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Ausgangspunkt und somit der Beginn jedweder Diskussion um die 5%-
Sperrklausel ist die nichtvorhandene verfassungsrechtliche Ermächtigung, die
der Parlamentarische Rat2 1949 noch als notwendig erachtet hatte.3
Auch die Einführung des „gemeindeutschen Satzes“, welcher ein Quorum4 von
maximal 5% festlegte, konnte nicht dafür sorgen, dass die Sperrklausel als
fester Bestandteil des deutschen Wahlgesetzes in allen Bevölkerungskreisen
akzeptiert wurde.
Zur Rechtfertigung der Sperrklausel werden häufig die selben Argumente
vorgebracht. In jeder Konsolidierung des Urteils zur Rechtmäßigkeit der
Sperrklausel betonte das Bundesverfassungsgericht die Gefahr der
„Splitterparteien“. Sowohl die Verhältnisse zu Zeiten der Weimarer Republik als
auch die Garantie für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments werden oft als
Rechtfertigungsgründe für die Sperrklausel ins Feld geführt.
Diese und andere Gründe bedürfen einer genaueren Betrachtung ihrer
Argumentationsweise und es wird sich zeigen, dass die genannten
Begründungen zu einseitig und teilweise auch falsch sind.
Diese Arbeit wird einen kurzen Abriss über die „Entstehung“ der Sperrklausel im
deutschen Wahlrecht liefern und sich anschließend mit den in der heutigen Zeit
noch immer aktuellen kontroversen Meinungen und Fragen beschäftigen.
2 Der Parlamentarische Rat ist die „[...] zur Ausarbeitung des Grundgesetzes am 1.9.1948
zusammengekommene Versammlung, die aus 65 von den elf Landtagen der Westzonen
gewählten Abgeordneten bestand, zu denen fünf Vertreter Berlins mit beratender Stimme
hinzukamen. [...] Präsident des Parlamentarischen Rats war der spätere Bundeskanzler K.
Adenauer (CDU).“ Schmidt. Seite 692
3 Hierauf wird in Punkt 2 (Die 5%-Sperrklausel) noch näher eingegangen.
4 Quorum „(von lat. Quorum = derer, von denen), die satzungsrechtlich oder gesetzlich
vorgeschriebene Zahl anwesender stimmberechtigter Mitglieder oder abgegebener Stimmen,
die zur Beschlussfähigkeit einer Vereinigung [...] führen“ Schmidt. Seite 787.
Bezogen auf Wahlen bedeutet dies, dass nur Parteien am Verhältnisausgleich teilnehmen
können, die ein bestimmtes Quorum von vorher festgelegter Höhe erreicht haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die 5%-Sperrklausel
2.1 Die Konsolidierung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der 5%-Sperrklausel
2.2 Argumente des Bundesverfassungsgerichts für die n 7-8 Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
3. Häufige Rechtfertigungsversuche für die Zulässigkeit der Sperrklausel
3.1 Die Verhältnisse in der Weimarer Republik als gängige Rechtfertigung für die Sperrklausel
3.2 Die Gefahr der „Splitterparteien“ als gängige Rechtfertigung für die Sperrklausel
3.3 Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments als Rechtfertigung für die 5%-Sperrklausel
4. Schluss
5. Bibliographie
1. Einleitung
Die Frage, ob die 5%-Sperrklausel im deutschen Wahlrecht der Verfassung gemäß ist, wurde in der konkreten Nachkriegszeit und wird in der heutigen Zeit noch kontrovers diskutiert. Trotz mehrfacher Konsolidierungen von Seiten des Bundesverfassungsgerichts[1] ob der Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel wirft dieses Problem nunmehr seit fünf Jahrzehnten noch dieselben Fragen auf.
Ausgangspunkt und somit der Beginn jedweder Diskussion um die 5%-Sperrklausel ist die nichtvorhandene verfassungsrechtliche Ermächtigung, die der Parlamentarische Rat[2] 1949 noch als notwendig erachtet hatte.[3]
Auch die Einführung des „gemeindeutschen Satzes“, welcher ein Quorum[4] von maximal 5% festlegte, konnte nicht dafür sorgen, dass die Sperrklausel als fester Bestandteil des deutschen Wahlgesetzes in allen Bevölkerungskreisen akzeptiert wurde.
Zur Rechtfertigung der Sperrklausel werden häufig die selben Argumente vorgebracht. In jeder Konsolidierung des Urteils zur Rechtmäßigkeit der Sperrklausel betonte das Bundesverfassungsgericht die Gefahr der „Splitterparteien“. Sowohl die Verhältnisse zu Zeiten der Weimarer Republik als auch die Garantie für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments werden oft als Rechtfertigungsgründe für die Sperrklausel ins Feld geführt.
Diese und andere Gründe bedürfen einer genaueren Betrachtung ihrer Argumentationsweise und es wird sich zeigen, dass die genannten Begründungen zu einseitig und teilweise auch falsch sind.
Diese Arbeit wird einen kurzen Abriss über die „Entstehung“ der Sperrklausel im deutschen Wahlrecht liefern und sich anschließend mit den in der heutigen Zeit noch immer aktuellen kontroversen Meinungen und Fragen beschäftigen.
2. Die 5%-Sperrklausel
Die Details zur Wahl des ersten Bundestages wurden in dem Gesetz vom
15.06.1949 durch den Parlamentarischen Rat geregelt und von den Ministerpräsidenten verkündet. Die Gültigkeit dieses Gesetzes wurde ausschließlich auf die Wahl zum ersten deutschen Bundestag begrenzt. Schon bei der Genese des Wahlgesetzes sah sich der Parlamentarische Rat mit der verfassungsrechtlichen Frage einer Sperrklausel konfrontiert. Der Herrenchiemseer Entwurf sah in Art. 48 Abs. 5 folgenden Text vor, der in die Verfassung übernommen werden sollte:
„Das Bundeswahlgesetz kann bestimmen, daß Parteien, die nicht wenigstens 5% aller gültigen Stimmen auf sich vereinigen, keinen Sitz erhalten und daß auf zusammengerechnete Reststimmen einer Partei nicht mehr Sitze entfallen, als die Partei in den Wahlkreisen unmittelbar erlangt hat.“[5]
Aufgrund dieser Formulierung wurde besonders den kleineren Parteien sehr schnell deutlich, „ [...] daß die Einführung einer Sperrklausel eine sie existentiell betreffende Frage war.“[6]
Die Abstimmung endete mit elf zu zehn Stimmen zu Gunsten der Gegner der Sperrklausel, was zur Folge hatte, dass der oben genannte Artikel aus dem Herrenchiemseer Entwurf gestrichen wurde. Es bleibt festzuhalten, dass das vom Parlamentarischen Rat beschlossene Wahlgesetz keine Möglichkeit zur Einführung einer Sperrklausel enthielt.
Durch das Begehren der Ministerpräsidenten wurde die 5%-Klausel dann doch noch nachträglich in das Wahlgesetz zum ersten deutschen Bundestag aufgenommen. In einem Brief an die Alliierten befürworteten die Ministerpräsidenten die schon abgelehnte Sperrklausel und schlugen vor, sie bezogen auf das ganze Bundesgebiet trotz vorheriger Ablehnung durch den Parlamentarischen Rat einzuführen. Die Alliierten erteilten den Ministerpräsidenten eine Vollmacht, die sie ermächtigte, die Sperrklausel nachträglich in das Wahlgesetz einzubringen, allerdings auf Landesebene, nicht wie von den Ministerpräsidenten gewollt, auf Bundesebene.
Dieser Tatbestand ist der „ [...] erste Bruch der neuen Verfassung [...] “[7]
Ob in diesem Zusammenhang allerdings wirklich von einem Verfassungsbruch gesprochen werden kann ist fraglich. Schließlich mussten die im Parlamentarischen Rat getroffenen Entscheidungen von den Alliierten und ihren Militärgouverneuren legitimiert werden. Da die Alliierten diese Aufgabe hatten, wird deutlich, dass der Parlamentarische Rat im Grunde nur zur Erarbeitung der Gesetze zuständig war, die wirklichen Entscheidungen aber doch noch der Zustimmung der Alliierten bedurften. Da die Alliierten die Sperrklausel im Nachhinein doch für notwendig erachtet haben[8], konnten sie das zuvor gemachte Wahlgesetz entsprechend ändern, ohne einen Verfassungsbruch zu begehen.
Nach der ersten Bundestagswahl musste der Gesetzgeber ein neues, gültiges Wahlrecht schaffen. In dem vorgeschlagenen Wahlrechtskonzept für die zweite Bundestagswahl war von dem zuständigen Ausschuss keine Sperrklausel mehr vorgesehen. Auch hier wurde die Sperrklausel im Nachhinein eingefügt. Der Bundestag plädierte in mehreren Lesungen für die Einführung der 5%-Sperrklausel auf Bundesebene. Sie besagte, dass nur Parteien am Verhältnisausgleich teilnehmen konnten, die die 5% Grenze überschritten oder mindestens ein Direktmandat erreicht hatten. Auch dieses Gesetz galt aufgrund des Fehlens „ [...] einer grundsätzlichen Erörterung und Einigung über das Wahlrecht [...] “[9] nur für die Wahl zum zweiten deutschen Bundestag.
Eine weitere Verschärfung der Sperrklausel ist dem dritten und bis heute kaum veränderten Wahlgesetz zu entnehmen. Um am Verhältnisausgleich teilnehmen zu können, benötigen Parteien nun entweder 5% der im Bundesgebiet abgegebenen Stimmen oder drei Direktmandate.
Die Sperrklausel wird vom Regelungsgehalt des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG[10] erfasst. Wie in der Fußnote zu sehen, wird in diesem Artikel unter anderem die Wahlrechtsgleichheit garantiert. Diese strenge Formalisierung gestattet nicht durch jeden „ [...] vernünftige [n] , sachlich einleuchtende [n] Grund eine Differenzierung [...] “[11].
[...]
[1] Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Rechtsmäßigkeit der 5%-Sperrklausel in mehreren Verfahren. Vgl. Becht. Seite 36-58
Auf die einzelnen Verfahren und die gelieferten Begründungen wird später noch näher eingegangen.
[2] Der Parlamentarische Rat ist die „ [...] zur Ausarbeitung des Grundgesetzes am 1.9.1948 zusammengekommene Versammlung, die aus 65 von den elf Landtagen der Westzonen gewählten Abgeordneten bestand, zu denen fünf Vertreter Berlins mit beratender Stimme hinzukamen. [...] Präsident des Parlamentarischen Rats war der spätere Bundeskanzler K. Adenauer (CDU).“ Schmidt. Seite 692
[3] Hierauf wird in Punkt 2 (Die 5%-Sperrklausel) noch näher eingegangen.
[4] Quorum „(von lat. Quorum = derer, von denen), die satzungsrechtlich oder gesetzlich vorgeschriebene Zahl anwesender stimmberechtigter Mitglieder oder abgegebener Stimmen, die zur Beschlussfähigkeit einer Vereinigung [...] führen“ Schmidt. Seite 787.
Bezogen auf Wahlen bedeutet dies, dass nur Parteien am Verhältnisausgleich teilnehmen können, die ein bestimmtes Quorum von vorher festgelegter Höhe erreicht haben.
[5] Becht. Seite 89. Zitiert aus: Röhl. Seiten 557, 561
[6] Becht. Seite 89
[7] Becht. Seite 90
[8] Ob die Alliierten eine Sperrklausel für Notwendig hielten oder ob es nur um Machtinteressen der etablierten großen Parteien ging, wird im letzten Teil der Arbeit noch näher erläutert.
[9] Becht. Seite 33
[10] Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.
[11] Becht. Seite 58
- Arbeit zitieren
- Tim Kirchner (Autor:in), 2004, Die 5%-Sperrklausel. Verfassungsrechtliche Bedenken und gängige Rechtfertigungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25531
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