Verschmelzung von Wissenschaft und Kunst
„Warum eigentlich sind die Hunde noch immer nicht blau mit roten Flecken? Und warum eigentlich leuchten die Hasen noch immer nicht wie Irrlichter in den nächtlichen Gefilden? [...] Warum eigentlich betreiben wir Viehzucht noch immer mit wirtschaftlichen Absichten und noch immer nicht mit künstlerischen? Flussers Aufsatz aus dem Jahr 1988 beginnt mit dieser (provokanten) Fragestellung. Als Kontext der Fragestellung steht die Tatsache, dass einerseits die tierische Produktion in der westlichen Welt größer als der Verbrauch ist, andererseits die Techniken, die es ermöglichen können, künstliche Tierarten herzustellen. Durch die technisch und kulturell bedingte Veränderung der uns umgebenden Natur hat der Mensch künstliche Lebensumwelten geschaffen. Perspektivisch sieht Flusser den Menschen in einem „Disneyland, in welchem dank Automatisation arbeitslos gewordene Menschenmassen aufeinander stoßen.“ Der künftige Disney wird, u.a. Molekularbiologe sein.
Tierische Organismen scheiden Farbstoffe aus, die eine wichtige Lebensfunktion haben, sie dienen dem Überleben des Individuums in Form von Tarnfarbe oder dem Überleben einer Art in Form von Lockfärbung. Die Genetik kann in diesen Prozess schöpferisch eingreifen. Für Flusser wandelt sich das Ausscheiden von Farbstoffen bei tierischen Organismen zu einer wichtigen, ästhetischen, Funktion für das Überleben des Menschen. „Das Disneyland wird von bunten Tieren wimmeln, damit die Menschen darin nicht vor Langeweile sterben.“ Zu einem relativ frühen Zeitpunkt gibt dieser Aufsatz Einblick in die Perspektiven, Möglichkeiten und auch Gefahren, die der Umgang mit den technischen Möglichkeiten der Genetik und der Biotechnologie bietet. Neben der Gentechnik sind auch die Forschungen zu künstlicher Intelligenz vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Beide werden das Leben in der (nicht allzu fernen) Zukunft nachhaltig beeinflussen. Die Ars Electronica hat, vor allem seit Beginn der 90er Jahre, diese Themen als Schwerpunkte der Ausstellungen und Symposien gesetzt.
Inhalt
1 Die Verschmelzung von Kunst und Wissenschaft
2 Die Veränderung des Bildes vom Menschen
3 Künstliches Leben
3. 1 Begriff Lebewesen
3. 2 Künstliches Lebewesen
3. 3 Das Gen als kulturelles Ikon
3. 4 Projekt „Green“
3. 5 Transgene Kunst – Eduardo Kac
3. 6 SymbioticA – Forschungslabor für Kunst und Wissenschaft
4 Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence)
4. 1 Natürliche neuronale Netzwerke
4. 2 Intelligenzbegriff
4. 3 Geschichte der ‚Artificial Intelligence’
4. 4 Entwicklungslinien
4. 5 Voraussetzungen für die Verbindung AI und Kunst
5 Kunst und AI
6 Poly World
Bibliographie
Wissenskünste – Die Ars Electronica
1 Verschmelzung von Wissenschaft und Kunst
„Warum eigentlich sind die Hunde noch immer nicht blau mit roten Flecken? Und warum eigentlich leuchten die Hasen noch immer nicht wie Irrlichter in den nächtlichen Gefilden? [...] Warum eigentlich betreiben wir Viehzucht noch immer mit wirtschaftlichen Absichten und noch immer nicht mit künstlerischen?[1]
Flussers Aufsatz aus dem Jahr 1988 beginnt mit dieser (provokanten) Fragestellung. Als Kontext der Fragestellung steht die Tatsache, dass einerseits die tierische Produktion in der westlichen Welt größer als der Verbrauch ist, andererseits die Techniken, die es ermöglichen können, künstliche Tierarten herzustellen . Durch die technisch und kulturell bedingte Veränderung der uns umgebenden Natur hat der Mensch künstliche Lebensumwelten geschaffen. Perspektivisch sieht Flusser den Menschen in einem „Disneyland, in welchem dank Automatisation arbeitslos gewordene Menschenmassen aufeinander stoßen.“[2] Der künftige Disney wird, u.a. Molekularbiologe sein.
Tierische Organismen scheiden Farbstoffe aus, die eine wichtige Lebensfunktion haben, sie dienen dem Überleben des Individuums in Form von Tarnfarbe oder dem Überleben einer Art in Form von Lockfärbung. Die Genetik kann in diesen Prozess schöpferisch eingreifen. Für Flusser wandelt sich das Ausscheiden von Farbstoffen bei tierischen Organismen zu einer wichtigen, ästhetischen, Funktion für das Überleben des Menschen. „Das Disneyland wird von bunten Tieren wimmeln, damit die Menschen darin nicht vor Langeweile sterben.“[3]
Zu einem relativ frühen Zeitpunkt gibt dieser Aufsatz Einblick in die Perspektiven, Möglichkeiten und auch Gefahren, die der Umgang mit den technischen Möglichkeiten der Genetik und der Biotechnologie bietet.
Neben der Gentechnik sind auch die Forschungen zu künstlicher Intelligenz vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Beide werden das Leben in der (nicht allzu fernen) Zukunft nachhaltig beeinflussen.
Die Ars Electronica hat, vor allem seit Beginn der 90er Jahre, diese Themen als Schwerpunkte der Ausstellungen und Symposien gesetzt.
2 Die Veränderung des Bildes vom Menschen
Gegenstand der Diskussionen sind vor allem zwei Bereiche, die durch ihre rasante Entwicklung das menschliche Leben in immer stärkerem Maße beeinflussen werden: Computerwissenschaft und Gentechnik.
Technik kann als von Menschen gemachte Natur verstanden werden.[4]
Mittels neuer Technologien vollzieht sich eine kulturell bedingte Mutation unserer Wahrnehmung des menschlichen Körpers von einem natürlichen selbstregulierten System zu einem künstlich kontrollierten und elektronisch transformierten Objekt. Seit Turing verlor ‚Leben’ seinen natürlichen, carbonbasierten Kontext, auf das Konzept von ‚künstlicher Intelligenz’ folgte das Konzept von ‚künstlichem Leben’. Biowissenschaften lösen Physik und Chemie als ‚Leitwissenschaften’ im 21. Jahrhundert ab.
Genetik entstand im 20 Jahrhundert. 1910 gelang es Thomas H. Morgan nachzuweisen, das eine lineare Anordnung von Genen auf den Chromosomen existiert. Die moderne molekulare Gentechnologie ist eine Weiterentwicklung der Bakterien- und Phagengenetik der 60er Jahre. Der jüngste Zweig, die Bioinformatik , bildet die Basis der industriellen Anwendung. Mit dem Human Genom Project gelang es in den 80er Jahren erstmals, Forschungsgelder in einer Höhe zu erhalten, die bisher nur etwa Hochenergiephysik vorbehalten waren. Ca. 3 Mrd. US$ wurden bereitgestellt, um die 3 Mrd. Basenpaare DNA des menschlichen Genoms zu sequenzieren. Im Jahr 2000 wurde die Entschlüsselung durch die Firma Celera Genomics weitestgehend abgeschlossen.
Die Möglichkeit eines gezielten Eingriffs und die Veränderung des Genotyps, der ererbten und zur weiteren Vererbung vorgesehenen Grundlagen, werden in absehbarer Zukunft realisiert werden. Das klonen von menschlichen Körpern oder einzelner Organe wird in nicht allzu ferner Zukunft stattfinden. Durch diese Entwicklung stellen sich weitreichende ethische Fragen. Es geht hierbei nicht darum, ob man einen Menschen klonen darf, die Fragen müssen darauf abzielen, wie geht man mit der realen Möglichkeit um, welche Rechte und Verpflichtungen müssen zum Umgang geschaffen werden. Den Genen wird das Attribut zugeschrieben, Code des Lebens zu sein und damit die Möglichkeit verbunden, die komplexen Abläufe und Wechselwirkungen des Lebens zu verstehen und zu beherrschen.
3 Künstliches Leben
Die ersten künstlichen Menschen tauchen in der griechischen Mythologie auf und wurden von Hephaistos gefertigt.[5] Auch Daidalos konstruierte Statuen, die lebensecht wirkten.[6] Die Versuche, mechanische Lebewesen zu erschaffen, finden einen ihrer Höhepunkte im 17. und 18. Jahrhundert, indem es Uhrmachern gelang, Androiden (aner, andros = Mann, Mensch) zu schaffen, die Tätigkeiten ausführten, die bis dahin Menschen vorbehalten waren. Besonders der Flötenspieler, ein Android von Jacques de Vaucanson, sorgte für Aufsehen. Er konnte die Lippen und die Finger naturgetreu bewegen und zwölf Stücke spielen.
Im Bereich menschliches, biologisches Leben (Retorte) waren es vor allem die Alchemisten, die derartige Versuche unternahmen. Ein der bekanntesten Rezepturen stammt von Paracelsus, der ca. 1530 das Sperma in einem kürbisartigen Gefäß mit Hilfe von Pferdemist einem Fäulnisprozess unterzieht. Bei gleichbleibender Wärme und mit Menschenblut genährt, sollte nach 40 Tagen ein Kind entstehen, das allerdings viel kleiner als ein auf ‚klassischem’ Weg geborenes ist (homunculus – Menschlein). Als Mediziner wollte Paracelsus nicht auf das Sperma bei der künstlichen Zeugung verzichten. Goethes Wagner legt seinen Versuchen das rein alchimistische Verfahren zugrunde. Der Glaube, einen rein synthetischen Menschen zu erschaffen, wurde zur Zeit Goethes von vielen geteilt, da 1828 dem Chemiker Friedrich Wöhler die synthetische Herstellung von Harnstoff gelungen war.
Viktor Frankenstein verwendete bei der Schaffung seiner Kreatur hingegen menschliches Material. Mary Shelley verwendete in Frankenstein einige Elemente des Prometheus-Mythos. In der Figur des Viktor Frankenstein zeigt sich aber ein bedeutender Unterschied zum Prometheus als Menschenschöpfer. Dieser fühlte sich für seine Kreaturen verantwortlich, während Frankenstein sein Ziel, Leben zu erschaffen, ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse seiner Kreatur verfolgt. Hier findet sich die ethische Komponente, welche die Diskussion um die Gentechnik heute dominiert.
Der Mensch besitzt mittels Biotechnologie die Fähigkeit, eine zweite Schöpfungsgeschichte in Gang zu setzen, auf synthetischer Basis, ausgerichtet auf menschliche Produktion. Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms besteht die Möglichkeit, erstmals zu Ingenieuren des Lebens selbst zu werden. Biotechnologie ist in der Lage, genetische Codes von biologischen Lebewesen nach unseren ‚Bedürfnissen’ zu manipulieren.
3. 1 Begriff Lebewesen:
Systeme, die in der Lage sind, Informationen zu speichern und an kommende Generationen weiterzugeben. Diese Systeme müssen ebenfalls über die Fähigkeit verfügen, Stoffe (Energie) aufzunehmen und umzusetzen, um die zur „Speicherung und Weitergabe der Information notwendigen Strukturen und Werkzeuge aufbauen zu können (Stoffwechsel).“[7]
3. 2 Künstliche Lebewesen müssen dabei andere Strukturen und Bausteine verwenden als natürliche Organismen, also andere Informationsspeicher als Nukleinsäuren und andere Katalysatoren als Proteine.
Künstliches Leben in diesem Sinn ist mit Hilfe der Gentechnik nicht zu erreichen.
Eine weniger strikte Definition könnte davon ausgehen, dass künstliches Leben dann entsteht, wenn mittels derselben Grundstrukturen natürlicher Organismen völlig neue Lebewesen erschaffen werden.[8]
3. 3 Das Gen als kulturelles Ikon
Das Gen als kulturelles Ikon ist eine praktische Möglichkeit geworden, „das Wesen der Identität und die Kräfte zu erforschen, welche die menschliche Kultur gestalten.“[9]
In der zeitgenössischen bildenden Kunst lassen sich verschiedene Ansätze für den Umgang mit dieser Thematik finden. Die Genetik stellt eine Reihe von visuellen Metaphern bereit, deren sich die Kunst bedienen kann und mit deren Hilfe sich die Verbindung zwischen Natur und Kunst darstellen lässt. Der Eingang von wissenschaftlichen Bildern in die Kunst ist keine neue Entwicklung. In der Malerei des 17. Jahrhunderts wurden vielfach Entwicklungen und Entdeckungen aus den Bereichen Anatomie und Kartographie reflektiert, die Theorien von Zeit, Raum und Materie waren Inspirationsquelle für Kubisten und Surrealisten.[10] Zeitgenössische Künstler lassen sich von den Entwicklungen der Gentechnik in ihrem Schaffen beeinflussen, um das „essenzielle Wesen beobachtbarer Dinge zu enthüllen“[11] oder aber, um auf die gesellschaftlichen Probleme dieser Entwicklungen hinzuweisen.[12]
Eine der grundlegenden Fragen lautet daher auch, ob man [menschliches] Leben in seiner ganzen historischen und sozialen Komplexität auf eine „molekulare Entität“[13] reduzieren kann und darf. Diese Frage gewinnt an Bedeutung, je stärker menschliches Verhalten ursächlich auf genetische Veranlagungen zurückgeführt werden wird.
[...]
[1] Flusser; Blaue Hunde; Ars Electronica 1999
[2] ebd.
[3] Ebd.
[4] Weibel; Über gentische Kunst; in: Ars Electronica 1993
[5] Homer, Ilias, XVIII
[6] überliefert von Diodor
[7] Ruis, Helmut; Gentechnologie – ein Weg zu künstlichem Leben?; in: Ars Electronica 1993
[8] ebd.
[9] Nelkin; Das Gen als kulturelles Ikon; in: Ars Electronica 1999
[10] Vgl. Nelkin
[11] ebd.
[12] Nelkins Artikel vermittelt eine Auswahl an bildenden Künstlern, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. .
[13] ebd.
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