Das wohl schärfste Schwert zur Durchsetzung bürgerlicher Interessen auf kommunaler Ebene sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (vgl. Gebhardt 2000: 84). Erst 1955 setzten sich diese beiden Elemente direkter Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg durch und im Hinblick auf Bayern blieb Baden-Württemberg damit vier Jahrezehnte Vorreiter in Sachen direkter Partizipation auf kommunaler Ebene. Die Demokratisierungswelle der 90er, die friedliche Revolution in der DDR sowie die Einsicht der Reformbedürftigkeit der Kommunalverfassungen brachten schließlich Fortschritte (vgl. Gebhardt 2000: 85; Kost 2002: 207). Nach Schleswig-Holstein 1990 normierten innerhalb von fünf Jahren neun weitere Länder Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, abgeschlossen von Bayern im Jahre 1995.
Es bedurfte jedoch eines Bündnisses aller oppositionellen Kräfte bei einem Volksentscheid im Oktober 1995, um die in Bayern ohnehin starke CSU zu übertrumpfen, die sich gegen eine Einführung dieser direktdemokratischen Elemente aussprach und einen eigenen Entwurf vorlegte. Die Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen konnten im Volksentscheid ihre Vorstellungen durchsetzen, das „Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids“ wurde Ende Oktober verabschiedet (vgl. März 2003: 55). Eine Besonderheit war, „dass beim Bürgerentscheid kein Quorum der Abstimmenden bzw. Zustimmenden in Relation zu gesamten stimmberechtigten Bürgerschaft festgelegt war“ (März 2003: 55). Dies änderte der Landtag im März 1999 ab, indem er ein gestaffeltes Quorum einführte. Somit wäre ein Bürgerentscheid nur dann erfolgreich, wenn „die Zahl der Zustimmenden – je nach Gemeindegröße – 20% bis 10% der Stimmberechtigten beträgt“ (März 2003: 55). Die Vorteile von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid liegen auf der Hand. Sie ermächtigen den Bürgern eine aktive Teilnahme bezüglich wichtiger gemeindlicher Angelegenheiten, stärken Eigeninitiative, steigern das Interesse an politischen Sachfragen, führen zu größerer Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde und wirken dem Trend der Politikverdrossenheit entgegen (vgl. Hahnzog 1998: 50).
Diese Arbeit soll daher dazu dienen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern in ihrem typischen Ablauf und ihren notwendigen Elementen zu analysieren. Des weiteren werden bedeutende, vertiefende Statistiken einen Überblick zu sieben Jahren bayerischem Bürgerentscheid und Bürgerbegehren geben.
Inhalt
1. Entwicklung und Bedeutung kommunaler Mitbestimmung in Bayern
2. Ablauf und notwendige Elemente von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
2.1. Allgemeine Formen kommunaler Mitbestimmung
2.1.1. Wahlen
2.1.2. Bürgerantrag
2.1.3. Bürgerversammlung
2.2. Das Bürgerbegehren
2.2.1. Initiatoren und Teilnehmer
2.2.2. Themen und Gegenstände im Negativkatalog
2.2.3. Arten von Bürgerbegehren
2.2.3.1. Kassierendes Bürgerbegehren
2.2.3.2. Initiierendes Bürgerbegehren
2.2.3.3. Ratsbegehren
2.2.4. Gestaltung der Unterschriftenliste und Unterschriftensammlung
2.2.5. Notwendige Quoren
2.2.5.1. Einleitungsquorum
2.2.5.2. Zustimmungsquorum
2.3. Der Bürgerentscheid
2.3.1. Zulässigkeitsprüfung und rechtlicher Schutz des Bürgerbegehrens
2.3.2. Grafische Darstellung
2.3.3. Durchführung des Bürgerentscheids
2.3.4. Erfolg eines Bürgerentscheids
2.3.4.1. Umsetzung und Sperrfrist eines erfolgreichen Bürgerentscheids
2.3.4.2. Enger und weiter Erfolgsbegriff und die Abschätzung der Folgekosten
3. Statistiken zu 7 Jahren bayerischem Bürgerentscheid
3.1. Bürgerbegehren in Abhängigkeit zur Gemeindegröße
3.2. Bürgerentscheide und Wahlbeteiligung im Zusammenhang mit der Einwohnerzahl
3.3. Überblick über den Verfahrensstand seit 1996
4. Literaturliste
1. Entwicklung und Bedeutung kommunaler Mitbestimmung in Bayern
Das wohl schärfste Schwert zur Durchsetzung bürgerlicher Interessen auf kommunaler Ebene sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (vgl. Gebhardt 2000: 84). Erst 1955 setzten sich diese beiden Elemente direkter Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg durch und im Hinblick auf Bayern blieb Baden-Württemberg damit vier Jahrezehnte Vorreiter in Sachen direkter Partizipation auf kommunaler Ebene. Die Demokratisierungswelle der 90er, die friedliche Revolution in der DDR sowie die Einsicht der Reformbedürftigkeit der Kommunalverfassungen brachten schließlich Fortschritte (vgl. Gebhardt 2000: 85; Kost 2002: 207). Nach Schleswig-Holstein 1990 normierten innerhalb von fünf Jahren neun weitere Länder Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, abgeschlossen von Bayern im Jahre 1995.
Es bedurfte jedoch eines Bündnisses aller oppositionellen Kräfte bei einem Volksentscheid im Oktober 1995, um die in Bayern ohnehin starke CSU zu übertrumpfen, die sich gegen eine Einführung dieser direktdemokratischen Elemente aussprach und einen eigenen Entwurf vorlegte. Die Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen konnten im Volksentscheid ihre Vorstellungen durchsetzen, das „Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids“ wurde Ende Oktober verabschiedet (vgl. März 2003: 55). Eine Besonderheit war, „dass beim Bürgerentscheid kein Quorum der Abstimmenden bzw. Zustimmenden in Relation zu gesamten stimmberechtigten Bürgerschaft festgelegt war“ (März 2003: 55). Dies änderte der Landtag im März 1999 ab, indem er ein gestaffeltes Quorum einführte. Somit wäre ein Bürgerentscheid nur dann erfolgreich, wenn „die Zahl der Zustimmenden – je nach Gemeindegröße – 20% bis 10% der Stimmberechtigten beträgt“ (März 2003: 55).
Die Vorteile von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid liegen auf der Hand. Sie ermächtigen den Bürgern eine aktive Teilnahme bezüglich wichtiger gemeindlicher Angelegenheiten, stärken Eigeninitiative, steigern das Interesse an politischen Sachfragen, führen zu größerer Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde und wirken dem Trend der Politikverdrossenheit entgegen (vgl. Hahnzog 1998: 50).
Diese Arbeit soll daher dazu dienen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern in ihrem typischen Ablauf und ihren notwendigen Elementen zu analysieren. Des weiteren werden bedeutende, vertiefende Statistiken einen Überblick zu sieben Jahren bayerischem Bürgerentscheid und Bürgerbegehren geben.
2. Ablauf und notwendige Elemente von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
Wie bereits erwähnt, wurden Bürgerbegehren und Bürgerentscheid im Oktober 1995 durch Volksentscheid eingeführt. In der bayerischen Gemeindeordnung sind unter Art. 18a jegliche gesetzliche Regelungen bezüglich dieser beiden Elemente direktdemokratischer, kommunaler Mitbeteiligung zu finden (vgl. Meisterenst u.a. 2003: 2).
2.1. Allgemeine Formen kommunaler Mitbestimmung
Es gibt neben Bürgerbegehren und –entscheid natürlich noch weitere, typische und in den Kommunalverfassungen festgeschriebene Möglichkeiten zur Bürgermitwirkung in den Kommunen[1].
2.1.1. Wahlen
Die wohl wichtigste und bedeutendste der Möglichkeiten, „Kommunalpolitik in den Gemeinden mitzubestimmen, sind die Wahlen zum kommunalen Kollegialorgan und des Ersten Bürgermeisters“ (Gebhardt 2000: 76). Ersteres, der Gemeinderat, „wird von den Gemeindebürgern in periodisch stattfindenden [...] Wahlen kreiert“ (Gebhardt 2000: 76). In Bayern gibt es hier die Besonderheit des Panaschierens und Kumulierens. Ersteres bedeutet eine Verteilung der dem Wähler zustehenden Stimmen auf die Wahlvorschläge mehrerer Parteien oder Wählergruppierungen, letzteres bezeichnet die Vergabe von bis zu drei Stimmen an Listenkandidaten.
Der Bürgermeister wird per Direktwahl auf eine Zeit von sechs Jahren unmittelbar von den Bürgern gewählt. Es gilt das Mehrheitswahlsystem. Der erste Bürgermeister ist zudem Vorsitzender des Gemeinderats und Leiter der Verwaltung (vgl. Gebhardt 2000: 77). Die Wahl zum Bürgermeister ist somit – nach den Gemeinderatswahlen – die zweite Möglichkeit der Bürger, Einfluss auf die Kommunalpolitik zu nehmen.
2.1.2. Bürgerantrag
Mit einem Bürgerantrag können Gemeindemitglieder den Gemeinderat verpflichten, sich innerhalb von drei Monaten mit einer gemeindlichen Angelegenheit zu befassen. Der Antrag bedarf eines Unterschriftenquorums, welches je nach Gemeindegröße zwischen 1% und 15% der Gemeindebürger beträgt – je größer die Gemeinde, desto geringer das Quorum (vgl. Gebhardt 2000: 80). Der Gemeinderat muss eine ernsthafte Entscheidung fällen, ist jedoch nicht verpflichtet, die im Bürgerantrag aufgeführte Angelegenheit mit Beschluss o.ä. zu behandeln. Ein Bürgerantrag ist mehr ein Hinweis der Bürger an den Gemeinderat, sich mit einer speziellen Sachlage zu befassen, ohne jedoch zugleich eine rechtliche Entscheidung herbeiführen zu wollen. Ein Bürgerantrag muss – ebenso wie ein Bürgerbegehren (siehe 2.2.) – eine Begründung und bis zu drei Vertreter enthalten (vgl. Gebhardt 2000: 81).
[...]
[1] Weitere Formen politischer Partizipation auf kommunaler Ebene, welche nicht in den Kommunalverfassungen niedergeschrieben sind, den Bürgern jedoch Mitwirkung auf dieser Ebene zusichern, sind v.a. unter http://www.wegweiser-buergergesellschaft.de/politische_teilhabe/modelle_methoden/beispiele/index.php zu finden. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf diese Modelle jedoch nicht genauer eingegangen werden.
- Quote paper
- Sebastian Grasser (Author), 2004, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23666
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