Einleitung
Viele wirtschaftswissenschaftliche Modelle arbeiten mit Aggregationsniveaus, die die räumliche Verteilung der Wirtschaftssubjekte nicht, oder nur implizit, berücksichtigt. So werden z.B. die Haushalte und Unternehmen jeweils zu Gruppen zusammengefasst, um so später globale Aussagen treffen zu können, ohne jedes einzelne Wirtschaftssubjekt beschreiben zu müssen. Die Vernachlässigung der räumlichen Aufteilung ist für die meisten Modelle problemlos oder zumindest aus Gründen der Übersichtlichkeit und Beherrschbarkeit soweit vertretbar, als dass die Nachteile der geringeren Detailliertheit von den Vorteilen des „Handlings“ dieser Modelle aufgewogen werden.
Der Student der Ökonomie kann jedoch vor allem im Grundstudium den Eindruck gewinnen, dass eine räumliche Betrachtung ökonomischer Sachverhalte nur peripher zum umfassenden volkswirtschaftlichen Verständnis beiträgt. Dem ist jedoch bei weitem nicht so. Vielmehr wird dieses Verständnis durch die Beschäftigung mit Regionalökonomik und –politik vertieft und es werden Einblicke vermittelt, die für eine umfassende volkswirtschaftliche Analyse unerlässlich sind.
Ein wichtiger Teilaspekt der Regionalökonomik ist die Betrachtung von Städten als Ballung von Haushalten und Unternehmen, Standort von Märkten, Zentrum von Innovationskräften, etc. Dabei treten verschiedene Fragestellungen auf:
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Messung von Stadtgrößen
2.1 Bevölkerung
2.2 Fläche
2.3. Dichte
2.4. Bedeutung oder Zentralität
2.5 Fazit
3. Empirische Regelmäßigkeiten der Stadtgrößenverteilung
3.1 Rang-Größen-Verteilung
3.2 Rank Size Rule
3.3 Beispiele für die Rang-Größen-Verteilung
3.3.1 Stadtgrößenverteilung Deutschlands
3.3.2 Stadtgrößenverteilung der USA
3.3.3 Stadtgrößenverteilung Frankreichs
3.3.4 Stadtgrößenverteilung Brasiliens
3.3.5 Zusammenfassung der Beispiele
4. Übersicht über wichtige stadtökonomische Modelle und Erklärungsgehalt für die Beobachtungen
4.1 Theorie der zentralen Orte
4.2 Henderson Modell
4.3 Optimale Stadtgröße
4.3.1 Ansatz der minimalen kommunalen Kosten
4.3.2 Ansatz der maximalen Differenz
4.4 Modelle zufälligen Wachstums
5. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Rank Size Rule
Abbildung 2: Stadtgrößenverteilung Deutschlands
Abbildung 3: Stadtgrößenverteilung USA
Abbildung 4: Stadtgrößenverteilung Frankreichs
Abbildung 5: Stadtgrößenverteilung Brasiliens
Abbildung 6: Gesamt- und Durchschnittskostenverlauf
Abbildung 7: Kosten- und Erlöskurve
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Stadtgrößenverteilung Deutschlands
Tabelle 2: Stadtgrößenverteilung USA
Tabelle 3: Stadtgrößenverteilung Frankreichs
Tabelle X: Stadtgrößenverteilung Brasiliens
Literaturverzeichnis
Alonso, W. (1977), Zur Ökonomie der Stadtgröße. In: Fürst/Dietrich (Hrsg.), Stadtökonomie, Stuttgart, New York
Böventer, E. v. / Hampe, J. (1988), Ökonomische Grundlagen der Stadtplanung, Hannover
Brecht, A. (1932), Internationaler Vergleich der öffentlichen Ausgaben, in: Grundfragen der Internationalen Politik, Vorträge des Carnegie-Lehrstuhls für Außenpolitik und Geschichte an der Hochschule für Politik, Heft 2, Leipzig und Berlin
Christaller, W. (1968), Die zentralen Orte in Süddeutschland, 2. Aufl., Darmstadt
Cuny, R. (1981), Die optimale Stadtgröße, 1. Aufl., Darmstadt
Fujita, M. / Krugman, P. / Venables, A.J. (1999), The Spatial Economy, Cambridge, Mass.
IBGE (1996), Population Census 1996, http://www.xist.org/cd/br.htm, 06.06.2001
Insee (1999), Population census March 8, 1999, http://www.xist.org/cd/br.htm, 06.06.2001
Maier, G. / Tödtling, F. (1995), Regional- und Stadtökonomik: Standorttheorie und Raumstruktur, 2. Aufl., Wien
Population Division, U.S. Census Bureau (2000) Washington, DC, Population Estimates for Cities with Populations of 100,000 and Greater, http://www.census.gov/population/estimates/metro-city/SC100K-T1.txt, 06.06.2001
Statistisches Bundesamt (2000), Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden
1. Einleitung
Viele wirtschaftswissenschaftliche Modelle arbeiten mit Aggregationsniveaus, die die räumliche Verteilung der Wirtschaftssubjekte nicht, oder nur implizit, berücksichtigt. So werden z.B. die Haushalte und Unternehmen jeweils zu Gruppen zusammengefasst, um so später globale Aussagen treffen zu können, ohne jedes einzelne Wirtschaftssubjekt beschreiben zu müssen. Die Vernachlässigung der räumlichen Aufteilung ist für die meisten Modelle problemlos oder zumindest aus Gründen der Übersichtlichkeit und Beherrschbarkeit soweit vertretbar, als dass die Nachteile der geringeren Detailliertheit von den Vorteilen des „Handlings“ dieser Modelle aufgewogen werden.
Der Student der Ökonomie kann jedoch vor allem im Grundstudium den Eindruck gewinnen, dass eine räumliche Betrachtung ökonomischer Sachverhalte nur peripher zum umfassenden volkswirtschaftlichen Verständnis beiträgt. Dem ist jedoch bei weitem nicht so. Vielmehr wird dieses Verständnis durch die Beschäftigung mit Regionalökonomik und –politik vertieft und es werden Einblicke vermittelt, die für eine umfassende volkswirtschaftliche Analyse unerlässlich sind.
Ein wichtiger Teilaspekt der Regionalökonomik ist die Betrachtung von Städten als Ballung von Haushalten und Unternehmen, Standort von Märkten, Zentrum von Innovationskräften, etc. Dabei treten verschiedene Fragestellungen auf:
- Welche Faktoren bestimmen das Entstehen und wichtiger noch die Entwicklung (Wachstum / Schrumpfung) einer Stadt?
- Gibt es eine ideale Stadtgröße?
- Folgt die Verteilung der Städte im Raum einer wirtschaftlichen Regel?
- Folgt die Anzahl und Größe von Städten eines Landes einem bestimmten Schema?
- Wenn ja, gibt es dafür eine ökonomische Erklärung?
Diese Liste ließe sich beinahe unendlich fortführen und bereits die wenigen genannten Fragestellungen zeigen, dass es sich hier um eine äußerst interessante Thematik handelt. In dieser Arbeit soll im folgenden zuerst auf Probleme der Messung von „Stadtgröße“ eingegangen werden. Im Anschluss wird ausführlicher auf die Fragestellung eingegangen, welche empirischen Regelmäßigkeiten es in Hinblick auf die Stadtgrößen eines Landes gibt. Danach wird ein kurzer Überblick über wesentliche Aspekte und Modelle der Stadtökonomie gegeben und untersucht, ob diese Modelle eine ökonomische Erklärung für die beobachteten empirischen Phänomene geben können.
2. Messung von Stadtgrößen
Zunächst muss ein fundamentales Problem der Stadtökonomik angesprochen werden, da dieses bei allen folgenden Erläuterungen zumindest implizit zu bedenken ist.
Es handelt sich um das Problem der Definition von „Stadtgröße“. Meist wird einzig die (amtlich ausgewiesene) Einwohnerzahl zur Definition der Stadtgröße verwendet. Diese eindimensionale Betrachtungsweise ist jedoch mehr als problematisch[1]. So wird die reine Einwohnerzahl den multilateralen Verknüpfungen z.B. von Stadt, Vorstädten und dem Umland sowie funktionalen Kriterien nicht gerecht. Versucht man, eine mehrdimensionale Definition zu finden, die dann auch den Vorteil der höheren „Trennschärfe“ hat, so gibt hier Cuny eine gute Übersicht. So sind Teildimension der Stadtgröße
a) Bevölkerung,
b) Fläche,
c) Dichte sowie
d) Bedeutung / Zentralität[2].
2.1 Bevölkerung
Die Bevölkerung einer Stadt wird, wie schon erwähnt, statistisch nach Einwohnerzahl ausgewiesen, und diese ist wiederum als die „im Verwaltungsgebiet wohnende Bevölkerung[3] “ definiert. Ein Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass es Pendler (zu Berufs- oder Konsumzwecken) gibt, die in einem angrenzenden Verwaltungsgebiet wohnen, ihren Lebensmittelpunkt aber eben in der Stadt haben[4]. Hier gibt es Modelle, die versuchen, Pendler in die Stadtgröße mit einzuberechnen, so z.B. über Berücksichtigung der Tagesbevölkerung[5]. Diese Modelle werden aus Platzgründen nicht weiter aufgeführt.
2.2. Fläche
Bei der Betrachtung der Fläche einer Stadt zeigen sich ähnliche Probleme. Leicht zugänglich sind nur die Angaben der Fläche der Stadt in ihren verwaltungsrechtlichen Grenzen. Dass diese Grenzen nur in Ausnahmefällen auch mit den funktionellen Grenzen der Stadt übereinstimmen, ist unstrittig. Als Beispiel lassen sich Nürnberg und Fürth anführen. Handelt es sich hierbei funktionell um zwei Städte, oder könnte man hier von einem polyzentrischen Stadtgebilde sprechen? Ähnliche Konstellationen findet man im Ruhrgebiet, wo man mehrere Städte durchqueren kann, ohne ein relativ homogenes urbanes Gebiet verlassen zu haben.
Um bei der Projektion der Stadtfläche auf ihre Größe sehr genau zu sein, müsste man eigentlich die Fläche weiter differenzieren. So wird man zwei ähnliche Städte, eine komplett bebaut, die andere mit einem großen See oder Waldgebiet in der Stadt, wohl in bezug auf die Fläche unterschiedlich einstufen. Im Prinzip könnte man also nur die bebaute und städtisch genutzte Fläche zu Größenvergleichen heranziehen[6].
2.3 Dichte
Setzt man nun Fläche und Bevölkerung in Relation, so erhält man die Dichte. Die Definition lautet Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Damit gibt die Dichte grob an, wie viele Menschen pro Flächeneinheit in der Stadt leben. Natürlich werden hier systematisch die Probleme der beiden verwendeten Maßzahlen importiert. Daher gibt es eine Reihe von Modifikationen der Maßzahlen, wie z.B. die Tagesbevölkerung pro bebaute Fläche[7]. Hierauf kann jedoch aus Gründen des Umfangs nicht weiter eingegangen werden.
2.4 Bedeutung oder Zentralität
Die letzte wichtige Maßzahl der Stadtgröße ist die Bedeutung oder Zentralität. Sie beschreibt den Einfluss, den eine Stadt auf ihr Umland und auf andere Städte hat[8]. Hier gibt es fast unbegrenzt viele Einflussfaktoren, die meist untereinander interdependent sind. Geeignete Meßmethoden zu
finden, gestaltet sich daher als schwierig. Christaller schlug 1933 vor, die Anzahl an Telefonanschlüssen als Indikator zu verwenden. Sie sollte das Vorhandensein von Behörden, Unternehmen und anderen wichtigen Institutionen anzeigen. In der heutigen Zeit ist dieser Zusammenhang aber nicht mehr gegeben und damit der Indikator unbrauchbar. Ein weiterer Indikator ist die Berufsgliederung. Hinter diesem Konzept steht die These, dass eine Stadt vor allem im Dienstleistungsbereich mit dem Umland Leistungen austauscht[9]. Je mehr Arbeitnehmer also dem tertiären Sektor einer Stadt angehören, desto zentraler ist sie. Weiterhin können auch Pendlerströme zur Messung der Zentralität analysiert werden. Dieses Konzept findet, wie oben erwähnt, auch Anwendung in der Messung der Stadtbevölkerung. Bemerkenswert sind auch sog. „Scoring-Verfahren“, die versuchen, die Bedeutung einer Stadt z.B. über das Vorhandensein wichtiger Infrastruktur zu messen[10]. So erhält eine Stadt z.B. für einen vorhandenen Flughafen oder eine Universität Punkte. Die Summe dieser Punkte ergibt dann ein Maß für Bedeutung. Die letzte Möglichkeit zur Messung, die hier vorgestellt wird, ist die Befragung der im Umland wohnenden Bevölkerung, wie stark sie Leistungen der zentralen Stadt in Anspruch nimmt. Aus der Intensität kann man dann auf den Grad der Bedeutung der Stadt Rückschlüsse ziehen.
[...]
[1] Vgl. Alonso/Wiliam 1977, S. 50.
[2] Cuny 1981, S. 36.
[3] Vgl. Cuny 1981, S. 38 f.
[4] Hier zeigen sich Verbindungslinien mit der Theorie der Zentralen Orte auf (Christaller).
[5] Vgl. Cuny 1981, S. 39.
[6] Cuny 1981, S. 40.
[7] Cuny 1981, S. 45.
[8] Christaller 1968, S. 27.
[9] Vgl. Cuny 1981, S. 48.
[10] Cuny 1981, S. 51.