Beschäftigt man sich mit sogenannten kritischen Medientheorien, so wird man mehr oder weniger zwangsläufig nach Medien suchen, in denen dieser Ansatz verwirklicht wurde. Unweigerlich wird der/die Interessierte dabei auf zwei Paradiesvögel in der Medienlandschaft stoßen. Die Rede ist von Offenen Kanälen und dem Internet.
Diese beiden Medien stechen aus dem gewohnten Komplex der Massenmedien, also Printmedien aller Art, Radio und Fernsehen durch ihren nicht so formellen und in Konventionen erstarrten Charakter heraus und lassen allein dadurch schon vermuten, eine Alternative zum sonstigen Medienangebot bieten zu können.
Ob diesem Eindruck des Betrachters entsprochen wird, und dies speziell nach den Grundzügen der Kritischen Medientheorie von ENZENSBERGER und BRECHT, soll in der folgenden Abhandlung untersucht werden.
Dabei werden zunächst die Inhalte der genannte Theorie dargelegt, worauf eine Darstellung der Konzeptionen bzw. Erscheinungsformen der Offenen Kanäle und des Internets folgt. Letztendlich wird versucht, die gefundenen Resultate zu ordnen und zu interpretieren, auch im Hinblick auf ihre Beständigkeit in der zukünftigen Entwicklung dieser beiden Medien. Leider konnte im Falle des Internets nur auf wenig (Daten-) Material zurückgegriffen werden, sodass in diesem Punkt sicherlich noch viel Forschungsbedarf besteht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Kritische Medientheorie
2.1 Grundlagen
2.2 Die Brecht’sche Radiotheorie
2.3 Die Kritische Medientheorie nach Enzensberger
3 Der Offene Kanal
3.1 Ansprüche an einen Offenen Kanal
3.1.1 in Bezug auf Demokratisierung und politische Bildung
3.1.2 mit Hinblick auf die Aktivierung des Publikums
3.2 Entwicklungsstand allgemein und am Beispiel des Offenen Kanals Hamburg
4 Das Internet
4.1 Chancen und Probleme der Nutzung i. S. der Kritischen Medientheorie
4.1.1 in der politischen Sphäre
4.1.2 als neues Medium der Massenkommunikation
5 Ergebnisse und offene Fragen
5.1 für die Offenen Kanäle
5.2 für das Internet
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Beschäftigt man sich mit sogenannten kritischen Medientheorien, so wird man mehr oder weniger zwangsläufig nach Medien suchen, in denen dieser Ansatz verwirklicht wurde. Unweigerlich wird der/die Interessierte dabei auf zwei Paradiesvögel in der Medienlandschaft stoßen. Die Rede ist von Offenen Kanälen und dem Internet.
Diese beiden Medien stechen aus dem gewohnten Komplex der Massenmedien, also Printmedien aller Art, Radio und Fernsehen durch ihren nicht so formellen und in Konventionen erstarrten Charakter heraus und lassen allein dadurch schon vermuten, eine Alternative zum sonstigen Medienangebot bieten zu können.
Ob diesem Eindruck des Betrachters entsprochen wird, und dies speziell nach den Grundzügen der Kritischen Medientheorie von Enzensberger und Brecht, soll in der folgenden Abhandlung untersucht werden.
Dabei werden zunächst die Inhalte der genannte Theorie dargelegt, worauf eine Darstellung der Konzeptionen bzw. Erscheinungsformen der Offenen Kanäle und des Internets folgt. Letztendlich wird versucht, die gefundenen Resultate zu ordnen und zu interpretieren, auch im Hinblick auf ihre Beständigkeit in der zukünftigen Entwicklung dieser beiden Medien. Leider konnte im Falle des Internets nur auf wenig (Daten-) Material zurückgegriffen werden, sodass in diesem Punkt sicherlich noch viel Forschungsbedarf besteht.
2 Die Kritische Medientheorie
2.1 Grundlagen
Beiden vorzustellenden Medientheorien gemein ist ihre Aversion dem kapitalistischen Gesellschaftssystem gegenüber. Im Falle Brechts ist die später so genannte Radiotheorie eingebettet in seinen literarischen Kampf für den Sozialismus, der sich durch sein gesamtes Werk, das hauptsächlich ja aus “schöner Literatur” besteht, zieht. Er war also kein Medienwissenschaftler im eigentlichen Sinn des Wortes.
Dasselbe gilt für Enzensberger, dessen Werk aus Lyrik und Essays zu verschiedensten gesellschaftlichen Themen zusammengesetzt ist. In seinem Fall wird die Kritische Theorie der Frankfurter Schule, die ebenfalls sozialistisch geprägt ist, mit verarbeitet.
Schon bei Brecht, stärker aber noch bei Enzensberger, wird von dem Gegensatz von Produktionsmitteln, d. h. allem, was zur Erzeugung von Massenkommunikation nötig ist, in Händen des herrschenden Kapitals und dem nicht an der Produktion beteiligten proletarischen Rezipienten ausgegangen. Jene, die über die Medien verfügen können, bestimmen auch deren Inhalte; diese sind dem kapitalistischen Profitinteresse untergeordnet und nutzen den hilflos ausgelieferten Rezipienten zur Erfüllung der Gewinnmaximierung aus.
Diese Prämisse gilt — speziell für Enzensberger — auch für den Vertrieb der Medien, also Zeitungen, Fernsehgeräte usw.
Aus dieser Konstellation ziehen beide, Brecht und Enzensberger, den selben Schluss: Es bedarf einer neuen Form von massenkommunikativer Öffentlichkeit, die vom Proletariat bestimmt sein muss. Wie diese Öffentlichkeit aussehen und wie sie erreicht werden kann, soll nun anhand beider Theorien in groben Zügen dargelegt werden.
2.2 Die Brecht’sche Radiotheorie
In seiner sogenannten Radiotheorie, die eine Zusammenfassung von in den Jahren 1927 bis 1932 entstandenen Arbeiten darstellt, befasst sich Brecht mit dem damals relativ neuen Medium Rundfunk.
Brecht geißelt die seiner Ansicht nach mangelhafte Ausnutzung der Möglichkeiten des Mediums, dessen Nutzung durch die Bourgeoisie “beschämende” Resultate zeitige (Brecht 1967: 122) und deshalb anders aussehen müsse.
Als erste zentrale Forderung erhebt er die Demokratisierung des Medienzugangs, d. h. die Heraushebung einiger Weniger, die für das Radio produzieren können, muss aufgehoben werden. Anstelle dessen sollen die “... aktuellen Ereignisse produktiv ...” werden, was nichts anderes bedeutet, als dass die vorher passiven Hörer/-innen durch die ihnen gebotene Möglichkeit selbst etwas für das Medium produzieren sollen (Brecht 1967: 124). Hier wird zum ersten Mal die Forderung nach einer Aktivierung des Publikums gestellt.
Desweiteren lehnt Brecht die reine Reproduktion von Ereignissen ab und verlangt, das Medium zur Direktübertragung wichtiger Geschehnisse wie z. B. Reichstagssitzungen oder Prozesse einzusetzen (ebd.). Dazu kommt noch die Forderung nach Interviews statt Referaten etwa von Politikerinnen und Politikern, d. h. Brecht möchte eine spontane Gesprächssituation erzeugen um zu erreichen, dass “... die Ausgefragten weniger Gelegenheit haben, sich sorgfältige Lügen auszudenken ...” (Brecht 1967: 125).
Die genannten Punkte beziehen sich alle auf die Übertragung realer Ereignisse; was die Kunst betrifft, so muss sie laut Brecht die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Radio ausnutzen. Als Beispiele nennt er hier u. a. “akustische Romane” (Brecht 1967: 126).
Zur Erprobung des Potenzials, welches das Radio bietet, sollen Studios eingerichtet werden (ebd.), die dann der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, um die oben geforderte Aktivierung des Publikums zu ermöglichen.
Brechts Theorie kann also auf den Nenner gebracht werden, dass zunächst einmal der freie öffentliche Zugang zum Medium geschaffen wird, um den bis dahin passiven Rezipientinnen und Rezipienten die Chance zu geben, aktiv selbst zu produzieren und so zum/zur Kommunikator/-in zu werden. Diese Produktionsweise würde dann im Zusammenspiel mit diversen Maßnahmen der Radioverantwortlichen zu einer Widerspiegelung der gesellschaftlichen Realität durch das Medium führen. Der Rundfunk soll nicht Altbekanntes wiederkäuen und gewissermaßen Ersatz für hergebrachte Medien sein, sondern seine ihm gegebenen Möglichkeiten und Eigenheiten ausnutzen.
Zu diesen beschriebenen Funktionen muss — und dies ist die zweite Hauptforderung — noch die des “Kommunikationsapparates” (Brecht 1967: 134) treten. Brecht sieht das Radio in seiner Idealform als Einrichtung, die den Rezipientinnen und Rezipienten zusätzlich noch die Möglichkeit gibt, mittels des Mediums zu kommunizieren. Dies soll nicht nur im oben beschriebenen Sinn über eine gestaltete Sendung geschehen, sondern im Rahmen von Fragestunden mit Regierenden. Der Rundfunk soll also als Kommunikationsmittel zwischen Volk und Regierung dienen (Brecht 1967: 134f.). Hier sieht die Radiotheorie den Rundfunk nicht nur als Mittel zur Aktivierung des Publikums, sondern schreibt ihm eine politische Funktion als Kontrollmittel der Regierten den Mächtigen gegenüber zu. Diese beiden Komponenten der Radiotheorie finden sich in folgendem Zitat wieder:
“Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen
Lebens ... wenn er es verstünde, ... den Hörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu
machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk
müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten
organisieren. ... Unsere Regierung hat die Tätigkeit des Rundfunks ebenso nötig [wie
das Volk].” (Brecht 1967: 134f.).
[...]
- Arbeit zitieren
- Uwe Rennschmied (Autor:in), 1998, Offene Kanäle und Internet - Medien, die kritische Theorien verwirklichen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26177
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