Den Anstoß zur Untersuchung boten einige empirische Beobachtungen: Zum einen ließ sich feststellen, dass der Anteil der Protestanten unter Unternehmern, Eigentümern und Bildungsbürgertum signifikant höher war als der von Mitgliedern anderer Konfessionen. Auch fiel ihm auf, dass in Bayern und Baden nicht nur der Anteil der Protestanten an Schülern höherer Bildungseinrichtungen signifikant höher war als der der Katholiken2. Die Mitglieder der beiden Konfessionen unterschieden sich auch in ihren Neigungen, was die Wahl des Bildungszweiges anging (Katholiken: humanistisch, Protestanten: technisch und kaufmännisch).
Zum anderen stellte Weber vor allem in den protestantisch geprägten USA und Großbritannien eine viel euphorischere und rasantere Industrialisierung fest als in anderen europäischen Ländern wie Italien oder dem Deutschen Reich, wo andere Glaubenslehren eine ebenso große oder größere Rolle spielen.
Einige Autoren hatten dem Protestantismus generell einen stärkeren weltlichen Bezug und eine bessere Ausstattung seiner Anhänger mit ökonomischem und materiellem Kapital als etwa dem eher „weltfremden“ Katholizismus bescheinigt und führten diese Feststellungen darauf zurück. Diesen Verweis auf einen generellen Weltbezug der Religion lehnte Weber als nicht hinreichend ab, er war vielmehr der Meinung, die Ursache der Unterschiede müsse in der protestantischen Glaubenslehre selbst liegen und den darin enthaltenen Urteilen über Beruf und Wirtschaften. Besonders anhand der Unterschiede bei der Wahl des Bildungszweiges könne man dies sehen, so Weber.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Max Weber's Protestantismusstudie
- Das Erkenntnisinteresse der Untersuchung
- Der „Geist“ des Kapitalismus
- Die protestantische Ethik und der Calvinismus
- Diskussion der Protestantismus-Kapitalismus-These
- Die Reformation als Prozess: Herbert Lüthy
- Der internationale Handel als Grundstein des Kapitalismus: Jean Baechler
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Max Webers Protestantismus-Kapitalismus-These und analysiert die Entstehungsbedingungen des modernen Kapitalismus im Kontext der protestantischen Ethik, insbesondere des Calvinismus. Die Arbeit betrachtet die These in ihrer historischen Entwicklung und untersucht die Rolle des Protestantismus als wichtigen Einflussfaktor für die Entstehung des Kapitalismus.
- Das Erkenntnisinteresse Max Webers und seine empirischen Beobachtungen zur Entstehung des Kapitalismus
- Der „Geist“ des Kapitalismus und die Rolle der asketischen Ethik in der kapitalistischen Wirtschaft
- Die protestantische Ethik und der Einfluss der calvinistischen Prädestinationslehre auf die Berufsethik
- Die Diskussion der Protestantismus-Kapitalismus-These und die Kritik an Webers These durch Herbert Lüthy und Jean Baechler
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt Max Webers Protestantismusstudie als Ausgangspunkt der Diskussion vor und beschreibt dessen sozialökonomisches Erkenntnisinteresse. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen protestantischer Glaubenslehre, insbesondere dem Calvinismus, und der Entstehung des modernen Kapitalismus.
Max Weber's Protestantismusstudie
- Das Erkenntnisinteresse der Untersuchung: Weber beschreibt seine empirischen Beobachtungen, die den Anstoß zur Untersuchung gaben, wie z.B. den höheren Anteil von Protestanten unter Unternehmern und Bildungsbürgern.
- Der „Geist“ des Kapitalismus: Weber definiert den Idealtypus des ethisch korrekten Kapitalisten und beschreibt dessen asketisches Verhalten und die Bedeutung der Berufserfüllung. Er lehnt dabei eine rein materialistische Analyse dieses Ethos ab.
- Die protestantische Ethik und der Calvinismus: Die Reformation und der Aufstieg des Calvinismus werden als wichtige normative Veränderungen im Hinblick auf die Berufsethik dargestellt. Die calvinistische Prädestinationslehre und ihre ethischen Implikationen werden als zentrale Faktoren für die Entstehung des „Geistes des Kapitalismus“ beschrieben.
Diskussion der Protestantismus-Kapitalismus-These
- Die Reformation als Prozess: Herbert Lüthy kritisiert Webers These und argumentiert, dass die Reformation ein komplexer Prozess mit verschiedenen Ausprägungen war, der nicht allein dem Calvinismus zugeschrieben werden kann.
- Der internationale Handel als Grundstein des Kapitalismus: Jean Baechler vertritt die Ansicht, dass der internationale Handel und die damit verbundenen ökonomischen Entwicklungen wichtiger für die Entstehung des Kapitalismus waren als die protestantische Ethik.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Protestantismus, Kapitalismus, Calvinismus, Reformation, Berufsethik, asketische Ethik, Max Weber, Herbert Lüthy, Jean Baechler.
- Quote paper
- Michael Grindmayer (Author), 2003, Die Rolle der Religion bei der Entwicklung des Kapitalismus - Max Webers Protestantismus-Kapitalismus-These in der Diskussion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25620