Wenn man sich mit dem Thema „e-commerce“ beschäftigt, ist es zunächst erforderlich, eine Begriffbestimmung vorzunehmen. Dabei ist festzustellen, dass der Begriff des „e-commerce“ nicht gesetzlich definiert ist. In dem WTO-Arbeitsprogramm E-Commerce wird der elektronische Geschäftsverkehr umschrieben als Produktion, Vertrieb, Vermarktung, Verkauf und Lieferung von Waren und Dienstleistungen auf elektronischem Wege. Unter diese weite Bestimmung fallen alle Geschäfte, die mithilfe von elektronischen Mitteln durchgeführt werden, v.a. alle Geschäfte, die via Telefon, Telefax und Internet abgewickelt werden. Die Nutzung von Telefon und Telefax ist seit langem bekannt und stellt keine neuen Herausforderungen an die Rechtsordnungen. Anders ist es beim Internet, das viele neue Möglichkeiten in Bezug auf Geschäftsanbahnung und –durchführung bietet. Da sich die Seminararbeit mit dem Thema „WTO und e-commerce“ beschäftigt, wird im Folgenden bei der Verwendung des Begriffs „e-commerce“ zwar von der weiten Bestimmung des WTO-Arbeitsprogramms ausgegangen, jedoch muss man sich im Klaren darüber sein, dass die meisten Probleme nur im Bereich des Internet bestehen.
Gliederung:
A. Einführung
I. Definition des Begriffs „e-commerce“
II. Wirtschaftliche Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs
III. Rechtliche Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs
B. Tätigkeiten der WTO
I. Allgemeines zur WTO
II. Die einzelnen Abkommen (GATT, GATS, TRIPS)
III. Das Thema „e-commerce“ in der WTO
1. Das e-commerce Arbeitsprogramm
a) Ergebnisse des GATT-Rat
b) Ergebnisse des GATS-Rat
c) Ergebnisse des TRIPS-Rat
d) Ergebnisse des Komitees für Handel und Entwicklung
e) Zusammenfassung
2. Das Information Technology Agreement – ITA
3. Das Zollmoratorium
C. Die Streitpunkte im einzelnen
I. GATT, GATS oder sogar TRIPS
II. Der Streit um audiovisuelle Produkte
III. GATS: Welcher Dienstleistungssektor?
IV. GATS: Welcher Dienstleistungsmodus?
V. Das Problem der „Gleichartigkeit“ von Produkten
VI. Zollmoratorium
VII. ITA
VIII. TRIPS
D. Entwicklungen außerhalb der WTO
I. Tätigkeiten der USA
II. Tätigkeiten der Europäischen Gemeinschaften
III. Die Rolle der Entwicklungs- und Schwellenländer
E. Bewertung
WTO und electronic commerce
A. Einführung
I. Definition des Begriffs „e-commerce“
Wenn man sich mit dem Thema „e-commerce“ beschäftigt, ist es zunächst erforderlich, eine Begriffbestimmung vorzunehmen. Dabei ist festzustellen, dass der Begriff des „e-commerce“ nicht gesetzlich definiert ist. In dem WTO-Arbeitsprogramm E-Commerce wird der elektronische Geschäftsverkehr umschrieben als Produktion, Vertrieb, Vermarktung, Verkauf und Lieferung von Waren und Dienstleistungen auf elektronischem Wege.[1] Unter diese weite Bestimmung fallen alle Geschäfte, die mithilfe von elektronischen Mitteln durchgeführt werden, v.a. alle Geschäfte, die via Telefon, Telefax und Internet abgewickelt werden. Die Nutzung von Telefon und Telefax ist seit langem bekannt und stellt keine neuen Herausforderungen an die Rechtsordnungen. Anders ist es beim Internet, das viele neue Möglichkeiten in Bezug auf Geschäftsanbahnung und –durchführung bietet.[2] Da sich die Seminararbeit mit dem Thema „WTO und e-commerce“ beschäftigt, wird im Folgenden bei der Verwendung des Begriffs „e-commerce“ zwar von der weiten Bestimmung des WTO-Arbeitsprogramms ausgegangen, jedoch muss man sich im Klaren darüber sein, dass die meisten Probleme nur im Bereich des Internet bestehen.
II. Wirtschaftliche Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs
Dem elektronischen Geschäftsverkehr wird allgemein eine große wirtschaftliche Bedeutung beigemessen. Geschäfte über das Internet haben die Handelswelt in zweierlei Hinsicht verändert: Zum einen kann der elektronische Geschäftsverkehr herkömmliche Arten von Geschäftsverkehr ersetzen, zum anderen bietet er neue – bisher ungekannte – Geschäftsformen. Elektronischer Geschäftsverkehr kann herkömmliche Geschäfte ersetzen, weil er durch die Verkürzung von Kommunikations-, Vertriebs- und Zahlungswegen zu einer wesentlichen Kostenverringerung führt.[3] Geschäfte übers Internet können daher schneller und günstiger als der traditionelle Geschäftsweg und somit für den Verbraucher attraktiver sein. Des Weiteren sind durch das Internet neue Arten von Geschäften entstanden, wie z.B. Online-Finanzdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen etc. Beide Wirkungen sind geeignet, die allgemeine Wirtschaft zu fördern. Dabei zeigt sich die Tendenz, dass im Bereich des Warenhandels der elektronische Geschäftsverkehr v.a. herkömmliche Wege ersetzt, während im Dienstleistungshandel mehr Potential zur Schaffung von neuen Geschäftsarten besteht.
Es herrscht Einigkeit darüber, dass das Potential des elektronischen Geschäftsverkehrs bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Nach Angaben der WIPO sind nur 2% der Weltbevölkerung online.[4] Analysen haben ergeben, dass es bis jetzt vor allem die Industrienationen waren, die das Potential des e-commerce genutzt und davon profitiert haben, während in vielen Entwicklungsländern noch nicht einmal die nötige Infrastruktur besteht. Dies zeigt deutlich, dass gerade die Entwicklungsländer in der Zukunft von der vollen Erschöpfung des Potentials des elektronischen Geschäftsverkehrs profitieren können.[5] Zurzeit jedoch besteht eine große Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern in diesem Bereich, der sog. „digital divide“. Für die nicht optimale Nutzung des Potentials werden verschiedene Gründe genannt: die fehlende Infrastruktur im Bereich des Telekommunikationswesens, schwieriger oder teurer Zugang zu IT-Produkten wie Hardware und Software[6], fehlende persönliche Kenntnisse im Umgang mit Computern oder dem Internet, fehlendes Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit von elektronischen Geschäften.[7] Das Potential des e-commerce kann also nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn zum einen die Infrastruktur deutlich verbessert und zum anderen ein rechtliches Rahmenwerk geschaffen wird, das den Nutzern des elektronischen Handels Vertrauen verschafft.
III. Rechtliche Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs
Die rapide Entwicklung des Internets stellte die Rechtsordnungen vor zahlreiche Probleme. Viele Gesetze waren nicht ohne weiteres auf das Internet anwendbar, und es entstanden Gesetzeslücken, die durch die Rechtsprechung nicht ohne weiteres geschlossen werden konnten. Es gibt viele Stimmen in der Wirtschaft, die behaupten, dass es gerade die fehlende Regulierung des Internets war, die zu seiner schnellen Entwicklung beigetragen hat. Diese Stimmen sind auch weiterhin der Ansicht, dass das Internet so wenigen Regeln wie möglich unterworfen werden sollte, um das Potential des Internet voll ausschöpfen zu können. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass gerade die dadurch hervorgerufene Unsicherheit der Verbraucher ist, die die Entwicklung des Internets hemmt.[8] Es stellt sich also bereits hier eine Frage von wesentlicher Bedeutung: Wie viel Regulierung braucht das Internet?
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der globalen Natur des Internet. Elektronische Geschäfte sind nicht an nationale Grenzen gebunden und entziehen sich häufig dem Zugriff staatlicher Autoritäten. Nationale Regeln allein sind den Anforderungen des e-commerce kaum gewachsen, da es oft an ihrer Durchsetzbarkeit fehlt. Unternehmen können ihren Sitz frei wählen und sich so staatlicher Aufsicht entziehen. Regierungen haben keine Grenzkontrolle mehr über die ein- und ausgehenden digitalisierten Waren oder Dienstleistungen.[9] Tätigkeiten, die in der realen Welt zahlreichen Bestimmungen unterliegen, können im Internet vorgenommen werden, ohne dass je eine Behörde davon erfährt. Zur Veranschaulichung hier ein
Beispiel: Ein Arzt, der hilfsweise zur Erstellung einer Diagnose in einen anderen Staat gerufen wird, benötigt beim Grenzübertritt eine Arbeitserlaubnis und muss dem Krankenhaus seine Zulassung nachweisen. Derselbe Arzt, der seine Diagnose von zu Hause aus online über eine Videokonferenz erstellt, muss diesen Anforderungen nicht nachkommen.[10]
Nationale Staaten müssen sich daher fragen: Kann man bestehende Gesetze anwenden oder anpassen oder müssen neue Gesetze geschaffen werden? Wie kann man Regeln aufstellen, die flexibel genug für technologische Veränderungen sind? Wie kann man die nationalen Gesetze mit anderen Nationen abgleichen, so dass die Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelungen gesichert wird? Allem voran stellt sich die Frage: Auf welcher politischen Ebene sollten Regelungen geschaffen werden (national, supranational, global) und wer sollte diese Regelungen schaffen (Regierungen, internationale Organisationen, Interessengruppen aus Wirtschaft und Industrie)?[11] Während nationale Regelungen meist schneller geschaffen werden können und über mehr Autorität verfügen, sind internationale Regelungen erforderlich, um die Vereinbarkeit von Gesetzen und ihre Durchsetzung zu sichern. In der Tabelle in Anhang I soll dargestellt werden, auf welchen Ebenen die verschiedenen Fragen des e-commerce rechtlich behandelt wurden.
Die Tabelle zeigt, dass die Probleme des e-commerce auf verschiedenen Ebenen behandelt wurden. Die Gesetzesänderungen in Deutschland basieren größtenteils auf der Umsetzung von EG-Richtlinien. Auf internationaler Ebene ist zu beobachten, dass sich die Kompetenzen der internationalen Organisationen teilweise überschneiden und bestimmte Bereiche des e-commerce von mehreren Organisationen gleichzeitig behandelt werden.
B. Tätigkeiten der WTO
I. Allgemeines zur WTO
Am 15.04.1994 wurde das „Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation“ beschlossen, das am 01.01.1995 in Kraft trat. In dem Übereinkommen wurde die Errichtung der WTO beschlossen sowie Wirkungskreis, Aufgaben, Aufbau und Beschlussfassung festgelegt. Die Rechtsordnung der WTO basiert auf den drei Säulen Warenhandel, Dienstleistungshandel und Rechte des geistigen Eigentums. Diese sind niedergelegt in den Multilateralen Handelsübereinkommen, die für alle Mitglieder gelten: das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), das General Agreement on Trade in Services (GATS) und das Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS). Staaten, die der WTO später beitreten wollen, müssen sich diesen Multilateralen Handelsübereinkommen voll unterwerfen. Zudem wurde ein Streitbeilegungsverfahren vereinbart, das für Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über Rechte und Pflichten der WTO-Übereinkommen gilt.
Die Zahl der Mitglieder der WTO steigt ständig. Zurzeit sind etwa 146 Staaten Mitglied der WTO, mit weiteren Staaten gibt es Verhandlungsgespräche.[12] Der Europäischen Gemeinschaft kommt insofern ein Sonderstatus zu, als sowohl ihre 15 Mitgliedstaaten als auch die EG selbst das WTO-Übereinkommen ratifiziert haben. Die Mitgliedschaft der EG war möglich, da sie gemäß Art.281 EGV eine eigene Rechtspersönlichkeit und damit das Recht besitzt, völkerrechtliche Verträge abzuschließen, was international anerkannt ist. Sie war nötig, da sie über die ausschließliche Befugnis zur Außenhandelspolitik verfügt.[13] Dennoch mussten auch die einzelnen Mitgliedstaaten der EG das WTO-Übereinkommen unterzeichnen, da ihnen noch eigene Kompetenzen im Bereich des Dienstleistungshandels und des Handels mit geistigem Eigentum verbleiben und die EG nach klassischer völkerrechtlicher Konzeption nur insoweit auftreten kann, als sie Kompetenzen hat.[14] Der Sonderstatus der EG zeigt sich v.a. in den Stimmrechten: Nach Art.IX:1 ÜWTO besitzt die EG so viele Stimmen, wie sie Mitglieder hat, die zugleich Mitglied der WTO sind (zurzeit 15), sie verfügt über keine eigene 16. Stimme. Dabei gilt es zu bemerken, dass die EG-Mitgliedstaaten und die EG im Rahmen der WTO – vertreten durch die Kommission – stets einheitlich auftreten, auch wenn es um Fragen geht, für die die einzelnen Mitgliedstaaten die Kompetenz besitzen.[15]
In der Präambel zum ÜWTO, in dem die Errichtung der WTO beschlossen wurde, formulierten die Vertragsparteien ihr Bestreben, den Lebensstandard ihrer Bürger zur erhöhen, die Vollbeschäftigung zu sichern und die Produktion und den Handel mit Waren und Dienstleistungen auszuweiten. Gleichzeitig sollte eine möglichst optimale Nutzung der Ressourcen der Welt, ein verbesserter Umweltschutz und die Förderung der Entwicklungsländer erreicht werden. Das wichtigste Ziel der WTO ist die Verringerung und Abschaffung von Handelshemmnissen, die den internationalen Wettbewerb beschränken oder verzerren könnten. Um dies zu erreichen, einigten sich die Vertragsparteien auf grundlegende Prinzipien, die in allen WTO-Abkommen wieder zu finden sind. Diese sind das Meistbegünstigungsprinzip (Art.I:1 GATT, Art.II:1 GATS, Art.4 TRIPS), das Transparenzgebot (Art.X:1 GATT, Art.III GATS) und das Prinzip der Inländerbehandlung (Art.III:1 GATT, Art. XVII GATS, Art.3 TRIPS).
Das Meistbegünstigungsprinzip fordert, dass alle Vorteile, die Einfuhren aus irgendeinem Land gewährt werden, sogleich und unbedingt gleichartigen Produkten, die aus einem anderen WTO-Mitgliedsland stammen oder für ein anderes WTO-Mitglied bestimmt sind, eingeräumt werden. Ein WTO-Mitglied muss jedes andere WTO-Mitglied so behandeln, wie es den Staat behandelt, den es hinsichtlich der Zölle und zollgleichen Belastungen und der Ein- und Ausfuhrförmlichkeiten am besten behandelt. Dies soll dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Importeuren dann nur noch von Leistungsparametern bestimmt und nicht mehr von unterschiedlichen Zöllen oder Einfuhrbedingungen gestört wird. Das Meistbegünstigungsprinzip sorgt nur für eine Gleichbehandlung der ausländischen Waren untereinander. Bevorzugungen inländischer Ware sind kein Verstoß gegen Art.I GATT.[16] Eine Reihe von Ausnahmen durchbricht den Grundsatz der Meistbegünstigung. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Ausnahmen zugunsten von Zollunionen und Freihandelsabkommen gem. Art.XXIV Abschnitt 4-10. Damit will das GATS die Vorteile honorieren, die regionale Wirtschaftszusammenschlüsse für die gesamte Weltwirtschaft bringen sollen.[17] Das Prinzip der Inländerbehandlung besagt, dass ausländische Waren inländischen Waren in Bezug auf innere Abgaben und Rechtsvorschriften gleichgestellt werden müssen. Liberalisierungserfolge durch das Meistbegünstigungsprinzip und Zollzugeständnisse könnten leicht zunichte gemacht werden, wenn es den Staaten erlaubt wäre, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, um den inländischen Handel zu schützen. Die Staaten dürfen demnach keine nationalen Regeln aufstellen, die ausländische Waren – z.B. durch die Erhebung besonderer Steuern – schlechter behandeln als inländische Waren. Das Transparenzgebot schließlich fordert von den Vertragsstaaten, dass alle Gesetze, sonstige Vorschriften, Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen, die für den weltweiten Handel von Bedeutung sind, unverzüglich so veröffentlicht werden, dass Regierungen und Wirtschaftskreise sich mit ihnen vertraut machen können. Dahinter steht die Überlegung, dass undurchsichtige gesetzliche Regelungen den Welthandel durchaus behindern können, weil sich die Wirtschaftsakteure dann eher zögernd verhalten.
II. Die einzelnen Abkommen (GATT, GATS, TRIPS)
Die Rechtsordnung der WTO erklärt sich aus der Unterscheidung, was Gegenstand des Handels ist: das GATT regelt den Handel mit Waren, das GATS den Handel mit Dienstleistungen und das TRIPS den Handel mit Urheber-, Marken-, Patent- und ähnlichen Rechten. Der Handel mit Waren ist dabei der älteste Bereich und somit das Gebiet, auf das die größte internationale Erfahrung entfällt. Dies zeigt sich darin, dass es bereits seit 1947 Verhandlungen über den internationalen Warenhandel gab (sog. GATT 1947). Das heutige GATT (oder auch GATT 1994) inkorporiert das GATT 1947 und hat weitreichende Liberalisierungswirkung bewiesen. Durch das Meistbegünstigungsprinzip, die Inländerbehandlung, das Verbot mengenmäßiger Beschränkung, den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und den Abbau von Zöllen konnten bereits viele Handelshemmnisse abgebaut werden.
Im Gegensatz dazu kann das GATS nicht auf eine lange Geschichte zurückblicken, es stellt eher eine erste Annäherung an das dar, was die Regierungen im Jahr 1993 bereit waren zu akzeptieren.[18] Anders als die Produktion und der Handel mit gewerblichen Waren unterliegen Produktion und Handel mit Dienstleistungen in den meisten Ländern einer intensiven staatlichen Regelung. Sie dient einer Vielzahl politischer Zielsetzungen wie z.B. dem Verbraucherschutz, der Qualitätssicherung gewerblicher und freiberuflicher Dienstleistungen und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Viele Einschränkungen im Dienstleistungsbereich sollen den einheimischen Arbeitsmarkt schützen.[19] Aufgrund dieser Ziele und der Komplexität dieses Bereichs sind die Staaten (noch) nicht zu so weitgreifenden Liberalisierungsmaßnahmen bereit wie im Bereich des Warenhandels. Dies schlägt sich auch im Aufbau des GATS wieder. Zwar gelten auch hier die Prinzipien der Meistbegünstigung und der Transparenz als sog. Allgemeine Verpflichtungen der Mitglieder, weitere Liberalisierungen durch Marktzugang und Inländergleichbehandlung sind jedoch nicht allgemeinverbindlich im GATS festgelegt. Jedes Mitgliedsland handelt sie vielmehr spezifisch für sich aus, dabei kann es Dienstleistungssektoren auswählen, für die es Verpflichtungen übernehmen will, und es kann sich für alle seine Verpflichtungen Einschränkungen und Bedingungen vorbehalten. Die eingegangenen Verpflichtungen mit den jeweils angemeldeten Vorbehalten werden in Listen spezifischer Verpflichtungen festgelegt und bilden einen wesentlichen Bestandteil des GATS. Dieser Mechanismus überlässt es also prinzipiell jedem Mitgliedstaat, den Umfang und Inhalt seiner Liberalisierungsverpflichtungen selbst zu bestimmen. Er entspricht damit dem Bedürfnis der Mitglieder, ihre Souveränität zur nationalen Dienstleistungsregelung weitgehend aufrecht zu erhalten. Anders als im GATT kommt die Inländerbehandlung also erst dann zum Tragen, wenn ein Mitglied besondere Zugeständnisse in dem entsprechenden Bereich gemacht hat (Art.XVII GATS).[20] Einmal eingegangene Verpflichtungen sind allerdings völkerrechtlich verbindlich und können nur unter erschwerten Bedingungen geändert oder zurückgenommen werden.[21] Von Bedeutung für die Liberalisierungsverpflichtungen ist dabei jedoch nicht nur der jeweilige Dienstleistungssektor, sondern auch die Art der Dienstleistungserbringung. Art.I:2 GATS unterscheidet 4 Erbringungsformen:
- Erbringungsweise 1: Grenzüberschreitende Erbringung ist definiert als das Erbringen von Dienstleistungen vom Gebiet eines Mitglieds aus in das Gebiet eines anderen Mitglieds. M.a.W.: Nur die Dienstleistung selbst überschreitet die Grenze, nicht aber Personen (Bsp. Bank- oder Architektenleistungen, die per Post übermittelt werden).
- Erbringungsweise 2: Nutzung im Ausland betrifft Situationen, in denen sich ein Dienstleistungsnutzer (z.B. ein Tourist oder Patient) in das Gebiet eines anderen Mitglieds begibt, um dort eine Dienstleistung zu erhalten. Typischerweise reist der Verbraucher in das Erbringungsland, z.B. um Urlaub zu machen oder eine Bildungseinrichtung zu besuchen.
- Erbringungsweise 3: Gewerbliche Niederlassung bedeutet, dass ein Dienstleistungserbringer eines Mitglieds im Gebiet eines anderen Mitglieds u.a. durch das Kaufen oder Mieten von Immobilien eine Präsenz errichtet, um eine Dienstleistung zu erbringen. Ein Beispiel ist die Errichtung von Zweigniederlassungen oder Agenturen zur Erbringung von Bank-, Rechtsberatungs- oder Kommunikationsdienstleistungen.
- Erbringungsweise 4: Präsenz natürlicher Personen oder Einreise ausländischer Staatsangehöriger in ein Land, um dort Dienstleistungen zu erbringen.[22]
Jedes Mitgliedsland kann somit nicht nur unterschiedliche Verpflichtungen für bestimmte Dienstleistungssektoren, sondern auch für die verschiedenen Erbringungsformen der Dienstleistungen eingehen. Ziel des GATS ist also nicht eine Harmonisierung der Liberalisierungsverpflichtungen, sondern ein steigender Grad der Liberalisierung durch das Gewähren von immer weiteren Zugeständnissen. Dies wird festgehalten in Art.XIX GATS, nach dem die Mitglieder sich verpflichten, durch regelmäßige Verhandlungsrunden einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen. Gegenwärtig hat das GATS noch nicht den gleichen Grad an Liberalisierung bewirkt wie das GATT, aufgrund seiner Konstruktion ist aber nicht ausgeschlossen, dass das GATS eines Tages einen gleich hohen Liberalisierungsgrad erreichen kann wie das GATT.
Die Gründe für die Schaffung des TRIPS liegen in der zunehmenden Bedeutung des geistigen Eigentums im Sinne von Patent-, Marken- und Urheberrechten. In Ländern, die keine oder keine ausreichenden Schutzrechte gewähren, führt Produktpiraterie dazu, dass Originalerzeugnisse aufgrund ihrer Belastungen mit Urhebervergütungen sowie Entwicklungs- und Marketingkosten im Preis nicht mit Piraterieware konkurrieren können. Dies führt zu erheblichen Absatz- und Erlöseinbußen, was eine Verzerrung und Behinderung des internationalen Handels bedeutet. Die WTO hatte bei der Schaffung des TRIPS den Vorteil, dass die WIPO bereits umfangreiche Vorarbeiten auf diesem Gebiet geleistet hatte, die sie nur zu übernehmen brauchte. Einzigartig am TRIPS ist Teil III des Übereinkommens, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, nationale Bestimmungen zu erlassen, die die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten enthält. So müssen Urhebern bestimmte Schutzrechte gewährt werden, wie z.B. Ansprüche auf Unterlassungsverfügungen, Schadenersatz, Auskunft etc. Das TRIPS steht insofern in einem Spannungsfeld, als zum einen die Liberalisierungsgrundsätze des GATT anwendbar sind (vgl. Präambel), und zum anderen die Immaterialgüterrechte geschützt werden sollen.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass alle drei Abkommen grundsätzlich gleichrangig sind, d.h. dass kein Spezialitätsverhältnis zwischen ihnen besteht. Welches Abkommen im Einzelnen anwendbar ist, hängt davon ab, was Gegenstand des Handels ist – ein Ware, eine Dienstleistung oder ein immaterielles Recht.
[...]
[1] WT/L/274; Nr.1.3
[2] Berrisch, K&R 01, 562
[3] Mitchell, JIEL 01, S.687
[4] Hauser/Wunsch-Vincent, A call for a WTO E-Commerce Initiative, S.3
[5] Hauser/Wunsch-Vincent, A call for a WTO E-Commerce Initiative, S.2
[6] Hauser/Wunsch-Vincent, A call for a WTO E-Commerce Initiative, S.4-5
[7] OECD, Dismantling the barriers to global electronic commerce, S.1
[8] OECD, Dismantling the barriers to global electronic commerce, S.3
[9] Wunsch, Electronic Services: Its regulatory barriers and the role of the WTO, S.9
[10] Hart/Chaitoo, S.14
[11] Wunsch, Electronic Services, S.7 f.
[12] Stand 04.04.2003 (Angabe der WTO)
[13] Siebold, S.209
[14] Weiß/Herrmann, Rn 160
[15] Weiß/Herrmann, Rn 160
[16] Weiß/Herrmann, Rn. 384 f.
[17] Herdegen § 7, Rn 23
[18] Hart/Chaitoo, S. iv
[19] Barth, ZEuS 2000, 276
[20] Stoll/Schorkopf, Rn 541
[21] Barth, ZEuS 2000, 279
[22] Europäische Kommission, Konsultationspapier, 12.11.2002, S. 10 f
- Arbeit zitieren
- Astrid Jahn (Autor:in), 2003, WTO und E-Commerce, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25225
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