Die Frage nach spätmittelalterlicher Geschichtsschreibung ist nicht ausschließlich eine Frage nach den historiographischen Werken, sondern richtet sich auch auf die Personen, die als Geschichtsschreiber tätig wurden.
In dieser Arbeit geht es darum, die spätmittelalterlichen städtischen Geschichtsschreiber als Person zu betrachten. Ihre Herkunft, Bildung, berufliche Tätigkeit und Motive gilt es zu untersuchen, um ein Bild von ihrer Persönlichkeit und ihrer gesellschaftlichen Einbindung zu erhalten. Von dieser Perspektive aus wird ihre literarische Tätigkeit betrachtet.
Wenn es nicht möglich ist, ,,sine ira et studio" Geschichte zu schreiben oder überhaupt literarisch tätig zu sein, gilt diese Behauptung auch für das Mittelalter. Eine wertfreie Geschichtsschreibung ist - wie in anderen Epochen - im Mittelalter undenkbar. Ein Mensch, der historiographisch tätig ist, bringt bewusst oder unbewusst seine perönlichen Vorraussetzungen in die Tätigkeit ein. Seine Herkunft, seine Lebens- und Berufszusammenhänge, seine Bildung, Weltanschauung und Motive bestimmen sein literarisches Werk.
Die gewisse Bildung der Autoren ist notwendige Bedingung für ihr literarisches Schaffen und bestimmt damit den Aussagewert ihrer Schriften. Bildung prägte die berufliche wie historiographische Tätigkeit.
Menschen sind den (äußeren) Bedingungen des Lebens ihrer Zeit unterworfen, die sich im literarischen Werk widerspiegeln. So finden sich beispielsweise in manchen Chroniken der Pestzeit, sofern sie überhaupt weitergeführt wurden, melancholische Züge.
Zu den Bedingungen, denen die Autoren unterworfen sind, zählt die Bedeutung der Städte, die Frage nach ihrer Unabhängigkeit, ihrer Wirtschaftskraft und ihrem Selbstverständnis. Der städtische Geschichtsschreiber, für den die Stadt Herkunfts- und Tätigkeitsort bedeutet, der in städtische politische Vorgänge involviert ist, sieht sich für seine historiographische Aufgabe einem spezifischen Aufgabenfeld gegenübergestellt. Das Anforderungsprofil ist ein anderes als beispielsweise das eines Hofhistoriographen. Autor und Stadt (als Herkunfts- und Tätigkeitsfeld), Person und literarisches Zentrum sind aufeinander zu beziehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Autor und literarisches Zentrum
- Stadtschreiber
- Bezeichnung und literarischer Standpunkt
- Ratsangehörige und Bürgermeister
- Standpunkt und Motive
- Die Autobiographie des Bartholomäus Sastrow
- Herkunft und Leben
- Der Bildungsgang des Bartholomäus Sastrow
- Beruf
- Schlussbetrachtung: Der Aufstieg des Bartholomäus Sastrow
- Geistliche
- Motive und Begründungstraditionen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit den Personen, die im Spätmittelalter städtische Geschichtsschreibung betrieben. Ziel ist es, die Herkunft, Bildung, berufliche Tätigkeit und Motive dieser Autoren zu untersuchen, um ein umfassendes Bild ihrer Persönlichkeit und ihrer gesellschaftlichen Einbindung zu erhalten. Aus dieser Perspektive wird dann ihre literarische Tätigkeit betrachtet.
- Die Bedeutung von Bildung und Beruf für die literarische Tätigkeit der Autoren
- Der Einfluss der gesellschaftlichen Bedingungen des Lebens im Spätmittelalter auf die Geschichtsschreibung
- Die Rolle der Stadt als Herkunfts- und Tätigkeitsort der Autoren und ihre Einbindung in städtische politische Vorgänge
- Die Verbindung zwischen historiographischer Tätigkeit und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
- Die Motivation und die Intentionen der Autoren bei der Erstellung ihrer Werke
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert, dass sich die Untersuchung nicht nur auf die Werke der Autoren konzentriert, sondern auch auf die Personen selbst. Es wird betont, dass eine wertfreie Geschichtsschreibung im Mittelalter undenkbar war und die persönlichen Hintergründe der Autoren ihr Werk beeinflussen.
- Autor und literarisches Zentrum: Dieses Kapitel analysiert die Rolle des Stadtrats als zentrales Element der politischen Entscheidungsfindung und somit als Bezugspunkt der stadtchronistischen Geschichtsschreibung. Es wird deutlich, dass die Autoren oft selbst Mitglieder des Stadtrats waren und ihre Werke auf dessen Bedürfnisse und Interessen ausgerichtet waren.
- Stadtschreiber: Dieses Kapitel befasst sich mit der Gruppe der Stadtschreiber, die aufgrund ihrer Position und Bildung prädestiniert für historiographische Tätigkeiten waren. Es werden die verschiedenen Bezeichnungen der Stadtschreiber sowie ihre enge Verbindung zur städtischen Elite und ihre literarische Produktion beschrieben. Es wird hervorgehoben, dass die Werke der Stadtschreiber oft die Politik der städtischen Entscheidungsträger bestätigten und in direktem Auftrag des Rats entstanden sind.
- Ratsangehörige und Bürgermeister: Dieses Kapitel untersucht die Motivationen und Standpunkte der Ratsangehörigen und Bürgermeister bei der Erstellung historiographischer Werke. Es wird dabei insbesondere die Autobiographie des Bartholomäus Sastrow betrachtet und sein Lebensweg, seine Bildung und seine Karriere analysiert.
Schlüsselwörter
Spätmittelalterliche Geschichtsschreibung, Stadtschreiber, Ratsangehörige, Bürgermeister, Bildung, Beruf, Motive, Stadt, Stadtchronik, Politik, Historiographie.
- Arbeit zitieren
- Andreas Gohmann (Autor:in), 2001, Städtische Geschichtsschreibung im späten Mittelalter. Herkunft, Bildung und Motive der Autoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2543