Ein wesentliches auslösendes Moment der Staatsschuldenkrise in Europa war die
Ankündigung der damals neu gewählten griechischen Regierung am 16.09.2009, dass
das Haushaltsdefizit des griechischen Staatshaushalts für 2009 abweichend vom
verabschiedeten Haushalt doppelt so hoch ausfallen werde. In den folgenden Monaten
und Jahren folgte dann die kontinuierliche Abwertung der Kreditwürdigkeit
Griechenlandes. Im folgenden Zeitraum gerieten auch europäische Peripherieländer wie
Irland, Spanien, Portugal und Italien in finanzielle Schwierigkeiten. Folge für diese
Länder war, dass Marktteilnehmer deren Anleihen als immer risikobehafteter ansahen
und sich somit die Emission neuer Staatsanleihen stark verteuerte. Trotz Versuche der
EU und des IWF durch Kreditgarantie, Rettungsfonds und der Sparanstrengungen der
betroffenen Länder, die Lage auf den Finanzmärkten zu beruhigen, kam es am
26.10.2011 zum Schuldenschnitt für Griechenland. Das heißt, dass private Gläubiger
auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber dem griechischen Staat verzichten
mussten.
Bis zu diesem Ereignis herrschte bei den großen privaten Gläubigern Griechenlands, vor
allem bei Banken und Versicherung, eine unterschiedliche Auffassung vor, wie sie das
Risiko und die zu erwartenden Verluste aus ihren Investitionen in den IFRS-Konzernbilanzen
abzubilden haben.
Im ersten Teil der Arbeit werden die verschiedenen Komponenten des Kreditrisikos
untersucht und erläutert, welche Faktoren die Renditeaufschläge auf Staatsanleihen
beeinflussen können und welche insbesondere in der aktuellen Krise die
Risikoaufschläge von Staatsanleihen beeinflusst haben. Des Weiteren wird die
Entwicklung vom IAS 39 bis zum IFRS 9 zusammenfassend dargestellt und erläutert,
welche Veränderungen insbesondere durch die Finanzmarktkrise 2008 sowie der
europäischen Staatsschuldenkrise die Entwickelung beeinflusst haben.
Der zweite Teil der Arbeit, befasst sich mit dem zentralen Informationsinstrument der
Rechnungslegung, den Geschäftsbericht nach IFRS. Vor allem werden die Kriterien
aufgezeigt, wie nach dem aktuellen IAS das Ausfallrisiko einer Staatsanleihe in einer
IFRS-Abschluss zu erfassen ist. Es wird dabei kritisch Bezug genommen, inwiefern die
Anwendung der Vorschriften durch europäische Kreditinstitute erfolgte. Dazu werden
die Zwischen- und Jahresabschlüsse der Commerzbank AG, der BNP Paribas, der Deutschen Bank AG und der National Bank of Greece untersucht.[...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung und Vorgehensweise bei der Untersuchung
2. Einflussfaktoren, die den Kurs einer Staatsanleihe beeinflussen können
2.1 Überblick
2.2 Kreditrisiko
2.3 Bestimmung des Kreditrisikos
2.3.1 Länderspezifische Faktoren
2.3.2 Einfluss externer Ratings
2.4 Globalwirkende Faktoren (Risikoprämie)
2.5 Nachfrage- und angebotsbezogene Faktoren (Liquiditätsprämie)
2.6 Zusammenfassung und Zusammenhang zur Bewertung von Finanzinstrumenten nach IAS/IFRS
3. Ziele und Rahmenbedingungen bei der Bilanzierung von Staatsanleihen
3.1 Überblick
3.2 Vom Inkrafttreten des IAS 39 bis zum aktuellen Exposure Draft ED/2013/3
3.3 Politische Beschlüsse, Stabilisierungsmaßnahmen Verlustereignisse nach IAS 39
4. Bilanzierung von Staatsanleihen nach IAS 39
4.1 Definition eines Finanzinstruments
4.2 Erstmaliger Ansatz eines Finanzinstruments
4.3 Kategorisierung von Finanzinstrumenten nach IAS 39
4.3.1 Finanzielle Vermögenswerte und Schulden, die erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (at fair value through profit or loss)
4.3.2 Bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestitionen (HtM)
4.3.3 Kredite und Forderungen (LaR)
4.3.4 Zur Veräußerung verfügbarer finanzieller Vermögenswerte (AfS)
4.4 Folgebewertung der Finanzinstrumente nach IAS 39
4.4.1 Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten
4.4.2 Bewertung zum fair value
4.5 Umwidmung zwischen den Kategorien
4.5.1 Umgliederungsmöglichkeiten nach IAS 39
4.5.1.1 Umwidmungen aus bzw. in HtM
4.5.1.2 Umwidmungen aus bzw. in AfS
4.5.2 Klassifizierung von Staatsanleihen im Zuge der europäischen Staatschuldenkrise
4.6 Wertminderung von finanziellen Vermögenswerten das incurred loss model..
4.6.1 Ermittlung des Wertminderungsbedarfs von finanziellen Vermögenswerten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten (LaR und HtM) bewertet werden
4.6.2 Ermittlung des Wertminderungsbedarfs von finanziellen Vermögenswerten
der Kategorie AfS
4.7 Hierarchie bei der fair value Ermittlung
4.7.1 Überblick
4.7.2 Aktuelle Anwendungsbeispiele und Kritik an der fair value Bewertungshierarchie
4.8 Kritik am incurred loss model im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschuldenkrise
4.8.1 Wertminderungen von Staatsanleihen im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise auf der Grundlage des incurred loss model
5. Ausblick - IFRS 9
5.1 Überblick
5.2 Erstmaliger Ansatz eines Finanzinstruments nach IFRS 9
5.3 Zugangs- und Folgebewertung nach IFRS 9
5.4 Wertminderungen von finanziellen Vermögenswerten nach IFRS 9 das expected loss model
5.4.1 Kritik am expected-loss model
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung und Vorgehensweise bei der Untersuchung
Ein wesentliches auslösendes Moment der Staatsschuldenkrise in Europa war die Ankündigung der damals neu gewählten griechischen Regierung am 16.09.2009, dass das Haushaltsdefizit des griechischen Staatshaushalts für 2009 abweichend vom verabschiedeten Haushalt doppelt so hoch ausfallen werde. In den folgenden Monaten und Jahren folgte dann die kontinuierliche Abwertung der Kreditwürdigkeit Griechenlandes. Im folgenden Zeitraum gerieten auch europäische Peripherieländer wie Irland, Spanien, Portugal und Italien in finanzielle Schwierigkeiten. Folge für diese Länder war, dass Marktteilnehmer deren Anleihen als immer risikobehafteter ansahen und sich somit die Emission neuer Staatsanleihen stark verteuerte. Trotz Versuche der EU und des IWF durch Kreditgarantie, Rettungsfonds und der Sparanstrengungen der betroffenen Länder, die Lage auf den Finanzmärkten zu beruhigen, kam es am 26.10.20111 zum Schuldenschnitt für Griechenland.2 Das heißt, dass private Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber dem griechischen Staat verzichten mussten.
Bis zu diesem Ereignis herrschte bei den großen privaten Gläubigern Griechenlands, vor allem bei Banken und Versicherung, eine unterschiedliche Auffassung vor, wie sie das Risiko und die zu erwartenden Verluste aus ihren Investitionen in den IFRSKonzernbilanzen abzubilden haben.
Im ersten Teil der Arbeit werden die verschiedenen Komponenten des Kreditrisikos untersucht und erläutert, welche Faktoren die Renditeaufschläge auf Staatsanleihen beeinflussen können und welche insbesondere in der aktuellen Krise die Risikoaufschläge von Staatsanleihen beeinflusst haben. Des Weiteren wird die Entwicklung vom IAS 39 bis zum IFRS 9 zusammenfassend dargestellt und erläutert, welche Veränderungen insbesondere durch die Finanzmarktkrise 2008 sowie der europäischen Staatsschuldenkrise die Entwickelung beeinflusst haben.
Der zweite Teil der Arbeit, befasst sich mit dem zentralen Informationsinstrument der Rechnungslegung, den Geschäftsbericht nach IFRS. Vor allem werden die Kriterien aufgezeigt, wie nach dem aktuellen IAS das Ausfallrisiko einer Staatsanleihe in einer IFRS-Abschluss zu erfassen ist. Es wird dabei kritisch Bezug genommen, inwiefern die Anwendung der Vorschriften durch europäische Kreditinstitute erfolgte. Dazu werden die Zwischen- und Jahresabschlüsse der Commerzbank AG, der BNP Paribas, der Deutschen Bank AG und der National Bank of Greece untersucht. Besonderes
Augenmerk liegt dabei auf den unterschiedlichen Interpretationen und Anwendungen des incurred loss model sowie der Diskussion zur Ermittlung der Höhe der Wertminderung bei einem inaktiven Markt für Staatsanleihen. Es soll dabei geklärt werden, ob die aktuellen Rechnungslegungsstandards die Krise verschärft haben können.
Denn schon seit Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 gilt das Wertminderungsmodell nach dem incurred loss model des IAS 39 als mangelhaft, da es Verluste erst deutlich zu spät und in zu geringer Höhe berücksichtigt.3
Im dritten Teil der Arbeit wird die aktuell diskutierte Variante des neuen Wertminderungsmodells nach IFRS 9 dem Wertminderungsmodell nach IAS 39 dem incurred loss model gegenübergestellt. Im Gegensatz zu dem aktuellen incurred loss model soll das neue Wertminderungsmodell einem expected loss Ansatz folgen. Dieser Ansatz sieht vor, dass bereits Verluste vor dem Eintreten eines Verlustereignisses erfasst werden und schon beim Erstansatz eines finanziellen Vermögenwertes und über die gesamte Laufzeit kontinuierlich ein Risikopuffer für erwartete Verluste gebildet wird, welcher über die Laufzeit ständig angepasst wird.
In einem abschließenden Fazit werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammenfassend dargestellt.
2. Einflussfaktoren, die den Kurs einer Staatsanleihe beeinflussen können
2.1 Überblick
Die Renditeunterschiede einer Staatsanleihe in der europäischen Wirtschaftsunion4 sind nach Meinung verschiedener Experten Ausdruck des mit einem Investment einhergehenden Kreditrisikos.
Seit den Anfangsjahren der EWU bis zum Beginn der weltweiten Finanzkrise bestand zwischen den Staatsanleihen der einzelnen Eurostaaten kein nennenswerter Zinsspread:
Abbildung 1: Renditeaufschläge zehnjähriger Staatsanleihen ausgewählter Staaten der EWU gegen-über der Bundesanleihe.
Der Zinsspread beschreibt im Falle einer Staatsanleihe den Renditeaufschlag zwischen einer risikolosen Staatsanleihe und einer beliebigen Anleihe, die nicht als Referenz- bzw. Benchmarkanleihe gilt. In vielen Untersuchungen wird dabei eine deutsche Staatsanleihe als Referenzwert gewählt, da diese als besonders risikolos gilt.6 Im Verlauf der globalen Finanzkrise ab 2008 haben sich die Zinsspreads der einzelnen Eurostaaten unterschiedlich weit auseinander entwickelt, das heißt, dass sich die Renditeaufschläge einzelner Staatsanleihen im Vergleich zu anderen Staaten erhöht haben. Länder, wie beispielsweise Griechenland oder Irland, mussten demnach Anfang 2010 erhebliche Renditeaufschläge zahlen.
In den folgenden Abschnitten wird dargelegt, anhand welcher Kriterien sich die unterschiedlichen Renditeaufschläge begründen lassen können. Hierbei wird zunächst auf die finanzwirtschaftlichen Begriffe und Theorien eingegangen und dann versucht, diese anhand von verschiedenen Studien zu validieren.
2.2 Kreditrisiko
Für jeden zukünftigen Zustand auf einem unvollkommenen Markt, auch in Bezug auf die künftige Werthaltigkeit von Staatsanleihen, gilt, dass Ereignisse mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit eintreffen können. Somit ist ein Investment immer mit einem gewissen Risiko behaftet. Das Risiko definiert sich somit als positive wie auch negative Abweichung von einer bestimmten Größe.7 Die aktuelle Diskussion zur europäischen Staatsschuldenkrise wird dabei beherrscht von der Annahme, dass einige europäische Staaten8 die Forderungen ihrer Gläubiger in der Zukunft wohlmöglich nicht bedienen können. Dieses Risiko wird in der Literatur auch als Kreditrisiko bezeichnet.9 In der Literatur wird der Terminus Kreditrisiko unterschiedlich definiert10 und in verschiedene Bestandteile untergliedert. Der erste Bestandteil des Kreditrisikos, ist das Ausfallrisiko. Es beschreibt das Risiko, das während der Laufzeit eines Kredites oder auch beispielweise einer Staatsanleihe besteht, wenn es zu einer nicht zeitgerechten oder auch einer nicht vollständigen Erfüllung der Forderung durch den Schuldner kommt.11 Die zweite Komponente, das Bonitätsrisiko, wird als dasjenige Risiko bezeichnet, dass es während der Laufzeit zu einem Wertverlust der Anleihe kommt. Dies kann der Fall sein, wenn sich die Kreditqualität des Schuldners über die Laufzeit des Anleihe verschlechtert. Der Verlust des Gläubigers ergibt sich aus dem verschlechterten Weiterveräußerungswert der Anleihe, der aufgrund des Absinkens der Bonität des Emittenten der Anleihe entsteht.12
2.3 Bestimmung des Kreditrisikos
Das Ausfallrisiko besteht aus den Komponenten des erwarteten und unerwarteten Verlustes. Im Folgenden wird jedoch nur auf die erwarteten Verluste eingegangen, da diese ausschließlich für die Bewertung von Finanzinstrumenten nach den IFRS13 relevant sind.14
Der erwartete Verlust beschreibt den Erwartungswert des geschätzten Verlusts eines Investments und wird durch die Bestimmungsfaktoren Ausfallwahrscheinlichkeit, Verlustquote und Höhe der Forderung erfasst und ermittelt.15
Den erwarteten Verlust lässt sich der Gläubiger i.d.R. durch eine der Ausfallwahrscheinlichkeit entsprechender Ausfallsprämie kompensieren.
In Bezug auf die Bewertung von Staatsanleihen bedeutet dies, dass je höher der erwartete Verlust ist, desto höhere Renditeaufschläge muss ein Land für die Platzierung ihrer Staatsanleihen entrichten.
Die unterschiedlichen Faktoren, die das Ausfallrisiko beeinflussen, wurden bereits in einigen Studien16, Aufsätzen und Dissertation versucht zu ergründen. In Bezug auf den Markt von Staatsanleihen herrscht die Meinung vor, dass für die unterschiedlichen Renditeaufschläge im Euroraum sowohl länderspezifische als auch länderübergreifende Faktoren ursächlich sein können.17
2.3.1 Länderspezifische Faktoren
Als länderspezifische Faktoren werden häufig schwache Fundamentaldaten, wie beispielsweise die Schuldenquote, der Leistungsbilanzsaldo, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und das Haushaltsdefizit genannt.18 Beispielsweise werden ein erwartetes Haushaltsdefizit und ein zu hoher Schuldenstand als Mitauslöser für einen gestiegenen Renditeaufschlag genannt. Dieser Zusammenhang wurde für Oktober 2009, nachdem Griechenland eine drastische Erhöhung das Haushaltsdefizit um 100% auf 13% des BIP bekannt gab, nachgewiesen. Einhergehend mit dieser Ankündigung vollzog sich eine Erhöhung des Renditeaufschlages auf griechische Staatsanleihen von drei Prozentpunkten.19 Als weiterer länderspezifischer Faktor wird der unausgewogene Leistungsbilanzsaldo angeführt. Staaten mit negativem Leistungsbilanzsaldo sind von Kapitalimporten abhängig. Dies birgt bei einer Verschlechterung der Finanzierungkonditionen aufgrund höherer Zinsen die Gefahr, dass der Kapitalimport aus dem Ausland abnehmen beziehungsweise langfristig nicht mehr finanzierbar sein könnte. In der Vergangenheit haben vor allem Staaten wie Griechenland über einen langen Zeitraum, niedrige Zinsen genutzt, um ihr Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Bei gestiegenen Renditeaufschlägen und gleichbleibenden Primärüberschüssen ist die langfristige Tragbarkeit der öffentlichen Schulden nicht mehr dauerhaft finanzierbar. Die steigenden Finanzierungskosten können beispielsweise im Zusammenhang mit einer Neuemission von Staatsanleihen als Katalysator wirken, da diese zu immer weiter steigenden öffentlichen Schulden führen und somit schließlich das Ausfallrisiko weiter negativ beeinflusst wird.20
Eine von Mody (2009)21 durchgeführte Studie bestätigt den weiter oben aufgestellten Zusammenhang zwischen einem erhöhten Renditeaufschlag und einer schwachen Wettbewerbsfähigkeit. Die Studie weist nach, dass Länder mit einer schwachen Wettbewerbsfähigkeit einen höheren Renditeaufschlag zahlen müssen als Länder mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit.
2.3.2 Einfluss externer Ratings
Das Rating-Verfahren ist + , - zur Beurteilung der Bonität und der Eintrittswahrscheinlichkeit von Leistungs- und Zahlungsströmen während der Kreditlaufzeit eines Schuldners..22 Sogenannte Ratings werden von externen Agenturen sowie auch intern durch Banken und Handelsunternehmen erstellt. Zu den weltweit einflussr von Kürzeln. auf eine Staatsanleihe mit zehn jähriger Laufzeit zahlen, bei der letzten Ausgabe am 22.05.2013 konnte die zehnjährige Bundesanleihe mit einer Rendite von 1,7 Prozent vollständig platziert werden.29
Abbildung 2: Ratingklassen von Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Rating AAA steht beispielsweise bei Standard & Poor’s für eine sehr hohe Bonität und geringste Ausfallwahrscheinlichkeit.25 Hingegen steht die schlechtest mögliche Bewertung D für default, also der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers.26 Bei der Beurteilung des Ausfallsrisikos von Staatsanleihen berücksichtigen viele Investoren die Urteile von Ratingagenturen. Häufig sind Pensionskassen oder auch Versicherungen dazu verpflichtet, nur in Titel mit einem Mindestrating zu investieren.
Häufig wird als Mindestrating, wie - und Fitch Ratings ein BBB- Rating vorgeschrieben.27 Im Falle Griechenlands führt dies dazu, dass nach der Abstufung auf unterhalb BBB- im April 2010 die Renditeaufschläge auf griechische Staatsanleihen deutlich anstiegen.28 Weiter konnte beobachtet werden, dass die Verschlechterung der Ratings einiger Staaten der EWU dazu führte, dass sich die Nachfrage auf die noch hoch bewerteten, vermeintlich sicheren Staatsanleihen bspw. Deutschlands verlagerte. So profitiert Deutschland, seitdem es zu einer Abstufung einiger Krisenstaaten Europas kam, von einem sinkenden Zinssatz bei der Ausgabe
24 Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Technische Universität Dresden o.J.
In der Fachliteratur wird dieser Effekt, die Umschichtung des Portfolios von risikobelasteten Investments in risikoärmere Investments, auch als safe haven bezeichnet.30
Allgemein lässt sich festhalten, dass durch Einstufung von Staatsanleihen in verschiedenen Ratingklassen beabsichtiget wird, das korrespondierende Ausfallrisiko abzuschätzen. In einer Übersi die durchschnittliche kumulierte Ausfallwahrscheinlichkeit je Ratingklasse im Zeitraum 1981 bis 2011 untersucht:
Abbildung 3: Kumulierte Ausfallwahrscheinlichkeit nach Ratingklassen für den zurückliegenden Zeitraum 1981 bis 2011.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden anhand von Zahlungsausfällen von Unternehmensanleihen im oben genannten Zeitraum ermittelt. Demnach liegt die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Unternehmensanleihe mit einer einjährigen Laufzeit und einem B Rating bei 4,48 Prozent und für eine Anleihe mit einem AA Rating lediglich bei 0,02 Prozent. Aufgrund dieser Daten lassen sich jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse auf die zukünftige Ausfälle machen, zumal Unternehmensanleihen und deren Ausfallrisiken nicht uneingeschränkt vergleichbar sind mit Staatsanleihen und deren Ausfallrisiken. geht jedoch gleichwohl von der Annahme aus, dass sich die in der Vergangenheit eingetretenen Ausfälle in der Zukunft wiederholen werden. Somit werden die Daten aus der Vergangenheit genutzt, um die Ausfallwahrscheinlichkeit für die Zukunft bestimmen zu können.32
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Ratings Investoren in vielen Fällen als wesentlicher Indikator für die Risikoabschätzung ihrer Investments dienen.33 Sie können daher die Renditeaufschläge von Staatsanleihen in einem erheblichen Maße beeinflussen.
2.4 Globalwirkende Faktoren (Risikoprämie)
Die erhöhten Renditeaufschläge auf Staatsanleihen einiger EWU-Länder können jedoch nicht allein auf länderspezifische Kennzahlen, wie dem gestiegenen Haushaltsdefizit, der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und dem Leistungsbilanzsaldos zurückgeführt werden.34
Als weiterer relevanter Faktor, der sich auf den Renditeaufschlag einer Staatsanleihe auswirken kann, wurde die allgemeine Veränderung der Risikoaversion35 von Investoren nachgewiesen. So vermeiden Investoren in Zeiten höherer allgemeiner Risikoaversion, Investments, die als riskanter eingestuft werden, und investieren in risikoärmere Titel. Zum Höhepunkt der Finanzkrise im September 2008, die mit der Insolvenz der Investmentbank Lehmann Brothers begann, befand sich die allgemeine Risikoaversion auf einem hohen Level.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Mögliche Wirkungsweise der Risikoaversion auf die Renditeaufschläge griechische, irischer und portugiesischer Staatsanleihen.
Dies führt unter anderem auch dazu, dass die Renditeaufschläge auf Staatsanleihen von Irland und Griechenland sich zeitnah mit dem Anstieg der allgemeinen Risikoaversion erhöhten.36
Im Zug der Finanzkrise griff der Staat in vielen EWU-Ländern aufgrund der Instabilität auf den Finanzmarkt in den Markt ein und stützte den Finanzsektor mit Krediten und Garantien. Diese Eingriffe führten mitunter dazu, dass sich die Risikoaversion wieder auf das Niveau vor der Finanzkrise eingependelt hat. Anzumerken ist jedoch, dass trotz des Rückgangs der Risikoaversion die Renditeaufschläge für Staatsanleihen von Griechenland, Irland und Portugal weiter anstiegen.
Dies zeigt, dass die Risikoaversion nicht in jedem Fall einen Renditeaufschlag erklären kann, sondern vielmehr andere Faktoren, wie das bereits erwähnte länderspezifische Ausfallrisiko, einen höheren Renditeaufschlag begründen können.37
2.5 Nachfrage- und angebotsbezogene Faktoren (Liquiditätsprämie)
Ein bedeutender Einfluss auf den Kurs eines Finanztitels übt das Liquiditätsrisiko aus. Es ist Ausdruck der zusätzlichen Rendite, die ein Nachfrager am Markt verlangt, wenn er ein Wertpapier nicht jederzeit zu einem Kurs mit einer niedrigen Geld-/Briefspanne erwerben und weiterveräußern kann,38 sondern beim Verkauf möglicherweise Abschläge in Kauf nehmen muss, da der Markt nicht vollkommen liquide ist. Für dieses zusätzliche Risiko, das der Investor eingeht, fordert er eine höhere Rendite.39 Ein liquider Markt zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: niedrige Spannen zwischen Geld und Briefkursen, geringe Kurschwankungen auch nach großvolumigen Handelsaufkommen und somit auch eine schnelle Rückkehr zum Gleichgewichtskurs.40 Wenn ein Investor beabsichtigt eine Staatsanleihe bis zur Endfälligkeit zu halten, dieses wäre zum Beispiel der Fall, wenn er sie nach IAS 39 der Kategorie Held to maturity zuordnen würde, so wäre die Liquiditätsprämie für ihn nicht von Bedeutung und würde seine Entscheidung nicht beeinflussen.41
Mit Blick auf die europäische Staatsschuldenkrise lässt sich vermuten, dass das gestiegene Liquiditätsrisiko zur Erhöhung der Renditeaufschläge beigetragen hat. Die Spanne zwischen Geld- und Briefkurs hat sich während der Krise in den einzelnen EWU-Ländern unterschiedlich entwickelt. Die Geld-/Briefspanne betrug im Jahresdurchschnitt 2010 bei deutschen Staatsanleihen 0,05 Prozent. Im gleichen Zeitraum betrug die Spanne von beispielsweise portugiesischen Staatsanleihen 0,85 Prozent.42 Daraus lässt sich schließen, dass der Markt für portugiesische Staatsanleihen weniger liquide geworden ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Abnahme der Liquidität zu einer Erhöhung der Renditeaufschläge führt.43
Die Differenz zwischen Geld und Briefkurs stellt dabei ein Maß für die Vollkommenheit bzw. die Liquidität des Marktes dar. Wenn keine Differenz zwischen Geld und Briefkurs besteht, kann der Markt als vollkommen liquide betrachtet werden und somit ist die Liquiditätsprämie für den Investor nicht entscheidungsrelevant.44 Die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs als Messgröße kann mit den bisher genannten Faktoren zur Erklärung der Renditeunterschiede bei Staatsanleihen dienen. Es ist jedoch anzumerken, dass bezüglich der aufgestellten Hypothese in der Fachliteratur kein eindeutiger Konsens herrscht. So vertritt Schwarz (2010) in dem Fachartikel „Mind the gap: disentangling credit and liquidity in risk spreads” die Meinung, dass die Liquiditätsprämie bis zu 50 Prozent des Renditeaufschlages erklären kann. Hingegen ist Schuknecht et al. (2010) in „Government bond risk premiums in the EU“ der Meinung,.dass die Liquiditätsprämie kein signifikanter Indikator für die Erklärung der Renditeaufschläge sein kann, sondern vielmehr die allgemein gestiegene Risikoaversion und ein Ungleichgewicht der öffentlichen Finanzen für die Höhe der Renditeaufschläge verantwortlich sind.45
2.6 Zusammenfassung und Zusammenhang zur Bewertung von Finanzinstrumenten nach IAS/IFRS
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hohen Renditeunterschiede innerhalb der EWU vor allem auf ein erhöhtes Kreditrisiko zurückzuführen sind. Als Ursachen für die Negativentwickelungen werden vor allem ein unausgewogener öffentlicher Haushalt, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und eine sehr hohe Schuldenquote genannt. Der Einfluss der allgemein gestiegenen Risikoaversion und der zum Teil gesunkenen Liquidität für Staatsanleihen bestimmter EWU-Länder wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert und hat zumindest auf einige Staatsanleihen bestimmter Krisenstaaten Europas nachweislich einen negativen Effekt ausgeübt.46
Im Zusammenhang mit der Bewertung von Finanzinstrumenten nach den International Financial Reporting Standards spielt die Bestimmung der zu erwarteten Verluste eine zentrale Rolle. Für den Anschlussadressaten47 ist es von sehr großem Interesse, dass die Bewertung eines finanziellen Vermögenswerts den Zielsetzungen des Frameworks entspricht. Das obere Ziel der Rechnungslegung nach IFRS besteht darin, dem Abschlussadressaten entscheidungsrelevante Informationen bereitzustellen.48 Für den Standardsetter besteht hiermit eine besondere Herausforderung, Standards so zu formulieren, dass diese bei Anwendung durch das bilanzierende Unternehmen dem Kapitalgeber Informationen bereitstellen, die diesen über die Vermögens-, Finanz und Ertragslage und mögliche Risiken informieren. In Bezug auf die Bilanzierung von Finanzinstrumenten hat sich dies in der Vergangenheit als schwierig erwiesen, da insbesondere die Anwendbarkeit der Standards als zu kompliziert und nicht zielführend bezeichnet wurden49. Dies hat dazu geführt, dass die betroffenen Bilanzposten nur eingeschränkt entscheidungsnützliche Informationen vermitteln konnten.50
Besonders in Zeiten von Finanzkrisen und Staatsschuldenkrisen müssen mögliche Ausfallrisiken von finanziellen Vermögenswerten, welche den größten Teil der Aktivseite einer Bankenbilanz51 ausmachen, in geeigneter Weise bilanziell abgebildet werden, damit der Bilanzleser die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bei seinen wirtschaftlichen Entscheidungen sachgerecht beurteilen kann. Diesem Ziel dient unter anderem die Einführung des IFRS 9. Die Bilanzierung von erwarteten Verlusten nach den IFRS 9 wird voraussichtlich erstmals für den Jahresabschluss 2015 verpflichtend sein.52 Bis dahin findet der noch gültige IAS 39 für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten Anwendung.
In den folgenden Kapiteln wird die Bilanzierung insbesondere von Staatsanleihen nach den alten Vorschriften und Bewertungsmodellen des IAS 39 untersucht und im letzten Kapitel dem des IFRS 9 gegenübergestellt. Darüber hinaus wird die Anwendung der Vorschriften des IAS 39 anhand von Jahres- und Quartalsabschlüssen vierer europäischer Banken kritisch untersucht.
3. Ziele und Rahmenbedingungen bei der Bilanzierung von Staatsanleihen
3.1 Überblick
Die für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten maßgebenden Vorschriften sind im IAS 32, dem IAS 39 sowie im IFRS 9 und IFRS 7 geregelt. IFRS 7 regelt die Anhangsangaben zu den Finanzinstrumenten. Der IFRS 9 ist ein Standard, der noch nicht komplett fertiggestellt, jedoch schlussendlich den IAS 39 ab 01.01.2015 ersetzen wird.
3.2 Vom Inkrafttreten des IAS 39 bis zum aktuellen Exposure Draft ED/2013/3
Seit Veröffentlichung des IAS 39 im Jahre 1998 ist dieser wegen seiner Komplexität ständiger Kritik ausgesetzt gewesen.53 Selbst der damalige Vorsitzende des IASB, Sir David Tweedie, kommentierte den IAS 39 sinngemäß wie folgt: Wenn man meint dessen Inhalt verstanden zu haben, dann hat man ihn wohl nicht richtig gelesen.54
[...]
1 Vgl. Europäischer Rat (2011), S. 4.
2 Vgl. Brenke (2012), S. 1.
3 Vgl. Bardens et al. (2012), S. 809.
4 Im Folgenenden EWU genannt.
5 Deutsche Bundesbank (2011), S. 32.
6 Vgl. Bernoth (2010), S. 106.
7 Vgl. Bachmann (2004), S. 36.
8 Siehe hierzu den Beschluss des EU-Gipfels vom 26.10.2011 zum Schuldenschnitt, dass private Gläubiger Griechenlands auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen. Vgl. Europäische Kommission (2011).
9 Vgl. Stefanova (2012), S. 5.
10 Zu den unterschiedlichen Definitionen und Begriffs vers tändnis siehe Olbrich (2012), S. 18, Vgl. Stefanova (2012), S. 4 und Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 29.
11 Vgl. Stefanova (2012), S. 5.
12 Vgl. Olbrich (2012), S. 18.
13 Insbesondere bei der Anwendung des expected credit loss model nach IFRS 9.
14 Vgl. Mehl et al. (2009), S. 242.
15 Für die mathematische Berechnung des erwarteten Verlustes siehe Albrecht (2005), S. 27.
16 Siehe hierzu exemplarisch die Studie von Bernoth und Erdogan (2010), Determinanten des Zinsspreads auf europäische Staatsanleihen von 1999 bis 2010.
17 Vgl. Bernoth (2010), Vgl. dazu auch Deutsche Bundesbank (2011); sowie Adler (2011).
18 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 29.
19 Vgl. Glomb (2010), S. 186.
20 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 36.
21 Vgl. Mody (2009).
22 Kreutz/Everling (2013), S. 362.
23 Diese drei Ratingagenturen werden in der Literatur auch häufig als Big Three bezeichnet.
24 Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Technische Universität Dresden o.J.
25 Vgl. Adler (2011), S. 32.
26 Vgl. Olbrich (2012), S. 28.
27 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 37.
28 Vgl. Jeck/van Roosebeke (2010), S. 4.
29 Vgl. Deutsche Börse Group (2013).
30 Vgl. Bernoth (2010), S. 107.
31 Standard & Poor's (2012), S. 54.
32 Vgl. Olbrich (2012), S. 30.
33 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 40.
34 Vgl. Bernoth (2010), S. 107.
35 Zur Bestimmung der Risikoneigung werden häufig mehrere Indikatoren verwendet. Die Deutsche Bundesbank ermittelt die Risikoneigung anhand folgender Indikatoren: Volatilitätsindex VDAX, zeitvariabler Korrelation zwischen Erträgen und Aktien, die Zinsaufschläge von AAA bewerteten Unternehmensanleihen sowie Zinsaufschläge auf BBB bewertete Unternehmensanleihen, CDS-Prämien auf europäische Unternehmen mit mindestens BBB-Rating (Investment Grade) sowie CDS-Prämien europäischer Unternehmen ohne Investment Grade. Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 4
36 Vgl. Sgherri/Zoli (2009), S. 2 f.
37 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 41.
38 Vgl. Mair (2010), S. 36.
39 Vgl. Bachmann (2004), S. 39.
40 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 42.
41 Da nicht beabsichtigt wird, die Staatsanleihe vor Ende der Laufzeit weiter zu veräußern und somit ein weniger liquider Markt für ihn kein zusätzliches Risiko darstellt.
42 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 42.
43 Siehe zu den Determinanten der Risikoaufschläge von Staatsanleihen auch Haugh et al. (2009), S. 6 ff.
44 Vgl. Bachmann (2004), S. 40.
45 Vgl. Schuknecht et al. (2010), S. 6.
46 Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), S. 46.
47 Das sind in erster Linie vorhandene und potenzielle Investoren sowie Gläubiger.
48 Vgl. IFRS F. 12 - 21.
49 Siehe dazu Kapitel 4 und 5 dieser Arbeit.
50 Vgl. Kirsch et al. (2012), S. 1.
51 Vgl. Olbrich (2012), S. 37.
52 Vgl. ERFAG (2013).
53 Vgl. Deloitte (2013a).
54 Vgl. Jessen/Haaker (2009), S. 1.
- Arbeit zitieren
- Malte Krömker (Autor:in), 2013, Die Bilanzierung von Staatsanleihen vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschuldenkrise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264654