Die technische Entwicklung stellt die Rechtsordnung immer wieder vor neue Aufgaben, denn die Technik-
anwendung bringt zwangsläufig Folgen mit sich, die einer rechtlichen Regelung bedürfen. Solche
Folgen betreffen sowohl die Gefährdung oder Verletzung von Leben, Gesundheit und natürlicher Lebensbedingungen
des Menschen als auch die Beeinträchtigung der Integrität von Sachwerten. Rechtliche
Regelung technischer Sachverhalte bedingt eine Einschränkung der Technikanwendung mit dem Ziel, das
mit technischen Anlagen und Prozessen einhergehende Risiko auf ein sozial erträgliches Maß zu reduzieren.
Für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht besteht in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die
betreffenden Rechtsgüter vor der schädigenden Einwirkung technischer Anlagen und Verfahren zu schützen.
Die Aufstellung entsprechender Rechtsnormen stößt dabei jedoch auf zahlreiche Probleme: Zum einen
bedingt die Mannigfaltigkeit und das Entwicklungstempo der Technik einen quantitativ hohen Bedarf
entsprechender Normen, dies wird an den zahlreichen Spezialgesetzen sowie technisch geprägten Rechtsverordnungen
und Verwaltungsvorschriften deutlich. Zum anderen besteht das Problem, daß Rechtsnormen
auf der einen Seite möglichst dauerhaft das soziale Leben ordnen sollen, man spricht insofern auch
von einer konservierenden Wirkung des Rechts1. Die Technik dagegen ist dynamisch und auf ständige
Weiterentwicklung gerichtet. Diese Diskrepanz mit dem daraus folgenden Mangel an Flexibilität wird
durch die Tatsache verstärkt, daß dem Gesetzgeber der nötige technische Sachverstand zur Regelung
technischer Detailfragen fehlt. Es ist jedoch unumstritten, daß die Rechtsordnung ihre Aufgabe trotz dieser
Schwierigkeiten auch im technischen Bereich erfüllen muß2; dabei besteht der Anspruch, sich nicht
repressiv auf die Regelung von Haftungsfragen zu beschränken3.
Diese Zielstellung unter Berücksichtigung der geschilderten Probleme führte zu einer Einbeziehung von
sogenannten technischen Standards in das Gesetz sowie zu Verweisungen auf technische Normen privater
Vereinigungen (z.B. das Deutsche Institut für Normung - DIN) innerhalb der gesetzlichen Norm. Einige
damit zusammenhängende Fragen sollen im Rahmen dieser Arbeit in Bezug auf das Strafrecht unter Einbeziehung
des Ordnungswidrigkeitenrechts als Strafrecht im weiteren Sinne4 untersucht werden. [...]
1 BACKHERMS JuS 1980, 9
2 BREUER AöR 101, 46 (47) mwN
3 BACKHERMS JuS 1980, 9 (10); BREUER AöR 101, 46 (48)
4 JESCHEK/WEIGEND § 7 V (S. 58)
Inhaltsverzeichnis
- TEIL 1
- EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
- TEIL 2
- REGELN DER TECHNIK UND TECHNISCHE STANDARDS
- Regeln der Technik
- Definition des Begriffs „Regel der Technik“
- Arten von Regeln der Technik
- Technische Standards
- Regeln der Technik in staatlichen Vorschriften
- REGELN DER TECHNIK IM STRAF- UND ORDNUNGSWIDRIGKEITENRECHT
- Überblick
- Strafrecht
- Ordnungswidrigkeitenrecht
- Rechtsnatur technischer Normen
- Arten der Verweisung
- Verfassungsrechtliche Probleme der Verweisungstechnik
- Rechtsnatur der technischen Standards
- Wesen technischer Standards
- Inhalt des technischen Standards aaRdT
- Bestimmung des Fahrlässigkeitsmaßstabes
- Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung
- Verhältnis der aaRdT zum rechtlichen Sorgfaltsmaßstab
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Einbeziehung technischer Standards und Normen in das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Ziel ist es, die Probleme zu analysieren, die sich aus der Verwendung dieser Normen im Zusammenhang mit der Bestimmung der Sorgfaltspflicht in Fahrlässigkeitsdelikten ergeben.
- Die Rezeption von technischen Normen im Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht
- Verfassungsrechtliche Probleme der Verweisungstechnik
- Die Rechtsnatur technischer Standards
- Die Rolle der Regeln der Technik bei der Bestimmung der Sorgfaltspflicht
- Das Verhältnis zwischen technischen Normen und der Sorgfaltspflicht
Zusammenfassung der Kapitel
TEIL 1: Einleitung und Problemstellung
Die technische Entwicklung stellt die Rechtsordnung vor neue Herausforderungen, da sie Folgen für Leben, Gesundheit, Umwelt und Sachwerte mit sich bringt. Die Einbeziehung von technischen Standards in das Recht ist notwendig, um die Dynamik der Technik und den Mangel an technischem Sachverstand des Gesetzgebers zu bewältigen. Die Arbeit analysiert die Probleme, die sich aus der Verwendung technischer Standards im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht ergeben.
TEIL 2: Regeln der Technik und Technische Standards
Der Begriff „Regeln der Technik“ bezeichnet sowohl technische Normen als auch technische Standards. Die Arbeit untersucht die verschiedenen Definitionen von Regeln der Technik und analysiert die verschiedenen Arten von technischen Normen, die in der Praxis relevant sind.
TEIL 3: Regeln der Technik im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Dieser Teil der Arbeit befasst sich mit der direkten und indirekten Rezeption von technischen Normen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Es werden die Rechtsnatur technischer Normen, die verschiedenen Arten der Verweisung und die verfassungsrechtlichen Probleme der Verweisungstechnik diskutiert. Außerdem wird die Verwendung von technischen Standards und deren Rechtsnatur erläutert.
Schlüsselwörter
Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Regeln der Technik, Technische Normen, Technische Standards, Fahrlässigkeitsdelikte, Sorgfaltspflicht, Verweisungstechnik, Verfassungsrecht, Dynamische Verweisung, aaRdT, Stand der Technik, Stand von Wissenschaft und Technik.
- Quote paper
- Steffen Petzold (Author), 1999, Regeln der Technik im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25648