förderung des Kulturlebens durch die Nationalsozialisten und schließlich die Unterdrückung des kulturellen Lebens im Herbst 1944. Das Kapitel beleuchtet den Besuch des Internationalen Roten-Kreuz-Komitees, die Filmarbeiten zu dem NS-Propagandafilm "Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" und die Bedeutung der Kinderoper Brundibår für die Kinder in Theresienstadt. Es enthält außerdem ein Interview mit Eva Herrmannovå, die als Kind in Theresienstadt lebte und im Chor von Brundibår mitgesungen hat.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Konzentrationslager Theresienstadt, das Musikleben im Lager, die Kinderoper Brundibår von Hans Kråsa, die jüdische Selbstverwaltung, die Funktion des Kulturlebens als Scheinwelt oder Notwendigkeit, die politische Dimension des Kulturlebens und die Rolle der Musik als Ausdruck von Widerstand und Überlebenswillen. Der Text beleuchtet die Bedeutung der Musik für die Häftlinge in Theresienstadt und analysiert die Ambivalenz des kulturellen Lebens im Lager.
- Quote paper
- Clara-Marie Bätz (Author), 2008, Zur Bedeutung der Musik für das Leben in Theresienstadt am Beispiel der Kinderoper "Brundibár" von Hans Krása, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264853