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Es sind ganz gewiss nicht sozialistische oder gar marxistische Grundmotive, die ihn hier inspirieren:
sondern, wie immer bei Brecht, eigentlich theologische, religiöse, inbrünstige [...]1
Obwohl ich das Religiöse im Drama nicht im selben Sinn verabsolutieren werde, hat die
Religion ihre Wichtigkeit vor allem als verbindendes Glied in der wirtschaftlich-sozialen
Problematik. Die Religion erscheint stets als Hintergrund des Dramas, sei es in Johannas
sozialem Klassenkampf, sei es durch die Arbeit der Schwarzen Strohhüte, oder sei es sogar
durch das kapitalistische System, welches zumindest auf weltlicher Ebene von ihr abhängig
ist.
Im einem der zwei umfassenden Bereiche des Dramas stellt Brecht das Wirtschaftssystem
dar, wie es zur Zeit der Weltwirtschaftskrise vorherrschte; mit seiner sozialen Hierarchie und
der Kluft zwischen Arm und Reich. Diesen Teil werde ich nicht explizit behandeln. Dennoch
steht vieles dieser Thematik in Verbindung zu dem von mir erarbeiteten Gebiet der Religion.
So auch im Kern meiner Arbeit, in dem ich der Fragestellung nachgehe, wie sich das
Religiöse in den drei sozialen und gesellschaftlichen Schichten der Schwarzen Strohhüte, der
Arbeiterschaft und der Fleischfabrikanten ausdrückt.
Die Religion als Glaubenslehre werde ich in meiner Arbeit nicht in Frage stellen. Auch
werde ich religiöse Paradigmen nicht anhand des Dramas auf deren ‚Tauglichkeit‘ hin
überprüfen. Ich werde mich mit den religiösen Verhaltensweisen der Figuren und den
verschiedenen Funktionen der Religion innerhalb und zwischen den unterschiedlichen
Gesellschaftsschichten befassen.
In meiner Arbeit verzichte ich sowohl auf intertextuelle Komparationen als auch auf
Parallelen zwischen dem Drama und historischen Ereignissen. Die Berücksichtigung all
dieser Gegenstände würde den Rahmen dieser Arbeit um ein Weites übersteigen. Deren
Einbezug überträfe auch die Bescheidenheit meiner ausschliesslich textanalytischen
Vorgehensweise.
Die Auswahl der Sekundärliteratur gestaltete sich schwierig: Nur spärlich wurde die
Religionsthematik von „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ bisher analysiert. Meistens
verschwand sie hinter der ‚Brecht-typischen‘ Klassenkampfthematik. Ich musste mich also
mit dem begnügen, was erreichbar war, und habe somit in der Auswahl der Sekundärliteratur
keine Akzente gesetzt.
1 Haas, Willy: Echter gro¢er Dichter. In: Die Welt, (4. 5. 1959); zit. n.: Herrmann (1974), S.95.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Abhängigkeit der Religionsauffassung vom sozialen und gesellschaftlichen Stand
- Die Religion der Schwarzen Strohhüte
- Passivität gegenüber der Gesellschaftsreform
- Materialistische Abhängigkeit des Religiösen
- Die Religionsdogmatik der schwarzen Strohhüte
- Die religiöse Entwicklung der Johanna Dark
- Abwendung vom wirklichkeitsfremden Glauben
- Der resultierende soziale Abstieg
- Hinwendung zu einer Religion der Tat
- Das Paradigmatische an Johannas Entwicklung
- Missbrauch der Religion durch die Fleischfabrikanten
- Der Glaube an den Profit
- Religion als Rechtfertigung des Kapitalismus
- Ablehnung der Religion durch die Arbeiterschaft
- Religion als Luxus für die Unterschicht
- Armut als Ursache der religiösen Unmoral
- Abschliessende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung religiöser Auffassungen in Bertolt Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ und deren Zusammenhang mit den verschiedenen sozialen Schichten im Drama. Der Fokus liegt auf der Analyse der religiösen Verhaltensweisen der Figuren und der Funktion der Religion innerhalb der Gesellschaftsschichten der Schwarzen Strohhüte, der Fleischfabrikanten und der Arbeiterschaft.
- Die unterschiedlichen Auffassungen von Religion in den verschiedenen sozialen Schichten.
- Die Rolle der Passivität und des Aktivismus im religiösen Glauben.
- Der Konflikt zwischen religiöser Moral und ökonomischen Interessen.
- Die Verwendung von Religion als Mittel zur Rechtfertigung des Kapitalismus.
- Die Entwicklung von Johannas religiösem Verständnis im Verlauf des Dramas.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung skizziert den Fokus der Arbeit: die Analyse der religiösen Aspekte in Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ und deren Verbindung zur sozialen und wirtschaftlichen Problematik des Dramas. Es wird betont, dass die Arbeit primär textanalytisch vorgeht und intertextuelle Vergleiche oder historische Parallelen ausschliesst. Die Schwierigkeit, passende Sekundärliteratur zu finden, wird ebenfalls angesprochen.
Die Abhängigkeit der Religionsauffassung vom sozialen und gesellschaftlichen Stand: Dieses Kapitel legt die Grundlage für die folgende Analyse, indem es die allgemeine Verwendung des Begriffs "Religion" im Kontext der Arbeit definiert und den kritischen Bezug zwischen Religion und Gesellschaft in Brechts Drama aufzeigt. Es werden die drei Hauptschichten – Schwarze Strohhüte, Fleischfabrikanten und Arbeiterschaft – als Fokus der Untersuchung benannt.
Die Religion der Schwarzen Strohhüte: Dieses Kapitel analysiert die Rolle der Schwarzen Strohhüte, einer Heilsarmee-Abteilung, als Vertreter des Religiösen im Drama. Ihre Passivität gegenüber sozialen Missständen und deren materialistische Abhängigkeit werden kritisch beleuchtet. Die Argumentation wird anhand von Zitaten aus dem Drama untermauert und der scheinbare Widerspruch zwischen religiöser Humanität und der ökonomischen Realität ihrer Missionsarbeit aufgezeigt. Die Passivität wird sowohl als religiös als auch ökonomisch-existentiell begründet, da sie die Existenzgrundlage ihrer Missionsarbeit erhält.
Die religiöse Entwicklung der Johanna Dark: Dieser Abschnitt beschreibt Johannas Entwicklung von einer Anhängerin eines passiven, wirklichkeitsfernen Glaubens zu einer Aktivistin, die eine „Religion der Tat“ vertritt. Der soziale Abstieg, der mit ihrer veränderten Haltung einhergeht, wird dargestellt, ebenso wie die paradigmatische Bedeutung dieser Entwicklung für die gesamte Dramenhandlung. Die Analyse konzentriert sich auf die Transformation von Johannas Glauben und dessen Auswirkungen auf ihr Handeln und ihre soziale Position.
Missbrauch der Religion durch die Fleischfabrikanten: Dieses Kapitel beleuchtet den Missbrauch religiöser Prinzipien durch die Fleischfabrikanten, die ihren Profitgier mit religiösen Rechtfertigungen verschleiern. Der „Glaube an den Profit“ und die Instrumentalisierung der Religion zur Legitimation des Kapitalismus werden detailliert analysiert. Die Beispiele und Argumentationen zeigen, wie die Fleischfabrikanten religiöse Werte für ihre eigenen egoistischen Zwecke manipulieren.
Ablehnung der Religion durch die Arbeiterschaft: Der letzte analysierte Abschnitt beschäftigt sich mit der Ablehnung der Religion durch die Arbeiterschaft. Die Armut und die damit verbundene soziale und moralische Degradation werden als Ursachen für diese Ablehnung dargestellt. Die Argumentation zeigt die Perspektiven der Arbeiter auf und setzt diese in Beziehung zu den religiösen Positionen der anderen gesellschaftlichen Schichten. Der Fokus liegt hier auf den Gründen, warum die Religion von den Arbeitern abgelehnt oder zumindest kritisch betrachtet wird.
Schlüsselwörter
Brecht, Die heilige Johanna der Schlachthöfe, Religion, Klassenkampf, soziale Schicht, Schwarze Strohhüte, Fleischfabrikanten, Arbeiterschaft, Passivität, Aktivismus, Kapitalismus, Glaube, Moral, Armut.
Häufig gestellte Fragen zu Bertolt Brechts "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung religiöser Auffassungen in Bertolt Brechts Drama "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" und deren Zusammenhang mit den verschiedenen sozialen Schichten. Der Fokus liegt auf der Analyse des religiösen Verhaltens der Figuren und der Funktion der Religion innerhalb der Gesellschaftsschichten der Schwarzen Strohhüte, der Fleischfabrikanten und der Arbeiterschaft. Die Arbeit konzentriert sich auf die Textanalyse und vermeidet intertextuelle Vergleiche oder historische Parallelen.
Welche sozialen Schichten werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die religiösen Auffassungen und das Verhalten von drei Hauptschichten: den Schwarzen Strohhüten (einer Art Heilsarmee), den Fleischfabrikanten und der Arbeiterschaft. Die Analyse zeigt auf, wie die Religion in jeder Schicht unterschiedlich verstanden und praktiziert wird.
Wie wird die Religion der Schwarzen Strohhüte dargestellt?
Die Schwarzen Strohhüte werden als passiv gegenüber sozialen Missständen dargestellt. Ihre religiöse Praxis ist eng mit ihrer materiellen Abhängigkeit verbunden. Die Arbeit analysiert den scheinbaren Widerspruch zwischen religiöser Humanität und der ökonomischen Realität ihrer Missionsarbeit. Ihre Passivität wird sowohl religiös als auch ökonomisch-existentiell begründet.
Wie entwickelt sich Johannas religiöses Verständnis im Laufe des Dramas?
Johanna entwickelt sich von einer Anhängerin eines passiven, wirklichkeitsfernen Glaubens zu einer Aktivistin, die eine "Religion der Tat" vertritt. Dieser Wandel geht mit einem sozialen Abstieg einher und wird als paradigmatisch für die Dramenhandlung angesehen. Die Analyse konzentriert sich auf die Transformation von Johannas Glauben und dessen Auswirkungen auf ihr Handeln und ihre soziale Position.
Wie wird die Religion von den Fleischfabrikanten benutzt?
Die Fleischfabrikanten missbrauchen religiöse Prinzipien, um ihre Profitgier zu verschleiern. Sie instrumentalisieren die Religion zur Legitimation des Kapitalismus. Die Arbeit analysiert, wie religiöse Werte für egoistische Zwecke manipuliert werden.
Wie steht die Arbeiterschaft zur Religion?
Die Arbeiterschaft lehnt die Religion größtenteils ab. Armut und die damit verbundene soziale und moralische Degradation werden als Ursachen für diese Ablehnung dargestellt. Die Arbeit untersucht die Gründe für die Ablehnung oder kritische Betrachtung der Religion durch die Arbeiter im Kontext der dargestellten gesellschaftlichen Verhältnisse.
Welche Schlüsselthemen werden in der Arbeit behandelt?
Schlüsselthemen sind: unterschiedliche Auffassungen von Religion in verschiedenen sozialen Schichten, die Rolle von Passivität und Aktivismus im religiösen Glauben, der Konflikt zwischen religiöser Moral und ökonomischen Interessen, die Verwendung von Religion zur Rechtfertigung des Kapitalismus und die Entwicklung von Johannas religiösem Verständnis.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zur Einleitung, der Abhängigkeit der Religionsauffassung vom sozialen Stand, der Religion der Schwarzen Strohhüte, der religiösen Entwicklung Johannas, dem Missbrauch der Religion durch die Fleischfabrikanten, der Ablehnung der Religion durch die Arbeiterschaft und abschließenden Bemerkungen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Brecht, Die heilige Johanna der Schlachthöfe, Religion, Klassenkampf, soziale Schicht, Schwarze Strohhüte, Fleischfabrikanten, Arbeiterschaft, Passivität, Aktivismus, Kapitalismus, Glaube, Moral, Armut.
- Quote paper
- Markus Züger (Author), 1999, Bertolt Brechts 'Die heilige Johanna der Schlachthöfe', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23936