Ziel dieser Arbeit ist es, die unterschiedlichen Ansätze Maria Montessoris zur Differenzierung der Wahrnehmung bei Kindern und Kleinkindern darzustellen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Schulung der Wahrnehmung nur durch gezielte Sinnesschulung erfolgen kann.
Die nachstehenden Fragen sollen beantwortet werden:
1) Wie kann Montessori zufolge eine differenziertere Wahrnehmung beim Kind erreicht werden?
2) Was für Methoden, Übungen und Materialien werden zur systematischen Schulung der Sinne eingesetzt?
3) Nach welchen Gesichtspunkten wurde das Montessori Material entwickelt?
4) Welche Faktoren spielen bei der Erziehung der Wahrnehmung und der Sinne eine Rolle?
5) Wie trägt eine verfeinerte Sinneswahrnehmung zur Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes bei?
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Begriffe
1.2. Überlegungen zur Differenzierung der Wahrnehmung
1.3. Fragestellung
1.4. Abgrenzung
1.5. Erziehung der Sinne
1.5.1. Sinneserziehung bei Montessori
1.5.2. Sensible Perioden
1.5.3. Die vorbereitete Umgebung
1.5.4. Übungs- und Materialgruppen zur Sinneserziehung
2. Übungen des praktischen Lebens
2.1. Strukturierung der Übungen
2.1.1. Übungen zur persönlichen Pflege
2.1.2. Übungen im Umgang mit anderen Menschen
2.1.3. Übungen zur Pflege der Umgebung
2.2. Einführung in die praktischen Übungen
2.3. Wirkungen und Erziehungsziele
3. Bewegungsübungen
3.1. Strukturierung der Bewegungsübungen
3.1.1. Übungen der Stille und der Sammlung
3.1.2. Gymnastische und rhythmische Übungen
3.1.3. Gehen auf der Linie
3.2. Wirkungen und Erziehungsziele
4. Sinnesübungen und Entwicklungsmaterial
4.1. Das didaktische Material
4.1.1. Jean-Marc Gaspard Itard
4.1.1.1. Isolierung von Sinneseindrücken
4.1.1.2. Wahrnehmung immer feinerer Empfindungen durch Gegenüberstellung abgestufter Merkmale
4.1.2. Édouard Séguin
4.1.3. Casa dei Bambini
4.2. Das Sinnesmaterial
4.2.1. Materialgruppen
4.2.1.1. Kontraste, Identitäten und Abstufungen
4.2.1.2. Visuelles und auditives Unterscheidungsvermögen
4.2.1.3. Förderung verschiedener Sensibilitäten
4.2.2. Isolation von Eigenschaften
4.2.3. Materialisierte Abstraktion
4.2.4. Allgemeine Merkmale des didaktischen Materials und des erzieherischen Umfelds
4.2.4.1. Fehlerkontrolle
4.2.4.2. Ästhetische Qualität
4.2.4.3. Aktivität
4.2.4.4. Begrenzung
4.2.5. Wirkungen und Entwicklungsziele
5. Resümee und Ausblick
Literatur
Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in der Wahrnehmung wäre.
Thomas von Aquin, Theologe und Philosoph
1. Einleitung
Der naheliegende Wert einer Erziehung und Verfeinerung der Sinne gibt durch die Erweiterung des Feldes der Wahrnehmungen eine immer zuverlässigere und reichhaltigere Grundlage für die Entwicklung der Intelligenz. Durch den Kontakt mit der Umgebung und ihre Erforschung baut der Verstand diesen Schatz wirkender Gedanken auf, ohne die seinem abstrakten Funktionieren Grundlagen und Präzision, Genauigkeit und Inspiration entzogen wären. Dieser Kontakt wird durch die Sinne und die Bewegung hergestellt.[1]
Maria Montessori hebt bei der Charakterisierung ihrer Methode die Bedeutung der Wahrnehmung für die intellektuelle Entwicklung des Kindes hervor. Eine gerichtete Verarbeitung feinster Sinneseindrücke und Empfindungen betrachtet sie als notwendigen Grundstein für die erfolgreiche Reifung des kindlichen Geistes.[2]
1.1. Begriffe
Die Encarta Enzyklopädie definiert ‚Wahrnehmung’ als „Prozess der Verarbeitung der von einem Sinneskanal (Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Riechen) aufgenommenen Information über die Beschaffenheit der physischen Welt zum Zweck der adaptiven (sich an die Umgebungsbedingungen anpassenden) Steuerung des Handelns.“
Mit ‚Differenzierung der Wahrnehmung’ ist also das Erkennen immer feinerer Abstufungen und Unterschiede bei der Verarbeitung von Sinnesempfindungen gemeint. Man kann auch von einer Reifung der Wahrnehmung oder einer Erweiterung des Wahrnehmungshorizonts sprechen.
1.2. Überlegungen zur Differenzierung der Wahrnehmung
Zur Differenzierung der Wahrnehmung wird eine Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit notwendig. Wie oben bereits festgestellt, ist Wahrnehmung aber das Resultat verarbeiteter und interpretierter Sinneseindrücke. Folglich muss eine Erziehung der Wahrnehmung die Erziehung der Sinne zum Ausgang nehmen. Über eine Sinnesschulung wird direkt auf die Wahrnehmungsfähigkeit eingewirkt.
1.3. Fragestellung
Ziel dieser Arbeit ist es, die unterschiedlichen Ansätze Montessoris zur Differenzierung der Wahrnehmung bei Kindern und Kleinkindern darzustellen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Schulung der Wahrnehmung nur durch gezielte Sinnesschulung erfolgen kann.
Die nachstehenden Fragen sollen beantwortet werden:
1) Wie kann Montessori zufolge eine differenziertere Wahrnehmung beim Kind erreicht werden?
2) Was für Methoden, Übungen und Materialien werden zur systematischen Schulung der Sinne eingesetzt?
3) Welche Faktoren spielen bei der Erziehung der Wahrnehmung und der Sinne eine Rolle?
4) Was gewinnt das Kind durch eine erweiterte Sinneswahrnehmung?
1.4. Abgrenzung
Wahrnehmen ist ein sehr komplexer und vielschichtiger Prozess;
alle inneren und äußeren Einflüsse, denen wir ausgesetzt sind, beeinflussen auch unsere Wahrnehmung. Es fällt daher schwer, eine klare Abgrenzung bei der Themenauswahl zur Erörterung der Fragestellungen zu treffen. Demnach erhebt die Ausarbeitung keinen Anspruch auf Vollständigkeit; stattdessen wird versucht, durch eine repräsentative Themenauswahl der Aufgabenstellung gerecht zu werden.
Diese Arbeit soll nicht den konkreten Umgang mit den didaktischen Materialien Montessoris beschreiben. Es wird davon ausgegangen, dass der Leser mit dem didaktischen Material vertraut ist. Eine erste Einführung bietet das Buch „Montessori-Material. Teil 1“, herausgegeben von der Montessori-Vereinigung e.V., Aachen.[3]
1.5. Erziehung der Sinne
Bei der Sinneserziehung macht sich Montessori das Phänomen des kindlichen Interesses zunutze. Ihr Material und ihre Übungen bedienen gezielt den unersättlichen Drang des Kindes, die Welt zu erfahren und kennen zu lernen: „Das Kind hat eine ‚Lebenstendenz’, die Umgebung zu erforschen, die genauso groß ist wie die Tendenz, auf die Sprache zu lauschen.“[4]
Sinneserziehung bei Montessori
Das folgende Zitat soll den Stellenwert der Sinneserziehung bei Montessori verdeutlichen. Die Passage bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Die Sinne sind „Greiforgane“ der Bilder der Außenwelt, die für den Verstand so notwendig sind wie die Hand als Greiforgan der für den Körper notwendigen materiellen Dinge. Doch beide – Sinne und Hand – können sich über solche einfachen Aufgaben hinaus verfeinern und dadurch immer wertvollere Gehilfen des großen inneren Motors werden, der sie in seinen Diensten hält.
Die Erziehung, die den Verstand steigert, soll auch diese beiden, zu unbegrenzter Vervollkommnung fähigen Werkzeuge emporheben.[5]
Sensible Perioden
Eine Schulung der Sinneswahrnehmung kann nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt stattfinden, sondern orientiert sich an Phasen, die das Kind bei seiner Entwicklung durchschreitet; so genannten Empfänglichkeitsperioden. Die kindliche Entwicklung, so glaubt Montessori, folgt einem ‚inneren Plan’, welcher bei der Erziehung berücksichtigt werden muss.[6]
Die Ausbildung der Sinne fällt in die ‚formative Periode’; Montessori datiert diese Entwicklungsperiode auf das dritte bis sechste Lebensjahr des Kindes.[7] In dieser Phase körperlichen und geistigen Wachstums verspricht die Schulung der Sinneswahrnehmung besondere Aussicht auf Erfolg: „Wir können also die Entwicklung der Sinne gerade in dieser Periode unterstützen, und zwar durch Abstufung und Anpassung der Reize, so wie man bei der Bildung der Sprache mitwirken muß, bevor sie sich vollständig entwickelt hat.“[8]
Die vorbereitete Umgebung
Das didaktische Material, insbesondere aber die Übungen des praktischen Lebens, stehen in enger Beziehung mit der vorbereiteten Umgebung im Kinderhaus. Es folgt deshalb eine kurze Skizzierung der für die Ausbildung der Sinne interessanten Merkmale.
Unter ‚vorbereiteter Umgebung’ versteht Montessori die Gestaltung eines den speziellen Anforderungen des Kindes angepassten Umfelds.
Gewissermaßen werden also Rahmenbedingungen geschaffen, welche eine systematische Schulung der Sinne bei Kindern erst ermöglichen:
Als erstes muß das Kind den Weg und die Mittel zur Konzentration finden, die die Grundlagen des Charakters und das soziale Verhalten stabilisieren. Die Bedeutung der Umgebung dafür wird plötzlich offenbar; denn da niemand dem Kind von außen die Konzentration und die Gestaltung seiner Psyche geben kann, muß es dies von sich aus tun.[9]
Einrichtungsgegenstände sollen den kindlichen Kräften und Dimensionen in Größe und Handlichkeit angemessen sein, den besonderen motorischen Bedürfnissen der Sprösslinge muss Rechnung getragen werden.[10] Der Lebensraum des Kindes soll ansprechend und freundlich gestaltet sein, Interesse wecken und zur Aktivität einladen. Kunst- und Schmuckgegenstände tragen zur Verschönerung des Raums bei und schaffen eine familiäre Atmosphäre.[11]
Die Kinder können sich frei bewegen und ihren inneren Impulsen folgen. Die eigentliche Erziehung erfolgt im Kinderhaus in erster Linie nicht durch Lehrkörper, sondern durch die Umgebung, die Materialien und die selbständige Auseinandersetzung des Kindes mit seinem Umfeld.[12]
Übungs- und Materialgruppen zur Sinneserziehung
Bei der Sinneserziehung Montessoris unterscheidet Helene Helming drei Übungs- bzw. Materialgruppen, die im Verlauf dieser Arbeit erläutert werden:
1) Übungen des praktischen Lebens
2) Bewegungsübungen
3) Sinnesübungen durch Entwicklungsmaterialien[13]
Teilweise ist eine eindeutige Zuordnung von Übungen oder Materialien nicht möglich oder aber nicht sinnvoll. Dementsprechend können Überschneidungen oder Redundanzen auftreten.
2. Übungen des praktischen Lebens
In den ab 1906 gegründeten Kinderhäusern entwickelt und spezifiziert Montessori den Gedanken der vorbereiteten Umgebung. Während dieser Zeit etabliert sie die Übungen des praktischen Lebens, die sie zum großen Teil von Séguin übernimmt, als festen Bestandteil der Casa dei Bambini.
2.1. Strukturierung der Übungen
Helene Helming unterscheidet drei Gruppen der Übungen des praktischen Lebens:[14]
Übungen zur persönlichen Pflege
Damit sind Übungen gemeint, welche die Selbständigkeit des Kindes fördern sollen, wie z.B. der Umgang mit Knüpfrahmen als Vorbereitung des eigenständigen An- und Auskleidens, Händewaschen, Kämmen, Schlaufenbinden usw.[15]
[...]
[1] Montessori, Maria: Die Entdeckung des Kindes. 10. Aufl. Freiburg: Herder 1991. S. 112.
[2] Vgl. Ebd. S. 104ff.
[3] Montessori-Material. Teil 1. Handbuch für Lehrgangsteilnehmer. Hrsg. von der Montessori-Vereinigung e.V., Aachen. Zelhem, Niederlande: Nienhuis Montessori 1978.
[4] Montessori, M.: Die Entdeckung des Kindes. S. 196.
[5] Ebd. S. 165.
[6] Vgl. Montessori, Maria: Kinder sind anders. 10. Aufl. Stuttgart: Ernst Klett 1978. S. 60ff.
[7] Vgl. Montessori, M.: Die Entdeckung des Kindes. S. 159.
[8] Ebd. S. 159.
[9] Montessori, Maria: Das kreative Kind. Der absorbierende Geist. Freiburg: Herder 1972. S. 199.
[10] Vgl. Montessori-Material. Teil 1. Hrsg. von der Montessori-Vereinigung e.V., Aachen. S. 9.
[11] Vgl. Montessori, M.: Die Entdeckung des Kindes. S. 54.
[12] Vgl. Heiland, Helmut: Maria Montessori. 8. Aufl. Reinbeck bei Hamburg: Rohwolt 1991. S. 50.
[13] Vgl. Montessori, M.: Die Entdeckung des Kindes. S. 87f. u. 112f.;
Vgl. Helming, Helene: Montessori-Pädagogik. Ein moderner Bildungsweg in konkreter Darstellung. 9., durchges. Aufl. Freiburg: Herder 1977. S. 32-39.
[14] Vgl. Helming, H.: Montessori-Pädagogik. S. 36.
[15] Vgl. Helming, H.: Montessori-Pädagogik. S. 38f.
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