Im Zentrum dieser Arbeit steht der Analyseansatz von John Gumperz zur interpretativen Soziolinguistik mit der Erörterung von Kontext und Kontextualisierung. Es soll versucht werden, das Verfahren der Kontextualisierung auf die Problematik des geschlechtsverbundenen Gesprächsverhaltens anzuwenden. Inwieweit dieses vollzogen werden kann und wo die Grenzen liegen, soll die Hausarbeit aufzeigen.
Vorerst wird die Theorie der interpretativen Soziolinguistik komprimiert dargestellt, da deren Prämissen grundlegend für das Konzept der Kontextualisierung sind. Auf der Basis des Konzepts der Kontextualisierung, das vorerst mit seinen allgemeinen Merkmalen aufgezeigt wird, werden die fünf Schemata nach Auer 1 an ihren relevanten Fragen erörtert. In Verbindung zu den unterschiedlichen Ebenen der Schemata werden weibliche und männliche Kontextualisierungshinweise kontrastiert. Im Anschluß daran soll eine Gegenposition zu der Theorie der unterschiedlichen kommunikativen Systeme zwischen den Geschlechtern aufgezeigt werden. Problematisch ist die Anwendung des Konzepts der Kontextualisierung auf geschlechtsverbundenes Gesprächsverhalten, da das Konzept für die Diskursanalyse von interkulturelle Kommunikation ausgelegt ist. Doch Tannen geht in ihrer Analyse davon aus, daß „Jungen und Mädchen im Grunde in verschiedenen Kulturen aufwachsen, so daß das Gespräch zwischen Frauen und Männern zur interkulturellen Kommunikation wird“ 2 . Inwieweit die Theorie anwendbar 3 ist, soll in Konzentration auf die maximalen Kontraste der weiblichen und männlichen Kontextualisierungshinweise im Folgenden gezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Hauptteil
1 Interpretative Soziolinguistik
2 Kontextualisierung
2.1 Kontext
2.2 Vom Kontext zur Kontextualisierung
3 Geschlechtsverbundenes Gespräch anhand Schemata
4 Gegenposition
C Schlußteil
Literaturverzeichnis
A Einleitung
Im Zentrum dieser Arbeit steht der Analyseansatz von John Gumperz zurinterpretativen Soziolinguistikmit der Erörterung von Kontext und Kontextualisierung. Es soll versucht werden, das Verfahren der Kontextualisierung auf die Problematik des geschlechtsverbundenen Gesprächsverhaltens anzuwenden. Inwieweit dieses vollzogen werden kann und wo die Grenzen liegen, soll die Hausarbeit aufzeigen.
Vorerst wird die Theorie der interpretativen Soziolinguistik komprimiert dargestellt, da deren Prämissen grundlegend für das Konzept der Kontextualisierung sind. Auf der Basis des Konzepts der Kontextualisierung, das vorerst mit seinen allgemeinen Merkmalen aufgezeigt wird, werden die fünf Schemata nach Auer[1]an ihren relevanten Fragen erörtert. In Verbindung zu den unterschiedlichen Ebenen der Schemata werden weibliche und männliche Kontextualisierungshinweise kontrastiert.
Im Anschluß daran soll eine Gegenposition zu der Theorie der unterschiedlichen kommunikativen Systeme zwischen den Geschlechtern aufgezeigt werden.
Problematisch ist die Anwendung des Konzepts der Kontextualisierung auf geschlechtsverbundenes Gesprächsverhalten, da das Konzept für die Diskursanalyse von interkulturelle Kommunikation ausgelegt ist. Doch Tannen geht in ihrer Analyse davon aus, daß „Jungen und Mädchen im Grunde in verschiedenen Kulturen aufwachsen, so daß das Gespräch zwischen Frauen und Männern zur interkulturellen Kommunikation wird“[2]. Inwieweit die Theorie anwendbar[3]ist, soll in Konzentration auf die maximalen Kontraste der weiblichen und männlichen Kontextualisierungshinweise im Folgenden gezeigt werden.
B Hauptteil
1 Interpretative Soziolinguistik
Die interpretative Soziolinguistik wird einerseits als Forschungsrichtung der Ethnomethodologie ausgegeben[4], anderseits läßt sie sich methodisch von dieser differenzieren.
Die ethnomethodologische Konversationsanalyse sieht ihre Aufgabe auf der deskreptiven Ebene. Sie beschreibt bestimmte Aktivitäten, deren Strukturen und Sprechereignisse einer Sprechgemeinschaft.
Die interpretative Soziolinguistik hat den Anspruch, diese Sprechereignisse anhand der zentralen Frage nach dem ‘wie’ zu analysieren. Wie konstituieren Interaktionsteilnehmer Kontext? Wie leiten sie den Inferenzprozeß? Mit welchen sprachlichen und auch grammatischen, lexikalischen und prosodischen Mitteln werden in Interaktionssituationen bestimmte Kategorien, Handlungsmuster, aus dem Hintergrundwissen aktiviert und hervorgerufen?
Betonenswert ist, daß die interpretativen Soziolinguistik (Interaktions-) Situationen als nicht von vornherein gegeben betrachtet. Situationen werden interaktiv auf Basis des ‘Mitgebrachten’, das „zum einen alle wahrnehmbaren, potentiell als Ressourcen des Handelns zur Verfügung stehenden Äußerlichkeiten, sowie Wissens- und Glaubensbestände der Interaktionsteilnehmer und zum andern die verfügenden und strukturierenden Merkmale und Beeinflussungsmöglichkeiten von Institutionen [...]“[5]umfaßt, erzeugt.
Ausgehend von dieser Annahme, erfährt Sprache eine neue Qualität: Sprache als konstruierendes Medium für Wirklichkeit. Sprache und Wirklichkeit stellen keine von einander unabhängigen Systeme dar. An diesem Punkt setzt die interpretative Soziolinguistik ihre Analyse an. Wie wird Sprache in Gesellschaft eingebettet und andersherum wie bzw. mit welchen verbalen und non-verbalen Mitteln wird eine bestimmte Bedeutung in Interaktionssituationen impliziert.
Neben der Prämisse, daß Wirklichkeit durch sprachlich vermittelte Wissensbestände mitkonstruiert wird, geht die interpretative Soziolinguistik davon aus, daß soziales Handeln interaktiv abläuft ,und daß „soziales und kommunikatives Wissen weder meßbar ist , noch in deduktiv ermittelte Kategorien gepreßt werden kann, sondern im Interaktionsprozeß durch die non-verbalen und verbalen Aktivitäten der Interagierenden selbst geschaffen, bestätigt und perpetuiert wird“[6]. Das LexemSozioder interpretativen Soziolinguistik bezieht sich hiernach auf Kommunikation als soziales Handeln, daß auf Systemen kulturellen Wissens basiert und beschränkt sich nicht auf einzelne Faktoren wie Schicht, Geschlecht, Alter usw.. .
Interpretativverweist auf die Strategien, die in einem Gespräch aktiviert werden, um sprachliche Äußerungen interpretierbar zu machen. Dies impliziert, daß Interaktionsteilnehmer auf zweifache Weise an diesem Prozeß beteiligt sind: Einerseits werden Äußerungen mittels bestimmter Strategien interpretierbar gemacht und andererseits müssen diese Strategien, bzw. Hinweise entschlüsselt werden und folglich die Äußerung interpretieren[7]. Dieser Prozeß beruht auf folgenden Grundannahmen:
1. Diese Strategien bedienen sich bestimmter Zeichen (Kontextuali-
sierungshinweise) sowie gespeichertem Weltwissen und ermöglichen so Inferenzen, die die Grundlage der situationsbezogenen Interpretation bilden.
2. Inferenzen beinhalten vorläufige, hypothesenartige Annahmen, sie entstehen und entwickeln sich unbewußt.
Inferenz bezeichnet den vom Kontext abhängigen Interpretationsvor-gang , durch den die Interaktionsteilnehmer die Gesprächsabsicht und - bedeutung ermitteln.
An dieser interaktiven Dynamik, in der Sprecher mittels bestimmter Signale das Erkennen von Bedeutung kreieren und ermöglichen, das dann über den Inferenzprozeß rückgekoppelt wird, setzt die interpretative Soziolinguistik mit dem Ansatz der Kontextualisierung an.
2 Kontextualisierung
2.1 Kontext
Dem Ansatz der Kontextualisierung liegt ein reflexiver Kontextbegriff zu Grunde. Die aktiven Interaktionsteilnehmer reagieren auf den Kontext und konstituieren ihn gleichzeitig. Äußerungen werden in einen Kontext eingebettet, bzw. Kontext wird aufgebaut, um so dem Rezipienten Verstehen zu ermöglichen. Kontext ist somit nichts Gegebenes, das von außen beeinflußt. Es wird interaktiv und kognitiv immer wieder neu produziert, und ist dadurch zu jeder Zeit revidierbar. Aber in typischen Situationen wird durch ein Vorwissen über Konventionen oder Alltagserfahrungen ein bestimmter Kontext erwartbar.
Zu der im vorangehenden Kapitel erläuterten Auffassung von ebenfalls interaktiv konstituierter ‘Situation’ steht der Kontext in einem hierarchischem und reflexiven Verhältnis, „insofern situative Vorgaben zu bestimmten Kontextualisierungen führen, die gemeinsam etablierten Kontexte aber auch wiederum für die Situation konstitutiv sind“[8].
In einer Interaktion ist es notwendig, daß alle Teilnehmer den objektiv vorliegenden Kontext registrieren und ihn somit zum Teil der Interaktion machen.
2.2 Vom Kontext zur Kontextualisierung
Kontext und Kontextualisierung stehen in einem dialektischen Verhältnis.
Kontextualisierung bezeichnet das Verfahren, „mittels der die Teilnehmer an einer Interaktion für Äußerung Kontext konstituieren. Solche Verfahren stellen zwischen zwei essentiellen Bestandteilen eine Verbindung her: [...] dem Kontextualisierungshinweis (‘contextualisation cue’) und einer Komponente des Hintergrundwissens“[9], das in Form von Schemata organisiert ist.
Schemata sind situativ revidierbare, komplexe Strukturen. Sie umfassen „generalisiertes Wissen über Abfolgen von Ereignissen in bestimmten sozio-kulturellen Kontexten“[10], stellen somit strukturiertes Wissen über Alltag und Konventionen einer Kulturerfahrung dar.
Neben dem kontextualisierenden Schema unterscheidet man noch weitere ‘activity types’: Ablaufschema (skript), Situationsschema (frame) und Rollenschema. Sie ermöglichen die gemeinsame, koordinierte Abwicklung sozialer Aktivitäten, z.B. wird über das Handlungsschema initiiert, wie als nächstes reagiert werden sollte (Schema ‘Frage/ Antwort’) Somit schlägt sich Wissen wider im automatisierten Handeln.
Schemata werden mittels Kontextualisierungshinweisen verfügbar. Kontextualisierungshinweise sind ein Zeichenvorrat verbaler und nonverbaler Art. Sie können durch eine Fülle von Optionen zum Ausdruck gebracht werden: „Kinetik und Proxemik, Prosodie (Tonhöhenverlauf, Lautstärke, Geschwindigkeit, Rhythmus und Gliederung in Tongruppen, Akzent), Blickverhalten, zeitliche Plazierung (Pausen, Simultansprechen), Varietäten-/Sprachwahl, lexikalische Variation sowie sprachliche Formulierungen“[11].
Auch in der Realität ist eine Redundanz von Hinweisen erlaubt, wenn nicht sogar notwendig, da der Rezipient nicht alle wahrnimmt und zu dem bekanntlich auf mehreren Kanälen gleichzeitig kommuniziert wird.
Kontextualisierungshinweise haben keine inhärente, referentielle Bedeutung, sind flexibel einsetzbar und nicht fixiert auf ein Schema. Sie sind eher als Richtungshinweise für den situativen Inferenzprozeß zu betrachten. Sie fungieren als Indiz zur Bewußtmachung eines Schemas, leiten die Teilnehmer einer Interaktion zum gemeinsamen Schema.
[...]
[1]Auer, Peter: Kontextualisierung. In: Studium Linguistik 19, 1986, S.22-47.
[2]Tannen, Deborah: Du kannst mich einfach nicht verstehen. Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden; Ernst Kabel Verlag, Hamburg 1991, S.17.
[3]Günthner legt ihren gesamten Aufsatz darauf aus, zu beweisen , daß diese Theorie der „zwei Kulturen“ nicht haltbar ist.( Günthner, Susanne: Sprache und Geschlecht. Ist Kommunikation zwischen Frauen und Männern interkulturelle Kommunikation? Linguistische Berichte 138,1992, S.123-143.
[4]Vgl. Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, (2.neu bearb.Aufl.); Alfred Kröner Verlag, Stuttgard 1990, S. 227.
[5]Hinnenkamp ,Volker: Mißverständnisse in Gesprächen: eine empirische Untersuchung im Rahmen der interpretativen Soziolinguistik; Westdeutscher Verlag ,Opladen 1998,S. 73.
[6]Günthner , Susanne: Diskursstrategien in der interkulturellen Kommunikation. Analysen deutsch chinesischer Gespräche; Max- Niemeyer Verlag, Tübingen 1993, S.40.
[7]vgl. Güntner (1993).
[8]Hinnenkamp(1998),S. 75.
[9]Auer(1986),S. 24.
[10]Bußmann(1990),S.665: Ein Bsp. dafür, wäre das Wissen, wie man eine Fahrkarte kauft.
[11]Auer(1986), S.26.
- Quote paper
- Sibylle Grundmann (Author), 1999, Geschlechtsverbundenes Gespräch im 'Kontext', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24382
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