Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Begriffsbestimmung
1. Islam (ﻡﻻﺳﻹﺍ)
2. Demokratie (ﺔﻴﻁﺍﺮﻘﻤﻳﺪﻟﺍ)
II. Historische Perspektive
III. Demokratiedebatten
1. Ist der Islam „Staat und Religion“ (ﺔﻟﻭﺩ ﻭ ﻦﻳﺩ)?
2. Der Konsultationsgedanke im Koran: aš-Šūrā (ﻯﺭﻮﺸﻟﺍ)
3. Sharia (ﺔﻌﻳﺮﺷ), Fiqh (ﻪﻴﻓ) und Menschenrechte (ﻥﺎﺴﻧﻹﺍ ﻕﻮﻘﺣ)
4. Kolonialismus, Authentizität (ﺔﻟﺎﺻﺍ) und Moderne
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Das Thema „Islam und Demokratie“ füllt mittlerweile etliche Bücherregale und beschäftigt Gelehrte, Journalisten, Juristen usw. ebenso wie die interessierteöffentlichkeit sowohl in den okzidentalen als auch in den orientalischen Ländern. Die Frage, ob der Islam demokratiefähig und –kompatibel ist, wird vor allem „im Westen“ diskutiert, wobei dabei häufig sowohl an den Demokratiebegriff wie auch an „den Islam“ Stereotypen angelegt werden, die kaum dazu beitragen, einen konstruktiven Dialog mit Vertretern der islamischen Kultur zu befördern, sondern eher Huntingtons Unkenrufen vom „Clash of Civilizations“ Vorschub leisten könnten.
Die Kontroverse „im Osten“ hat einen etwas anderen Schwerpunkt. Die wenigsten Eiferer lehnen Demokratie als gänzlich „unislamisch“ ab, ebenso gibt es kaum Stimmen, die danach rufen, westlich Demokratiekonzepte 1:1 zu importieren. Zumeist wird vielmehr diskutiert, wie demokratische Strukturen mit bestimmten Fragen der Religion vereinbar sind und was Demokratie eigentlich genau bedeutet. Die einen stellen sich die Frage, ob Demokratie als genuin westliches Konzept Entsprechungen in der islamischen Tradition habe, welche die Grundpfeiler einer „islamische Demokratie“ bilden könnten, andere versuchen aus der Tradition abzuleiten, daß die Muslime schon immer die besseren Demokraten waren.
In den zuweilen hitzigen globalen Debatten, die durch Ereignisse wie den Terroranschlag vom 11. September und die katastrophale Lage in Israel/Palästina wieder stark zur Fronten- und Klischeebildung neigen, wird dabei oftmals essentialistisch und ahistorisch argumentiert und weder „der Islam“ noch „die Demokratie“ als wandelbar und vielschichtig wahrgenommen, sondern vielmehr getrennt von ihrer Bedeutung in Raum und Zeit als fixe Größen gehandhabt.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die komplexe und vielstimmige Diskussion angemessen darzustellen, es können nur ein paar Schlaglichter auf zentrale Themen geworfen werden. Zum einen sollen an erster Stelle die Begriffe „Demokratie“ und „Islam“ näher beleuchtet und konturiert werden mit dem Schwerpunkt einer gesellschaftlichen Kontextualisierung. Anschließend werden verschiedene Positionen und Ansätze aus der islamischen Welt dargestellt, die sich mit Verhältnis von Islam und Demokratie befassen. Dabei ist die Demokratiediskussion nicht zu trennen von den Fragen um Kolonialismus, Säkularisation, Moderne und Menschenrechte.
I. Begriffsbestimmung
1. Islam (ﻡﻻﺳﻹﺍ)
Der Islam ist in erster Linie Religion, übersetzt bedeutet dieser Begriff „Hingabe an Gott“. Er ist aber auch eine Gesellschaftsordnung und kann zum politischen System werden, wie z.B. in der islamischen Republik Iran. Es wird daher häufig behauptet, der Islam sei „Staat und Religion“ (ﺔﻟﻭﺩ ﻭ ﻦﻳﺩ). Anders als das Christentum, das in den westlichen Industrienationen im Zuge der von Aufklärung und Säkularisation begleiteten Moderne mittlerweile eher den Status einer Privatangelegenheit hat[1], wird der Islam als umfassende Gesellschaftsordnung betrachtet und es ist bisher in keinem islamisch geprägten Land zu einer den westlichen Demokratien entsprechenden Trennung von Staat und Religion gekommen.[2] Betrachtet man die Formen islamischer Gesellschaften aber in ihrer historischen und kulturellen Vielfalt, so gibt es doch die unterschiedlichsten Ansätze zur Organisation des Verhältnisses von Religion und Staat. Die beiden Islamwissenschaftler Gudrun Krämer und Lorenz Müller betonen daher, daß der Islam „kein statisches, von Ort und Zeit unabhängiges System“[3] sei oder einen „monolithischen Block“[4] bildet. Obwohl dies zumindest in der (Islam-)Wissenschaft selbstverständlich reflektiert werden sollte, wird laut Krämer häufig so argumentiert, als gäbe es „die politische Theorie des Islam“ o.ä. Unterstützt wird diese pauschale Sicht, die nicht zwischen Theorie und Praxis unterscheidet, aber auch dadurch, daß viele muslimische Autoren dazu neigen, „ihre Vorstellungen nicht als das Ergebnis eigenen Nachdenkens über Themen und Texte darzustellen, die eine Vielzahl von Deutungen zulassen, sondern als `die Position des Islams´ (ﻡﻻﺳﻹﺍ ﻒﻗﻮﻣ) bzw. des `richtigen´, `wahren´, `rechtverstandenen´ Islam (ﺢﻴﺤﻀﻟﺍ ﻡﻻﺳﻹﺍ ,ﻲﻘﻴﻘﺤﻟﺍ ﻡﻻﺳﻹﺍ).“[5] Als Beispiel betrachte man etwa die folgende Darstellung des pakistanischen Politikwissenschaftlers Kurshid Ahmads, in der er „die islamisch-politische Ordnung“ beschreibt:
The Islamic political order is based on the concept of Taw h īd and seeks its flowering in the form of vicegerency (Khilafā) operating through a mechanism of Šūra, supported by the principles of equality of humankind, rule of law, protection of human rights including those of minorities, accountability of rulers, transparency of political processes as an overriding concern for justice in all its dimensions: legal, political, social economic and international. The Šari’ā provides the broad framework within which the people under the umbrella of Divine Guidance participate in developing a civil society and its institutions, including all the organs of state. The Islamic model also has the potential for establishing authentic socio-political pluralism. As such, it provides for the healthy coexistence of religions, ethnic and linguistic groups, cultures and civilizations at national and global levels. The system possesses vertical consistency as well as horizontal harmony in a way that can ensure the establishment of peace and a just socio-political order for all human beings in an era when the whole world is becoming a global city.[6]
Diese hochgradig normative und idealistische Sicht spiegelt keinesfalls die Wirklichkeit wieder, sondern eher eine Utopie davon, wie es sein könnte. Die Gefahr solcher Aussagen liegt darin, daß alle empirischen Phänomene, die diesem Bild nicht entsprechen, als „unislamisch“ (ﻲﻠﻫﺎﺧ) oder als „Abfall vom rechten Glauben“ („abtrünnig“, ﺪﺗﺮﻣ) disqualifiziert werden könnten, welche eine „Exkommunikation“ (ﺮﻴﻓﻜﺗ) nach sich ziehen kann, anstatt als Ausprägungen einer bestehenden rechtlichen und politischen Ordnung zu gelten, die durch menschliche Aushandlungsprozesse entstanden ist und daher nicht unfehlbar sein kann. Damit wird das Urteil über die „wahre“ Glaubenspraxis nicht Gott überlassen, sondern die Definitionshoheit über den wahren Glauben und die wahre Praxis wird von Menschen beansprucht, die Religion wird politisch instrumentalisiert. Daß dies nicht nur von radikalen Extrempositionen aus geschieht, sondern die Gesellschaftsstrukturen nachhaltig beeinflussen kann, zeigen Beispiele wie die Affäre um den Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid[7].
Die Absicht hinter solchen Vorgängen beschreibt Krämer als Versuch, die reine Lehre zu retten, wenn sich die Praxis zur Legitimierung der gesuchten Ideale und Grundsätze nicht eignet und als Suggestion von Einheitlichkeit, wo die Empirie vor allem Vielfalt zeigt.[8]
Sie setzt dem eine kontextualisierende und vom Sozialkonstruktivismus[9] inspirierte Definition des Islam entgegen, die ihn aus den luftigen Höhen der reinen Lehre auf den nüchternen Boden der tatsächlichen Vielfalt und Widersprüchlichkeit stellt. Diesen Ansatz halte ich für sehr fruchtbar. Ihrer Ansicht nach ist der Islam das, „was Muslime an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit als islamisch definieren und praktizieren.“[10]
2. Demokratie (ﺔﻴﻁﺍﺮﻘﻤﻳﺪﻟﺍ)
Der Begriff „Demokratie“ entstammt Aristoteles´ „Politeia“, also aus der Zeit der griechischen Antike und setzt sich aus den Wörtern „demos“ für Volk und „kratein“ für herrschen zusammen, bedeutet also „Volksherrschaft“. Der Begriff war von ihm als Herrschaft der Masse übrigens negativ konnotiert (heute würde man vielleicht sagen „Herrschaft des Pöbels“).
Politisch relevant für die Neuzeit ist der Begriff seit der Französischen Revolution 1789. Heute sind alle westlichen Industrienationen de nomine Demokratien, wenn auch in unterschiedlichen Formen. Demokratie bedeutet unter anderem: Verfassung auf Grundlage der Menschenrechte, gewählte Volksvertretungen, Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative und Trennung von Staat und Religion. Unser heutiges Verständnis von Demokratie im Sinne einer bürgerlich-liberalen, parlamentarischen Demokratie entwickelte sich allmählich im Zuge der Aufklärung und der damit einsetzenden Säkularisierung, in der göttliches Recht durch menschliche Vernunft abgelöst wurde und in dem Prozeß, der die Entwicklung der Moderne in Europa und Nordamerika einläutete. Dieser Zeitraum fiel aber auch zusammen mit Kolonialisierung und Imperialismus. So ging die Berührung mit den Werten und Ideen aus „dem Westen“ im Nahen Osten (und nicht nur dort!) einher mit der Erfahrung von Schwäche und Unterdrückung durch die Fremdherrschaft. Mit dem Anspruch, „die Fackel der Zivilisation in die Welt hinauszutragen“ war nicht immer zivilisiertes Handeln verbunden. Dies mag ein Ansatz zur Erklärung der heftigen Kontroverse um diesen Begriff der Demokratie und ihrer Schwester, der Moderne sein.
Gudrun Krämer („Gottes Staat als Republik“) verzichtet in ihrer sehr breit angelegten Diskursanalyse zeitgenössischer Muslime zu Demokratie und Moderne auf eine tiefergehende Problematisierung des Begriffs der Demokratie und gibt eine Minimaldefenition, die auf einige konstitutive Elemente, Grundwerte und Regeln abzielt:
- Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit als oberstes Prinzip
- Die Gleichheit aller vor dem Gesetz, im Rahmen der Grund- und Menschenrechte
- Das Volk ist Träger der Staatsgewalt (Prinzip der Volkssouveränität)
- Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative sind auf voneinander unabhängige Institutionen verteilt), wobei die vom Volk in freien und pluralen Wahlen gewählte Volksvertretung die Gesetze beschließt, die Exekutive der Legislative verantwortlich ist und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet ist.
Die US-Historiker John L. Esposito und John O. Voll verweisen jedoch darauf, daß auch dem Demokratiebegriff keineswegs eine einheitliche Definition unterliegt und daß manche, heute als unverzichtbar für eine funktionierende Mehrparteiendemokratie geltende Elemente wie z.B. die Opposition keineswegs unumstritten waren, sondern lange Zeit als hinderlich für den demokratischen Prozess galten.[11]
Der pakistanische Politikwissenschaftler Khurshid Ahmad betont, daß..
„ ...`democracy´, as it has developed in the context of Western civilization and polity, is neither a monolithic concept nor a totally uncontested one. It [...] remains a multi-faced phenomenon, both at the conceptual as well as operational levels. It is, therefore, intellectually unacceptable and culturally untenable to assume that a particular Western model of democracy must be accepted as an ideal form of polity for the entirety of mankind, particularly for Muslims, who have their own distinct moral and ideological identity and historio-cultural personality. Globalization may be the trend of the times, but it cannot be allowed to become a rubric of neo-colonialism.[12]
II. Historische Perspektive
Gibt es in der islamischen Kultur und Geschichte Ansätze zu einer demokratischen Staatenbildung oder ideengeschichtliche Ansätze als Vorbedingung einer solchen?
Heller/ Mosbahi gehen in der Einleitung zu ihrer Anthologie „Islam, Demokratie, Moderne“[13] in das Goldene Zeitalter des Islam zurück, ( ca. 9.- 11. Jhd.), als sich von Bagdad aus eine kulturelle Blüte in die ganze islamische Welt verbreitete. Sie war geprägt von intellektueller Dynamik, hervorragenden islamischen Denkern, Schriftstellern und Philosophen, viele in der Tradition der Mu´taszila, einer Bewegung, die eine erste „Aufklärung“ in der islamischen Welt einleitete. Sie trat, beeinflußt von der griech. Philosophie, für eine Theologie der rationalen Begründung des Glaubens ein und – dadurch ist sie berühmt-berüchtigt – entwickelte die These von der Erschaffenheit des Korans. In dieser Tradition stehen Denker und Philosophen wie al-Ğahiz (775 –886), Abu Hayyan at-Tauhidi (gestorb. 1023), Ibn Sina (Avicenna, 980 – 1037), und der berühmte Ibn Rušd (Averroes, 1126 – 1198), der Religion und Philosophie trennte und für eine Koraninterpretation im übertragenen Sinn plädierte. Außerdem bestritt er die Unsterblichkeit der Menschen. Desweiteren: der Philosoph Ibn al-Rawandi (9.Jhd.), der als Ketzer galt, weil er das Prophetentum attackierte und die religiösen Dogmen als unvereinbar mit der Vernunft erklärte, sowie der persische Arzt und Philosoph ar-Razi (865 –925), der dem Primat des Schöpfergottes die Existenz der Weltseele, der Zeit, des Raumes und der Materie als gleichermaßen ewige Prinzipien entgegensetzte und zu dem Schluß kam, die Politik dürfe weder im Namen der Religion betrieben, noch aus dem religiösen Weltbild abgeleitet werden.
Damit war eine theoretische Basis für eine Säkularisation geschaffen, die man gemeinhin als die historische Vorbedingung für Demokratie in der westlichen Welt annimmt. Sie blieb jedoch theoretisch und konnte die Orthodoxie und die von ihr geschaffenen sozialen und kulturellen Fundamente der Gesellschaft nicht ins Wanken bringen. Auch der Sufismus als Gegenbewegung zur islamischen Orthodoxie erlangte keinen politischen Einfluß, was vielleicht auch in seiner Natur liegt (können Mystik und Politik glücklich zusammenfinden?).
Viele Denker sind der Meinung, daß die islamische Welt nach dem Fall Bagdads durch die Mongolen fast sieben Jahrhunderte „außerhalb der Geschichte“ verharrte, auch im Osmanischen Reich gab es keine vergleichbare Blütezeit. Der große Bruch mit der Vergangenheit in Europa durch die Errungenschaften der Neuzeit und durch die Aufklärung fand in der Ideengeschichte des Islam keine Entsprechung.
Erst durch die aufgezwungene Konfrontation mit Europa im Zuge der Kolonialzeit (markantes Jahr: 1798 eroberte Napoleon Ägypten) kam wieder Bewegung in die intellektuelle Szene. Islamische Reformer wie Rifa´a at-Tahtawi (1801 –1873), Ğamal ad-Din al-Afġani (1838 – 1897) und sein Schüler Mohammed Abduh (1849 – 1905) traten unter dem Einfluß der europ. Aufklärung für eine Rationalisierung des Islam ein, und waren damit Wegbereiter für die sog. „Nahda“ (ﺔﻀﻬﻧ), auch islamische Renaissance genannt. Dieses neue geistige Klima brachte den Typus des liberalen arabischen Intellektuellen hervor, der mit Namen wie Lotfi as-Sayyid, Salama Musa, Taha Hussein, Mohammed Hussein Haikal u.a. verbunden ist. Der in Oxford ausgebildete Religionsgelehrte Ali Abd ar-Raziq (1888 – 1966) löste mit seinem Buch „ﻢﻜﺤﻟﺍ ﻝﻮﺻﺍ ﻭ ﻢﻻﺴﻹﺍ“ heftige Debatten durch sein Plädoyer für die Trennung von Religion und Politik aus und wurde aus der Gelehrtengemeinschaft seitens der al-Azhar ausgeschlossen. Es war dieses geistige Klima, in dem die ersten politischen Parteien und Organisationen gegründet wurden und das den Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialmächte voran trieb, so daß nach dem 2. WK fast alle arabischen Länder nationale Unabhängigkeit erlangt hatten.
Zu diesem Zeitpunkt setzte jedoch eine andere Phase ein: die der Revolutionen, Freiheitskämpfe, des Konflikt mit Israel, der die Region bis heute in Atem hält und des Nasserismus. Die intellektuelle Elite geriet zunehmend in Bedrängnis, wurde eingesperrt, gefoltert, vertrieben. Die „Nahda“ erhielt ihren Todesstoß mit der Niederlage gegen Israel 1967, die gleichzeitig der Beginn eines neu genährten Hasses gegen den Westen wurde. Der Fundamentalismus oder Islamismus bekam neuen Auftrieb, liberale Intellektuelle wurden verantwortlich gemacht für den Niedergang des Islams, es gab schwarze Listen, Morddrohungen und Exekutionen von seiten radikaler Gruppierungen wie der Hizbollah (ﷲﺍ ﺏﺰﺣ) oder der Ğamaá al islamiyya (ﺔﻴﻣﻼﺴﻹﺍ ﺔﻋﺎﻤﺠﻟﺍ). Heute ist die Situation immer noch ähnlich, wenn auch nicht mehr ganz so angespannt. Viele Intellektuelle sind nach der erlangten nationalen Unabhängigkeit unzufrieden mit dem Despotismus und der Unterdrückung durch die arabischen Regime, die noch verschärft werden durch die ständigen Drohungen und Kontrollen der Radikalen. Die Rufe nach Demokratie werden in vielen Lagern lauter, sogar von seiten der Islamisten, die ihre Religion besser durch die Umma (ﺔﻣﻷﺍ), die Gemeinschaft der Gläubigen geschützt sehen, als durch despotische und nicht im Sinne der Religion handelnde Herrscher.
III. Demokratiedebatten
1. Ist der Islam „Staat und Religion“ (ﺔﻟﻭﺩ ﻭ ﻦﻳﺩ)?
Die Trennung von Staat und Religion gilt mittlerweile in den westlichen Demokratien als einer der Grundpfeiler einer pluralistischen Gesellschaft. Mit diesem Axiom kämpfen sowohl die muslimischen Befürworter demokratischer Strukturen als auch die Gegner. Eine strenge Trennung zwischen Staat und Religion fordert fast niemand mehr für eine islamische Demokratie, daher wird immer wieder betont, der Islam sei Religion und Staat, untrennbar miteinander verbunden (ﻡﺯﻼﺗ), was sich aus der Zeit des Propheten ableiten läßt, der Religionsstifter und Herrscher war und somit Religion und Staat verkörperte und diese zu einer Einheit verschmolz.
Diese Formel vom dīn-wa-daula- oder auch dīn-wa-dunyā-Prinzip ist jedoch eine moderne Schöpfung „Ausfluß der neuzeitlichen Frage nach dem `korrekten´ Verhältnis von Religion und Welt, Religion und Staat“[14], welche postuliert, daß der Islam alle Aspekte menschlichen Lebens leiten und durchdringen muß und daß die muslimische Umma gleichermaßen religiöse wie politische Gemeinschaft sei, wie auch in ihrer Kollektivität Vorbedingung für die Glaubensausübung der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft der Gläubigen sei. Individualisierte Religiosität ist aus dieser Perspektive ein Widerspruch in sich.
Dennoch spricht bereits die Tatsache, daß zwei getrennt Termini existieren, dafür, daß es eine gewissen Trennung zwischen den Sphären von Religion und Staat geben muß, die allerdings denselben ethisch-moralischen und rechtlichen Regeln unterstehen und dadurch harmonisch ausbalanciert werden. Krämer konstatiert, daß damit ein bewußt vollzogener und bejahter Säkularismus ausgeschlossen wird.[15]
2. Der Konsultationsgedanke im Koran: aš-Šūrā (ﻯﺭﻮﺸﻟﺍ)
Als der Demokratie gleichwertiges oder sogar überlegenes System der politischen Teilhabe wird im islamischen Diskurs (besonders im islamistischen) das Šūrā-Prinzip angeführt.[16] Aus dem Koran ist das Wort „ Šūrā “ überliefert, das Beratung oder beratende Versammlung bedeutet. Es taucht an drei Stellen auf, die Sure 42 ist sogar danach benannt (ﻯﺭﻮﺸﻟﺍ). Am häufigsten werden die beiden folgenden Stellen zitiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Koran Sure 3, Vers 159
Und in Anbetracht von Gottes Barmherzigkeit warst du mild zu ihnen. Wenn du grob und hartherzig gewesen wärest, wären sie dir davongelaufen. Verzeih ihnen nun und bitte (Gott) für sie um Vergebung, und ratschlage mit ihnen (ﻢﻫ ﺭﻭﺎﺸ) über die Angelegenheit! Und wenn du dich (erst einmal zu etwas) entschlossen hast, dann vertrau auf Gott! Gott liebt die, die (auf ihn) vertrauen. (Paret)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Koran Sure 42, Vers 38
...die auf ihren Herren hören, das Gebet verrichten, das Gebet verrichten, sich untereinander beraten (ﻢﻬﻨﻴﺑ ﻯﺭﻮﺸﻟ) und von dem, was wir ihnen (an Gut) beschert haben, Spenden geben,... (Paret)
Häufig zitiert wird auch ein Hadith (ﺚﻳﺪﺣ) zitiert, demzufolge der Prophetengefährte Abu Huraira gesagt haben soll: „ Ich sah keinen, der seine Gefährten mehr konsultiert hätte als der Gesandte Gottes.“[17]
Dennoch scheint Šūrā im Sinne einer gegenseitigen Beratung der Muslime in allen Lebensfragen, auch den politischen, in der Geschichte eine geringe Rolle gespielt zu haben und findet in den klassischen Abhandlungen kaum Beachtung.[18]. Das Šūrā-Prinzip hat sich historisch auch nicht in einer demokratischen Institution niedergeschlagen, und gewinnt erst in letzter Zeit an Bedeutung für traditionalistische Befürworter der Demokratie, die nur anerkennen, was sich aus dem Koran ableiten und legitimieren läßt, an Bedeutung. Dadurch ist Šūrā mittlerweile zum politischen „Kampfbegriff“ mutiert, der breit diskutiert wird und in der islamischen Diskussion um Demokratie zwei Funktionen erfüllt: zum einen soll innerhalb der eigenen Kultur ein Mitspracherecht eingeklagt werden, zum anderen dient der Begriff der Demonstration kultureller Eigenständigkeit nach außen.[19] Krämer unterscheidet innerhalb der umfangreichen Literatur drei Thesen, die zur Šūrā vorgetragen werden:
1. Sie entspricht einer parlamentarischen Demokratie im frühen arabischen Islam
2. Sie ist besser als die westliche Demokratie, weil sie deren Mängel beseitigt
3. Sie ist mit der westlichen Demokratie nicht vergleichbar
Insgesamt konstatiert Krämer, daß in der zeitgenössischen Debatte kein Konsens zur Šūrā herrscht.
Müller hat untersucht, inwiefern heute aus den Rechtsquellen ein der Demokratie entsprechendes staatsrechtliches Modell abgeleitet wird, d.h. inwiefern sich eine Herrschaftsmacht des Volkes legitimieren läßt und wie bei einer Berufung auf das Šūrā-Prinzip diskutiert wird, wer die parlamentarische Kontrolle und die Šūrā-Kompetenz besitzen soll.
Einen anderen interessanten Gedanken bringt der Libyer as-Sadiq an Naihum in die Debatte. Er attestiert importierten Begriffen wie „Demokratie“, „Verfassung“, „Freiheit“ und „Presse“ eine mangelnde Verankerung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der arabischen Länder. Sie seinen durch den Kolonialismus eingeführt worden, ohne eine entsprechende Realität wiederzuspiegeln und daher inhaltsleere Phrasen.[20] Er sieht die Lösung in einer Rückbesinnung auf den ursprüngliche Islam, der nicht durch die Scharia-Jurisprudenz verfälscht worden sei[21] und der sich auf die eigenen demokratischen Wurzeln besinnt, die ihm zu Folge neben dem Šūrā-Prinzip auch in der ursprünglichen Bedeutung der Moschee als Ort der Versammlung (ﻊﻣﺎﺟ) und des gemeinsamen Tag der Gottesverehrung, dem Freitag (ﺔﻌﻤﺠﻟﺍ ﻡﻮﻳ), angelegt sind. Er interpretiert dies aus der gemeinsamen Wurzel der arabischen Wörter, die das Bedeutungsfeld von „Versammeln, Zusammenschließen“ abdecken und so auf den „Kerngedanken des wahren Islam“ verweisen, der seiner Ansicht nach darin besteht, zusammenzukommen und Probleme gemeinsam und per Mehrheitsentscheidung zu lösen.[22]
Auch laut dem palästinensischen Historiker Hišam Šarabi drückt sich das Problem der transkulturellen Vermittlung von Institutionen und Ideen bereits durch die Verzerrung der Sprache aus. Für viele europäische Werte, Normen, Institutionen gibt es keine adäquaten arabischen Begriffe, die den Bedeutungsgehalt erfassen würden (ebenso ist es natürlich umgekehrt) und er fragt, was eigentlich mit modernen oder post-modernen Denkweisen geschehe, die in einer vor-modernen, traditionalistischen Sprache vermittelt werden.[23]
3. Šaria (ﺔﻌﻳﺮﺷ), Fiqh (ﻪﻴﻓ) und Menschenrechte (ﻥﺎﺴﻧﻹﺍ ﻕﻮﻘﺣ)
Wie ist das islamische Rechtssystem vereinbar mit einer demokratischen Ordnung? Eine für die aktuelle Diskussion wichtige Unterscheidung im traditionellen Recht wird in den Begriffen „Šarīﻋa“ (ﺔﻌﻳﺮﺷ) als Ausdruck des göttlichen Gesetzes und „Fiqh“ (ﻪﻴﻓ) als der Auslegung dieser ethischen und rechtlichen Maximen durch die islamische Jurisprudenz getroffen. Krämer betont, daß dies für islamistische wie säkularistische Reformer gilt.[24] Diese Unterscheidung bedeutet, daß die Sharia überzeitlich gültig ist, während fiqh grundsätzlich historisch wandelbar ist.
Eine undifferenzierte Handhabe des Sharia-Begriffes kennzeichnet vor allem den politisch-radikalen Islam, der durch seine Forderungen nach der „Anwendung der Sharia“ dazu beigetragen hat, dieses Schlagwort im Westen synonym mit Grausamkeiten wie Steinigung bei Ehebruch oder dem Hand-Abhacken bei Diebstahl zu sehen und so einen islamischen Staat als unvereinbar mit den Menschenrechten und Demokratie zu betrachten. Diese sogenannten Hadd-Strafen (ﺪﺣ, wörtlich: die von Gott gesetzten Grenzen menschlicher Handlungsfreiheit)[25] sind zwar in ihrer Gültigkeit unumstritten, in ihrer Anwendung jedoch nicht. So kann in der Praxis durchaus strafmildernde Umstände herangezogen werden. Hier ist also Interpretation gefragt, die auf menschlichem Ermessen beruht, eine Position, die von radikalen Islamisten abgelehnt wird.
Gegen diese Abwertung menschlicher Willens- und Verstandeskraft durch die Vorstellung die Sharia verwirkliche sich ohne menschliche Vermittlung (fiqh) aus sich selbst heraus, wenden sich viele zeitgenössische Muslime. Skeptiker halten das Gebot Gottes grundsätzlich für interpretationsbedürftig und wollen die Tore zu einer umfassenden Rechtserneuerungöffnen (ﺩﺎﻬﺘﺟﺍ), andere sehen einem unantastbaren kleinen Kern an göttlichen Gesetzen, der völlig eindeutig formuliert ist, eine große Fülle von Gesetzen gegenüber, die einer weiteren Auslegung bedürfen. So sieht z.B. Muhammad Asad eine Erweiterung der Rechtsanpassung in einer sich wandelnden Welt als unumgänglich:
Because it is restricted to commands and prohibitions expressed in self-evident terms in Qur`an and Sunnah, the real sharī‘ah is extremely concise and, therefore, easily understandable; and because it is so small in volume, it cannot [...] legislation for every contingency of life“[26]
4. Kolonialismus, Authentizität (ﺔﻟﺎﺻﺍ) und Moderne
Die Demokratiediskussion ist nicht getrennt von den Debatten um islamische Authentizität in einer modernen, westlich dominierten Welt zu sehen. Gudrun Krämer spricht von dem zentralen Problem des Konfliktes Authentizität / Moderne, der in einer engen Beziehung zu den Erfahrungen der Kolonialzeit zu sehen sei.
„Die koloniale Erfahrung mußte sich auf die wechselseitige Beziehung belastend auswirken. Die erlebte Schwäche verstärkte fast zwangsläufig die Tendenz zur Abwehr und Abgrenzung.“
Die tunesische Historikerin Hélé Béji analysiert in ihrem Essay „Das verinnerlichte Abendland“ das ambivalente Verhältnis der arabischen Welt zum Westen, das sich einerseits in einem Begehren nach den materiellen Gütern und Segnungen der Moderne ausdrückt und andererseits in einer von Rivalitäten bestimmten Ablehnung eben jener Moderne, die Angst macht, weil sie die Menschen auf sich selbst verweist. Die durch die Kolonialisierung transportierten Verheißungen der Moderne hätten sich nicht erfüllt, sondern nur Sehnsüchte geweckt, welche die Menschen in einem Zwischenstadium des Nicht-Mehr und Noch-Nicht zurückgelassen hätten, und sie von ihrer eigenen Kultur entfremdeten, ohne einen befriedigenden Ersatz zu schaffen.
Vielleicht hatte der Fehler des Kolonialismus genau darin gelegen, daß er das Bild der Modernität verbreitete, während er ihre Früchte verweigerte, daß er ihre Zeichen zeigte und die Sache selbst verbarg, und dies mit einer Doppelzüngigkeit, wonach sich der Kolonisierte der Zivilisation zwar beugen mußte, aber nie in ihren Genuß kam. Der Status des freien Bürgers, des citoyen, Ausbildung, Technik und Wohlstand schwebten zum Greifen nahe, wie konkrete und abstrakte, berührbare und utopische Wunder an ihm vorüber.[27]
Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, daß die Frage, ob „der Islam“ und „die Demokratie“ miteinander zu vereinbaren seien, an sich absurd ist, da es keine allgemeingültige Antwort darauf geben kann. Sowohl Befürworter als auch Gegner finden Argumente aus der Geschichte und den Rechtsquellen und dieses Problem wird intellektuell kaum zu lösen sein und letztendlich durch das politische Tagesgeschehen entschieden. Solange dies in vielen arabischen Ländern von despotischen Herrschaftsstrukturen und einer Unterdrückung von Meinungsfreiheit, sozialen Problemen und einer großen Schere zwischen Arm und Reich gekennzeichnet ist, sind die Aussichten für die Entwicklung einer demokratischen Kultur nicht allzu groß und die Fundamentalisten können weiteren Zulauf verzeichnen. Das Vorbild der westlichen Demokratien mit ihren Widersprüchlichkeiten und Problemen bei der Bewältigung der Moderne, sowie die Doppelzüngigkeit, die in den Ländern der „ersten Welt“ im Hinblick auf die Universalität der Menschenrechte besteht und die sich in politischen Praxis durch zweierlei Maß in Menschenrechtsfragen äußert[28], tragen nicht eben dazu bei, diese Kultur als erstrebenswert anzusehen und so flüchten sich viele in eine Utopie einer möglichen Rückkehr zu den Wurzeln, zu Reinheit des „echten“ Islam. Ob diese Flucht geeignet sein kann, die Herausforderungen einer Moderne zu bewältigen, die nicht mehr umkehrbar und durch die Globalisierung unausweichlich ist, kann bezweifelt werden.
Eine Demokratisierung von außen scheint in jedem Fall zum Scheitern verurteilt, wie das Beispiel Afghanistan und auch der Irak in jüngster Zeit immer wieder deutlich machen. Dies jedoch als essentialistische Unfähigkeit islamischer Kulturen zur Demokratie zu interpretieren, zeugt von der Ignoranz und Arroganz, die in der westlichen Welt häufig den Blick auf fremde Kulturen verschleiert und von einer reflektionsresistenten Haltung gegenüber der eigenen Rolle innerhalb der globalen Konstellationen.
Es bleibt zu hoffen, daß sich in der islamisch-arabischen Welt mehr eigene Formen von politischer Partizipation entwickeln können, die dann vielleicht auch einen anderen Namen als den geliehenen Demokratiebegriff tragen.
Literaturverzeichnis
Ahmad , Khurshid (2000): Islam and Democracy: Some Conceptual and Contemporary Dimensions. In: Muslim World, Vol. 90/No. 1&2, Spring 2000, 1-21
Béji, Hélé (1998): Das verinnerlichte Abendland. In: Heller, Erdmute / Mosbahi, Hassouna, (Hrsg.): Islam, Demokratie, Moderne. Aktuelle Antworten arabischer Denker. Beck, München, 154-166
Esposito , John L. / Voll, John O. (1996): Islam and Democracy. Oxford/New York
Heller , Erdmute / Mosbahi, Hassouna, Hrsg. (1998): Islam, Demokratie, Moderne. Aktuelle Antworten arabischer Denker. Beck, München
Krämer, Gudrun (1999): Islam, Šūrā und Demokratie. Studien zu Theorie und Praxis zeitgenössischer sunnitischer Muslime, Habilitationsschrift, Hamburg.
Krämer, Gudrun (1999): Gottes Staat als Republic. Reflexionen zeitgenössischer Muslime zu Islam, Menschenrechten und Demokratie (= Studien zu Ethnizität, Religion und Demokratie, hrsg. Von Theodor Hanf und Jakob Rösel, Band 1). Nomos, Bade-Baden
Metzger , Albrecht (2000): Der Himmel ist für Gott, der Staat für uns. Islamismus zwischen Gewalt und Demokratie. Lamuv, Göttingen
Müller , Lorenz (1996): Islam und Menschenrechte. Sunnitische Muslime zwischen Islamismus, Säkularismus und Modernismus. Deutsches Orient-Institut Hamburg, Mitteilungen 54.
Sharabi, Hisham (1998): Moderne und intellektuelle Erneuerung: Die schwierige Aufgabe der arabischen Intellektuellen. In: Heller, Erdmute / Mosbahi, Hassouna, (Hrsg.): Islam, Demokratie, Moderne. Aktuelle Antworten arabischer Denker. Beck, München, 47-61
[...]
[1] Wenn auch diese Form von „Privatangelegenheit“ manchmal schwerwiegende globale Folgen, haben kann, betrachtet man George W. Bushs „War against Terrorism“, den er auch im Namen Gottes führt. Andererseits ist es sowohl in den USA als auch in Europa möglich, als Atheist im Wesentlichen unbehelligt zu bleiben , abgesehen von gelegentlichen Bekehrungsversuchen vor der Haustür.
[2] Der Sonderfall des türkischen Kemalismus kann hier leider nicht diskutiert werden.
[3] Krämer (1999), 24
[4] Müller (1996), 67
[5] Krämer (1999), 24
[6] Ahmad (2000), 2/3
[7] Er wurde aufgrund seiner historisch-kritischen Koraninterpretation, die einen Angriff auf die dominierende Theologie der islamisch-sunnitischen Welt und das Interpretationsmonopol der islamischen Orthodoxie darstellt, als „Abtrünniger“ stigmatisiert und deshalb in einem Gerichtsverfahren von seiner Frau zwangs-geschieden, da eine muslimische Frau nicht mit einem „Nicht-Muslimen“ verheiratet sein darf, vgl. Heller/Mosbahi (1998), S. 262/263
[8] Krämer (1999), 25
[9] vgl. Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1966): „ The Social Construction of Reality“, New York. Diese Vertreter des Symbolischen Interaktionismus, eines handlungstheoretischen und akteurszentrierten Paradigmas in den Sozialwissenschaften, waren Vorreiter für eine Sichtweise, in der es keine absolute Wahrheit oder Realität mehr gibt, sondern Wirklichkeit betrachtet wird als das, was die an sozialen Situationen beteiligten Akteure als solche definieren und auf die sie sich in ihrem Handeln beziehen.
[10] Krämer (1993), 16
[11] John L. Esposito/John O. Voll (1996): Islam and Democrazy. Oxford/New York, 34
[12] Ahmad (2000), 1/2
[13] Heller/Mosbahi (1998), für das folgende: 7-28
[14] Krämer (1999), 43
[15] Krämer (1999), 43
[16] Müller (1996), 127
[17] Müller (1996), 128
[18] Krämer (2000), 121
[19] Krämer (1999), 121
[20] Müller (1996), 256
[21] Müller (1996), 265
[22] Müller (1996), 256-268
[23] Sharabi (1998), 56
[24] Krämer (1999), 51
[25] Krämer (1999), 61
[26] zitiert nach Krämer (1999), 53
[27] Béji (1998), 158
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema von "Islam und Demokratie"?
Das Thema der Arbeit ist die komplexe Beziehung zwischen Islam und Demokratie. Es untersucht, ob der Islam mit demokratischen Prinzipien vereinbar ist, wobei sowohl der Demokratiebegriff als auch das Verständnis von "dem Islam" kritisch hinterfragt werden.
Welche Definitionen von "Islam" und "Demokratie" werden in der Arbeit verwendet?
Der Islam wird nicht als monolithisches Gebilde betrachtet, sondern als das, was Muslime an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit als islamisch definieren und praktizieren. Demokratie wird als ein System mit Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Volkssouveränität und Gewaltenteilung verstanden, wobei betont wird, dass es sich um ein historisch gewachsenes und interpretationsbedürftiges Konzept handelt.
Welche historische Perspektive wird eingenommen?
Die Arbeit beleuchtet das Goldene Zeitalter des Islam (9.-11. Jhd.) und die Bewegung der Mu'taszila als frühe Ansätze zur Rationalisierung des Glaubens. Sie untersucht auch die Auswirkungen des Kolonialismus und der "Nahda" (islamische Renaissance) auf das Verhältnis zwischen Islam und Moderne.
Welche Argumente werden in den Demokratiedebatten im Islam behandelt?
Es wird die Frage behandelt, ob der Islam "Staat und Religion" ist. Das Šūrā-Prinzip (Konsultation) wird als potenziell demokratisches Element im Islam diskutiert, wobei die verschiedenen Interpretationen und die historische Bedeutung hervorgehoben werden. Ebenso wird das Verhältnis von Scharia, Fiqh und Menschenrechten analysiert, wobei die Unterscheidung zwischen göttlichem Gesetz (Sharia) und dessen Interpretation (Fiqh) betont wird.
Welche Rolle spielen Kolonialismus, Authentizität und Moderne in der Diskussion?
Der Kolonialismus wird als prägende Erfahrung für das Verhältnis der islamischen Welt zum Westen gesehen. Der Konflikt zwischen Authentizität (ﺔﻟﺎﺻﺍ) und Moderne wird als zentrales Problem betrachtet, das durch die Kolonialerfahrung verstärkt wurde. Die Arbeit analysiert die ambivalenten Gefühle gegenüber der Moderne, die sowohl Begehren als auch Ablehnung hervorrufen.
Was ist die Zusammenfassung der Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von "Islam" und "Demokratie" an sich absurd ist, da es keine allgemeingültige Antwort geben kann. Demokratisierung von außen wird als zum Scheitern verurteilt angesehen, während die Entwicklung eigener Formen politischer Partizipation in der islamisch-arabischen Welt als wünschenswert erachtet wird. Es wird betont, dass die westlichen Demokratien nicht als unhinterfragtes Vorbild dienen können.
Was ist das Šūrā-Prinzip?
Das Šūrā-Prinzip (ﻯﺭﻮﺸﻟﺍ) bezeichnet das Konzept der Beratung und gegenseitigen Konsultation im Islam. Es wird oft als ein islamisches Äquivalent oder sogar als überlegenes System der politischen Teilhabe im Vergleich zur Demokratie angeführt. Es basiert auf Koranversen, die zur Beratung in allen Angelegenheiten auffordern.
Was sind Šaria (ﺔﻌﻳﺮﺷ) und Fiqh (ﻪﻴﻓ)?
Šaria (ﺔﻌﻳﺮﺷ) bezieht sich auf das göttliche Gesetz im Islam, während Fiqh (ﻪﻴﻓ) die menschliche Auslegung und das Verständnis dieses göttlichen Gesetzes durch islamische Gelehrte ist. Die Unterscheidung ist wichtig, da Šaria als unveränderlich und göttlich angesehen wird, während Fiqh historisch und kontextuell variabel sein kann.
Was bedeutet Authentizität (ﺔﻟﺎﺻﺍ) in diesem Kontext?
Authentizität (ﺔﻟﺎﺻﺍ) bezieht sich auf das Streben nach einer genuin islamischen Identität und Kultur, oft im Gegensatz zu westlichen Einflüssen und Werten, die als fremd oder schädlich angesehen werden. Es ist eng verbunden mit der Suche nach den "wahren" Wurzeln des Islam und der Abwehr von "Verfälschungen" durch Kolonialismus und Moderne.
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- Andrea Müller (Author), 2002, Die Demokratiekontroverse in der islamischen Welt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23507