Wachstumsunternehmen spielen in der heutigen Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle und nehmen in der Volkswirtschaft eines Landes eine bedeutende Position ein. Eine exakte Definition eines Wachstumsunternehmens gibt es nicht. Man spricht im Allgemeinen von seiner Innovation in Verbindung mit Kreativität und Flexibilität, seinem jungen Alter und der Zugehörigkeit zu den Wachstumsbranchen wie Telekommunikation, Biotechnologie und Medizinaltechnik. Dabei ist die Größe eines Unternehmens grundsätzlich sekundär, das Wachstum zeigt sich daran, dass die Umsatz-, und Mitarbeiterzahlen sowie die Gewinne innerhalb einer kurzen Zeit ansteigen. Wichtig ist auch Technologie- und Forschungsorientierung des betreffenden Unternehmens.
Um ihre innovativen Ideen umzusetzen und somit zum weiteren Fortschritt beizutragen, benötigen Wachstumsunternehmen Zugang zu nationalen und internationalen Kapitalmärkten, deren Mittel für die Etablierung und Weiterentwicklung einer Unternehmung unabdingbar sind. Der Kapitalbedarf liegt bei den Wachstumsunternehmen weitaus höher als in klassischen Branchen. Fortlaufende technologische Entwicklung, die Globalisierung sowie veränderte Rahmenbedingungen auf den Produktmärkten haben allgemein zur Verschärfung des Wettbewerbs geführt. Die Intensivierung erfolgte unter anderem durch den immer schneller werdenden Fortschritt auf den Gebieten der Informationstechnologie und der Biotechnologie sowie die Deregulierung vieler Branchen.
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich zum Ziel, die Problematik der Wachstumsfinanzierung von jungen innovativen Unternehmen unter globaler Konkurrenz aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Übersicht über die Finanzierungsmöglichkeiten von Wachstumsunternehmen
1.1. Finanzierung von Wachstumsunternehmen
1.2. Die Entwicklung von Wachstumsmärkten in Europa und den USA
1.3. Die Gründe für das Scheitern von Wachstumssegmenten. Die Rolle der Wachstumsmärkte für die Innovationsförderung
1.4. Maßnahmen zur Wiederbelebung von Kapitalmärkten
1.5. Die Änderung der Börsengesetzgebung und deren Umsetzung an der Frankfurter Wertpapierbörse
1.6. Fazit
2. Aktienmärkte in Deutschland und in der Schweiz. Ihre Stellung innerhalb der internationalen Aktienmärkte
2.1. Allgemeine Merkmale von Aktienmärkten in Deutschland und in der Schweiz
2.2. Die volkswirtschaftliche Rolle des Kapitalmarktes
2.3. Aktienkultur in Deutschland und der Schweiz.
2.4. Fazit
3. Börsenhandel in Deutschland. Börsen- und Marktsegmente an der Frankfurter Wertpapierbörse
3.1. Übersicht über die Handelssegmente an der Frankfurter Wertpapierbörse
3.2. Amtlicher Markt (Amtlicher Handel)
3.3. Geregelter Markt
3.4. Prime und General Standard im Amtlichen Handel und Geregelten Markt
3.5. Zulassungsfolgepflichten im Prime und General Standard
3.6. Freiverkehr
3.7. Fazit (1)
3.8. Die neue Indexlandschaft an der Frankfurter Wertpapierbörse
3.9. Übersicht über die Indizes an der Frankfurter Wertpapierbörse
3.10 Fazit (2)
4. Börsen- und Marktsegmente in der Schweiz
4.1. Börsenhandel in der Schweiz
4.2. Handelssegmente der SWX Swiss Exchange
4.2.1. Hauptsegment
4.2.2. Der SWX New Market
4.2.3. Andere Handelssegmente
4.3. Indizes der SWX Swiss Exchange
4.4. Fazit
5. Analyse der Börsenfinanzierung im Hinblick auf die Wachstumsunternehmen
5.1. Kritische Würdigung des Börsenganges
5.2. Die Besonderheiten in der Schweiz
5.3. Vor- und Nachteile des Börsenganges
5.4. Fazit
6. Schlusswort
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Die Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten an den Hauptsegmenten der Frankfurter Wertpapierbörse
Tab. 2: Vergleich des Hauptsegmentes SWX Swiss Exchange und des SWX New Market
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die neuen IPO-Plattformen an der FWB
Abb. 2: Marktkapitalisierung inländischer börsennotierter Aktiengesellschaften in Mrd. Euro
Abb. 3: Marktkapitalisierung im internationalen Vergleich
Abb. 4: Vergleich der Aktionärszahlen weltweit
Abb. 5: Übersicht über die Handelssegmente der Frankfurter Wertpapierbörse (Alte Struktur)
Abb. 6: Neue Systematik der Frankfurter Wertpapierbörse
Abb. 7: Prime und General Standard
Abb. 8: Übersicht über die neue Indexsystematik
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.Einleitung
Wachstumsunternehmen spielen in der heutigen Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle und nehmen in der Volkswirtschaft eines Landes eine bedeu- tende Position ein. Eine exakte Definition eines Wachstumsunternehmens gibt es nicht. Man spricht im Allgemeinen von seiner Innovation in Verbindung mit Kreativität und Flexibilität, seinem jungen Alter und der Zugehörigkeit zu den Wachstumsbranchen wie Telekommunikation, Biotechnologie und Medizinal- technik. Dabei ist die Größe eines Unternehmens grundsätzlich sekundär, das Wachstum zeigt sich daran, dass die Umsatz-, und Mitarbeiterzahlen sowie die Gewinne innerhalb einer kurzen Zeit ansteigen. Wichtig ist auch Technologie- und Forschungsorientierung des betreffenden Unternehmens.
Um ihre innovativen Ideen umzusetzen und somit zum weiteren Fort- schritt beizutragen, benötigen Wachstumsunternehmen Zugang zu nationalen und internationalen Kapitalmärkten, deren Mittel für die Etablierung und Weiterentwicklung einer Unternehmung unabdingbar sind. Der Kapitalbedarf liegt bei den Wachstumsunternehmen weitaus höher als in klassischen Bran- chen. Fortlaufende technologische Entwicklung, die Globalisierung sowie ver- änderte Rahmenbedingungen auf den Produktmärkten haben allgemein zur Verschärfung des Wettbewerbs geführt. Die Intensivierung erfolgte unter ande- rem durch den immer schneller werdenden Fortschritt auf den Gebieten der Informationstechnologie und der Biotechnologie sowie die Deregulierung vieler Branchen.
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich zum Ziel, die Problematik der Wachstumsfinanzierung von jungen innovativen Unternehmen unter globaler Konkurrenz aufzuzeigen. Nur durch ausreichende Finanzierung können For- schung und Entwicklung, Innovation und Investition gewährleistet werden.
Die Wege zur Lösung des Finanzierungsproblems sind verschieden. Eine der Möglichkeiten ist der Markt für Fremd- und Risikokapital. Eine weitere Option zur Finanzierung des Wachstums ist der Gang an die Börse. Bis die Wachstumssegmente an den Börsen eingeführt wurden, war sie allerdings nur den größeren Firmen vorbehalten.
In der Diplomarbeit werden die Erfolgsaussichten von jungen Unter- nehmen an den Wachstumssegmenten der Frankfurter Wertpapierbörse und der schweizerischen SWX Swiss Exchange analysiert. Es wird zum einen aufge- zeigt, inwieweit sich der deutsche Kapitalmarkt an die Bedürfnisse von jungen
Wachstumsunternehmen ausrichten sollte, zum anderen werden die neulich verabschiedeten gesetzlichen Regelungen und ergriffenen Maßnahmen der Deutschen Börse AG und SWX Swiss Exchange genau untersucht. Zum Schluss wird ein Ausblick für die zukünftige Entwicklung gegeben.
Die ganze Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel beschreibt die Problematik der Finanzierung von Wachstumsunternehmen und bietet einen Überblick über diverse Finanzierungsmöglichkeiten. Dabei werden insbesondere die neuesten Maßnahmen der Deutschen Börse AG zum Anlegerschutz und zum Wiederbeleben der Aktienmärkte erläutert.
Kapitel Zwei stellt den deutschen und den schweizerischen Kapitalmarkt gegenüber und analysiert ihre Stellung im internationalen Vergleich. Es wird die volkswirtschaftliche Rolle von Kapitalmärkten hinsichtlich der Wachstumsfinanzierung geschildert und die Entwicklung der Wachstumsmärkte in Europa und den USA beschrieben. Die Aktienkultur in Deutschland und in der Schweiz wird ebenfalls verglichen.
Das dritte Kapital beschäftigt sich mit dem Börsenhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse. Es werden die neu strukturierten Handelssegmente und die neue Indexsystematik dargestellt.
Kapitel Vier behandelt die Börsen- und Handelssegmente der SWX Swiss Exchange und liefert einen Vergleich der Zugangsmöglichkeiten zum Hauptsegment und zum SWX New Market.
Die Analyse der Börsenfinanzierung aus der Sicht von Wachstumsunternehmen wird im letzen Kapitel durchgeführt. Hier werden die spezifischen Besonderheiten in der Schweiz behandelt und die Vor- und Nachteile der Börsenfinanzierung beleuchtet.
KAPITEL 1. Übersicht über die Finanzierungsmöglichkeiten von Wachs- tumsunternehmen
Im nachfolgenden Kapitel werden die häufigsten Formen der Finanzie- rung von Wachstumsunternehmen dargestellt und die Möglichkeiten des Bör- sengangs analysiert. Es wird zudem auf die Entwicklung von speziellen Han- delssegmenten an den Börsen eingegangen. Die Maßnahmen zur Wiederbele- bung von Kapitalmärkten werden am Ende dieses Kapitels untersucht.
1.1. Finanzierung von Wachstumsunternehmen
Der überwiegende Teil aller innovativen jungen Wachstumsunterneh- men ist in Deutschland und in der Schweiz mit Eigenkapital nicht ausreichend ausgestattet. Die Unternehmen haben in der Regel ein attraktives Nutzenpoten- tial, jedoch fehlen die finanziellen Vorraussetzungen für die weitere Expansi- on. In der ersten Phase der Unternehmensfinanzierung, dem sog. Start-Up en- gagieren sich üblicherweise zunächst die Gründer, dann deren Freunde und Familienangehörige. Man spricht von den vier „Fs“: Founders, Family, Friends und Fools.1 Üblicherweise reicht jedoch das von ihnen zur Verfügung gestellte Kapital nicht aus, um ein Unternehmen zu gründen oder wachsen zu lassen, es wird ein weiteres Kapital benötigt. Wenn die bisherigen Eigentümer nicht mehr wollen oder nicht in der Lage sind, die Finanzierung zu gewährleisten, muss Kapital an anderer Stelle aufgenommen werden.
Der Kapitalbedarf erhöhte sich insbesondere in den letzen Jahren infolge des steigenden Wettbewerbsdrucks, der immer komplexeren Produkte und der sich stetig verkürzenden Produktentwicklungszeiten. Die heutzutage sehr hohen Produktentwicklungs-, Markterschließungs- und Unternehmensaufbaukosten begründen den erhöhten Kapitalbedarf zusätzlich.
Die Finanzierung kann mit Eigen- oder Fremdkapital gedeckt werden. Die Fremdkapitalfinanzierung gestaltet sich gerade für die neuen innovativen Unternehmungen eher schwierig. Es wird in der Regel ein dauerhaft zur Verfü- gung gestelltes Kapital benötigt. Die Gründer eines Wachstumsunternehmens haben ihrerseits immer den Informationsvorteil bezüglich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Die Kapitalgeber dagegen können nicht auf die Ver- gangenheitswerte zurückblicken und empirische Schlüsse auf die zukünftige
Ertragsentwicklung ziehen. Diese asymmetrische Informationsverteilung führt oftmals zum Versagen der Kapitalmärkte. Darüber hinaus ist Fremdkapital teures Kapital - es muss verzinst und getilgt werden und ist nicht jeder Unter- nehmung zugänglich - die Kreditwürdigkeit vieler Unternehmen ist des Öfteren nicht ausreichend. Eine Kreditfinanzierung kommt folglich nur selten für Wachstumsunternehmen in Frage, sie ist vielmehr für bereits lange bestehende Unternehmen möglich: Die Banken bedienen sich bei der Kreditvergabe in der Regel der Analyse bereits vorhandener Geschäftsabschlüsse. Es tritt allgemein das Problem der Bewertung des begünstigten Unternehmens auf.2 Bei den jun- gen Unternehmen lassen sich die Unternehmensplanungen oft wegen fehlender Vergleichswerte schwer evaluieren.3 Es gibt in der Regel keine bilanzierungs- fähigen Aktiva zur Absicherung von Krediten. Die innovativen Wachstumsun- ternehmen haben ein hohes unternehmerisches Risiko und können so einen hohen Eigenkapitalwert nicht generieren, dafür verfügen die Wachstumsunter- nehmen über Know-How und Humankapital. Das Problem aus der Sicht der Banken ist auch, dass die Unternehmungen nach der Zusage eines Kredites immer den Anreiz haben, den Risikogehalt einer Investition zu erhöhen. Von der Seite des Unternehmens besteht andererseits die Gefahr, dass bei großen Risiken, die oft mit der Fremdkapitalaufnahme verbunden sind, es zu einer Unterinvestition kommen kann: Es wird unter Umständen auf eine Investition mit dem positiven Kapitalwert verzichtet. Es besteht also ein typischer Ziel- konflikt zwischen dem Streben nach Wachstum und Unabhängigkeit bzw. Un- ternehmenskontrolle. Die Übergewichtung des Unabhängigkeitsfaktors verhin- dert die Inanspruchnahme von Außenfinanzierung und reduziert damit das Entwicklungspotential des Unternehmens.4 Eine hohe Fremdfinanzierung kann zwar steuerlich attraktiv sein, führt jedoch des Öfteren zur Insolvenzgefahr. Die Kreditkosten sind häufig zu hoch und belasten damit die allgemeine Liqui- ditätslage der Unternehmung.
Die schlechten Möglichkeiten des Zugangs zu den Fremdkapitalmärk- ten machen für Wachstumsunternehmen die Eigenkapitalfinanzierung attraktiv. Das Eigenkapital ist zeitlich unbefristet, begründet die mit ihm verbundenen Mitspracherechte und unbeschränkte Haftung der eingesetzten Beträge. Der Vorteil für die Unternehmung ist, dass das Eigenkapitel keiner Verwendungs- beschränkung unterliegt und damit die Unabhängigkeit und Flexibilität der Unternehmung gewährleistet.
Ein Wachstumsunternehmen kann sich entweder am nicht organisierten (privaten) Kapitalmarkt finanzieren, der auch als „Private Equity“ bezeichnet wird, oder eine Finanzierung am öffentlichen organisierten Teil des Kapitalmarktes durch ein IPO anstreben.
Zum Private Equity zählt man: a) Direktinvestitionen privater Anleger; b) Business Angels; c) Venture-Capital.5 Andere, weniger verbreitete Finanzie- rungsmöglichkeiten sind öffentliche Förderprogramme, Trade Sales,6 strategi- sche Partnerschaften, Intermediation durch Kapitalanlagegesellschaften, Versi- cherungsgesellschaften sowie durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften.7
Für die nicht vermögenden Privatanleger8 sind die direkten Investitionen, d. h. ohne Intermediation, wenig sinnvoll. Die Privatpersonen sind rein rendi- teorientiert und leisten keine zusätzlichen Beiträge im operativen Geschäft. Der wichtigste Grund des Marktversagens hier ist, dass die Transaktionskosten, die bei der Suche nach dem geeigneten Unternehmen anfallen, sehr hoch sind im Verhältnis zu der möglichen Rendite. Auch die Verwaltung und Kontrolle der getätigten Investitionen ist sehr aufwendig. Der zweite Grund zur Ablehnung ist die fehlende Möglichkeit zur Diversifizierung für die Privatanleger und so- mit ein erhöhtes Risiko.
Ein Business Angel ist ebenfalls eine Privatperson, die ihr persönliches Vermögen ohne Zwischenschaltung von Intermediären in ein nicht börsenno- tiertes Unternehmen investiert. Der Unterschied zu einem Privatanleger besteht im Wesentlichen darin, dass ein BA sich nicht nur finanziell am Unternehmen beteiligt, sondern sich auch anderweitig engagiert. Typischerweise bestehen diese Engagements in der Vermittlung von Geschäftskontakten, Beratung der Geschäftsführung oder operativer Unterstützung im Tagesgeschäft.
Die Finanzierung durch Venture-Capital (Wagnisfinanzierung) spielt heute in Deutschland und in der Schweiz eine immer größere Rolle. Man unterschei- det auf dem deutschen Markt drei Gruppen von Venture-Capital-Gebern, das sind die sog. Universalbeteiligungsgesellschaften, öffentlich geförderte Kapi- talbeteiligungsgesellschaften und die Unternehmungsbeteiligungsgesellschaf- ten.9 In den USA und der Schweiz sind darüber hinaus spezielle Venture- Capital-Fonds gebildet worden. Ein Venture-Capitalist finanziert junge, riskan- te Wachstumsunternehmen in Branchen mit einem hohen zukünftigen Wachs- tums- und Wertsteigerungspotential. Es werden Unternehmen in deren Initiie- rungs- und Gründungsstadium, bei Entwicklung, Erweiterung und als Überbrü- ckung vor einem IPO finanziert. Das Kapital wird dem Wachstumsunterneh- men jedoch zeitlich befristet überlassen. Die VC-Geber haben ein Kontroll- und Mitspracherecht und bieten im Regelfall umfassende Unterstützungsleis- tungen an. Sie können ebenfalls in die operativen Tagesgeschäfte eingreifen.
Nachteile der Venture-Capital-Finanzierung in Deutschland sind steuerlicher Natur.10 Da ein Venture-Capital-Anbieter bei der Durchführung der Finanzierung nicht vollständig diversifiziert ist, muss in der Regel eine höhere Risikoprämie gezahlt werden.11 Er hat auch eine größere Verhandlungsmacht gegenüber dem Unternehmen als die Privatinvestoren.
Bei einer Börsenfinanzierung wird die Ebene der Private Equity verlas- sen, die Kapitalgeberstruktur wird verändert. Es erfolgt die Verbesserung der Bilanzrelation zwischen EK und FK, die in der Regel zu einer höheren Reputa- tion des Unternehmens aus der Sicht von Banken, Gläubigern und Geschäfts- partnern führt.12 Zwischen den Kapitalgebern und -nehmern steht nun die Bör- se, über die Unternehmensanteile gehandelt werden können. Bei der Börsenfi- nanzierung müssen keine bankmäßigen Sicherheiten hinterlegt werden und der Einfluss der Aktionäre kann immer eingegrenzt werden. In der Praxis kann man in den meisten Fällen diesen Einfluss vernachlässigen. Attraktiv macht den Börsengang auch Zugang zu diversen Finanzierungsinstrumenten des Ka- pitalmarkts. Oft erfolgt der Gang an die Börse erst nach der Finanzierung eines Unternehmens durch VC oder einen BA. Damit eröffnet sich für die VC-Geber die Möglichkeit, ihre Beteiligungen zu sehr attraktiven Konditionen zu verkau- fen.
1.2. Die Entwicklung von Wachstumsmärkten in Europa und den USA
Die Gründe für die Einrichtung separater Börsensegmente für Wachs- tumsunternehmen waren vielfältig. Die Zulassungsvoraussetzungen für die Börsenhauptsegmente in Deutschland und der Schweiz konnten bis dahin nur von bereits etablierten und gut positionierten Unternehmen erfüllt werden, die über Jahre hinaus bestanden und entsprechende Reputation, Kundenkreis, Pro- dukt- und Dienstleistungsangebot etc. aufgebaut hatten. Die geringe Nutzung der Börse zur Eigenkapitalaufnahme durch junge innovative Wachstumsunter- nehmen wurde auf das Fehlen von speziell auf diese Unternehmen zugeschnit- tenen Handelssegmenten zurückgeführt, die ihre besonderen Bedürfnisse be- rücksichtigen würden. Die Einführung solcher Instrumente sollte dieses Prob- lem weitgehend beseitigen. Man wollte den Wachstumsunternehmen den Zu- gang zur Kapitalfinanzierung über die Börse erleichtern und damit attraktive Finanzierungsmöglichkeiten bereitstellen. Dadurch sollte auch eine Alternative zu dem im Vergleich zu den angloamerikanischen Ländern unterentwickelten Risikokapitalmarkt in Deutschland und der Schweiz angeboten werden. Es sollten breite Investorenkreise erschlossen werden und den Kapitalgebern inte- ressante Investitionsmöglichkeiten offeriert werden. Die neuen Wachstums- segmente sicherten die Versorgung von Unternehmen mit Eigenkapital und verhinderten die Abwanderung der Unternehmen ins Ausland. Auf der anderen Seite war man auf den Schutz der Investoren bedacht. Sie sollten dank hoher Transparenz möglichst umfassend mit Informationen über das Chancen- /Risikoprofil von Unternehmungen an den Wachstumsmärkten versorgt wer- den.
Dem Bedürfnis zur Schaffung eines Börsensegmentes für Wachstums- unternehmen war zuerst in den USA nachgekommen worden - durch die Schaf- fung des National Association of Securities Dealers Automated Quotations (NASDAQ) im Jahr 1971, danach folgte im Jahr 1995 Großbritanniens Alter- native Investment Market (AIM). In Deutschland hat der Neue Markt (1997) seinen Erfolg und Niedergang erlebt; in der Schweiz wurde erfolgreich der SWX New Market lanciert (1999). Die Schweizer Börse hat ihr Wachstums- segment im europäischen Vergleich sehr spät gestartet. Der Höhepunkt der Börsengänge junger Unternehmen wurde daher verpasst. Im Unterschied zu Deutschland setzte man hier nicht auf Technologie, sondern auf die Biotech- Branche und wollte von vornherein ausländische Investoren anlocken. Es ging aber auch in erster Linie um die Qualität und nicht die Quantität der Börsen- neulinge.
Die neuen Märkte hatten zuerst sehr große Erfolge zu verzeichnen. Ihre Struktur hat überall in Europa eine Belebung des Aktienemissionsgeschäftes herbeigeführt. Der Neue Markt in Deutschland hat die Anleger in Massen an- gezogen. In keinem anderen Aktiensegment ist die Entwicklung ähnlich turbu- lent verlaufen wie hier. Mit den erfolgsreichsten Wachstumswerten waren seit ihrer Emission drei-, vier-, und sogar fünfstellige Renditen erreichbar.13 Aus diesen Tatsachen wurden zahlreiche Anlegerträume gemacht, man konnte mit Aktienkauf an den Wachstumssegmenten der Börsen über Nacht reich werden. Aktien wurden auch für kleine Privatanleger zur vermeintlichen „sicherer“ Geldanlage.
Nach diesen exorbitanten Erfolgen in Europa und in den USA bis Mitte 2000 begann die Talfahrt an den Börsen. Im März 2000 wurden historische Höchststände gemessen, danach entwickelten sich die Kurse tendenziell nega- tiv. Bald verflog die Euphorie an den Aktienmärkten und das Vertrauen in die Aktie als klassisches Anlageinstrument wurde stark geschädigt. Die drastischen Kursrückgänge sowie zahlreiche Bilanzskandale und Insidergeschäfte machten das Segment für die innovativen Wachstumsunternehmen für Anleger unattrak- tiv. Nach Betrugsskandalen und Pleiten wie EM. TV, Letsbuyit.com oder Com- road haben die Investoren das Vertrauen endgültig verloren. Die Kurse fielen im Durchschnitt um rund 90 Prozent.14 Im 2000 erreichte der NEMAX 50 auf Schlusskurs-Basis sein Allzeit-Hoch bei 9665,81 Zählern, die Marktkapitalisie- rung von mittlerweile 229 Unternehmen im Nemax All Share lag bei 234, 25 Milliarden Euro. Zwei Jahre später, am 10. März 2003, notierte der Index le- diglich bei 373,91 Punkten, das Geschäft am Neuen Markt ging gegen Null.15
Der stärkste Kursrückgang erfolgte vor allem in den Branchen Internet, Kommunikation, Medien und Software. Nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 brachen die Kurse an der NASDAQ erneut ein; der Neue Markt und der SWX New Market stürzten weiter ab. Mitte 2000 kursierten in Börsen- und Anlegermagazinen die ersten „Todeslisten“ mit Unternehmen, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht sein sollten.
Um den vollständigen Zusammenbruch der Wachstumsmärkte zu ver- hindern, musste die Deutsche Börse AG drastische Maßnahmen ergreifen. So wurden immer wieder Firmen wegen Verstoßes gegen das Regelwerk ausge- schlossen, Ermittlungen wegen Insider-Verdacht aufgenommen und sog. De- listing-Regeln verabschiedet. Diese Maßnahmen halfen aber letztlich nicht mehr. Der 21. März 2003 war der letzte Handelstag des Neuen Marktes. Nach knapp sechs Jahren wurde das einstige Wachstumssegment der Deutschen Bör- se AG abgeschafft.
Die Entwicklung des neuen Wachstumssegmentes ging auch in der Schweiz sehr dynamisch vor. Die Höchstzahl der Neuemissionen fiel auf das Jahr 2000, in dem 28 IPOs erfolgten. In dieser Boomphase wurde erstmals der SWX New Market Index (SNMI) lanciert.
Jedoch auch auf dem SWX New Market verloren die Investoren rück- blickend viel Geld. Obwohl der SWX New Market als einziger neuer Markt Ende 2000 im Plus geschlossen hat (der SNMI-Index lag 20 Prozent höher ge- genüber dem Vorjahr, während der Neue Markt in Frankfurt im Schnitt 40 Pro- zent verloren hatte16 ), hat sich das Klima zur Geldbeschaffung für zukunfts- trächtige Geschäftsideen massiv und langwierig verschlechtert.17 Auch in der Schweiz wurde das Geschehen von Kursabstürzen, Bilanzfälschungen etc. ü- berschattet. Von den 17 vorher am SWX New Market notierten Unternehmen sind heute nur noch acht hier gelistet.18 Acht haben an das Hauptsegment der Schweizer Börse gewechselt, eins (Miracle) ging Pleite.
Zwar hat die Einführung des Neuen Marktes und des SWX New Market das primäre Ziel, nämlich die bessere Eigenkapitalversorgung für innovative Wachstumsunternehmen, zuerst erreicht. Zudem wurde die Aktie als Anlagein- strument von vielen kleinen Privatanlegern erkannt. Dennoch war nachher die Enttäuschung für die Investoren, die nicht rechtzeitig ausgestiegen waren, sehr groß. Im Endeffekt wurde nicht nur der private Anleger geschädigt, auch die neuen Märkte standen vor dem Aus. Insbesondere der deutsche Kapitalmarkt hat schwere Schäden davongetragen. Das Scheitern des Neuen Marktes in Deutschland und des SWX New Market in der Schweiz hat das Vertrauen vie- ler Anleger in die Wachstumsunternehmen und in die Aktie als Anlageinstru- ment an sich in seinen Grundfesten erschüttert.
Der einzige Wachstumsmarkt in Europa, der vergleichsweise gut abge- schnitten hat, ist der britische Alternative Investment Market. Im Jahr 2002 kamen 41 neue Unternehmen in dieses Segment.19 Auf Grund lockerer Notie- rungsvorschriften für junge Unternehmen stellt der AIM eine gute Alternative zum Eintritt am offiziellen Aktienmarkt der London Stock Exchange dar. Im 2001 entfielen rund 40 Prozent aller Neuemissionen in Europa auf den AIM.
1.3. Die Gründe für das Scheitern von Wachstumsmärkten. Die Rolle der Wachstumsmärkte für die Innovationsförderung
Für den Absturz der neuen Märkte gab es mehrere Gründe. Einer davon war das Überwiegen von persönlichen und rein finanziellen Interessen der E- mittenten. Deren Ziel war das Erreichen eines scheinbaren, möglichst hohen Unternehmenswertes, um entsprechende Kapitalgewinne zu realisieren. Viele Firmengründer konnten kaum mehr als eine gute Idee vorweisen und wurden durch den Gang an die Börse über Nacht reich. Die Aussicht, mit einem schnellen Börsengang große Gewinne zu machen, führte oft zu vorschnellen Börsengängen. Auch Banken verdienten ihrerseits sehr gut an den Provisionen aus dem Emissionsgeschäft und überprüften zuweilen die Unternehmen auf ihre Emissionsfähigkeit hin nicht ausreichend. Durch die mangelnden Schutz- regelungen wurden also nicht nur Börsengänge von Unternehmer „guter“ Qua- lität gefördert.
Irrationale Bewertungen, verursacht durch besinnungslosen Optimismus taten ihr Übriges zum Niedergang der eigentlich so wichtigen Wachstumsseg- mente. Beispielsweise war eine Zeit lang das Medienunternehmen EM.TV mit gerade 284 Beschäftigten genau so viel wert wie die Lufthansa mit etwa 66.000 Beschäftigten.20
Diese Übertreibungen an den Aktienmärkten waren für viele Manager so verlockend, dass viele von ihnen straffällig wurden. Manche Unternehmen vernichteten in großen Mengen das Kapital, das von den Anlegern zur Verfü- gung gestellt wurde.
Solche Betrugsskandale können auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Der Anlegerschutz ist daher außerordentlich wichtig für den Kapitalmarkt. Das grundsätzliche Problem ist immer, dass nicht die Aktionäre, sondern das Management die Unternehmung leitet. Zwischen Risikokapitalgebern und dem Management besteht ein latenter Interessenskonflikt.
Im Nachhinein beschäftigte viele Börsenteilnehmer die Frage, ob Wachstumssegmente an den Börsen für neue innovative Unternehmen notwen- dig sind. Die einfachste Lösung, die damals vorgeschlagen wurde, war die völ- lige Abschaffung dieser speziellen Segmente: „Künftig sollte eine Gesellschaft erst dann an die Börse gelangen, wenn sich deren Produkte am Markt behaup- tet haben und sie Gewinne schreibt. Dann könnte durchaus eine Publikumsöff- nung erfolgen, aber über ein IPO an einem normalen Börsensegment“.21
Die überwiegende Meinung ist aber, dass es auch in der Zukunft solcher Segmente an den Börsen bedarf. Die Zufuhr von Wachstumskapital sollte die Entwicklung von Unternehmen ermöglichen. Die Möglichkeit der Fremdkapi- talfinanzierung und der anderen externen Eigenkapitalfinanzierungsformen sind in vielen Fällen ungenügend, mit untragbaren Auflagen verbunden oder schlichtweg unzugänglich für viele neu gegründete Firmen. Unternehmen mit Wachstumsraten von 30 bis über 100 Prozent pro Jahr aus den Bereichen der neuen Technologien können sich über traditionelle Kredite kein Kapital be- schaffen. Es ist immer wichtig, im Auge zu behalten, dass die technologieori- entierten Unternehmen wichtige Träger des Strukturwandels in der Gesell- schaft sind. Die Zukunftstechnologien sind Antrieb wirtschaftlicher Entwick- lung und Innovation und Vorraussetzung für das industrielle Wachstum. Sie setzen neue Technologien in erfolgreiche Produkte um. Der Vorteil gegenüber den größeren Unternehmen ist vor allem ein großes Maß an Flexibilität, Risi- kobereitschaft und Innovation.22 Kleinere Unternehmen forschen besonders stark. Solange ein Unternehmen Forschung betreibt und es ihm gelingt, markt- fähige Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, erzielt es gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil. Die Entwicklungen werden für eine Zeit lang durch die Patente, Lizenzen, exklusive Verkaufsrechte etc. geschützt, so dass eine Unternehmung zumindest innerhalb dieser Zeitspanne Absatzstei- gerungen erzielen kann und wächst. Davon ausgehend soll die Möglichkeit der Eigenkapitalaufnahme über die Börse nicht ausgeschlossen werden.
Durch die Option eines Börsengangs werden für alle Unternehmen die gleichen Rahmenbedingungen geschaffen. Dadurch kann zum Beispiel verhin- dert werden, dass die schneller wachsenden Konkurrenten früher ihre Skalenef- fekte realisieren und dann niedrigere Preise anbieten und andere Unterneh- mungen aus dem Markt verdrängen. Wachstumssegmente dienen als Vermittler zwischen risikofreudigen Investoren und Unternehmen, die neue Technolo- gien anbieten, und erfüllen eine wichtige Funktion der Innovationsförderung.
1.4. Maßnahmen zur Wiederbelebung von Kapitalmärkten
Ausgehend von der dramatischen Entwicklung der neuen Märkte in den letzen Jahren haben die Deutsche Börse AG und die SWX Swiss Exchange mehrere Maßnahmen zum Anlegerschutz getroffen. Sie wurden in Deutschland stark durch den Gesetzgeber angeregt. Die künftige Entwicklung der Aktien- märkte ist sehr stark davon abhängig, in welchem Ausmaß es gelingen wird, das Vertrauen aller Marktteilnehmer in die Integrität der Kapitalmärkte zu- rückzugewinnen. Es ging vor allem darum, gewisse Rahmenbedingungen zu schaffen, die der zunehmenden Globalisierung von Kapitalmärkten gerecht werden, und gewisse einheitliche nationale und internationale Standards zu setzen. Wesentliche Bedeutung kam dabei vor allem der Notierung und Zulas- sung von Wertpapieren auf den Aktienmärkten zu.
Die Maßnahmen zur Reform des Kapitalmarktes sind sehr umfassend und wurden sowohl von der Unternehmensseite her als auch vom Gesetzgeber und den jeweiligen Börsen getroffen.23 Am 28. August 2002 hat die Bundesre- gierung ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt, mit dem sie auf die Vertrauens- krise an den Finanzmärkten und auf die Empörung über Managerverhalten und Bilanzfälschungen reagierte. Das Ziel dieser Maßnahmen war vor allem die Steigerung des Unternehmenswertes und die Erhöhung der Börsenkapitalisie- rung durch mehr Transparenz, effizientere Publizität und besseren Anleger- schutz. Transparenz impliziert die Schaffung eines einheitlichen Informations- niveaus für alle an den Kapitalmärkten beteiligten Parteien. Die Informationen sollen vollständig und ohne zeitliche Verzögerung den Marktteilnehmern zu- gänglich gemacht werden, alle Informationsvorteile sollen beseitigt werden. Unter Publizität versteht man die Aufgabe, wesentliche Informationen für die Entscheidungen zu liefern, um die Unsicherheiten bei der Entscheidungsfin- dung zu reduzieren. Dadurch werden die Marktteilnehmer über die Vermö- gens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten sowie über voraussichtliche wei- tere Unternehmensentwicklung unterrichtet. Das macht die Märkte für die An- leger attraktiv. Des Weiteren geht es darum, adäquate Kontrollstrukturen zum Schutz der Aktionäre zu schaffen und bestimmte Regeln für das Verhalten von Vorständen und Aufsichtsräten gegenüber den Aktionären durchzusetzen.
Auch die Regelungen bezüglich der Börsenzulassung wurden verschärft, man wollte den Zugang zum Kapitalmarkt nur für die Unternehmen von guter Qualität ermöglichen. Alle diese Maßnahmen werden unter dem Begriff Corporate Governance zusammengefasst. Unter Corporate Governance versteht man allgemein Führung und Überwachung des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen des Kapitalmarktes und der Stakeholder mit dem Ziel, Interessenskonflikte zwischen Aktionären und Managern abzuschwächen. Es handelt sich dabei um die Funktionsteilung der Organe Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Beziehung zu Anteilseigner.
2001 wurde der deutsche Corporate-Governance-Kodex verabschiedet. Der Kodex ist kein Gesetz, sondern ein „Code of Best Practice“ - eine freiwillige Selbstverpflichtung. Die Unternehmen unterwerfen sich diesen Regeln, um das Vertrauen der Anleger zu stärken. Dies soll längerfristig zu steigenden Aktienkursen führen. Die Börsen, Investoren und Regierungen haben ihrerseits länderspezifische Kodizes ausgearbeitet. Der CG-Kodex hat eine Kommunikationsfunktion für den Kapitalmarkt und fungiert als Regelwerk für die Unternehmungen. Für die internationalen Anleger soll er zum Verständnis der spezifischen deutschen Unternehmensstruktur beitragen.
Am 26. Juli 2002 ist das Transparenz- und Publizitätsgesetz24 in Kraft getreten, welches die Empfehlungen der Regierungskommission „Corporate Governance“ umsetzt.25 Das Ziel des Gesetzes ist vor allem, den Finanzplatz Deutschland zu stärken, indem Transparenz- und Publizitätsvorschriften ver- bessert werden. Das TransPuG verstärkt die Rechte der Aufsichtsräte und er- weitert die Berichtspflichten des Vorstandes. Der Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Unternehmung verpflichten sich, jährlich zur Anwendung der Kodex-Empfehlungen Stellung zu nehmen. Ebenfalls sollte die Unterneh- mensführung und -kontrolle auf den internationalen Stand gebracht werden. Für die Vorstände und Aufsichtsräte einer börsennotierten Aktiengesellschaft wurde der Corporate Governance Verhaltenskodex eingeführt, der ebenfalls rechtlich unverbindlich ist. Der Gesetzgeber verlässt sich hier auf die Len- kungsfunktion des Kapitalmarktes. Man erwartet, dass die Anleger sich von denjenigen Unternehmen abwenden werden, die den Kodex in ihrer Tätigkeit nicht umsetzen.
Der deutsche Gesetzgeber hat auch bereits weitere legislative Schritte angekündigt, wenn diese freiwilligen Selbstverpflichtungen nicht hinreichend in den Unternehmen umgesetzt werden. Das Finanzministerium arbeitet au- genblicklich eine neue Verordnung aus, die private Investoren künftig besser vor Manipulation von Kursen und Marktpreisen schützen soll.26 So sollen aus- drücklich Praktiken verboten werden, die dem Anleger eine nicht bestehende Tatsache als existent darstellen, zum Beispiel wenn fälschlich behauptet wird, ein Großauftrag sei vereinbart worden. Auch das Verschweigen einer Tatsache, die den Kurs negativ beeinflussen würde, soll bestraft werden. Abgesprochene Transaktionen wie Gegenaufträge oder Zusammenschlüsse der Käufer, um den Kurs einer Aktie in die Höhe zu treiben, werden untersagt. Geahndet werden soll auch das Ausstreuen und Verbreiten von Marktgerüchten.
Weiterhin haben Justizministerin Zypries und Finanzminister Eichel Anfang Dezember 2003 einen Gesetzesvorschlag präsentiert, der dir Grundlage für eine wirksamere Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften in etwa 1000 „kapitalmarktorientierten“ Unternehmen legen soll.27 Die bisherige Kon- trolle der Bilanzen durch den Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer wird nicht als ausreichend angesehen. Der Vorschlag aus der Regierung sieht eine zusätz- liche Kontrolle der Bilanzen von Unternehmen vor, die an einer deutschen Börse notiert sind. Die Kontrollfunktion soll durch eine unabhängige, privat- rechtlich organisierte Stelle wahrgenommen werden. Diese Prüfstelle soll die Bilanzen stichprobenweise auf Verdachtsmomente hin überprüfen. Sollte das betroffene Unternehmen die Kooperation verweigern, kann die BAFIN einge- schaltet werden. Vertiefte Prüfungen dieser Art gehen zu Lasten der einzelnen Unternehmen.
In der Schweiz wurde im Jahr 2002 die neue Transparenz-Richtlinie der Schweizer Börse zur Corporate Governance verabschiedet.28 Diese Richtlinie soll die Emittenten dazu anhalten, den Investoren gewisse Schlüsselinformati- onen zur Corporate Governance zugänglich zu machen. Die Richtlinie betrifft alle Emittenten, deren Aktien in der Schweiz notiert sind und die dort ihren Geschäftssitz haben. Sie verpflichtet die Emittenten alle wichtige Aspekte zur obersten Führung des Unternehmens zu veröffentlichen oder eine Begründung abzugeben, warum diese Angaben nicht bekannt gegeben werden können. Es müssen außerdem die Informationen zur Konzernstruktur, zum Aufsichtsrat, über bedeutende Aktionäre sowie Kreuzbeteiligungen bereitgestellt werden.
Zudem sind die Angaben über die Kapitalstruktur, Kapitalveränderungen, Aktien, Partizipationsscheine und Genussscheine erforderlich. Gesondert sollen die Mitwirkungsrechte der Aktionäre aufgeschlüsselt werden. Die Deutsche Börse AG hat ebenfalls im Hinblick auf die unsichere Marktlage und Missbräuche bei den Neuemissionen Going-Public-Grundsätze verabschiedet29, die ihrerseits zur Transparenz und zum besseren Anleger-schutz beitragen sollen. Aber auch hier ist die Einhaltung nicht zwingend, eine Verankerung in der Börsenordnung erfolgte nicht und es bestehen keinerlei Sanktionsmöglichkeiten seitens der FWB. Eher soll der Kapitalmarkt in eige-ner Sache entscheiden, ob er den Emissionen ohne Einhaltung dieser Grundsät-ze sein Vertrauen schenken wird.
1.5. Die Änderung der Börsengesetzgebung und deren Umsetzung an der Frankfurter Wertpapierbörse
Eine weitere Gruppe von Maßnahmen betraf die Umstrukturierung des Börsenrechts. Am 1. Juli 2002 ist das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz30 in Kraft getreten, mit dem das vorherige Börsenrecht stark geändert wurde. Das bisherige Nebeneinander der gesetzlichen und privaten Regelwerke sollte da- mit nun endgültig beseitigt werden. Der deutsche Kapitalmarkt hat sich in den letzen Jahren sehr dynamisch entwickelt, dieser Entwicklung konnten die Markteilnehmer vorher infolge fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht immer gerecht werden. In der Vergangenheit wurden international übliche Kapital- marktstandards in privatrechtlichen Regelwerken und Indexleitfäden verankert. Der Gesetzgeber ermöglichte dadurch den Börsen, gezielter auf die Bedürfnis- se der Kapitalmarktteilnehmer einzugehen. Durch die neu verabschiedeten BörsG31, WpHG32 und BörsZulV33 hat der deutsche Gesetzgeber zum ersten Mal die Möglichkeit geschaffen, internationale Kapitalmarktstandards öffent- lich-rechtlich zu verankern. Die neue Börsenordnung34 der Frankfurter Wert- papierbörse wurde ebenfalls verstärkt auf den Anlegerschutz ausgerichtet. Je- dem Börsenträger wurde erlaubt, weitgehend in eigener Verantwortung die Segmente neu zu strukturieren.35
Der gesamte Aktienmarkt an der Frankfurter Wertpapierbörse wurde neu segmentiert und weitgehend neu geregelt, die Normierung dieser Standards erfolgte im öffentlichen Recht der Börsenordnung, was deren Durchsetzbarkeit verbessern und damit für die erfolgreiche Rechtssicherheit sorgen sollte, das Vertrauen der Investoren wurde gestärkt.36
Das neue Gesetz brachte aber auch weitgehende Liberalisierung und Deregulierung: Es wurden nur die obersten Marktsegmente gesetzlich geregelt. Jede Börse hat ihr eigenes Regelwerk, dadurch wird der Wettbewerb unter den Börsen angekurbelt. Darüber hinaus verstärkt das vierte Finanzmarktförderungsgesetz die Überwachung von Kursmanipulationen, die jetzt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durchgeführt wird.
Heute gibt es statt des Neuen Marktes zwei neue Plattformen für die Börsengänge: Prime und General Standard. Die Unternehmen sollen jetzt ein Segment gezielt nach ihren Finanzierungsbedürfnissen auswählen können. Die Performance der beiden neuen Marktsegmente wird durch die neuen Indizes TecDAX und MDAX abgebildet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Die neuen IPO-Plattformen an der FWB. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Darstellung der Deutschen Börse AG.
Die Regelwerke des Neuen Marktes und des SMAX gehen im Prime Standard auf. Somit wurden diese Segmente überflüssig und abgeschafft. Das privatrechtliche Segment Neuer Markt wurde zum 5. Juni 2003 geschlossen. Der SMAX, in dem vor allem mittelständische Unternehmen aus den klassi- schen Branchen gelistet wurden, wurde ebenfalls zum 31. Dezember 2003 ge- kündigt. Die Performance wird in den neuen Indizes TecDax und MDAX ab- gebildet.
Von dieser Neusegmentierung erhoffte sich Deutsche Börse AG eine Erholung des Aktienmarktes und eine Stärkung des Vertrauens der Anleger. In Zukunft soll „nur weitsichtiges unternehmerisches Handeln und Profitabilität der notierten Firmen die Anleger wieder an die Börse ziehen“.37 Auch in der Schweiz plant die SWX, als Antwort auf die veränderten Marktbedingungen und im Angesicht des Zusammenbruchs vom bisherigen Wachstumssegment den Aktienmarkt neu zu strukturieren. Es werden bereits Gespräche mit den Marktteilnehmern und weiteren Interessensgruppen geführt. Im Moment wird eine Konkretisierung der Segmentierung vorgenommen, die der Zulassungsstelle und der Indexkommission bis Ende des Jahres zur Be-schlussfassung vorgelegt werden soll. Die definitive Ausgestaltung der regula-torischen Segmente und die Anpassungen von Indizes werden nach ihrer Ver-abschiedung durch die zuständigen Organe der Öffentlichkeit präsentiert.38 Allgemein nimmt die Anzahl der Börsengänge mit dem Aufschwung des Gesamtmarktes stark zu und bei einem Abschwung sehr stark ab. In den letzen Jahren ist die Anzahl der Neuemissionen im Wachstumsbereich in Euro-pa zum Erliegen gekommen. Einzig in London gab es nach 18 Monaten ein erstes Tech-IPO.39 In den USA spricht man bereits von einem wieder erwach-ten IPO-Markt. In 2002 sind gemäß den Zahlen von Thomas Venture Econo-mics immerhin neun Unternehmungen zum Börsengang angetreten.40 Geplant ist der Börsengang des Internet-Suchmaschinen-Herstellers Google. In Deutschland und in der Schweiz sind im Moment keine Neuemissionen im Technologiebereich geplant.
1.6. Fazit
Der Aktienmarkt spielt eine entscheidende Rolle bei der Versorgung der Wirtschaft mit Eigenkapital. Ohne einen organisierten Kapitalmarkt wären die Kosten der Intermediation enorm hoch und eine Unternehmung müsste selbst Risikokapitalgeber suchen. Dabei wäre es sehr schwer, Anleger zu fin- den, die Liquidität in der gewünschten Höhe und für die gewünschte Zeit über- lassen könnten.
[...]
1 Vgl. Rudolf, M. /Witt, P. (2002), S. 26.
2 Vgl. Rudolf, M./Witt, P. (2002), S. 30.
3 Vgl. Arlinghaus, O./Balz, U. (2001), S. 3.
4 Vgl. Kramer, K.-H. (1999), S. 76.
5 Zu Venture-Capital werden folgende Begriffe synonymisch gebraucht: Risikokapital, Wag- niskapital.
6 Bei einem Trade Sale erfolgt der Verkauf der Unternehmensanteile an ein oder mehrere In- dustrieunternehmen. Über Trade Sale können sich die Venture-Capital-Anbieter oder BA´s von ihren ehemaligen Beteiligungen lösen.
7 Zu diesen Finanzierungsformen siehe ausführlich Knips, S. (2000), S. 48 ff.
8 Bis zu 500.000 Euro privates Geldvermögen.
9 Vgl. Schefczyk, M. (2000), S. 16 ff.
10 Das sind vor allem die ungünstige steuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen und verbundenen Unternehmen, die verdeckten Gewinnausschüttungen, die steuerliche Ungleichbehandlung von In- und Ausländern sowie die Fiktion des kapitalersetzenden Darlehens. Vgl. Perlitz, M./ Reinhardt, M. (1999), S. 109.
11 Vgl. Schenek, A. (2001): Übung Going Public, o. S.
12 Vgl. Arlinghaus, O./Balz, U. (2001), S. 34.
13 Vgl. Beike, R./Köttner, A./Schlütz, J. (2000), S. 2.
14 Vgl. o.V. (2003): Der Neue Markt macht endgültig seine Türen zu, in: FAZ vom 04.06., S. 25.
15 Vgl. o.V. (2003): Neuer Markt: Die Chronik einer Kapitalvernichtung, o. S.
16 Vgl. o.V. (2001): Die neuen Märkte in Europa zwischen Ernüchterung und Hoffnung: Nur wenige Scherben in Zürich, in: FAZ v. 12.01., S. 26.
17 Vgl. Schaible, F. (2003): Harter Start für New Market: Experten fordern neutrale Zulassungsstelle für IPO, in: CASH v. 31.01., o. S.
18 Das sind: 4M Technologies Holding, BioMarin Pharmaceutical Inc., Crealogix Holding AG, Day Software Holding AG (Day Interactive Holding AG), E-centives, Inc., Pragmatica Holding AG (Isotis AG), Swissquote Group Holding AG und Think Tools AG.
19 Vgl. o. V. (2002): Neue Märkte versinken in der Bedeutungslosigkeit, in: FAZ v. 02.08., S. 21.
20 Vgl. Der Spiegel (2000), S. 118.
21 Vgl. o. V. (2002): Neue Märkte versinken in der Bedeutungslosigkeit, in: FAZ v. 02.08., S. 31.
22 Vgl. Fischer, C. (2000), S. 124.
23 Vgl. Seibert, U. (2003), S. 693 ff.
24 Vgl. TransPuG vom 19.7.2002.
25 Vgl. Carlsen, C./Richter, T. (2002), S. 18.
26 Vgl. o. V. (2003):Verschärfung des Anlegerschutzes geplant, in: NZZ v. 22.06., S. 25.
27 Vgl. o.V. (2003): Deutschland plant zweite Bilanzkontrolle, in: NZZ v. 9.12., S. 31.
28 Diese Richtlinie ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten und ist anzuwenden nach dem 1. Januar 2002, vgl. RL betr. Informationen zur Corporate Governance (2002).
29 Vgl. Deutsche Börse AG, Going Public Grundsätze vom 15. Juli 2002.
30 Vgl. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21. Juni 2002.
31 Vgl. Börsengesetz in der Fassung vom 1.06.2002.
32 Vgl. Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) in der Fassung vom 9.September 1998.
33 Vgl. BörsZulV in der Fassung vom 9. 9.1998.
34 Vgl. Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse Stand 01.07.2003.
35 Vgl. Leven, F.-J. (2003), S. 34.
36 Vgl. Neufeld, T. (2003), S. 18.
37 o.V. (2003): Umwälzungen an der Frankfurter Börse, in: IT Business News, Heft 03/2003, S. 25.
38 Vgl. Internetquelle: http://www.swx.ch.
39 Das IPO des Technologieunternehmens Wolfson Microelectronics war erfolgreich durchgeführt. Seine Aktien haben am 16. Oktober 2003 einen fulminanten Start gehabt, sie stiegen im Verlauf des frühen Vormittags um bis zu 31 Prozent und schlossen im Endeffekt 17 Prozent über dem Ausgabekurs der Aktie. Vgl. o.V. (2003): Wolfson-Aktien starten in London mit Kurssprung, in: NZZ v. 17.10., S. 31.
40 Vgl. o.V. (2003): Ein Silicon Valley an der Ostküste, in: NZZ: v. 15./16. 11., S. 29.
- Arbeit zitieren
- Andriy Rozhyk (Autor:in), 2004, Die Neustrukturierung der Frankfurter Wertpapierbörse. Börsensegmente für Wachstumsunternehmen in Deutschland im Vergleich zum Schweizer SWX New Market, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26178
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