[...] Es ist unsicher, ob die Autoren ihre Lebenszeugnisse
niederschreiben, um die Welt zu verbessern. Jedoch scheint es unbestritten, dass in
autobiographischem Stil vorgetragene, in autobiographische Erzählungen gekleidete historische Kritik an der Welt objektiv anders wahrgenommen wird. Ob diese Kritik
durch autobiographisches Schreiben allerdings in ihrer Beachtung und Wirkung in der
Literatur verstärkt wird, wie im musikmedialen Bereich beispielhaft festgestellt, soll in
dieser Arbeit untersucht werden.
Unterstützt autobiographisches Schreiben die Intention einer Gesellschaftskritik? Diese
Frage nach dem Zusammenhang von autobiographischem Schreiben und Gesellschaftskritik
soll zur Leitfrage einer Analyse einiger literarischer Texte und zum Leitfaden
dieser Arbeit werden. Die literarische Analyse beschränkt sich auf deutschsprachige
Texte nach 1945. Aus dieser Zeit stehen zahlreiche Autobiographien und autobiographisch
geprägte Texte zur Verfügung.
Bei der Textauswahl habe ich allerdings nicht auf von den Autoren als Autobiographien
gekennzeichnete Texte zurückgegriffen, sondern Texte ausgewählt, in denen die Autoren
eine möglicherweise autobiographisch angelegte Figur beschreiben, die in der Welt
mit der eigenen Identität ringt und dadurch Kritik am Lebensumfeld und an der Gesellschaft
übt. Ich erachte diese Perspektive als wirkungsvoller für die Analyse, da der Leser,
an den die Kritik gerichtet wird, nicht von vornherein durch die Nachzeichnung
eines gelebten Daseins und den Stempel ‚Autobiographie – alles echt‘ an der möglicherweise
nicht auf den ersten Blick erkennbaren Kritik vorbei gestoßen wird, sondern
sich mit der Figur auseinandersetzen und Teil der Kritik oder des Kritisierten werden
muss.
Für die Untersuchung eines Zusammenhanges von autobiographischem Moment und
Gesellschaftskritik wurden die Autoren Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht
und Benjamin von Stuckrad-Barre ausgewählt. Weiss gilt in der Forschung als Ausgangspunkt
eines neuen autobiographischen Erzählens4, seine ersten Werke Abschied
von den Eltern und Fluchtpunkt setzen sich sehr stark mit Weiss‘ Leben auseinander.
Zur besseren Übersicht wird nur das erste, Abschied von den Eltern, untersucht. Stephan
Hermlin ist deshalb für diese Untersuchung interessant, da sein Abendlicht eine seiner
letzten Veröffentlichungen darstellt. [...]
4 Vgl. dazu die Peter Weiss-Forschung in dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Autobiographisches Schreiben
- Zur Definition des klassischen Autobiographiebegriffs
- Antriebe zum Schreiben von Autobiographien
- Einflussfaktoren für Variationen der klassischen Autobiographie
- Die Erinnerung: Referenz der vergangenen Identität
- Die Wirklichkeit: Referenz der erfüllten Identität
- Die Wahrheit: Referenz der normativen Identität
- Die Fiktion: Referenz der gewünschten Identität
- Probleme der Typologisierung autobiographischer Texte
- Analysevorbereitung und Hypothesenbildung
- Kriterienkatalog zur Einschätzung des autobiographischen Gehalts
- Zur Bestimmung der Intention, Gesellschaftskritik‘
- Überlegungen zur Wirkung autobiographischer Texte
- Die Bildung der Hypothesen
- Einzelfall-Analyse
- Peter Weiss: Abschied von den Eltern (1961)
- Stephan Hermlin: Abendlicht (1979)
- Christian Kracht: Faserland (1995)
- Benjamin von Stuckrad-Barre: Soloalbum (1998)
- Auswertung der Textanalyse und Bewertung der Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Gesellschaftskritik in autobiographischen Texten deutscher Autoren nach 1945. Im Fokus stehen die Werke von Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre. Die Zielsetzung besteht darin, die autobiographischen Elemente zu analysieren und deren Funktion bei der Formulierung von Gesellschaftskritik zu beleuchten.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs „Autobiographie“
- Analyse der Schreibmotive und -antriebe der ausgewählten Autoren
- Untersuchung des Verhältnisses von autobiographischer Darstellung und gesellschaftlicher Kritik
- Bewertung der Wirkung autobiographischer Texte auf das gesellschaftliche Bewusstsein
- Vergleichende Analyse der untersuchten Texte und deren jeweilige Strategien der Gesellschaftskritik
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen autobiographischen Elementen und Gesellschaftskritik in der deutschen Literatur nach 1945. Am Beispiel der Band „Pur“ wird die Möglichkeit aufgezeigt, wie persönliche Erfahrungen in Musik und Text verarbeitet und als gesellschaftliche Kritik eingesetzt werden können. Dies bildet den Ausgangspunkt für die Analyse der ausgewählten literarischen Texte. Die Arbeit kündigt die methodischen Ansätze und die zu untersuchenden Autoren an.
Autobiographisches Schreiben: Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition des Begriffs „Autobiographie“ und den verschiedenen Einflussfaktoren, die zu Variationen der klassischen Form führen. Es werden verschiedene Referenzpunkte diskutiert: die Erinnerung (vergangene Identität), die Wirklichkeit (erfüllte Identität), die Wahrheit (normative Identität) und die Fiktion (gewünschte Identität). Die Komplexität der Typologisierung autobiographischer Texte wird hervorgehoben, um die vielschichtige Natur der zu analysierenden Werke zu verdeutlichen. Die verschiedenen Definitionen und Einflüsse legen den methodischen Grundstein für die spätere Analyse.
Analysevorbereitung und Hypothesenbildung: In diesem Kapitel wird ein Kriterienkatalog zur Einschätzung des autobiographischen Gehalts der Texte entwickelt. Die Intention „Gesellschaftskritik“ wird definiert und die möglichen Wirkungsweisen autobiographischer Texte auf den Leser werden erörtert. Auf dieser Basis werden die Hypothesen formuliert, die im weiteren Verlauf der Arbeit geprüft werden. Dieses Kapitel stellt den methodischen Rahmen für die Einzelfallanalysen dar.
Einzelfall-Analyse (Kapitel 4.1 - 4.4): Diese Kapitel widmen sich der detaillierten Analyse der ausgewählten autobiographischen Texte von Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre. Jede Analyse untersucht, ob der jeweilige Text als autobiographisch einzustufen ist und inwieweit eine Gesellschaftskritik nachweisbar ist. Die Ergebnisse werden mit den zuvor aufgestellten Hypothesen verglichen und bewertet. Die Einzelfallanalysen bilden den Kern der Arbeit und liefern empirische Daten für die Schlussfolgerungen.
Auswertung der Textanalyse und Bewertung der Ergebnisse: Dieses Kapitel (welches im vorliegenden Auszug nicht enthalten ist) wird die Ergebnisse der Einzelfallanalysen zusammenfassen, auswerten und bewerten. Es wird eine umfassende Diskussion der Ergebnisse sowie deren Relevanz für die Forschungsfrage stattfinden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Kontext der bisherigen Forschung diskutiert.
Schlüsselwörter
Autobiographie, Gesellschaftskritik, deutsche Literatur, Nachkriegsliteratur, Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre, Erinnerung, Identität, Fiktion, Textanalyse, Wirkungsweise.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Gesellschaftskritik in autobiographischen Texten deutscher Autoren nach 1945
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Gesellschaftskritik in autobiographischen Texten deutscher Autoren nach 1945. Im Fokus stehen die Werke von Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre. Die Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen autobiographischen Elementen und der Formulierung von Gesellschaftskritik.
Welche Autoren werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die autobiographischen Texte von Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre. Ihre Werke werden hinsichtlich ihres autobiographischen Gehalts und ihrer gesellschaftlichen Kritik analysiert.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Theorie des autobiographischen Schreibens, ein Kapitel zur Analysevorbereitung und Hypothesenbildung, Einzelfallanalysen der ausgewählten Autoren und abschließend eine Auswertung und Bewertung der Ergebnisse. Die Einzelfallanalysen bilden den Kern der Arbeit.
Was wird unter „autobiographisches Schreiben“ verstanden?
Das Kapitel „Autobiographisches Schreiben“ definiert den Begriff „Autobiographie“ und untersucht verschiedene Einflussfaktoren, die zu Variationen der klassischen Form führen. Es werden Referenzpunkte wie Erinnerung, Wirklichkeit, Wahrheit und Fiktion diskutiert, sowie die Komplexität der Typologisierung autobiographischer Texte hervorgehoben.
Wie wird die Gesellschaftskritik analysiert?
Die Analyse der Gesellschaftskritik erfolgt durch die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Einschätzung des autobiographischen Gehalts der Texte. Die Intention „Gesellschaftskritik“ wird definiert, und die möglichen Wirkungsweisen autobiographischer Texte werden erörtert. Hypothesen werden formuliert und im Verlauf der Einzelfallanalysen geprüft.
Welche Methoden werden verwendet?
Die Arbeit verwendet eine qualitative Textanalyse. Es wird ein Kriterienkatalog zur Einschätzung des autobiographischen Gehalts entwickelt. Die Intention „Gesellschaftskritik“ wird genau definiert, und die möglichen Wirkungsweisen autobiographischer Texte werden diskutiert. Die Hypothesenbildung und -prüfung bilden einen zentralen methodischen Ansatz.
Welche konkreten Texte werden analysiert?
Die Einzelfallanalysen befassen sich mit folgenden Werken: Peter Weiss: Abschied von den Eltern (1961), Stephan Hermlin: Abendlicht (1979), Christian Kracht: Faserland (1995) und Benjamin von Stuckrad-Barre: Soloalbum (1998).
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Zielsetzung besteht darin, die autobiographischen Elemente in den ausgewählten Texten zu analysieren und deren Funktion bei der Formulierung von Gesellschaftskritik zu beleuchten. Die Arbeit untersucht das Verhältnis zwischen autobiographischer Darstellung und gesellschaftlicher Kritik und bewertet die Wirkung autobiographischer Texte auf das gesellschaftliche Bewusstsein.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Autobiographie, Gesellschaftskritik, deutsche Literatur, Nachkriegsliteratur, Peter Weiss, Stephan Hermlin, Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre, Erinnerung, Identität, Fiktion, Textanalyse, Wirkungsweise.
Wo finde ich die Auswertung der Ergebnisse?
Die Auswertung der Textanalyse und Bewertung der Ergebnisse sind in diesem Auszug nicht enthalten. Dieses Kapitel wird die Ergebnisse der Einzelfallanalysen zusammenfassen, auswerten und bewerten und deren Relevanz für die Forschungsfrage diskutieren.
- Quote paper
- Björn-Christian Schüßler (Author), 2003, Autobiographisches Schreiben in der deutschen Literatur nach 1945. P. Weiss, S. Hermlin, C. Kracht und B. von Stuckrad-Barre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23361