„Wir können Berlin von einem Ende bis zum anderen verwüsten, wenn sich die Amerikaner daran beteiligen. Es wird uns zusammen 400 oder 500 Flugzeuge kosten, Deutschland aber wird es den Krieg kosten.“ Dieser berühmte Satz von Arthur Harris, dem Oberkommandierenden der britischen Luftstreitkräfte, sollte 1943 die aus alliierter Sicht finale Luftschlacht gegen Berlin einleiten. Nachdem bereits zahlreiche deutsche Städte schwer beschädigt waren, erhofften sich die Alliierten durch die Zerstörung der Reichshauptstadt den Widerstand der Berliner Bevölkerung zu brechen. Der Kampfgeist und die Moral der Deutschen sollten geschwächt und dadurch Ablehnung gegen das NS-Regime geschürt werden, wodurch man sich ein rasches Kriegsende erhoffte. Der Plan der Alliierten war, mit gezielten Luftangriffen auf eng bebaute Innenstadtviertel Brände auszulösen, denen die Stadt selbst als Nahrung dienen sollte. Auf diese Weise sollte ein Feuersturm erzeugt werden, der alle brennbaren Materialien durch Temperaturen von über 1000 Grad zerstören würde.
Aus der Tatsache, dass die Berliner Bevölkerung vor 1933 meist links gewählt hatte, hatte man in England geschlossen, die Berliner würden bei intensivem Bombardement gegen das NS-Regime rebellieren. Dass dies nicht oder zumindest nicht in dem intendierten Ausmaß geschah, wissen wir heute. Doch wie sah die Haltung und Moral der betroffenen Zivilbevölkerung in Berlin tatsächlich aus? Diese Arbeit soll anhand von ausgesuchten Quellen Gründe dafür aufzeigen, warum der Bombenkrieg gegen Berlin und die damit verbundene Strategie der moralischen Schwächung der Bevölkerung nicht aufging. Dabei werden nicht die bereits ausführlich dokumentierten Luftangriffe oder die Strategien hinter den Bombardements der Alliierten im Vordergrund stehen, sondern die Folgen für und die Auswirkungen auf das Leben der Zivilbevölkerung. Das Leben unter den Bomben soll von unten, aus der Sicht der Betroffenen und nicht aus Perspektive der Ausführenden beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
Leben unter den Bomben – Berlin im Zweiten Weltkrieg
1. Berlin als Machtzentrum
1.1 Ziele der Alliierten
1.2 Situation in Berlin
2. Erfahrungsbewältigung
2.1. „Haltung“ der Berliner Bevölkerung
2.2. „Moral“ der Deutschen
3. Resümee
4. Literaturverzeichnis
Leben unter den Bomben – Berlin im Zweiten Weltkrieg
„Wir können Berlin von einem Ende bis zum anderen verwüsten, wenn sich die Amerikaner daran beteiligen. Es wird uns zusammen 400 oder 500 Flugzeuge kosten, Deutschland aber wird es den Krieg kosten.“[1] Dieser berühmte Satz von Arthur Harris, dem Oberkommandierenden der britischen Luftstreitkräfte, sollte 1943 die aus alliierter Sicht finale Luftschlacht gegen Berlin einleiten. Nachdem bereits zahlreiche deutsche Städte schwer beschädigt waren, erhofften sich die Alliierten durch die Zerstörung der Reichshauptstadt den Widerstand der Berliner Bevölkerung zu brechen. Der Kampfgeist und die Moral der Deutschen sollten geschwächt und dadurch Ablehnung gegen das NS-Regime geschürt werden, wodurch man sich ein rasches Kriegsende erhoffte. Der Plan der Alliierten war, mit gezielten Luftangriffen auf eng bebaute Innenstadtviertel Brände auszulösen, denen die Stadt selbst als Nahrung dienen sollte. Auf diese Weise sollte ein Feuersturm erzeugt werden, der alle brennbaren Materialien durch Temperaturen von über 1000 Grad zerstören würde.
Aus der Tatsache, dass die Berliner Bevölkerung vor 1933 meist links gewählt hatte, hatte man in England geschlossen, die Berliner würden bei intensivem Bombardement gegen das NS-Regime rebellieren.[2] Dass dies nicht oder zumindest nicht in dem intendierten Ausmaß geschah, wissen wir heute. Doch wie sah die Haltung und Moral der betroffenen Zivilbevölkerung in Berlin tatsächlich aus? Diese Arbeit soll anhand von ausgesuchten Quellen[3] Gründe dafür aufzeigen, warum der Bombenkrieg gegen Berlin und die damit verbundene Strategie der moralischen Schwächung der Bevölkerung nicht aufging. Dabei werden nicht die bereits ausführlich dokumentierten Luftangriffe[4] oder die Strategien hinter den Bombardements[5] der Alliierten im Vordergrund stehen, sondern die Folgen für und die Auswirkungen auf das Leben der Zivilbevölkerung. Das Leben unter den Bomben soll von unten, aus der Sicht der Betroffenen und nicht aus Perspektive der Ausführenden beleuchtet werden.
Die Quellenlage ist für Berlin sehr gut, neben Zeitzeugenberichten liegen uns auch Berichte des Sicherheitsdienstes der SS vor. Sie beleuchten, wenngleich sie sicherlich ideologisch geprägt und meist mit einer bestimmten Intention verfasst sind, die Situation und Stimmungslage aus der Sicht des Regimes. Die kontroverse Diskussion über eine Opferrolle der Deutschen, die vor allem durch Jörg Friedrichs Buch „Der Brand“[6] hervorgerufen wurde, sei hier nur am Rande erwähnt und ist bereits ausgiebig behandelt worden.[7]
1. Berlin als Machtzentrum
Berlin war als Macht- und Verwaltungszentrum des Dritten Reiches nicht nur ein Prestigeobjekt, sondern auch ein bedeutendes Industriezentrum. In dem Zeitungsartikel „Coming Battle“ der Washington Post vom 8. August 1943 heißt es über die Stadt: „Aside from being the largest city in the Reich, Berlin is also one of the most important of Germany’s industrial centers. It produces electrical equipment, machine tools, airplane engines, planes, parachutes, chemicals. It is the second largest inland port in the Reich [...] and it is one of the greatest railroad centers in Europe”[8]. Die Wehrmacht schätzte Ende 1940 die Anzahl der Beschäftigten in der Stadt auf 1,27 Mio. Menschen, was 7,8 Prozent aller deutschen Berufstätigen entsprach. Die geschätzten 276 Tausend Betriebe machten 8,7 Prozent derer im Reich aus. Die Wirtschaftskraft Berlins lag mit 14 Prozent des Gesamtumsatzes der deutschen Wirtschaft weit über dem Reichsdurchschnitt. Auch deshalb war Berlin 1943 die am stärksten flakgeschützte Stadt des Deutschen Reiches.
1.1 Ziele der Alliierten
Die wirtschaftliche und industrielle Bedeutung Berlins lässt vermuten, dass ein primäres Ziel der Alliierten die Ausschaltung der Stadt als Industriestandort gewesen sein muss, doch waren die Industrieanlagen nicht das Hauptziel der Bombardements. Die Angriffe richteten sich im Gegenteil bewusst gegen zivile Ziele.[9] Die erste Bombe auf Berlin fiel bereits am 7/8 Juni 1940, der erste größere Angriff erfolgte am 25. August. Die Royal Air Force (RAF) warf 22 Tonnen Bomben ab als Rache für den ersten deutschen Luftangriff auf London. Die Schäden blieben allerdings gering und am nächsten Morgen strömten Schaulustige zu den beschädigten Häusern. Berlin lag noch längere Zeit an der Grenze der Reichweite britischer Bomber, trotzdem gab es bis zum 30. September 1940 schon 515 Bombentote und 1617 total zerstörte Gebäude. Spätestens seit 1941 wurden Luftalarme für die Berliner zur Routine und die Ruinen in der Stadtmitte ein alltäglicher Anblick. Es folgte die von Arthur Harris initiierte Luftschlacht um Berlin, vom 18. November 1943 bis 25. März 1944: Bei insgesamt 16 Großangriffen durch Bomber der RAF und Amerikanischen Luftwaffe (USAAF) verloren mehr als 800 000 Berliner ihr Haus, ihre Wohnung, ihr Dach über dem Kopf. Mehr als 16 150 Schwerverletzte und über 9000 Tote unter der Zivilbevölkerung waren zu beklagen. Insgesamt warfen die Alliierten über 30 000 Tonnen Bomben ab, davon die Hälfte Brandbomben. Die geplante Zerstörung zivilien Lebens war wissenschaftlich berechnet: Es sollte die gesamte Stadt verbrennen, mit allem was in ihr lebte. Arthur Harris sah den „Anzünder, der eine Stadt flächig verbrennt“[10] in der mittelalterlichen Innenstadt, wo er mit „Millionen von Stabbrandbomben“[11] ein Inferno entfachen wollte.
1.2 Situation in Berlin
In Berlin gab es nur einige zentrale Bunker, in der Regel suchte die Bevölkerung Schutz in den ausgebauten und verstärkten Kellern ihrer Häuser und in den U-Bahnschächten. Besonders seit 1943 war der Alltag der Berliner Bevölkerung von den ständigen Angriffen der Alliierten Luftstreitkräfte geprägt. Wenn Hans-Georg von Studnitz am 7. September 1943 in sein Tagebuch schreibt, dass das Leben „mehr und mehr durch die Luftkriegslage beherrscht“[12] wird und die „Haltung der Berliner Bevölkerung im allgemeinen großartig“ sei, bedeutete dies bereits Verluste, Tote und Elend. Man „gewinne Übung im Umgang mit Brandbomben und wie man Sandtüten und Wassereimer rechtzeitig in Aktion setzt.“[13] Das allabendliche Verdunkeln und die ständige Präsenz von Löschkanistern, Feuerpatschen und Löschsand gehörten zum täglichen Leben. Der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus geriet durch die permanenten Bombardements aus dem Gefüge. Viele gingen vollständig bekleidet ins Bett, um bei Alarm nur noch schnell das Laken um das Bettzeug zu knoten, das Bündel und die gepackten Koffer mit den wichtigsten Papieren zu greifen und in den Luftschutzkeller zu flüchten. Zeitzeugen beschreiben, dass man von Tag zu Tag lebte und von Alarm zu Alarm und jedes Mal froh war, einen Bombenangriff überlebt zu haben. So lautete der Gruß der Berliner, wenn sie sich verabschiedeten auch: „Bleibe übrig“. Man wusste nicht, ob man den nächsten Bombenangriff überleben würde. In einem Bericht eines Ausgebombten heißt es:
[...]
[1] Arthur Harris an Winston Churchill, 3. November 1943, PRO PREM 3/14/1; zitiert nach Boog, Horst: Strategischer Luftkrieg in Europa und Reichsluftverteidigung von 1943 bis 1944. in: Militärgeschichtsliches Forschungsamt (Hg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 7: Das Deutsche Reich in der Defensive. Stuttgart, München, 2001, S. 66 - 75.
[2] Vgl. Ebd., S. 76. und Hoffmeister, Burkhard: Berlin (West): eine geographische Strukturanalyse der zwölf westlichen Bezirke, in: Zimm, Alfred: Berlin. Darmstadt, 1990, S. 188.
[3] Herangezogen wurden wegen chronologischer Überschneidungen vor allem [8], [14], [15] und [16].
[4] Werner Girbig dokumentiert die Bombenangriffe auf Berlin umfassend in [5].
[5] Eine Übersicht über den Bombenkrieg in allen Facetten liefern Piekalkiewicz in [12] und, wenn auch ideologisch geprägt, Groehler in [6].
[6] Vgl. Friedrich, Jörg: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945, München, 2002.
[7] Einen Querschnitt durch eine der heftigsten zeitgeschichtlichen Kontroversen der letzten Jahre liefert Lothar Kettenacker in seinem Buch „Ein Volk von Opfern?“, Berlin 2003.
[8] “Coming Battle”, in: The Washington Post (1877-1954); Aug 8, 1943; ProQuest Historical Newspapers: The Washington Post pg. B6, Washington, 1943.
[9] Dies ist allgemein anerkannt. Vgl. Boog, Luftkrieg, S. 76 oder Kellerhoff/Wieland, Als die Tage zu Nächten wurden, S. 11.
[10] Piekalkiewicz, Janusz: Luftkrieg 1939-1945, München, 1978, S. 178.
[11] Ebd.
[12] Im folgenden zitiert nach: Hans- Georg von Studnitz: Als Berlin brannte. Diarium der Jahre 1943-1945, Stuttgart, 1963, S. 113.
[13] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Niklas Möring (Autor:in), 2004, Leben unter den Bomben - Berlin im Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25735
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