Die Josephsgeschichte ist ein poetisches, anthropologisches und theologisches Meisterwerk. Sie lebt aus sich, spricht für sich, sie hat eine klare Thematik und einen wohl durchdachten Aufbau. Betrachtet man die zahlreichen farbigen Einblicke, die diese Geschichte in die Lebenswelt von Menschen einer längst vergangenen Zeit gewährt, liegt der Schluss nahe, dass es eine Reihe konkreter Allegorien zu realen Gruppierungen oder Personen gibt, die sich in den Figuren der Handlung reflektieren. Die relativ klar beschriebenen und auffälligen zeitgeschichtlichen Ereignisse in der Josephsgeschichte - Einsetzung eines Ausländers zum Wesir, lang anhaltende Hungersnot, Umsiedlung eines ganzen Stammes ins Ausland - lassen darauf schließen, dass es sich bei Joseph nicht nur um eine literarische, sondern auch um eine historische Gestalt gehandelt haben könnte. Genau diesen Fragen soll sich die folgende Arbeit widmen: Gab es einen historischen Joseph oder ist alles nur eine Fiktion, eine Sage? Konnten die Autoren der Josephsgeschichte Details aus der ägyptischen Geschichte kennen und was hat sie motiviert, diese für die Darstellung einer Geschichte Israels zu verwenden? Zu diesem Zweck sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die wichtigsten und, mir mehr oder weniger, am plausibelsten erscheinenden Theorien, zum historischen Joseph, ihren Platz finden - u.a. jene von J. H. Breasted, David Rohl und Robert Ranke-Graves. Demgegenüber soll der Text betrachtet werden unter dem Gesichtspunkt verschiedener Bezüge, zur babylonischen, sumerisch/akkadischen und ägyptischen Mythologie. D. h., es wird die Frage gestellt: Welche Präliterarisierungen des Stoffes finden sich im Gilgamesch-Epos und im Weltschöpfungsepos der Zweistromkultur bzw. im ägyptischen Osiris-Mythos und wieso finden sich so viele Ähnlichkeiten und Parallelen? Zum anderen soll eine Position beleuchtet werden, die vor allem von Walter Dietrich vertreten wurde, und die gewissermaßen stellvertretend für e inen modernen theologischen Ansatz steht, der die Erzählung vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung Israels zu deuten versucht: Die Josephserzählung als Ergebnis einer Kulturfusion von nord- und südisraelitischer Erzähltradition und damit als ein Zeugnis israelischer Geschichtsschreibung. [...]
Inhaltsverzeichnis
A. Vorwort
B. Theorien für die Existenz eines historischen Joseph
1. Joseph im Zeitalter der Hyksos
1.1 Historisches
1.2 Joseph als Wesir des Südens unter Ahmose I. (1580-1557) (H. J. Breasted)
2. Joseph / Janhamu – Verwalter unter Echnaton 3 (1375-1358) (Ranke-Graves/Patai)
3. Joseph in der Zeit Amenophis` III. (um 1670) (David Rohl)
C. Die Josephserzählung als literarische Fiktion
4. Die mythischen Elemente der Josephserzählung
(Jeremias/Westermann)
5. Die Josephserzählung als Geschichtsschreibung 10 des israelitischen Volkes (Walter Dietrich)
D. Schlussfolgerungen
E. Anhang
A. Vorwort
Die Josephsgeschichte ist ein poetisches, anthropologisches und theologisches Meisterwerk. Sie lebt aus sich, spricht für sich, sie hat eine klare Thematik und einen wohl durchdachten Aufbau. Betrachtet man die zahlreichen farbigen Einblicke, die diese Geschichte in die Lebenswelt von Menschen einer längst vergangenen Zeit gewährt, liegt der Schluss nahe, dass es eine Reihe konkreter Allegorien zu realen Gruppierungen oder Personen gibt, die sich in den Figuren der Handlung reflektieren. Die relativ klar beschriebenen und auffälligen zeitgeschichtlichen Ereignisse in der Josephsgeschichte – Einsetzung eines Ausländers zum Wesir, lang anhaltende Hungersnot, Umsiedlung eines ganzen Stammes ins Ausland – lassen darauf schließen, dass es sich bei Joseph nicht nur um eine literarische, sondern auch um eine historische Gestalt gehandelt haben könnte.
Genau diesen Fragen soll sich die folgende Arbeit widmen: Gab es einen historischen Joseph oder ist alles nur eine Fiktion, eine Sage? Konnten die Autoren der Josephsgeschichte Details aus der ägyptischen Geschichte kennen und was hat sie motiviert, diese für die Darstellung einer Geschichte Israels zu verwenden? Zu diesem Zweck sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die wichtigsten und, mir mehr oder weniger, am plausibelsten erscheinenden Theorien, zum historischen Joseph, ihren Platz finden – u.a. jene von J. H. Breasted, David Rohl und Robert Ranke-Graves. Demgegenüber soll der Text betrachtet werden unter dem Gesichtspunkt verschiedener Bezüge, zur babylonischen, sumerisch/akkadischen und ägyptischen Mythologie. D. h., es wird die Frage gestellt: Welche Präliterarisierungen des Stoffes finden sich im Gilgamesch-Epos und im Weltschöpfungsepos der Zweistromkultur bzw. im ägyptischen Osiris-Mythos und wieso finden sich so viele Ähnlichkeiten und Parallelen? Zum anderen soll eine Position beleuchtet werden, die vor allem von Walter Dietrich vertreten wurde, und die gewissermaßen stellvertretend für einen modernen theologischen Ansatz steht, der die Erzählung vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung Israels zu deuten versucht: Die Josephserzählung als Ergebnis einer Kulturfusion von nord- und südisraelitischer Erzähltradition und damit als ein Zeugnis israelischer Geschichtsschreibung.
Da eine ganze Reihe von Datierungsansätzen in Bezug auf den historischen Joseph in die Zeit des Unterganges des Mittleren Reiches fallen, soll zu Beginn ein kurzer Abriss dieser historischen Entwicklungen gegeben werden. Ich verwende als Grundlage für diesen historischen Teil ein, zum Standartwerk gewordenes, Buch: „Die Geschichte Ägyptens“ von J. H. Breasted. Wenngleich schon 1910 erschienen und in vielen Detailfragen überholt, soll es für die Zwecke dieser Arbeit genügen. Zur Bewertung der Theorie von David Rohl soll am geeigneten Ort (Punkt 3) noch etwas gesagt sein, da dieses Werk in der Fachwelt einigermaßen umstritten ist. Es gibt eine ganze Reihe von Übertragungen, der in altsumerischer Keilschrift gebannten Mythen. Ich habe mich auf eine seriöse Übersetzung des Gilgamesch-Epos von Hartmut Schmökel (Stuttgart,1992) bezogen; die übrigen Mythen entstammen der Übertragung von Franzis Jordan (‚In den Tagen des Tammuz‘ München, 1950). Die Vorgehensweise bei der Gegenüberstellung der Erzählung zu den mythischen Präliterarisierungen folgt dem Prinzip der Motivreihen innerhalb der Josephsnovelle. Am Ende sollen die einzelnen Historisierungstheorien bewertet werden und die Fragestellung unter dem Gesichtspunkt der einzelnen vorangegangenen Sinnabschnitte der Arbeit noch einmal erläutert werden. Sämtliche zitierte Bibelstellen entnahm ich der Lutherbibel in der 84er Revision.
B. Theorien für die Existenz eines historischen Joseph
1. Joseph im Zeitalter der Hyksos
1.1 Historisches: Der Untergang des Mittleren Reiches – Aufstieg und Fall der Hyksos
Der Übergang der zwölften zur dreizehnten Dynastie, der zugleich das Ende des Mittleren Reiches bedeutete, war geprägt von politischer Instabilität und großem Elend. Die Gaufürsten, soweit sie nicht schon vom früheren Pharao – Sesostris III. – bereits weitgehend besiegt worden waren, erhoben sich gegeneinander und kämpften um den Thron des Pharao. Schließlich gelang es einem Usurpator, namens Neferhotep, die Macht an sich zu reißen und sich eine gut gegründete Herrschaft zu sichern.1 Diese Restauration währte nur drei Generationen, dann zerfiel das Land aufs Neue in kleine Reiche, deren bedeutendstes im Süden, das thebanische war. Die meisten der damals herrschenden Könige sind uns im Turiner Königspapyrus überliefert. Diese Liste enthält die Überreste von wenigstens 118 Königsnamen, deren unaufhörliche Kämpfe um den Gewinn oder die Erhaltung des Königsthrones die Geschichte der anderthalb Jahrhunderte nach der zwölften Dynastie ausfüllte. Das Fehlen einer einheitlichen Verwaltung, eines Bewässerungssystems und die unsicheren Verhältnisse im Allgemeinen, hemmten jeden landwirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Als natürliche Folge dieser innenpolitischen Situation, drangen fremde Mächte von Außen in das Land ein. Von Asien her strömten nunmehr (1675 v. Chr.) eine große Menge semitischer Horden in das Delta.2 Diese Eindringlinge bezeichnet der antike Historiker Flavius Josephus als die ‚Hyksos‘. Jene Volksgruppe siedelte in der Delta-Region des Nordens an einem Ort, genannt ‚Auaris‘, das spätere ’Goschen‘ (siehe Punkt 3). Josephus berichtet, dass diese Gruppierung ein Volk von Hirten war. ‚Hyk‘ bedeutet in der heiligen Sprache: ‚König‘, und ‚Sos‘ bedeutet in der Volkssprache: ‚Hirte‘.3 Von der Herrschaft dieser Volksgruppe weiß man nicht mehr, als von ihren Zeitgenossen, den ägyptischen Fürsten, die unter ihnen in Theben und wahrscheinlich in ganz Oberägypten weiter herrschten. Die Überlieferungen der antiken Historiker ergeben, dass die Hyksoskönige dem ganzen Land Tribut auferlegten. Es ist möglich, dass der Anfang ihrer Regierung eine allmähliche Einwanderung war, ohne alle Feindseligkeiten, wie der Historiker Manetho es berichtet.4 Breasted resümiert: „Der Einfluß, den diese, Syrien und Palästina sowie das untere Niltal in sich schließende, Fremdherrschaft auf die Ägypter ausübte, war ein ganz gewaltiger (...). Sie brachten das Pferd ins Niltal und lehrten seine Bewohner den Krieg in größerem Maßstab kennen.“5 Etwa um 1600 v. Chr., fast 2000 Jahre nach dem Untergang der zwölften Dynastie, muss ein Gaufürst, namens Sekenenrè, unter der Oberherrschaft des Hyksoskönigs Apophis die Stadt Theben beherrscht haben. So jedenfalls gibt uns eine Erzählung aus der Ramessidenzeit Auskunft. Weiter berichtet sie, dass Apophis ein Komplott gegen König Sekenenrè plante. Breasted nimmt an, dass dieses hier geschilderte Ereignis, der Auslöser eines langen Befreiungskrieges gewesen sein könnte.6 Der Kampf erstreckte sich über drei Generationen und fand erst unter Ahmose I., um 1580 v.Chr. sein Ende. Der genaue Zeitpunkt für die schließliche Niederlage der Hyksos lässt sich nicht genau ermitteln. Es ist allerdings bekannt, dass Ahmose in der Folge noch gegen eine ganze Reihe von Gaufürsten kämpfte, die nunmehr versuchten, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Ahmose I. gelang schließlich die weitgehende Einigung des Reiches unter dem Thron des Pharaos.
1.2 J. H. Breasted: Joseph als Wesir des Südens unter Ahmose I.
Breasted baut seine Theorie auf die Überlieferungen des antiken Historikers Manetho. Es ist vor allem seine Geschichte Ägyptens, die ‚Aigyptiakà‘, bzw. den Auszügen, die durch Flavius Josephus übernommen wurden. Folgt man Manethos Ansichten, so handelt es sich bei den eingefallenen Volksstämmen – den Hyksos – um semitische Gruppen aus dem Siedlungsgebiet der Levante. Zudem fanden Archäologen mehrere Skarabäen eines ägyptischen Königs, der offenbar in die Hyksoszeit gehört und der den Namen Jakob-her trug. Es ist von daher nicht unmöglich, dass ein Führer der Jakobstämme von Israel eine Zeit lang die Herrschaft im Niltal innehatte. Mit einer genauen Datierung hält sich Breasted zurück: „Ein solches Ereignis würde überraschend gut zu dem Eindringen israelitischer Stämme nach Ägypten passen, das auf jeden Fall ungefähr in dieser Zeit stattgefunden haben muß.“1 Entscheidend ist jedoch immer noch, dass die Israeliten nicht in Form einer homogenen geschlossen Gruppe, sondern in Zusammenhang mit anderen Volksgruppen nach Ägypten eingewandert sind. Die Hebräer in Ägypten würden dann nur ein Teil, der mit den Kadesch- oder Hyksosreich verbundenen Beduinen gewesen sein. Deren Anwesenheit dort, gab der Überlieferung den teilweise richtigen Zug, daß die Hyksos Hirten waren. Zur Frage einer klaren Zuweisung des Volksstammes mit der biblischen Gruppierung, äußert sich Breasted nur sehr kurz und sehr zurückhaltend: „Auch die naive Annahme des [Flavius] Josephus, der die Hyksos mit den Hebräern identifiziert, mag auf diese Weise einen, wenn auch zufälligen Kern von Wahrheit enthalten. Aber wir wollen derartige Kombinationen nicht machen, ohne uns über ihren hypothetischen Charakter völlig klar zu sein.“2 Am Ende seines Kapitels, geht Breasted noch auf den Zusammenhang ein, von hebräischer Überlieferung und der Tatsache, dass sich ganz Ägypten nun mehr im Besitz des Pharaos befand. Er glaubt, dass diese Sachlage in der Überlieferung als das direkte Resultat der Klugheit Josephs hingestellt wird.3 Am Ende wird deutlich, dass Breasted nicht ernsthaft an eine historische Josephsgestalt glaubt. Vielmehr sieht er eine Reihe von historischen Gegebenheiten, die im Nachhinein als Ergebnis eines Wirkens des Volkes Israel dargestellt wurden. Eine Allegorisierung der Figuren mit politischen oder ethnischen Gruppierungen, wie Walter Dietrich behauptet, erkennt Breasted nicht. Über den hypothetischen, spekulativen Charakter seiner Theorie ist sich Breasted völlig im Klaren (s.o.).
2. Joseph/Janhamu – Verwalter unter Echnaton ( 1375-1358 v. Chr.)
Der britische Literaturwissenschaftler Robert von Ranke-Graves und Raphael Patai, Anthropologe und Bibelforscher, haben sich in einer Publikation den Mythen innerhalb der hebräischen Überlieferungstraditionen gewidmet. Ihre Darstellung umfasst die Nacherzählung der tradierten Mythen und einen Kommentar zu jeder einzelnen Episode. Unter anderem findet sich auch ein Kapitel zur Josephserzählung. Es handelt sich zwar nicht um den biblischen Wortlaut, aber die Erzählung ist in Struktur, Aufbau und Inhalt identisch mit der biblischen Darstellung in Gen. 37-50. Von daher können wir die Aussagen des Kommentars auf den hier zu untersuchenden Gegenstand anwenden.
Die Autoren erkennen in dem Aufstieg eines semitischen Heerführers, namens Janhamu, die historische Grundlage dieses Mythos.4 Dieser Aufstieg vollzog sich unter den Pharaonen der 18.
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1 siehe Breasted S. 194
2 Vgl. Breasted S. 196
3 Zit. n. Breasted S. 198
4 Zit. n. Breasted S. 202 6 Vgl. Breasted S. 205
5 siehe Breasted S. 204
6 Vgl. Breasted S. 205
1 siehe Breasted S. 202
3 Vgl. Breasted S.198
2 ebenda
4 Vgl. Patai/Graves S. 329
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