Vergleicht man Italien mit anderen Nationalstaaten innerhalb Europas, so fällt auf, dass
Italien, ähnlich wie Deutschland, erst relativ spät gegründet wurde. Aber kann man Italien
deshalb gleich als „verspätete Nation“1 bezeichnen, wo doch „Italien“ Hauptsitz der römischen
Herrschaft, des Papstes und somit der katholischen Kirche ist?
Italien hatte es schwer, nach 1860 als „Neuankömmling auf dem europäischen Parkett“2
Fuß zu fassen. Anders als das ebenfalls zu dieser Zeit neugegründete Deutsche Reich,
welches in bezug auf seine Politik, seine Macht und insbesondere sein Nationalbewusstsein
in die von Preußen vorgefertigten Fußstapfen treten konnte.3
Zuvor wurden vor allem in den bewegten Jahre zwischen 1846 und 1848 einige Mythen
und Ideen bedeutsam. So kam es, dass nach der Wahl des Kardinals Mastei-Feretti zum
Papst Pius IX. (1846) innerhalb der liberalen Bewegung große Hoffnungen geweckt wurden
und man sich 2 Jahre später in Mailand und Venedig von der Herrschaft Österreichs
befreien konnte.4
Die nun vorliegende Arbeit soll sich in erster Linie damit befassen, wie im 19. Jahrhundert,
trotz zahlreicher noch zu zeigender Hindernisse und Besonderheiten Italiens, ein italienisches
Nationalgefühl zustande kam, und welchen Beitrag der in Italien als nationaler Mythos
verehrte Dante dazu beigetragen hat.
Um einen Überblick über die Situation und die Geschichte Italiens vor und vor allem im
19. Jahrhundert zu geben, wird zuvor auf die Bedeutung der Begriffe „Nation“ und „National(
itäts)bewusstsein“ eingegangen. Im vierten Kapitel soll auf das sogenannte Risorgimento
eingegangen werden und anschließend die Herausbildung eines italienischen Nationalbewusstseins
in dieser Zeit beleuchtet werden. Kapitel 5 zeigt die wesentlichen Elemente,
die zur Herausbildung des italienischen Nationalbewusstseins beigetragen haben, bevor
Kapitel 6 sich komplett der Person Dantes widmet. Abschließend soll in Kapitel 7 vor der
Schlussbetrachtung auf die Rolle des Katholizismus eingegangen werden.
1 PETERSEN, JENS: Quo vadis, Italia?, S. 29
2 ebenda, S. 29
3 vgl. ebenda, S. 29
4 PORCIANI, ILARIA: Fare gli italiani; In: FLACKE, M. (HRSG.), S. 200
Inhalt
1. Einleitung
2. Bedeutung der Nation und des Nationalbewusstseins
3. Geschichte Italiens
4. Das Risorgimento
4.1 Entstehung und Ablauf des Risorgimento
4.2 Die Bildung eines kollektiven Nationalbewusstseins im Risorgimento
5. Die Elemente des italienischen Nationalbewusstseins
5.1 Die Italienische Sprache als Basis des Nationalbewusstseins
5.2 Die Entstehung des Nationalbewusstseins im Mittelstand
5.3 Die Identität Italiens und der Italiener
6. Das Lebenswerk Dante Alighieris
6.1 Dante Alighieris Werk und Leben
6.2 Dante als Vater der italienischen Sprache
7. Die Rolle des Katholizismus in bezug auf den italienischen Ursprungsmythos
7.1 Katholizismus und Nationalbewusstsein im Risorgimento
7.2 Die Dante-Deutung im Katholizismus
8. Schlussbetrachtung
9. Literatur
1. Einleitung
Vergleicht man Italien mit anderen Nationalstaaten innerhalb Europas, so fällt auf, dass Italien, ähnlich wie Deutschland, erst relativ spät gegründet wurde. Aber kann man Italien deshalb gleich als „verspätete Nation“1 bezeichnen, wo doch „Italien“ Hauptsitz der römischen Herrschaft, des Papstes und somit der katholischen Kirche ist? Italien hatte es schwer, nach 1860 als „Neuankömmling auf dem europäischen Parkett“2 Fuß zu fassen. Anders als das ebenfalls zu dieser Zeit neugegründete Deutsche Reich, welches in bezug auf seine Politik, seine Macht und insbesondere sein Nationalbewusstsein in die von Preußen vorgefertigten Fußstapfen treten konnte.3
Zuvor wurden vor allem in den bewegten Jahre zwischen 1846 und 1848 einige Mythen und Ideen bedeutsam. So kam es, dass nach der Wahl des Kardinals Mastei-Feretti zum Papst Pius IX. (1846) innerhalb der liberalen Bewegung große Hoffnungen geweckt wur-den und man sich 2 Jahre später in Mailand und Venedig von der Herrschaft Österreichs befreien konnte.4
Die nun vorliegende Arbeit soll sich in erster Linie damit befassen, wie im 19. Jahrhundert, trotz zahlreicher noch zu zeigender Hindernisse und Besonderheiten Italiens, ein italienisches Nationalgefühl zustande kam, und welchen Beitrag der in Italien als nationaler Mythos verehrte Dante dazu beigetragen hat.
Um einen Überblick über die Situation und die Geschichte Italiens vor und vor allem im 19. Jahrhundert zu geben, wird zuvor auf die Bedeutung der Begriffe „Nation“ und „Nati-onal(itäts)bewusstsein“ eingegangen. Im vierten Kapitel soll auf das sogenannte Risorgi-mento eingegangen werden und anschließend die Herausbildung eines italienischen Natio-nalbewusstseins in dieser Zeit beleuchtet werden. Kapitel 5 zeigt die wesentlichen Elemen-te, die zur Herausbildung des italienischen Nationalbewusstseins beigetragen haben, bevor Kapitel 6 sich komplett der Person Dantes widmet. Abschließend soll in Kapitel 7 vor der Schlussbetrachtung auf die Rolle des Katholizismus eingegangen werden.
2. Bedeutung der Nation und des Nationalbewusstseins
Seit geraumer Zeit ist der Begriff »Nation« wieder in aller Munde. Das hat wohl damit zu tun, dass sich mit dem Fall des »Eisernen Vorhangs« und dem Zusammenbruch der Nach kriegsordnung der Frage zuwand wird, was das eigene Land in dem vielbesprochenen europäischen Zusammenhang darstellt.
Vor allem geschichtlich, aber auch politisch und wirtschaftlich betrachtet, wird der Frage nach den Elementen der Nation nachgegangen. Eine Nation ist kein natürliches Gebilde, sondern ist vielmehr Resultat politischer Entscheidungen sowie, darauf soll in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk liegen, kultureller Veränderungen. Nun ist Kultur ein weitreichender Begriff, der jedoch, ganz allgemein gesehen, die Gesamtheit der geistigen und künstleri-schen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft oder eines Volkes bezeichnet. So waren und sind es in Italien vor allem die Sprache und die Literatur, die ein nationales Wir-Gefühl hervorrufen.
Eine kollektive Identität und ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen zumeist aus einer Vergewisserung einer gemeinsamen Geschichte. Die Italiener waren sich im 19. Jahrhundert durchaus ihrer Geschichte bewusst, und gerade dieses Bewusstsein und die damit verbundene Erinnerung an eine Zeit, in der Rom über die halbe Welt herrschte, war nicht gerade förderlich, ein „neues“, ganz „Italien“ betreffendes Nationalbewusstsein zu schaffen, was im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch zu zeigen ist.
3. Geschichte Italiens
Seit Beginn der österreichischen Herrschaft (mit dem Frieden von Utrecht 1713) hatte Italien seine Rolle als kultureller Mittelpunkt Europas eingebüßt. Zu dieser Zeit schon träumten einige Patrioten von einer baldigen Einigung des Landes unter einer Republik, was jedoch nur ein Strohfeuer war.5
Als es Napoleon 1880 gelang, Italien zurückzuerobern und das Königreich Italien zu gründen, erhielten die italienischen Patrioten neuen Auftrieb, da aus deren Sicht ein politisch geeintes Italien zu verwirklichen schien.
Vom November 1814 bis zum Juni 1815 wurde auf dem Wiener Kongress die Neuordnung Italiens beschlossen. Die territoriale Neuordnung sollte die Epoche der Revolutionen und Napoleons liquidieren und eine dauerhafte Periode des Friedens und der sozialen Beharrung begründen. Seitdem schien die Geschichte des heutigen Italiens ein nie endender Kampf um ein vereinigtes und freies Italien zu sein, und das bis 1870, als die Truppen Viktor Emanuels II. von Savoyen in Rom einmarschierten.
Bereits 1847 erschien in Turin erstmals die Zeitung „Il Risorgimento“ (Die Wiedergeburt), nach der die Einigungsbewegung benannt wurde. Die Uneinigkeit der Italiener untereinander über die zukünftige Gestalt ihres Staates war der Hauptgrund dafür, dass es mit dieser „Wiedergeburt“ so lange dauerte. Nicht wenige glaubten an eine friedliche, evolutionäre Lösung, während andere von einer neuen Römischen Republik träumten (z.B. Giuseppe Mazzini), wiederum andere wollten ein Königreich Italien, entweder unter der Herrschaft der Savoyer oder mit dem Papst als Oberhaupt.6
Bei der Revolution 1848 gelang es dann, wie bereits in der Einleitung geschrieben, nach Aufständen in Sizilien und in der Toskana, die Österreicher aus Mailand zu vertreiben. Jedoch weigerte sich der Papst, dem katholischen Österreich den Krieg zu erklären, wo-durch sich Italien von der Herrschaft Österreichs hätte befreien können. Stattdessen unter-zeichnete Savoyen einen Friedensvertrag. Nur die Staaten Rom und Venedig gaben nicht auf. In Rom versuchten Mazzini und Garibaldi, im Endeffekt jedoch vergebens, gegen die vereinte Übermacht Österreichs, Frankreichs und Neapels zu kämpfen, Venedig ergab sich im August 1849 den Österreichern. Durch den Friedensvertrag war Savoyen der einzige Staat Italiens, der über eine liberale Verfassung und eine unzensierte Presse verfügte. Das machte den Weg frei für Graf Cavour, der sich als Ministerpräsident der Unabhängig-keit Italiens verschrieben hatte. Er schaffte es, Frankreich auf seine Seite zu bringen und gemeinsam gegen Österreich zu kämpfen, sowie zwischen ihm und Napoleon III. die Vereinbarung zu treffen, nach einem Sieg ein unabhängiges Königreich Italien unter König Viktor Emmanuel II. zu erschaffen.7
Nach dem erhofften Sieg akzeptierte Österreich die Vorschläge, beanspruchte jedoch Venetien für sich, sowie eine Neuordnung der beiden Herzogtümer Modena und Toskana, was ganz Italien empörte und Cavour zurücktreten lies. 1860 eroberte Garibaldi Sizilien und eroberte schließlich Neapel. Gleichzeitig marschierte Viktor Emmanuel II. nach Sü-den. Es kam bei Teano zu einer Vereinigung und zur Gründung des Königreichs Italien.8 Jedoch war Rom noch nicht befreit, wo sich der Papst gegen die patriotischen Kräfte stellte und die französische Garnison zur Verteidigung Roms aufrief. Erst 1870, als die Franzosen ihre Truppen wegen des Krieges gegen Deutschland abzogen, konnten sich die italieni schen Truppen den Weg durch die Porta Pia erkämpfen, wodurch Rom befreit und gleich-zeitig zur Hauptstadt Italiens erklärt wurde. Dies veranlasste den Papst dazu, sich als „Gefangener“ zu deklarieren und sich im Vatikan zu verbarrikadieren. Seitens des Papstes sollte das neue Italien von nun an 50 Jahre lang mit Missachtung gestraft werden. Italien wurde eine konstitutionelle Monarchie mit einem König als Oberhaupt.9 Man sieht also, dass Selbstbestimmung und Freiheitsdrang, Kriege und auch das Christentum zur Versicherung einer nationalen Identität dienen können. Nicht zuletzt ist es die Suche nach dem Ursprung, dem Anfang und dem nationalen Herkommen, die alle Nationen beschäftigt, auch die italienische.
4 Das Risorgimento
Der Begriff „Risorgimento“ umfasst die Ideen und die politisch-soziale Bewegung, die zur Errichtung des nationalen Einheitsstaates geführt hat.
Die Geschichte des Risorgimento umfasst auf jeden Fall den Zeitraum von 1815 bis 1870, doch bedeutende Historiker wie Benedetto Croce und Adolfo Omodeo haben der Ge-schichte des Risorgimento auch die Geschichte des Einheitsstaates bis zum ersten Welt-krieg zugerechnet.10
Die Nationalstaatswerdung Italiens bildet einen der zentralen Vorgänge in der Geschichte Europas und in der Entstehung der Nationalbewegungen überhaupt. Sie hatte großen Vorbildcharakter für viele Nationalbewegungen im Europa des 19. Jahrhunderts, weit mehr als die zeitgleiche Nationalbewegung in Deutschland. Nicht ohne Grund sieht die Nationalismusforschung in den italienischen Vorgängen ein Modell, wodurch sie den Begriff „Risorgimento-Nationalismus“ in die Diskussion einführt.11
4.1 Entstehung und Ablauf des Risorgimento
Die italienische Nationalbewegung entwickelte sich aus einer kleinen politisch-kulturellen Elite teils aristokratischer, teils bürgerlicher Herkunft. Es gab dabei folgende zwei Grup-pierungen:
[...]
1 PETERSEN, JENS: Quo vadis, Italia?, S. 29
2 ebenda, S. 29
3 vgl. ebenda, S. 29
4 PORCIANI, ILARIA: Fare gli italiani; In: FLACKE, M. (HRSG.), S. 200
5 vgl. PROCACCI, GIULIANO: Geschichte Italiens und der Italiener, S. 105
6 vgl. ebd., S. 105 f.
7 vgl. PROCACCI, GIULIANO: Geschichte Italiens und der Italiener, S. 106
8 ebd., S. 107
9 ebd., S. 107
10 ULLRICH, HARTMUT: Bürgertum und nationale Bewegung im Italien des Risorgimento. In: DANN, OTTO: Nationalismus und sozialer Wandel, S. 129-152.
11 PETERSEN, JENS: Quo vadis, Italia?, S. 29
- Arbeit zitieren
- Jörg Scharfenberger (Autor:in), 2003, Dante und der Italienische Ursprungsmythos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23992
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.