Ferdinand Gregorovius' Reiseliteratur im Fokus der Interkulturalität und in Abhängigkeit seiner eigenen Person. Überblick über seine Zeit und sein Leben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zur Themenstellung
1.2 Die Zeit von Ferdinand Gregorovius - Europa im 19. Jahrhundert
2. „Wanderjahre in Italien“
2.1 Der Autor Ferdinand Gregorovius
2.2 Das Buch „Wanderjahre in Italien“
3 Interkulturelle Ansätze im Werk
3.1 „Reiseführer“ Gregorovius
3.2 Ferdinand Gregorovius – Im Herzen demokratischer Italiener
4. Lob und Kritik
4.1 Gregorovius als Kulturvermittler und das „neue“ Rom
4.2 Der Dichter im Historiker
5. Fazit
Literaturnachweise
1. Einleitung
1.1 Zur Themenstellung
Wenn wir an ferne Länder oder fremde Kontinente denken, so haben wir ein bestimmtes Bild vor Augen. Eine Vorstellung, die sie sich mit der Zeit aus einzelnen Puzzleteilen zu einem Ganzen zusammengesetzt hat bzw. Eindrücke, die wir selbst vor Ort wahrgenommen haben. Letzteres wäre der Idealfall, da wir keine Klischees und dergleichen vorgelebt bzw. eingeredet bekämen. Wir könnten die tatsächlichen Umstände selbst sehen und bewerten. Das ist allerdings leider nicht immer möglich. Im Gegenteil: fast nie. Was also tun wir, wenn wir uns ein Bild über einen beliebigen Ort irgendwo auf der Welt machen wollen, diesen aber nicht besuchen können? Wir schauen uns einen Reisebericht im Fernsehen an, surfen im Internet oder blättern in Fachzeitschriften und Reiseprospekten.
Vor 150 Jahren war das noch nicht in diesem Umfang möglich. Damals gab es noch keinen Fernseher oder das Radio, womit eine solche Recherche möglich gewesen wäre. Doch auch damals gab es natürlich schon Informationsquellen und Medien, durch die man seinen eigenen Horizont erweitern konnte. Allen voran das Buch.
In Form von Reiseerzählungen hatten die Leser die Möglichkeit, sich ein Bild über Gegenden zu machen, die sie nie bereisen konnten. Die Autoren warteten mit mehr oder weniger exakten Reiseberichten auf. Ob Johann Wolfgang Goethe oder Karl May, sie ermöglichten den Lesern einen Blick in die Ferne, ließen sie durch ihre Augen die Welt erleben. Karl May verknüpfte seine (erfundenen) Reiseerzählungen mit Abenteuererzählungen. Johann Wolfgang Goethe hingegen stellte seine Erlebnisse und die Beschreibung vor Ort in den Vordergrund. Genauso wie Ferdinand Gregorovius, der Mitte des 19. Jahrhunderts Griechenland und Italien bereiste. „Mit deutschen Augen sahen sie [Gregorovius und Goethe] des Landes Vergangenheit und Gegenwart, und deutsch ist das, was sie uns gaben.“[1]
Gregorovius´ „Wanderjahre in Italien“ ist eine Ansammlung verschiedener Reiseerzählungen in einem Werk vereint. Es steht im Mittelpunkt der folgenden Arbeit, die den Erzählstil in den Reiseberichten von Gregorovius und die Gründe seiner Wanderungen untersuchen und erklären soll. Zudem soll die Wirkung der Berichterstattungen des „Reiseführers“ Ferdinand Gregorovius’ auf Italien und auch auf Deutschland dargestellt werden. Hauptsächlich stütze ich mich dabei auf die Werke von Ferdinand Gregorovius „Wanderjahre in Italien“ und „Römische Tagebücher“. Weiterhin dienen mir die kritische Würdigung Gregorovius’ von Jens Petersen und Arnold Esch und „Der Historiker als Dichter“ von Hanno-Walter Kruft dem Fundament meiner Thesen.
1.2 Die Zeit von Ferdinand Gregorovius - Europa im 19. Jahrhundert
„[...] nie hat Europa und kaum je hat die Welt eine Periode erlebt, in der die revolutionären Tendenzen so endemisch, so allgegenwärtig, so leicht von einem Gebiet auf das andere übertragbar waren wie in jener Epoche.“[2] Gemeint ist das 19. Jahrhundert.
Ende des 18. Jahrhunderts übernahm Napoleon Bonaparte in Frankreich die Macht. Nach seinem Feldzug, fasste er die in Deutschland existierenden souveränen Kleinstaaten 1806 zu einem einzigen Staat zusammen. Dieser so genannte Rheinbund war von Frankreich abhängig. 1815 wurde Napoleon besiegt und der Wiener Kongress leitete die Restaurationszeit ein. Der Rheinbund wurde durch den Deutschen Bund ersetzt, ein Zusammenschluss souveräner Staaten, zu dem nun auch Preußen und Österreich gehörten. Viele Deutsche forderten schon zu Beginn des Jahrhunderts einen Nationalstaat, den der Wiener Kongress nicht bieten konnte. Immer mehr Menschen gingen für die Einigung der deutschen Staaten und für politische Freiheitsrechte auf die Straße.
Einen ersten Höhepunkt fanden die Proteste während des Hambacher Festes 1832. 30.000 Menschen fanden sich zusammen, um für den Nationalstaat zu demonstrieren. Im März 1848 kam es zu Aufständen in fast allen großen deutschen Städten und andere europäische Nationen erhoben sich „selbständig, spontan und gleichzeitig“[3]. „Ob sie nun Romantiker waren oder nicht – die Radikalen verwarfen die Politik der Gemäßigten mit deren Vertrauen auf Fürsten und Mächte.“[4] Und auch Italien, Gregorovius’ späteres Reiseland, wurde von der Revolution erfasst. Im Unterschied zu anderen Ländern vollzogen sich die Revolutionen dort allerdings „im wesentlichen ohne die Beteiligung der Landbevölkerung“[5]. Die Monarchen mussten sich schließlich dem Druck der Bewegung beugen und führten Reformen durch. Verschiedene Forderungen – Pressefreiheit, Schwurgerichte – wurden verwirklicht und die Bauern von ihren feudalistischen Zwängen befreit.[6] Alles schien auf eine Erneuerung der Verhältnisse hinzudeuten. Die so genannte Märzrevolution von 1848 erlebte Gregorovius als 27-jähriger, in deren Zuge Wahlen stattfanden, aus denen die Nationalversammlung hervorging. Sie sollte eine Verfassung für ganz Deutschland erarbeiten. Doch Einigungen gab es keine und der Nationalversammlung gelang es nicht, militärische Macht zu gewinnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Fürsten wieder Macht erlangen sollten.
Schon 1849 schlugen die Fürsten die Aufstände nieder und stellten die alten Verhältnisse wieder her. Enttäuscht über „die europäische Revolution, die 1848 kam – und scheiterte“[7], zog es Gregorovius vier Jahre später nach Italien.
Während in Deutschland Preußen unter der Führung seines Königs Otto von Bismarck die Vormachtstellung ausbaute und es in der Folgezeit zum Krieg zwischen den Großmächten Österreich und Preußen kam, hatte man in Italien einen anderen Verantwortlichen für die Zustände der Bevölkerung ausgemacht. Die Papstgewalt war plötzlich das Angriffsziel. „Seit Arnold von Brescia bis auf Garibaldi haben sie dieselbe als den Pfahl im Fleisch ihrer Nation betrachtet, als den Alp ihrer Freiheit, und das chronische Uebel, welches die Heilung ihres zerrissenen Lebens unmöglich machte.“[8]
1866 unterlag Österreich Bismarcks Heer. Für Gregorovius war das „veraltete“ Österreich „widerstandslos. Es hat sich als besiegt erkannt und den Waffenstillstand am 25. Juli angenommen“[9]. Preußen schlug auch Frankreich und die unterlegenen Staaten mussten 1871 schließlich der Gründung des zweiten deutschen Kaiserreiches zustimmen.[10]
2. „Wanderjahre in Italien“
2.1 Der Autor Ferdinand Gregorovius
Ferdinand Adolf Gregorovius (auch Ferdinand Fuchsmund genannt) wurde am 19. Januar 1821 in Neidenburg/Ostpreußen geboren. Er entstammte einer masurischen Pfarrers- und Juristenfamilie[11] und begann nach dem Besuch des Gymnasiums in Gumbinnen ein Theologiestudium an der Königsberger Universität[12]. Nach einer Dissertation über die Ästhetik Platons, beendete er 1843 sein Studium und unterrichtete bis 1852 an einer Privatschule in Königsberg. Noch im selben Jahr reiste er nach Italien. Neben der „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ verfasste er in seinem insgesamt 22 Jahre dauernden Aufenthalt in Italien auch die fünfbändige Reiseerzählung „Wanderjahre in Italien“ von 1856 bis 1877. 1874 siedelte er nach München über und wurde 1875 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1876 wurde er zum ersten deutschen Ehrenbürger Roms und zum Mitglied der römischen Accademia dei Lincei ernannt. Ferdinand Gregorovius starb am 1. Mai 1891 im Alter von 70 Jahren in München.
Beeindruckt von den Freiheitsbewegungen in Ungarn und Polen, mit denen er an der Ostgrenze Preußens auch unmittelbar in Kontakt kam, begann er, Romane und historische Studien zu schreiben. Er wirkte in der Königsberger „Bürgergesellschaft“ mit, engagierte sich im „Demokratisch-constitutionellen Club“ und kämpfte als Redakteur der „Neuen Königsberger Zeitung“ für ein allgemeines gleiches Wahlrecht in Preußen.[13]
Die Märzrevolution von 1848 verstärkte seine Begeisterung für liberale und sozialreformerische Ansätze. Er dichtete Polen- und Magyarenlieder und publizierte eine Studie über die sozialistischen Ideen in Johann Wolfgang Goethes „Wilhelm Meister“. „Für Gregorovius stellte Goethe den Gipfel der deutschen Literatur dar.“[14]
[...]
[1] Fritz Schillmann in Ferdinand Gregorovius: Wanderjahre in Italien, Dresden, 1928, S. 8.
[2] Eric Hobsbawm: Kindlers Kulturgeschichte, Europäische Revolutionen, Kindler Verlag Zürich, 1962, S. 225.
[3] Eric Hobsbawm: Kindlers Kulturgeschichte, Europäische Revolutionen, Kindler Verlag Zürich, 1962, S. 247.
[4] Ebd., S. 247.
[5] Ebd., S. 259.
[6] Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden: B.I. Taschenbuchverlag, Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich, 1995, Bd. 14, S. 76.
[7] Eric Hobsbawm: Kindlers Kulturgeschichte, Europäische Revolutionen, Kindler Verlag Zürich, 1962, S. 267.
[8] Jens Petersen, Das Bild des zeitgenössischen Italien in den Wanderjahren von Ferdinand Gregorovius in: Ferdinand Gregorovius und Italien, Eine kritische Würdigung, Max Niemeyer Verlag Tübingen, 1993, S. 281.
[9] Ferdinand Gregorovius: Römische Tagebücher, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 1892, S. 333.
[10] www.daf.uni-freiburg.de/projekte/wagner/wagn1.html, 10.03.2004.
[11] www.gutenberg2000.de/autoren/gregorov.htm, 10.03.2004.
[12] Ferdinand Gregorovius: Wanderjahre in Italien, Verlag der internationalen Bibliothek Freiburg im Breisgau, 1950, S. 8.
[13] Jens Petersen, Das Bild des zeitgenössischen Italien in den Wanderjahren von Ferdinand Gregorovius in: Ferdinand Gregorovius und Italien, Eine kritische Würdigung, Max Niemeyer Verlag Tübingen, 1993, S. 74.
[14] Hanno-Walter Kruft: Der Historiker als Dichter, zum 100. Todestag von Ferdinand Gregorovius, Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, 1992, S. 6.
- Arbeit zitieren
- Markus Gentner (Autor:in), 2004, Ferdinand Gregorovius: Interkulturelle Auswirkungen in und durch seine Werke am Beispiel von "Wanderjahre in Italien", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24066
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