Ein deutsches Requiem - war Johannes Brahms der Erste, der der lateinischsprachigen Tradition des Requiems den Rücken kehrte und Trauermusik mit deutschen Texten komponierte? Heinrich Schütz hatte bereits 200 Jahre vor Brahms seine „Musikalischen Exequien“ (1636) mit dem Untertitel „Teutsche Begräbnis-Missa“ komponiert. Robert Schumann hatte in seinem „Projektbuch“ den Plan für ein „Deutsches Requiem“ schriftlich festgehalten.
„Die Entstehungsgeschichte des ‚Deutschen Requiems’ ist noch nicht in allen Einzelheiten geklärt,“ 1 bemerkte Franz Grasberger noch 1966 und 1968. Brahms hat einige Teile des Requiems schon sehr früh konzipiert, sie wieder verworfen und später wieder aufgegriffen.
Am 27. Februar 1854 stürzt sich Robert Schumann von einer Düsseldorfer Brücke in den Rhein, wird aber gerettet. Kurze Zeit nach dieser Schumann-Tragödie entsteht in Düsseldorf vor dem 9. März eine „Sonate für 2 Klaviere“. Ein Satz dieser Sonate steht in der Form eines langsamen Scherzos (im Sarabandentempo), dessen Trio-Thema auf Schumanns Musik weist. Noch im selben Jahr werden diese Sätze instrumentiert. Bereits 1857 wurde die Sarabande aus der Sonate herausgelöst und ist durch eine andere Komposition ersetzt worden. Die Annahme, dass Schumann das Sarabandenthema in den II. Satz gleich nach Schumanns Tod umschreibt, wird durch eine von Brahms typische Arbeitsweise gestützt: Er reagiert spontan auf Einflüsse in seiner Umwelt beim Komponieren und der Ausführung. Beispiele hierfür sind: Schumann-Katastrophe = Sonate für 2 Klaviere; der Tod der Mutter = Horntrio und der IV. Satz des Requiems; Reichsgründung = Triumphlied; Lieder für Agathe von Siebold. Daher kann man die Termine der Requiemkompositionen durchaus an bestimmten Ereignissen festhalten. Bei der Analyse des Requiems fällt auf, dass alle Sätze ähnliche Themen und Motive des II. Satzes verwenden, was auch dafür spricht, dass der II. Satz als erster angelegt wurde.
Inhaltsverzeichnis:
1. Die Entstehung des Requiems
1.1 Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte
1.2 Aufführungen
1.3 Entstehung des V. Satzes
2. Analyse der Einzelsätze
2.1 Analyse des I. Satzes:
2.1.1 Textanalyse
2.1.2 Musikalische Analyse des I. Satzes:
2.2 Analyse des III. Satzes
2.2.1Textlliche Analyse des III. Satzes
2.2.2 Musikalische Analyse des III. Satzes
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Die Entstehung des Requiems
1.1 Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte
Ein deutsches Requiem – war Johannes Brahms der Erste, der der lateinischsprachigen Tradition des Requiems den Rücken kehrte und Trauermusik mit deutschen Texten komponierte? Heinrich Schütz hatte bereits 200 Jahre vor Brahms seine „Musikalischen Exequien“ (1636) mit dem Untertitel „Teutsche Begräbnis-Missa“ komponiert. Robert Schumann hatte in seinem „Projektbuch“ den Plan für ein „Deutsches Requiem“ schriftlich festgehalten.
„Die Entstehungsgeschichte des ‚Deutschen Requiems’ ist noch nicht in allen Einzelheiten geklärt,“[1] bemerkte Franz Grasberger noch 1966 und 1968. Brahms hat einige Teile des Requiems schon sehr früh konzipiert, sie wieder verworfen und später wieder aufgegriffen.
Am 27. Februar 1854 stürzt sich Robert Schumann von einer Düsseldorfer Brücke in den Rhein, wird aber gerettet. Kurze Zeit nach dieser Schumann-Tragödie entsteht in Düsseldorf vor dem 9. März eine „Sonate für 2 Klaviere“. Ein Satz dieser Sonate steht in der Form eines langsamen Scherzos (im Sarabandentempo), dessen Trio-Thema auf Schumanns Musik weist. Noch im selben Jahr werden diese Sätze instrumentiert. Bereits 1857 wurde die Sarabande aus der Sonate herausgelöst und ist durch eine andere Komposition ersetzt worden. Die Annahme, dass Schumann das Sarabandenthema in den II. Satz gleich nach Schumanns Tod umschreibt, wird durch eine von Brahms typische Arbeitsweise gestützt: Er reagiert spontan auf Einflüsse in seiner Umwelt beim Komponieren und der Ausführung. Beispiele hierfür sind: Schumann-Katastrophe = Sonate für 2 Klaviere; der Tod der Mutter = Horntrio und der IV. Satz des Requiems; Reichsgründung = Triumphlied; Lieder für Agathe von Siebold. Daher kann man die Termine der Requiemkompositionen durchaus an bestimmten Ereignissen festhalten. Bei der Analyse des Requiems fällt auf, dass alle Sätze ähnliche Themen und Motive des II. Satzes verwenden, was auch dafür spricht, dass der II. Satz als erster angelegt wurde.
Klaus Blum[2] hat folgende 4 Motive aus dem II. Satz mit den anderen Sätzen des Werkes verglichen:
A:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In dem von Brahms am 16. Februar 1869 verfassten Brief liegt eine Äußerung vor, die beweist, dass Brahms bewusst die einzelnen Sätze motivisch miteinander verknüpft hat:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Ich streite, dass in Nr. 3 die Themen der verschiedenen Sätze etwas miteinander gemein haben sollen (ausgenommen das kleine Motiv: ).
Ist es nun doch so (ich rufe mir absichtlich nichts in Gedächtnis zurück): So will ich kein Lob dafür, sondern bekennen, dass meine Gedanken beim Arbeiten nicht weit genug fliegen können, also unabsichtlich öfter mit demselben Gedanken zurück kommen.
Will ich jedoch dieselbe Idee beibehalten, so soll man sie schon in jeder Verwandlung, Vergrößerung, Umkehrung deutlich erkennen. Das andere wäre schlimme Spielerei und immer ein Zeichen armseligster Erfindung. Leider ist die Fuge in Nr. 6 ein Beweis, dass ich (dem ‚Schwung’ zu Gefallen?) nicht gerade streng bin“.[3]
Brahms erwähnt auch, dass sich ein bekannter Choral hinter der melodischen Linie „Denn alles Fleisch es ist wie Gras“ aus dem II. Satz versteckt. Er lässt dennoch offen, welcher Choral sich dahinter verbirgt. Es nicht nicht nur „Wer den lieben Gott lässt walten“ in Erwägung zu ziehen, sondern genauso auch der Choral „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“. Auch kann man in dem Melodieverlauf einen Bezug zu Schumanns Melodie: „Freu dich sehr, o meine Seele“ sehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einmal erwähnt Brahms Joseph Joachim gegenüber, wie sehr das Requiem doch Schumann gehöre. Dies kann man auf jeden Fall im Bezug auf Satz I und II behaupten. Diese 2 Sätze bilden zwar noch nicht das Requiem, da aber die anderen Sätze Motive und Themen aus den ersten zwei Sätzen verarbeiten, kann man das Requiem durchaus in Beziehung zu Schumann setzen.
1859 hat Brahms in Detmold das ehemalige Scherzo in den II. Satz umkomponiert und auch geeignete Bibelstellen zu seiner zunächst viersätzig konzipierten Trauerkantate herausgesucht. Nach einer Reise durch das Harz kehrte er wieder nach Hamburg zurück und verlor den Plan, eine Trauerkantate zu schreiben, zunächst aus den Augen. Kalbeck[4] stellt aufgrund des von Brahms verwendeten Notenpapiers fest, dass als nächstes der I. Satz in Hamburg entstanden sein musste. Zur selben Zeit arbeitete er an der A-Dur-Serenade, bei welcher die Violinen durch die Bratschen ersetzt und die Celli geteilt wurden. Diese Art der Instrumentation hat er in Cherubinis „Requiem d-Moll für Männerchor“ 1860 in Hamburg gehört. Den IV. Satz komponierte Brahms im Jahre 1865, obwohl das geschriebene Textblatt zu diesem Zeitpunkt unauffindbar war. Dieser Text ist aber der einzige des deutschen Requiems, der aus einem geschlossenen Psalmtext besteht (Ps. 85, 2, 3 und 5), woran sich Brahms sicher wieder erinnern konnte, nachdem am 1. Februar 1865 seine Mutter verschied. Die Sätze, die nach dem Tode der Mutter geschrieben worden sind, weisen eine polyphonere und im Orchestersatz gelockerte Schreibweise auf. Auf einer Notiz von Reinthaler ist zu lesen, dass er mit Brahms im Frühsommer 1865 mehrere Teile des Requiems vorgespielt habe. Das Wort „mehrere“ spricht für mehr als 3 Werkteile: der I., der IV. und der II. Satz war zu diesem Zeitpunkt wohl schon abgeschlossen. Kalbeck stellte fest, dass Brahms wohl am 11. Januar 1866 in Hamburg sein Requiem Textblatt wiedergefunden haben musste. Er änderte spontan seine Reisepläne und begab sich Ende Januar/Anfang Februar nach Karlsruhe um dort den ersten Teil des III. Satzes zu komponieren. Während er an der Orgelpunktfuge des III. Satzes komponierte, suchte er schon nach weiteren Sätzen, da er wusste, dass die Satzfolge I, II, III mit dem IV. Satz nicht krönend abgeschlossen werden konnte. Hier ließ er den Plan für eine 4-sätzige Trauerkantate und konzipierte eine 7-sätzige oratorische Großform, wobei sich im formalen Aufbau Satz I und VII und Satz II und VI entsprechen sollten. Den VI. und den VII: Satz verfasste er im Sommer 1866, was den Datierungen auf den Skizzenblättern zu entnehmen ist. Aufgrund der Tinte und des Schriftduktus konnte festgestellt werden, dass der VII. Satz höchstwahrscheinlich vor dem VI. Satz entstanden ist.
Am 17. August 1866 ging Brahms nach Lichtenthal bei Baden-Baden und spielte Clara Schumann die Sätze vor. Da Brahms nichts Unabgeschlossenes der Öffentlichkeit bekannt machte, kann man davon ausgehen, dass das Requiem zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war. Auf der Partitur ist „Baden-Baden im Sommer 1866“ datiert, somit betrachtete Brahms wohl die sechssätzige Fassung als vollständig und abgeschlossen.
[...]
[1] Zitiert nach: Klaus Blum, Hundert Jahre ein deutsches Requiem von Johannes Brahms, Tutzing, 1971, S. 91.
[2] ebd,, S. 92-94
[3] Brief Brahms’ an A. Schubring vom 16. Februar 1869, in: Max Kalbeck (Hrsg.), Briefe an Joseph Viktor Widmann, Ellen und Ferdinand Vetter, Adolf Schubring / Johannes Brahms, Band 8, Tutzing 1974, S. 213ff.
[4] Max Kalbeck: Johannes Brahms, Band 2, Berlin 1976 (Nachdruck), S. 255
- Quote paper
- Viola Fritz (Author), 2003, Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24275
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