Im Seminar „Frieden ist nicht alles, …“ - Theorien, Institutionen und Tätigkeitsfelder zur Friedenssicherung und Konfliktlösung wurde im Sommersemester 2003 unter der Leitung von Dr. habil. Kötter Aspekte des Friedensbegriffes, Friedenskonzepte und Friedensforschung im Hinblick auf Friedenssicherung und Konfliktlösung behandelt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt vorwiegend sich mit den Rüstungsdoktrinen der beiden politischen Lager zur Zeit des Kalten Krieges. Die geltenden Doktrinen der Polmächte sollen evolutionär betrachtet werden, angefangen von der Gründung der NATO und des Warschauer Pakts bis hin zu den KSZE-Verträgen. Im Blickfeld soll die Dynamik der bilateralen Annäherung, insbesondere der Rüstungskontrollpolitik der beiden Großmächte unter Betrachtung der Ereignisse der Jahre 1946 bis 1975 stehen. Bezugnehmend auf das Seminar soll eine Antwort geliefert werden, warum der Wechsel von einer Konfrontations- zu einer Kooperationsdoktrin hin vollzogen wurde. Die vorliegende Arbeit ist chronologisch aufgebaut und beginnt kurz nach dem Krieg und erstreckt sich dann über die Folgejahre. Besondere Aufmerksamkeit soll auf die Politik und Interessen der (jeweiligen) Bundesregierung gelegt werden, die unter den Besatzungsmächten oft divergierende Interessen hinsichtlich der (Ost)-Außenpolitik zeigte. Geostrategisch und vom verfügbaren Waffenarsenal her gesehen völlig unterschiedlich, zeigt der Vergleich zwischen der USA und der Bundesrepublik Deutschland zu jener Zeit dem Betrachter ein erhebliches Maß an ungleicher sicherheitspolitischer Gefahrenbeurteilung, welche von besonderem Interesse ist.
Diese Frage des tatsächlichen Risikos eines atomaren Schlages konnte innerhalb der NATO von Ihren verschiedenen Mitgliedern nie übereinstimmend eingeschätzt werden und zeigt deutlich, auf welchem Pulverfass die Polmächte und Ihre Lager damals agierten. Im letzten Abschnitt dieser Arbeit soll Resümee gezogen darauf eingegangen werden, welche Bedeutung die (beiderseitige) Rüstungskontrollpolitik für beide Polmächte hatte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. 1946 – 1961: Profilierung und Verhärtung der Blockgegensätze
3. 1962 – 1969: atomare Deeskalation und erste Krise
4. 1969 – 1975: Zeit der Annäherung – SALT und KSZE
4.1 SALT
4.2 Doppelbeschluss
4.3 KSZE
5. Zusammenfassung
6. Quellenangaben
1. Einleitung
Im Seminar „Frieden ist nicht alles, …“ - Theorien, Institutionen und Tätigkeitsfelder zur Friedenssicherung und Konfliktlösung wurde im Sommersemester 2003 unter der Leitung von Dr. habil. Kötter Aspekte des Friedensbegriffes, Friedenskonzepte und Friedensforschung im Hinblick auf Friedenssicherung und Konfliktlösung behandelt. Beginnend mit Grundbegriffen der Internationalen Beziehungen lernten wir mit Immanuel Kant die ideengeschichtliche Evolution der theoretischen Grundlagen von Frieden und Freiheit kennen, behandelten verschiedene Institutionen, die zur Gewährleistung und Sicherung von Frieden beitragen, sprachen über vergangene und aktuelle Konflikte, deren Auswirkungen auf die Weltordnung und verschiedene sicherheitspolitische Konzepte.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt vorwiegend sich mit den Rüstungsdoktrinen der beiden politischen Lager zur Zeit des Kalten Krieges. Die geltenden Doktrinen der Polmächte sollen evolutionär betrachtet werden, angefangen von der Gründung der NATO und des Warschauer Pakts bis hin zu den KSZE -Verträgen. Im Blickfeld soll die Dynamik der bilateralen Annäherung, insbesondere der Rüstungskontrollpolitik der beiden Großmächte unter Betrachtung der Ereignisse der Jahre 1946 bis 1975 stehen. Bezugnehmend auf das Seminar soll diese Arbeit eine Vertiefung meines Referats liefern, welche den Wechsel der Rüstungsdoktrinen beschreibt und die Antwort liefert, warum der Wechsel von einer Konfrontations- zu einer Kooperationsdoktrin hin vollzogen wurde. Die vorliegende Arbeit ist chronologisch aufgebaut und beginnt kurz nach dem Krieg und erstreckt sich dann über die Folgejahre. Besondere Aufmerksamkeit soll auf die Politik und Interessen der (jeweiligen) Bundesregierung gelegt werden, die unter den Besatzungsmächten oft divergierende Interessen hinsichtlich der (Ost)-Außenpolitik zeigte. Geostrategisch und vom verfügbaren Waffenarsenal her gesehen völlig unterschiedlich, zeigt der Vergleich zwischen der USA und der Bundesrepublik Deutschland zu jener Zeit dem Betrachter ein erhebliches Maß an ungleicher sicherheitspolitischer Gefahrenbeurteilung, welche von besonderem Interesse ist.
Diese Frage des tatsächlichen Risikos eines atomaren Schlages konnte innerhalb der NATO von Ihren verschiedenen Mitgliedern nie übereinstimmend eingeschätzt werden und zeigt deutlich, auf welchem Pulverfass die Polmächte und Ihre Lager damals agierten. Im letzten Abschnitt dieser Arbeit soll Resümee gezogen darauf eingegangen werden, welche Bedeutung die (beiderseitige) Rüstungskontrollpolitik für beide Polmächte hatte.
2. 1946 – 1961: Profilierung und Verhärtung der Blockgegensätze
Nach dem 2. Weltkrieg kamen die Differenzen zwischen den beiden größten Siegermächten deutlich zum Ausdruck. Nachdem die Rote Armee ganz Osteuropa besetzt hatte, versuchte sie diese Gebiete auch politisch der Sowjetunion gleich und gefügig zu machen. Die Gebiete der Länder Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarns waren unter sowjetischem Einfluss, andere Gebiete wie der Balkan, Iran und der Mittelmeerraum blieben umstritten.
Die amerikanische Reaktion war die so genannte „ containment-policy “, bei der die bereits von den alliierten besetzte Gebiete Europas vor sowjetischen Einfluss geschützt werden sollten (= Eindämmung). Die Integration des westlichen Europas in den kapitalistischen Block verfestigte sich weiter durch den Marshall-Plan und den Beitritt dieser Staaten in das Welthandelssystem GATT (G eneral A greement on T arifs and T rade). Der letztlich finale Schritt der zur Blockbildung führte, war 1949 die Gründung der NATO, in der sich zehn der westeuropäischen Staaten mit den USA und Kanada zu einem Verteidigungsbündnis zusammenschlossen. Mit der Konfrontation durch ein westliches Bündnissystem und die Schaffung eines Wirtschaftssystems, welches nur den westlichen Staaten vorbehalten war, erreichte die Polarisation vorerst Ihren Höhepunkt.
Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten schon 1946 bewiesen, dass Sie erfolgreich eine Atombombe transportieren und zünden konnten[1], die Sowjetunion war erst einige Jahre später dazu in der Lage. Der Sputnik–Schock[2] im Jahre 1957 aber zeigte, dass die Sowjetunion jetzt auch in der Lage war, Raketen (mit entsprechender atomarer Bewaffnung) ohne Probleme interkontinental einzusetzen, d.h. nach Abschuss und Erreichen einer erdnahen Umlaufbahn mit Ihnen jeden beliebigen Ort auf der Erde anzusteuern. Der sowjetische Satellitenstart machte die bisherige Strategie der Vereinigten Staaten zu einem gefährlichen Spiel mit dem Feuer: die so genannte „Vorwärtsstrategie“, welche die Absicht vertrat, jedem Angreifer (jedem Vertreter des sozialistischen Lagers) so weit östlich wie möglich entgegenzutreten, erforderte eine neue Vorgehensweise gegenüber der UdSSR. Des Weiteren wurde aufgrund eines Haushaltsdefizits im US – amerikanischen Haushalt, Personalabbau bei den amerikanischen Streitkräften betrieben. Die neue Strategie, die „Schwert-und-Schild – Variante der NATO und der USA, welche auch unter dem Namen massive retaliation firmierte, praktizierte die Abschreckung eines Angreifers mittels Stationierung von Atomwaffen überall in der westlichen Hemisphäre, also auch direkt in nächster Nähe (= Westeuropa). Die Schwäche dieses Konzepts wurde jedoch nach dem Sputnik-Schock schnell deutlich: in Europa atomare Trägersysteme zu stationieren bedeutete nunmehr selbst eine Aggression, auf die der Gegner im Falle eines Konfliktes mit einem Atomangriff auf das Heimatterritorium der USA reagieren könnte.
Die Bundesrepublik Deutschland war zu dieser Zeit und Bundeskanzler Konrad Adenauer sehr stark an einer Stationierung von Nuklearwaffen auf Ihrem Territorium interessiert. Nach der Unterzeichung der Pariser Verträge im Oktober 1954[3] sollte als erstes eine 500.000 Mann starke Armee aufgestellt werden, um einen Verteidigungsbeitrag in der NATO leisten zu können. Adenauer forcierte militärische Wiederaufrüstung mit dem Ziel, möglichst zügig das politische und militärische Mitspracherecht innerhalb der Allianz zu erhöhen. Dem Bundeskanzler war bewusst, dass ein neuerlicher Krieg in Europa auf Deutschem Boden ausgetragen worden wäre, da sich hier die beiden Blöcke direkt gegenüber standen. Im Falle eines Krieges, auch „nur“ unter Einsatz konventioneller Waffen, wäre Deutschland wieder verwüstet worden. Adenauer konnte es also nur recht sein, wenn im Zuge der massive retaliation Kernwaffen auf bundesdeutschem Gebiet stationiert würden.
Der Strategiewechsel, den die Führungsmacht USA innerhalb der NATO nun vollzog, zeigte nun die große Abhängigkeit der Bundesrepublik von ihren Alliierten. Die Tatsache, dass es jedes Mal langen innerpolitischen Auseinandersetzungen bedurfte, um sich auf einen politischen Kurs festzulegen und den Willen der Regierung durchzusetzen (Wiedereinführung der Wehrpflicht unter Bundeskanzler Adenauer, Entscheidung für die Stationierung von atomaren Trägersystemen in der BRD unter Verteidigungsminister Strauss) konnte nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass der Bundesrepublik gar nichts anderes übrig blieb, als sich der jeweiligen Strategie ihrer Bündnispartner anzupassen und dies daraufhin nach außen zu legitimieren.
Die neue Strategie der USA, die nun vor dem Problem stand, dass atomare Konflikte auch auf ihrem Territorium ausgetragen werden konnte, gestaltete sich zeitnah als flexible Reaktion des Bündnisses mit einem breiten Spektrum an Handlungsmöglichkeiten im Falle eine atomaren Bedrohung. Das Konzept des flexible response, welches 1961 von US-Verteidigungsminister McNamara proklamiert wurde, ging auf die Pattsituation der beiden Polmächte ein und sah vor, nicht mehr jeden Konflikt unverzüglich atomar auszutragen. Vielmehr wurden bestimmte Schwellen militärischer Aggression definiert, für die bestimmte Reaktionen vorausgesehen wurden. Die Hauptintention, dass für in allen möglichen Bedrohungslagen nicht mehr linear singuläre Handlungslinien, sondern mehrere mögliche Optionen zu Verfügung standen ging einher mit der Prämisse, dass seitens der Vereinigten Staaten kein nuklearer Erstschlag vorgesehen war. Diese Strategie brachte allerdings den Interessenkonflikt hervor, dass die USA einerseits nun die Kontrolle ihrer Nuklearwaffen nicht mehr aus der Hand geben konnten und deshalb nicht die Erwartungen der Bundesdeutschen erfüllen konnten, die in der Vergeltungsdoktrin ein effektives Konzept zum Schutz ihrer Heimat an der Grenze zu den sozialistischen Staaten sahen.
[...]
[1] Gemeint sind hier die Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki 1946
[2] am 04.10.1957 brachte die Sowjetunion weltweit erstmals einen künstlichen Satelliten in eine Umlaufbahn um die Erde
[3] Die Pariser Verträge regelten die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Verleihung von Souveränität für die BRD. Ferner trat die BRD der WEU und der NATO bei, um ihrerseits einen Verteidigungsbeitrag für die westliche Welt zu leisten. Die BRD verzichtete dabei auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen.
- Quote paper
- Dipl. Verwaltungswissenschaftler Moritz von Münchhausen (Author), 2003, Rüstungsdoktrinen in Ihrer Evolution - von massiven Vergeltung zur flexiblen Reaktion. Die Politik der USA und Deutschlands gegenüber dem Warschauer Pakt in den Jahren 1946 - 1975, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25010
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.