Einleitung
In der Kapitalmarktforschung nehmen Modelle, die rationale und emotionslose Entscheidungen der Individuen voraussetzen, einen gewichtigen Platz ein. Vergleicht man diese Prämissen jedoch mit dem täglichen Handel an den Börsen, wo Teilnehmer unter unvollkommener Information, getrieben von „Angst und Gier“(1) , unter physiologischen Beschränkungen und psychologischen Zwängen täglich Anlageentscheidungen treffen (und diese zu spekulativen Blasen und danach zu Crashes führen), wird klar, dass hier Diskrepanzen vorliegen. Es wurde zwar bereits versucht, nicht theoriekonforme Börsenakteure in entsprechende rationale Modelle zu integrieren, dort nahmen sie jedoch nur den Platz der „Noise Trader“ ein, deren Verhalten nicht explizit erklärt und analysiert wird, sondern lediglich Störgeräusch kurzfristiger Natur ist(2) . Diese Themen werden im ersten Teil der Arbeit näher beleuchtet.
Um jedoch die Verhaltensweisen dieser nicht rationalen Anleger zu verstehen, wurden weitere börsenpsychologische Modelle und Theorien entwickelt. Die Auseinandersetzung mit Börsenpsychologie ist daher nicht nur für Wirtschaftswissenschaftler geboten, die sich so ein besseres Bild über den Preisfindungsmechanismus machen können, sondern auch jeder private und institutionelle Anleger sollte ein grundsätzliches Maß an Wissen erwerben, um sich so selbst vor psychologischen Fallen und Fehlern zu schützen. Eine dritte Gruppe sind die „Börsenpsychologen“, die versuchen, die psychologischen Fehler der Masse der Anleger für sich zu nutzen und damit eine systematische Überrendite zu erzielen (ein bekanntes Beispiel ist der Milliardär George Sorros)(3) .
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1 Schellenberger in: Börsenperspektiven 2001 (2001), S. 38.
2 Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 27-30.
3 Vgl. Schellenberger in: Börsenperspektiven 2001 (2001), S. 38; und Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 29f.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Probleme rationaler Entscheidungsfindung
2.1. Das klassische Capital Asset Pricing Model
2.2. Erweiterung des CAPM um nicht rationale Entscheidungen
3. Physiologische und psychologische Grundlagen der Verhaltensanomalien
3.1. Informationswahrnehmung und –verarbeitung
3.2. Entscheindungsfindung / Bewertung
3.2.1. Relative Bewertung
3.2.2. Commitment als verstärkender Faktor
3.2.3. Auswirkungen der relativen Bewertung
4. Fazit
1. Einleitung
In der Kapitalmarktforschung nehmen Modelle, die rationale und emotionslose Entscheidungen der Individuen voraussetzen, einen gewichtigen Platz ein. Vergleicht man diese Prämissen jedoch mit dem täglichen Handel an den Börsen, wo Teilnehmer unter unvollkommener Information, getrieben von „Angst und Gier“[1], unter physiologischen Beschränkungen und psychologischen Zwängen täglich Anlageentscheidungen treffen (und diese zu spekulativen Blasen und danach zu Crashes führen), wird klar, dass hier Diskrepanzen vorliegen. Es wurde zwar bereits versucht, nicht theoriekonforme Börsenakteure in entsprechende rationale Modelle zu integrieren, dort nahmen sie jedoch nur den Platz der „Noise Trader“ ein, deren Verhalten nicht explizit erklärt und analysiert wird, sondern lediglich Störgeräusch kurzfristiger Natur ist[2]. Diese Themen werden im ersten Teil der Arbeit näher beleuchtet.
Um jedoch die Verhaltensweisen dieser nicht rationalen Anleger zu verstehen, wurden weitere börsenpsychologische Modelle und Theorien entwickelt. Die Auseinandersetzung mit Börsenpsychologie ist daher nicht nur für Wirtschaftswissenschaftler geboten, die sich so ein besseres Bild über den Preisfindungsmechanismus machen können, sondern auch jeder private und institutionelle Anleger sollte ein grundsätzliches Maß an Wissen erwerben, um sich so selbst vor psychologischen Fallen und Fehlern zu schützen. Eine dritte Gruppe sind die „Börsenpsychologen“, die versuchen, die psychologischen Fehler der Masse der Anleger für sich zu nutzen und damit eine systematische Überrendite zu erzielen (ein bekanntes Beispiel ist der Milliardär George Sorros)[3].
2. Probleme rationaler Entscheidungsfindung
2.1. Das klassische Capital Asset Pricing Model (CAPM)
Um sich mit Börsenpsychologie auseinanderzusetzen, ist zunächst das Verständnis des Capital Asset Pricing Models, kurz CAPM, vorteilhaft. Auf eine ausführliche Einführung muss jedoch hier verzichtet werden, da dies den Umfang dieser Arbeit sprengen würde. Eine detaillierte Darstellung ist in den meisten Lehrbüchern zur Finanzierungstheorie zu finden. Nachfolgend werden daher nur knapp die Grundannahmen aufgezählt: (1) Die Investoren sind risikoavers und maximieren ihren Nutzen in bezug auf das erwartete Endvermögen. (2) Es besteht vollkommener Wettbewerb. (3) Es herrscht identischer Informationsstand und entsprechende homogene Erwartungen. (4) Es gibt eine fixe Anzahl von Wertpapieren. (5) Es gibt die Möglichkeit einer risikolosen Anlage in „Tagesgeld[4] “ zum Marktzinssatz r. Zum gleichen Zinssatz kann unbegrenzt Kapital aufgenommen werden. (6) Alle Wertpapiere können an allen Märkten gehandelt werden. Eine Unteilbarkeitsbeschränkung existiert nicht. (6) Alle Informationen sind gratis und allgemein verfügbar. (7) Es existieren keine Marktunvollkommenheiten[5].
Insbesondere die Annahme der Nutzenmaximierung in bezug auf erwartetes Endvermögen ist hier interessant. Auf diese Annahme soll im weiteren Verlauf nochmals eingegangen werden. Im CAPM ist das Individuum also der klassische Homo Oeconomicus, der jede Entscheidung ausschließlich aufgrund ökonomischer Modelle trifft, und sich dabei nicht mit Emotionen beschäftigen muss und frei ist von limitierenden Faktoren der menschlichen Physis[6]. In gewisser Weise ist die Entscheidungsfindung des Individuums mit dem Algorithmus einer Quote-Machine[7] vergleichbar[8]. Der Homo Oekonomikus des CAPM geht also keine Risiken ein, die durch Diversifikation vernichtbar wären und daher auch keine adäquate Risikoprämie bieten[9]. Vielmehr kauft er nur das Marktportfolio (Buy and Hold Strategie[10]).
Theoriegemäß dürfte, nachdem sich alle Individuen mit dem Marktportfolio eingedeckt haben, kein (größerer) Handel an den Börsen mehr zustande kommen. Ein kurzer Blick zur Börse genügt jedoch, um ein anderes Bild zu erhalten. Um diese Umstände zu erklären, kann man im CAPM verschiedene Modifikationen einführen, die im folgenden beschrieben werden.
[...]
[1] Schellenberger in: Börsenperspektiven 2001 (2001), S. 38.
[2] Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 27-30.
[3] Vgl. Schellenberger in: Börsenperspektiven 2001 (2001), S. 38; und Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 29f.
[4] Hier ist Tagesgeld als ein Kapitalmarktprodukt mit täglicher Verfügbarkeit und einer Verzinsung in Höhe des Marktzinssatzes zu verstehen.
[5] Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 40.
[6] Diese werden im weiteren Verlauf dargestellt.
[7] Eine Quote Machine ist ein Computerprogramm, das gespeist mit einer vorgegebenen Handlungsanweisung (Programmierung) selbständig Wertpapierkäufe und -verkäufe durchführt.
[8] Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S.23.
[9] Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 26.
[10] Vgl. Gerke in: Jünemann/Schellenberger (2000), S. 30.