Die vorliegenden Arbeit „Leistungsgesellschaft mit Schattenseiten?! Das Gesellschaftsmodell aus der kritischen Perspektive von UniversitätsstudentInnen“ verortet sich im Rahmen einer empirischen Untersuchung. Als Grundlage dienen subjektive und momentane Wahrnehmungen von Universitätsstudierenden zur Leistungsgesellschaft, welche mit Methoden
der empirischen Sozialforschung objektiviert wurden und im Zuge des 9. Studierendensurvey der AG Hochschulforschung der Universität Konstanz 2003/2004 anhand der Frage 85 (vgl. Abbildung B.2) erhoben wurden. Dabei handelt es sich um eine Teilstudie des Langzeitstudien-Projekts „Studiensituation und studentische Orientierungen“ an Universitäten und Fachhochschulen.
Das Anliegen dieser Untersuchung ist es ein nach Möglichkeit subtiles Gesellschaftsbild zu rekonstruieren und dieses in soziale und individuelle Gegebenheiten einzubetten. Dabei fließen sicherlich persönliche Erfahrungen der ProbandInnen mit ein, welche durchaus nicht strikt individueller Natur sind, sondern die soziale Position und die damit verbundenen Wertvorstellungen bzw. Lebenseinstellungen reflektieren. So ist eine Darstellung der Verflechtungen zwischen der Wahrnehmung von Gesellschaft und den soziodemographischen Merkmalen der StudentInnen möglich (vgl. Abbildung B.1). Die Determinanten dieser Verknüpfung werden nachstehend vorgestellt.
Des Weiteren beabsichtigt diese Abhandlung nicht nur eine Abbildung der bestehenden Daten, sondern auch diese interpretierend in gesellschaftliche Kausalitäten zu integrieren, um daraus wiederum etwas über die Aufstiegschancen von potenziellen Eliteanwärtern abzuleiten. Somit richtet sich das Interesse im theoretischen Teil der Arbeit auf die Themen:
soziale Ungleichheit, die Sozialstruktur und die Rekrutierung von Eliten in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Gesellschaftliche und Soziologische Relevanz des Themas
1.3 Uberblick uber die nachfolgenden Kapitel
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Ausgewahlte Theorien uber soziale Ungleichheit
2.1.1 Kingsley Davis und Wilbert E. Moore: Die funktionale Begrun- dung sozialer Ungleichheit
2.1.2 Stefan Hradil: Soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Exklusion
2.1.3 Weitere theoretische Ansatze
2.2 Zusammenfassung und Folgerungen
2.3 Sozialstruktur und Eliterekrutierung
2.3.1 Rainer Geifiler: ausgewahlte Aspekte der Sozialstruktur Deutsch- lands
2.3.2 Michael Hartmann: Eliten in Deutschland
2.3.3 Ursula Hoffmann-Lange: Eliterekrutierung und soziodemographi- sche Korrelate des Elitestatus
2.4 Zusammenfassung und Folgerungen
2.5 Gesamtbilanz
3 Eigene Untersuchung
3.1 Problemaufriss und Fragestellung
3.2 Konzeptionelle Verortung und operationales Modell
3.2.1 Die Fachzugehorigkeit
3.2.2 Die Geschlechtszugehorigkeit
3.2.3 Die Bildungsherkunft
3.2.4 Die geographische Verortung
3.3 Datenbasis
4 Empirische Befunde
4.1 Das subjektive Gesellschaftsbild der Studierenden
4.2 Die strukturellen Zusammenhange
4.3 Das subjektive Gesellschaftsbild und die Verflechtung mit soziodemogra- phischen Merkmalen
4.3.1 Verflechtungen mit der geographischen Verortung
4.3.2 Verflechtungen mit der Bildungsherkunft
4.3.3 Verflechtungen mit der Geschlechtszugehorigkeit
4.3.4 Veflechtungen mit der Fachgruppenzugehorigkeit
5 Bilanz
Literaturverzeichnis
A Anmerkungen
B Abbildungen
C Tabellen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1 Soziale Schichtung der westdeutschen Bevolkerung 1960er Jahre .
Abb. 2.2 Soziale Schichtung der westdeutschen Bevolkerung 2000
Abb. 4.1 Mediane der Frage 85 in Abhangigkeit der Fachgruppen
Abb. B.1 Operationales Modell
Abb. B.2 Frage 85 des 9. Studierendensurvey
Abb. B.3 Die Zusammensetzung der Grundgesamtheit dieser Untersuchung .
Abb. B.4 Mediane der Frage 85
Abb. B.5 Mediane der Frage 85 in Abhangigkeit der geographischen VerortungXVI
Abb. B.6 Mediane der Frage 85 in Abhangigkeit des Bildungsabschluss der Eltern
Abb. B.7 Mediane der Frage 85 in Abhangigkeit vom Geschlecht
Tabellenverzeichnis
Tab. 4.1 Das subjektive Gesellschaftsbild der Studierenden
Tab. 4.2 Verflechtungen mit der geographischen Verortung
Tab. 4.3 Verflechtungen mit der Bildungsherkunft
Tab. 4.4 Verflechtungen mit dem Geschlecht
Tab. C.1 Verflechtungen mit der Fachgruppenzugehorigkeit
Tab. C.2 Synopse zur Frage 85
Tab. C.3 Strukturelle Zusammenhange zwischen den Kriterien der Leistungs- gesellschaft
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
Die vorliegenden Arbeit ^Leistungsgesellschaft mit Schattenseiten?! Das Gesellschafts- modell aus der kritischen Perspektive von Universitatsstudentlnnen“ verortet sich im Rah- men einer empirischen Untersuchung. Als Grundlage dienen subjektive und momentane Wahrnehmungen von Universitatsstudierenden zur Leistungsgesellschaft, welche mit Me- thoden der empirischen Sozialforschung objektiviert wurden und im Zuge des 9. Studie- rendensurvey der AG Hochschulforschung der Universitat Konstanz 2003/2004 anhand der Frage 85 (vgl. Abbildung B.2) erhoben wurden. Dabei handelt es sich um eine Teil- studie des Langzeitstudien-Projekts „Studiensituation und studentische Orientierungeri’" an Universitaten und Fachhochschulen.
Das Anliegen dieser Untersuchung ist es ein nach Moglichkeit subtiles Gesellschaftsbild zu rekonstruieren und dieses in soziale und individuelle Gegebenheiten einzubetten. Da- bei fliefien sicherlich personliche Erfahrungen der ProbandInnen mit ein, welche durchaus nicht strikt individueller Natur sind, sondern die soziale Position und die damit verbun- denen Wertvorstellungen bzw. Lebenseinstellungen reflektieren. So ist eine Darstellung der Verflechtungen zwischen der Wahrnehmung von Gesellschaft und den soziodemogra- phischen Merkmalen der StudentInnen moglich (vgl. Abbildung B.1). Die Determinanten dieser Verknupfung werden nachstehend vorgestellt.
Des Weiteren beabsichtigt diese Abhandlung nicht nur eine Abbildung der bestehenden Daten, sondern auch diese interpretierend in gesellschaftliche Kausalitaten zu integrieren, um daraus wiederum etwas uber die Aufstiegschancen von potenziellen Eliteanwartern abzuleiten. Somit richtet sich das Interesse im theoretischen Teil der Arbeit auf die The- men: soziale Ungleichheit, die Sozialstruktur und die Rekrutierung von Eliten in Deutschland.
1.2 Gesellschaftliche und Soziologische Relevanz des Themas
„In was fur einer Gesellschaft wollen wir leben?“, so lautet die Frage der Gesellschaf- ter.de, eine Initiative der Deutschen Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V., wenn es angesichts sozialpolitischer Probleme um die Gestaltung der Gesellschaft geht, welche in den letzten Jahren zunehmend durch Staat und Wirtschaft bestimmt war (vgl. Die Gesellschafter.de 2008).
Diese Frage lasst sich auch auf die Problematik der vorliegenden Arbeit ubertragen, welche zum einen die Einstellungen von potentiellen AnwarterInnen auf Spitzen- bzw. E- litepositionen hinsichtlich der Leistungsgesellschaft empirisch untersucht. So werden die Eliten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft (hier die Sozialwissenschaften), welche die zentralen Bereiche der Gesellschaft (neben der Verwaltung und den Medien) abbil- den, „als Inhaber von Herrschaftspositionen verstanden, die kraft der Macht, die mit der von ihnen besetzten Position verbunden ist, in der Lage sind, wichtige gesellschaftliche Entscheidungen mafigeblich zu bestimmen bzw. zu beeinflussen oder ’zur Erhaltung oder Veranderung der Sozialstruktur und der sie tragenden Normen unmittelbar beizutragen’“ (Hartmann 2002, S. 25). Insbesondere der Einfluss der Sozialwissenschaften am Gestal- tungsprozess der Gesellschaft lasst sich am Beispiel von Simone de Beauvoir und ihrem 1949 erschienenen Werk „Le Deuxieme Sexe“ (Das andere Geschlecht), welches Thesen zur Selbstverwirklichung der Frau historisch-sozial begrundete, spater zu einer Art Bibel der Neuen Frauenbewegung wurde und somit formlich die Emanzipationsbewegung mit all ihren Auswirkungen in Gang setzte, sehr gut verdeutlichen (vgl. www.dhm.de (Deutsches Historisches Museum) 2008). Infolgedessen ist es fur die Offentlichkeit von Bedeutung zu erfahren, welches Bild von Gesellschaft bei den derzeitigen StudentInnen deutscher Universitaten, den mutmafilichen EliteanwarterInnen, ausgepragt ist. Denn hin- ter diesen Wahrnehmungen lassen sich Wertvorstellungen vermuten, welche wiederum bei zukunftigen Entscheidungen hinsichtlich der Formung des offentlichen Lebens mit einfliefien konnten. Gesetzt dem Fall, dass „die da oben“ ein realitatsverzerrtes Bild der Wirklichkeit vor Augen hatten, was nicht auf die Belange der Bevolkerung anspricht und sich diese dadurch unverstanden fuhlen wurde, was ergo uber kurz oder lang wahrschein- lich zu einer Spaltung der Gesellschaft fuhrt, waren Mafinahmen einzuleiten, welche den Eliten den Weg zur Realitat zuganglich machen. Bei Akzeptanz des vorliegenden Ge- sellschaftsbildes der Eliten ist es dennoch wichtig die Wahrnehmung und Vorstellungen derer, die womoglich an der Spitze stehen, zu kennen und im Auge zu behalten, um eine Art Moglichkeit der Kontrolle zu schaffen, welche die Allgemeinheit davor schutzt, dass die Eliten ihre qua Amt verliehene Macht ausnutzen bzw. missbrauchen.
Zum anderen ist es soziologisch gesehen ebenso von Bedeutung, wenn auch hier nur auf theoretischer Ebene, etwas uber das Profil der angehenden deutschen Leistungseliten zu erfahren. In diesem Zusammenhang stellen sich beispielsweise Fragen hinsichtlich des sozialen Hintergrundes - welcher eng mit der sozialen Schichtung in Zusammenhang steht -, der personlichen Merkmale und Qualifikationen - hier wird das Alter, das Geschlecht, Schul- und sonstige Ausbildung und das Personlichkeitsprofil (Souveranitat, Optimismus und gewandtes Auftreten) erfragt -, der Denkmuster - welches Selbstbild ist vorhanden - und der Eliten in den einzelnen Gesellschaftssektoren, wie Politik, Wirtschaft, Justiz, Verwaltung, Kultur etc., welche jeweils eine eigene Fuhrungsschicht hervorbringen (vgl. Wasner 2006, S. 23-25). In Hinblick darauf ist zu uberlegen, inwieweit Deutschland einer Leistungsgesellschaft und ihren Prinzipien1 entspricht. So ist anhand einschlagiger Literatur zu recherchieren welche Schichten die Spitze der Gesellschaft erreichen. Sind es vomehmlich die Oberschichtszugehorigen oder doch auch Angehorige der Mittel- und Unterschichten. Ist Chancengleichheit und das Leistungsprinzip durchsetzbar? Ist soziale Ungleichheit (nicht) legitim? Herrschen Privilegien in den oberen Schichten vor, welche es den Dazugehorigen erleitern ihren Weg nach oben zu gehen oder aber besitzen alle die gleichen Ausgangsbedingungen im Streben um die ranghohen Positonen?
Daruber hinaus ist das Thema der Eliten von Grund auf soziologisch bedeutungs- voll. Infolge des Zweiten Weltkrieges war der Elitebegriff in Deutschland lange Zeit diskreditiert2 und wurde erst wieder in den sechziger Jahren in Verbindung mit der sich neu konstituierenden Eliteforschung historisch rekonstruiert (vgl. Imbusch 2003, S. 12). Doch „im Zuge des mit der Studentenbewegung einhergehenden Paradigmenwechsels3 “ (vgl. Imbusch 2003, S. 12-13), Ende der sechziger bzw. Anfang der siebziger Jahre, ruckte die Elitenforschung ganzlich in den Hintergrund (vgl. Imbusch 2003, S. 12-13). Erst mit dem einsetzenden Transformationsprozess in den neunziger Jahren des letzten Jahrhun- derts, ausgelost durch den Niedergang des realsozialistischen Systems in Ostdeutschland, Osteuropa, Russland und den dazugehorigen Satellitenstaaten, wurde auch wieder das Interesse an den Eliten entfacht (vgl. Imbusch 2003, S. 13). Dennoch ist auch zum jet- zigen Zeitpunkt der Wissensstand uber die Spitze der Gesellschaft recht klein, sodass die Eliten formlich einen „weifien Fleck auf der Landkarte soziologischer Forschung“4 (vgl. Imbusch 2003, S. 14) darstellen. In Anbetracht, dass es sich bei der Elitensoziologie um einen recht jungen Forschungszweig handelt, ist jede wissenschaftliche Arbeit zum Thema „Eliten“ - wenn es sich auch in diesem Fall um angehende Eliten handelt - ein kleiner Schritt, welcher Licht ins Dunkle bringt und dazu beitragt die Ranghochsten der Gesellschaft in Struktur und Handeln zu verstehen. In diesem Zusammenhang muss allerdings auch auf die Schwierigkeiten, mit denen die Eliteforschung verknupft ist, hingewiesen werden. So ist es aufierst diffizil eine allgemeingultige Definition von Eliten zu konstruieren, da verschiedene Modelle zum Verstandnis von Eliten existieren.
1.3 Uberblick uber die nachfolgenden Kapitel
Im folgenden zweiten Kapitel wird der theoretische Rahmen der vorliegenden Arbeit, welcher sich zum einen mit ausgewahlten Theorien zum Thema soziale Ungleichheit und zum anderen mit der Sozialstruktur und der Eliterekrutierung in Deutschland be- fasst, vorgestellt. Soziale Ungleichheit ist hier das zentrale Thema, da diese direkt mit der Leistungsgesellschaft verknupft ist. So sollte aufgrund von Chancengleichheit soziale Ungleichheit in einer Leistungsgesellschaft minimiert werden (vgl. Fuchs-Heinritz u.a. 1994, S. 398). Des Weiteren sind soziale Disparitaten eng mit dem Thema Lebenschancen verbunden. In Hinblick darauf soll hier sozusagen der Bogen zwischen den empirischen Daten, welche die Ergebnisse der Frage nach der subjektiven Wahmehmung von Krite- rien der Leistungsgesellschaft durch Universitatsstudierende darstellen, und bisherigen Forschungserkenntnissen, bezuglich des Themas „Eliterekrutierung“ geschlagen werden. In diesem Rahmen kann somit beschrieben werden welche Gesellschaftsschichten poten- tiell an die Spitze der Gesellschaft aufsteigen.
Das Kapitel drei ist der eigentlichen Untersuchung gewidmet. Es dient zunachst der Ein- fuhrung in die Fragestellung. Des Weiteren wird die Konzeption, also die theoretische Leitidee: die Definition der Leistungsgesellschaft und die sozialen Funktionen des Bil- dungssystems vorgestellt. Bildung spielt in diesem Kontext eine grofie Rolle, da sie die Basis fur Bildungsabschlusse darstellt, welche wiederum in der Leistungsgesellschaft einen hohen Stellenwert besitzen und fur das berufliche Fortkommen entscheidend sind. In einem weiteren Punkt wird das operationale Modell abgebildet, welches die Wechsel- wirkung von Determinanten mit der Beantwortung der Frage, wie die Leistungsgesellschaft wahrgenommen wird, beschreibt. Hinsichtlich des operationalen Modells sind vier Determinanten zu benennen: die Fachzugehorigkeit, das Geschlecht, die Bildungsher- kunft und die geographische Verortung. Diese soziodemographischen Faktoren sind von grofier Bedeutung, da zu erwarten ist, dass die Daten Informationen zum sozialen Hinter- grund und den damit verbundenen Werthaltungen liefern, welche einen Ruckschluss auf die Sozialstuktur zulassen. Und schliefilich wird die Datenbasis vorgestellt und erlautert. Das vierte Kapitel wendet sich der Deskription und Interpretation der empirischen Befun- de zu. Dies gliedert sich in drei Schritte: zum einen wird das subjektive Gesellschaftsbild der Gruppe der Studierenden, ohne jegliche Wechselwirkungen, rekonstruiert. Zum Zwei- ten werden die strukturellen Zusammenhange zwischen den Items beschrieben, wobei un- tersucht wird zwischen welchen Indikatoren ein Zusammenhang besteht, wie stark dieser ausgepragt ist und ob negative oder positve Korrelationen vorliegen. Und zum Dritten, im Zuge der bivariaten Datenanalyse, werden die Wechselwirkungen aus der Verknupfung zwischen den Determinanten und dem subjektiven Gesellschaftsbild reprasentiert. Es ist davon auszugehen, dass die Intensitat der Effekte je Determinante varrieren wird.
Im funften und letzten Kapitel ist die Bilanz dieser empirischen Arbeit verortet. Hier wird einem kurzen Resumee, kritischen Bemerkungen und moglichen Entwicklungen, basie- rend auf den gewonnenen empirischen Ergebnissen, Raum gegeben.
2 Theoretischer Rahmen
Im Zentrum dieser Untersuchung steht die Frage: „Wie nehmen Universitatsstudentlnnen die Leistungsgesellschaft1 in Deutschland wahr?u. Hinterfragt werden Einstellungen zur sozialen Ungleichheit, zum Wettbewerb, zur Solidaritat, zum Leistungsprinzip und zur Chancengleichheit, welche daruber Auskunft geben sollen, inwieweit die ProbandInnen, rein subjektiv, die hier benannten Kriterien der Leistungsgesellschaft als real vorhanden ansehen (vgl. Abbildung B.2). Was in diesem Zusammenhang sowohl die Frage nach den Moglichkeiten der vertikalen Mobilitat als auch, insbesondere in Hinblick auf die Sozialstruktur der Studierenden, nach den Mechanismen der Eliterekrutierung aufwirft. Unter diesem Gesichtspunkt sind vornehmlich theoretische Ansatze zum Thema Schich- tung von zentraler Bedeutung, da aus den unterschiedlichen Schichten mit ihren jeweils spezifischen Ressourcen und Pragungen, schichttypische Lebenschancen und -risiken re- sultieren (vgl. Geifiler 2006b, S. 94) und damit verbunden soziale Disparitaten zwischen den gesellschaftlichen Rangen entstehen. Hierzu werden konkret zwei Modelle herange- zogen, welche das Argument der sozialen Ungleichheit divergent analysieren. Namentlich handelt es sich dabei zum einen um das Modell der funktionalen Begrundung von sozia- ler Ungleichheit von Kingsley Davis und Wilbert E. Moore (Davis und Moore 1967) und zum anderen um den Ansatz von Stefan Hradil (Hradil 1999), der soziale Ungleichheit als einen Ausschluss von gesellschaftlichen wertvollen Gutern versteht. Diese Auswahl wur- de so getroffen, da die beiden Ansatze das Pendant des jeweils anderen darstellen, denn Davis und Moore verstehen soziale Ungleichheit als objektive Folge von unterschiedlichen Fahigkeiten, welche auf der konsequenten Durchsetzung des Leistungsprinzips be- ruht. Im Gegensatz dazu interpretiert Hradil soziale Ungleichheit als eine Konsequenz des Schichtmodells, welches dazu fuhrt, dass sich die Menschen, aufgrund ihrer Klassenzu- gehorigkeit, unterschiedlichen Startbedingungen und damit auch kontraren Zielpositionen gegenubersehen. In diesem Fall ist das Leistungsprinzip verletzt und die Leistungsgesell- schaft infrage gestellt. Diese zwei Sichtweisen knupfen daher auch wieder an die eigent- liche Fragestellung an, in welcher das Bild der Leistungsgesellschaft beleuchtet und die Realitat mit dem Ideal verglichen wird. Die Bandbreite der Ansatze und Theoreme zu diesem Thema ist immens, alle aufzufuhren wurde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. So sind nur wenige weitere Denkansatze kurz enumeriert. Zu dieser Auswahl zahlen Ar- beiten der Sozialwissenschaftler Frank Parkin - Soziale Schliefiung - , Pierre Bourdieu - Kulturelles und soziales Kapital - und Heiner Meulemann - Chancengerechtigkeit statt Chancengleichheit, welche ebenfalls wie Hradil auch auf die Wechselwirkung zwischen familiarer Sozialisation, der individuellen Personlichkeit des Einzelnen und den gesell- schaftlichen Rahmenbedingungen eingehen, was wiederum an die Fragestellung der em- pirischen Untersuchung rekurriert.
In einem weiteren Punkt sind Ausfuhrungen zur Sozialstruktur und zur Eliterekrutierung abgebildet. Einleitend dazu ist ein Modell von sozialer Schichtung, die Moglichkeiten der sozialen/vertikalen Mobilitat und der Zusammenhang von Herkunft und Bildung von Rainer Geifiler aufgefuhrt. Speziell letzteres geht auch in die theoretischen Leitideen der systematischen Analyse mit ein. Hinsichtlich des Themas Eliten und deren Rekrutierung sind die Studien von Michael Hartmann und Ursula Hoffmann-Lange und ihre Erkennt- nisse zur Soziologie der Eliten hinzugezogen, um speziell aufzuzeigen, was unter Eliten zu verstehen ist, wie sie sich in ihrer Struktur zusammensetzten und welche Faktoren bei ihrer Rekrutierung bzw. ihrem Aufstieg eine Rolle spielen. Dieser Punkt wurde expli- zit gewahlt, da es sich bei den hier beteiligten ProbandInnen um Universitatsstudierende handelt, welche potentiell in naher Zukunft eine Eliteposition einnehmen konnten.
2.1 Ausgewahlte Theorien uber soziale Ungleichheit
2.1.1 Kingsley Davis und Wilbert E. Moore: Die funktionale Begrundung sozialer Ungleichheit
Im Jahr 1940 regte Talcott Parsons mit seinem Aufsatz: „An analytical approach of the theory of social stratification“ (Parsons 1940) die Debatte um die sogenannte funktionale Erklarung der Schichtung“ an (vgl. Dahrendorf 1966, S. 19). Die eigentliche Diskussion wurde jedoch erst 1945 mit der Publizierung des Aufsatzes: „Einige Prinzipi- en der sozialen Schichtung“ durch Kingsley Davis, einen Schuler Parsons, und Wilbert E. Moore eroffnet (vgl. Dahrendorf 1966, S. 19), welcher insbesondere das Verhaltnis von Schichtung und anderen Erscheinungsformen sozialer Ordnung aufzeigen soll (vgl. Davis und Moore 1967, S. 347). Dabei wird sowohl auf die Vielfalt der Erscheinungsformen von sozialer Ungleichheit als auch auf die unterschiedlichen Verursachungsfaktoren ein- gegangen. Des Weiteren gestaltet sich die Analyse in zwei verschiedene Richtungen: zum einen wird die universelle Gegebenheit unterstellt und zum anderen die Erklarung der veranderlichen Merkmale sozialer Schichtung bezweckt (vgl. Davis und Moore 1967, S. 347).2 Generell bezieht sich diese Erorterung jedoch auf Positionssysteme und nicht auf die Individuen, welche eine Position einnehmen, sodass die Frage, warum verschiedene Positionen mit verschiedenen Prestigewerten ausgestattet sind, im Mittelpunkt steht (vgl. Davis und Moore 1967, S. 347-348).
Davis und Moore grundlegende Ausgangsbasis beruht auf der These, dass keine Ge- sellschaft klassenlos bzw. ungeschichtet ist/sein kann und dass Schichtung in einem Sozialsystem universal notwendig ist, um das Funktionieren der Gesellschaft zu sichern (vgl. Davis und Moore 1967, S. 347). Folglich liegt die eigentliche funktionale Erklarung fur die Dauerhaftigkeit der sozialen Schichtung darin begrundet, „dass jede Gesellschaft die Individuen in ihre Sozialstruktur einordnen und sie mit Motivation versehen muss“ (vgl. Davis und Moore 1967, S. 348). Somit ist die Gesellschaft als ein Mechanismus zu verstehen, welcher nur funktioniert, wenn sich ihre Mitglieder auf die bestehenden sozialen Positionen verteilen und die damit verbundenen Pflichten wahrnehmen. Wobei fur die Erfullung einiger gesellschaftlicher Amter eine spezielle Begabung oder Ausbil- dung erforderlich ist. Was sich wiederum in einer grofieren funktionalen Bedeutung fur die Gesellschaft widerspiegelt. Um ein optimales Funktionieren zu garantieren, bedarf es zudem einer Motivation, welche zunachst bei den geeigneten Individuen den Wunsch, eine bestimmte Position einzunehmen, wecken sollte. Dabei sind zwei Typen von Motivation zu unterscheiden: zum einen die eines Wettbewerbssystems, welche den Erwerb von Positionen zum Ziel hat und zum anderen die eines nicht auf Wettbewerb orientierten Systems, welche zur Erfullung der zur jeweilige Position gehorigen Pflichten antreibt, wobei jedes System beide Arten von Motivation benotigt (vgl. Davis und Moore 1967, S. 348). Zudem sorgt ein nach Rang variierrenden Belohnungssystems dafur, dass die Posi- tionsinhaber ihre ihnen anvertrauten Pflichten sorgfaltig und ihrer Bedeutung angemessen erfullen (vgl. Davis und Moore 1967, S. 348). Dieses Belohnungssystem umfasst drei unterschiedliche Arten: Zum einen gehoren dazu Dinge, die dem Lebensunterhalt und der Bequemlichkeit dienen, zum Zweiten was zur Unterhaltung und Zerstreuung beitragt und zum Dritten Belohnungen, welche die individuelle Selbstachtung und Entwicklung unterstutzen (vgl. Davis und Moore 1967, S. 348-349). Die zuletzt erwahnten Belohnungen beruhen wegen der eigentumlichen sozialen Natur des Selbst weitgehend auf der Meinungen anderer, besitzen aber dennoch die gleiche Bedeutung wie die beiden anderen Arten. Des Weiteren mussen in jedem Sozialsystem alle drei Honorierungsformen den Positionen entsprechend unterschiedlich verteilt werden (Davis und Moore 1967, S. 349). In Anbetracht dieses Wirkungszusammenhanges entsteht somit eine Schichtung, welche soziale Ungleichheit unweigerlich mit einschliefit (vgl. Davis und Moore 1967, S. 348). Davis und Moore bringen dies wie folgt zum Ausdruck: „Wenn Rechte und Vorrechte der verschiedenen Positionen in einer Gesellschaft ungleich sein mussen, muss die Ge- sellschaft geschichtet sein; Ungleichheit ist genau das, was mit dem Begriff Schichtung gemeint ist. Soziale Ungleichheit ist somit ein unbewusst entwickeltes Werkzeug, mit dessen Hilfe die Gesellschaft sicherstellt, dass die wichtigsten Positionen von den fahigs- ten Personen gewissenhaft ausgefullt werden. Daher muss jede Gesellschaft, ob primitiv oder komplex, das Prestige und die Beurteilung verschiedener Personen unterschiedlich ausfallen lassen und somit ein gewisses Mafi institutionalisierter Ungleichheit aufweisen“ (Davis und Moore 1967, S. 349).
Folglich sind die funktionale Bedeutung und die Begabung und/oder Ausbildung die De- terminanten, welche soziale Ungleichheit, laut diesem Modell, bedingen. Ersteres betrifft die Funktion und die Frage nach der relativen Wichtigkeit. Wobei keine Entlohnung entsprechend der jeweiligen funktionalen Bedeutung stattfinden muss, sondem die zu besetzende Stelle mit starken Anreizen auszustatten ist, um eine geeignete Vergabe zu garantieren, sodass weniger wichtige Positionen im Wettbewerb mit wichtigeren erfolglos bleiben (vgl. Davis und Moore 1967, S. 349). Oder anders formuliert: Kann eine Position ohne grofie Anstrengungen besetzt werden, braucht sie trotz ihrer Bedeutung nicht hoch entlohnt werden; bzw. ist eine Stelle sowohl bedeutungsvoll als auch schwer zu besetzen, so ist die Entschadigung entsprechend hoch zu wahlen (vgl. Davis und Moore 1967, S. 349). Daher ist die funktionale Bedeutung ein notwendiger, aber kein hinreichender Grund dafur, dass einer Position ein hoher Rang zugeschrieben wird (vgl. Davis und Moore 1967, S. 350).
Bei dem Kriterium Begabung/Ausbildung handelt es sich dagegen um ein Mittel und ergo um ein Problem der Knappheit (vgl. Davis und Moore 1967, S. 349). Im Einzelnen um die relative Knappheit von geeignetem Personal (vgl. Davis und Moore 1967, S. 350). Da alle Amter oder Aufgaben bestimmte Kompetenzen bzw. ein gewisses Leistungspotential erfordern, ist der jeweilige Inhaber zu einer konkreten Leistung verpflichtet. Die notwen- dige Befahigung kann dabei entweder, aufgrund von naturlicher Begabung gegeben sein oder mittels einer Ausbildung erlangt werden, wobei oft beides ineinander verschrankt ist. Jedoch kann in beiden Fallen die bereits erwahnte Knappheit aufreten. Beispielsweise konnte die Anzahl an Stellen, welche ein hohes Mafi an naturlicher Begabung verlangen grofier sein als die der potentiellen Anwarter. Hinsichtlich der Ausbildung besteht das Problem, dass diese zu langwierig, zu teuer und zu umstandlich ist, sodass nur wenige die angestrebte Qualifikation erwerben. Sind also zu wenig Fachkrafte am Markt verfugbar, so ist die ausgeschriebene Position mit Anreizen, wie einem hohen Mafi an Prestige, hohem Einkommen und viel Freizeit auszustatten (vgl. Davis und Moore 1967, S. 350). Weiterhin konnen aufiere Faktoren die Determinanten unterschiedlicher Belohnung (funktionale Bedeutung der Position und relative Knappheit des Personals) beeinflussen, sodass Unterschiede zwischen den Schichtungssystemen aufreten. Beispielsweise ist es moglich, dass Positionen in einer Gesellschaft als wichtig eingestuft werden, wahrend sie in einer anderen als unwichtig gelten, was wiederum auf unterschiedlichen Problemlagen bzw. divergenten Entwicklungsstadien beruhen kann (vgl. Davis und Moore 1967, S. 350-351). „Diese Bedingungen wiederum konnen die Angebotslage beeinflussen; denn je nach Entwicklungsstand und Umweltsituation konnen in der einen oder anderen Gesell- schaft diese oder jene Fertigkeiten oder Begabungen durchaus entbehrlich sein“ (Davis und Moore 1967, S. 351). So ist ein Schichtungssystem das Ergebnis von spezifischen Gegebenheiten, welche auf die Determinanten von Belohnungsunterschieden einwirken (vgl. Davis und Moore 1967, S. 351).
Ferner haben Davis und Moore unter Verwendung der dargestellten allgemeinen Prin- zipien von Schichtung verschiedene Schichtungstypen kategorisiert. Dabei beruht die Abgrenzung auf der graduellen Veranderung bestimmter Moglichkeiten. Einige der wichtigsten Veranderungsweisen sind: der Spezialisierungsgrad3 - er beeinflusst die Feinheit/Vielfalt der Macht- und Prestigeabstufungen, die Hervorhebung bestimmter Funktionen innerhalb eines Systems4 und „schliefilich die Grundlagen der Auswahl der Aspiranten fur die unterschiedlichen Positionen -; der Vorrang einer Funktion5, das Mafi der vergleichsweisen Unterschiede6 - „die sogenannte Grofie der sozialen Distanz zwischen Positionen, bezogen auf die gesamte Ausdehnung einer Skala, sollte sich quantitativ messen lassen“ (Davis und Moore 1967, S. 356) - und der Grad der Mobili- tatschance7 und das Mafi der Klassensolidaritat8 - „auch das Mafi der Klassensolidaritat [...] kann sich bis zu einem gewissen Grad unabhangig von anderen Kriterien andern und ist daher ein wichtiges Prinzip bei der Klassifizierung von Schichtungssystemen“ (vgl. Davis und Moore 1967, S. 356-357).
Ebenso, wie innere Modifikationen ein Schichtungssystem in seiner Gestalt beeinflussen, tun dies auch aufiere Bedingungen. Zu ihnen zahlen zum einen die Stufe der kulturellen Entwicklung - vergrofiert sich das kulturelle Erbe, so nimmt auch der Grad der Speziali- sierung zu, sodass das Mafi der Mobilitat steigt und die Schichtensolidaritat sich lockert und sich folglich ein Wechsel bezuglich der Vorrangigkeit der Funktionen vollzieht -, zum Zweiten die Stellung im Hinblick auf andere Gesellschaften - beispielsweise konnen offene Konklikte, freie Handelsbeziehungen oder kultureller Export zu anderen Gesellschaften auf das Schichtungsgefuge gradeull einwirken - und zum Dritten die Grofie der Gesellschaft - je kleiner eine Gesellschaft in ihrem Umfang ist, desto geringer ist der Grad der Funktionsspezialisierung, der Trennung zwischen der unterschiedlichen Schichten und der Ungleichheit (vgl. Davis und Moore 1967, S. 357).
Aufgrund der dargestellten Grundhaltung dieses theoretischen Beitrags wird soziale Ungleichheit nicht als ein negatives Vorkommnis einer Gesellschaft angesehen, sondern vielmehr als eine Naturlichkeit, welche infolge der Unterschiedlichkeit ihrer einzelnen Mitglieder entsteht. Der Tenor dieses Ansatzes liefie sich vielleicht durch die Leitaussage: „Jeder gebe entsprechend seiner Fahigkeiten sein Bestes und erhalte dafur im Gegenzug eine angemessene Belohnung.“9 zusammenfassen.
2.1.2 Stefan Hradil: Soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Exklusion
Stefan Hradil hat sich intensiv mit dem Thema „soziale Ungleichheit“ in vielen seiner Bucher auseinandergesetzt. Bezugnehmend auf sein Buch „Soziale Ungleichheit in Deutsch- land“ wird sein theoretischer Ansatz von sozialer Ungleichheit vorgestellt. Speziell sind hiermit der Begriff, die Dimensionen, sowie die Determinanten von sozialer Ungleichheit gemeint.
Hradil zufolge ist diese folgendermafien definiert: „'Soziale Ungleichheit' liegt dann vor, wenn Menschen, aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefugen von den wert- vollen Gutern einer Gesellschaft regelmaBig mehr als andere erhalten“
(Hradil 1999, S. 26). Unter wertvollen Gutern sind Guter einer Gesellschaft zu verstehen, welche „Lebens- und Handlungsbedingungen darstellen, die zur Erlangung10 von allge- mein verbreiteten Zielvorstellungen einer Gesellschaft dienen“ (Hradil 1999, S. 24) und sich somit gunstig auf die Lebensbedingungen auswirken, wie z.B. Geld, Bildungsab- schlusse, gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen (vgl. Hradil 1999, S. 24). Folglich gilt, je mehr wertvolle Guter akquiriert werden konnen, desto positiver stellen sich die Lebensbedingungen, welche vom Denken und Verhalten des einzelnen kurzfristig nicht beeinflussbar sind, dar (vgl. Hradil 1999, S. 24). Des Weiteren sind absolute und relative Ungleichheit voneinander zu unterscheiden. Absolute Ungleichheit ist gegeben, wenn ein Gesellschaftsmitglied von den wertvollen Gutern mehr gegenuber einem anderem erhalt (vgl. Hradil 1999, S. 24). Relative Ungleichheit besteht hinsichtlich bestimmter Vertei- lungskriterien, wie beispielsweise Leistung, Bedufnisse, Alter/Dienstalter und tritt z.B. auf, „wenn bestimmte Personen mehr verdienen, als sie ihrer Leistung gemaB ’verdie- nen’“ (Hradil 1999, S. 25). „In der soziologischen Terminologie wird immer dann von ’sozialer Ungleichheit’ gesprochen, wenn als ’wertvoll’ geltende ’Guter’ nicht absolut gleich verteilt sind“ (Hradil 1999, S. 25). Weiterhin schlieBt der Begriff der sozialen Ungleichheit „nur jene ’wertvollen’ Guter ein, die ,aufgrund der Stellung von Menschen in gesellschaftlichen Beziehungsgefugen auf regelmaBige Weise (absolut) ungleich verteilt sind. Nicht alle Vor- und Nachteile, nicht alle Besser- bzw. Schlechterstellungen sind also Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit, sondern nur jene, die in gesellschaftlich struk- turierter, vergleichsweise bestandiger und verallgemeinbarer Form zur Verteilung kom- men“ (Hradil 1999, S. 25). So ist es von zentraler Wichtigkeit, ’naturliche’, ’individuelle’, ’momentane’ und ’zufallige’ Ungleichheiten von ’sozialen/strukturierten’ Ungleichheiten zu unterscheiden (vgl. Hradil 1999, S. 25), auch wenn diese meist zusammenwirken bzw. ineinander verschrankt sind (vgl. Hradil 1999, S. 26). Wobei auf zwei Strukturierungsar- ten hinzuweisen ist: Zum einen konnen mit gesellschaftlich auftretenden Disparitaten die strukturierten ungleichen Verteilungen wertvoller Guter unter allen betroffenen Menschen gemeint sein und zum anderen die Ungleichheit zwischen bestimmten Gruppen innerhalb einer divergenten Zuweisung (vgl. Hradil 1999, S. 26).
Des Weiteren differenziert Hradil die soziale Ungleichheit nach Dimensionen. Sie sind das Ergebnis vielfaltige Erscheinungsformen von sozialer Ungleichheit in beschreiben- den Kategorien zusammenzufassen (vgl. Hradil 1999, S. 27): So gelten materieller Wohl- stand, Macht und Prestige als Basisdimensionen, da sie mit den Wertvorstellungen eines ’guten Lebens’ in Verbindung gebracht werden und auf dieses sowohl positiv als auch negativ einwirken konnen. Mit dem Eintritt in die ’postindustrielle’ Wissens- und Infor- mationsgesellschaft ist Bildung sozusagen als vierte Basisdimension dazugekommen, da sowohl eine umfassende als auch geringe Bildung immense Auswirkungen auf alle ange- strebten Zielvorstellungen, wie Wohlstand, Gesundheit, Sicherheit, Integration und Anse- hen besitzt. Hinzukommt, dass sich in modernen Gesellschaften, zu denen Deutschland ebenso zahlt, die Zielsetzungen erweitert haben und auch die Ressourcen und Handlungs- moglichkeiten zugenommen haben, sodass es unerlasslich ist auf soziale Ungleichheiten innerhalb der Arbeits-, Wohn-, Umwelt- undFreizeitbedingungen einzugehen. Weiter gilt: „Ungleichheiten verschiedener Dimensionen sind zwar logisch, unabhangig voneinander, empirischjedochnur bedingt11. Allerdings: Lassen sich ungleich verteilte ’wertvolle’ Gu- ter vollstandig und jederzeit in andere „umtauschen [...], so handelt es sich vielleicht logisch, nicht aber empirisch um eigene Dimensionen sozialer Ungleicheit. Diese sollten also empirisch wenigstens teilweise unabhangig voneinander sein“ (Hradil 1999, S. 27-28). Daneben sind objektive und subjektive Dimensionen sozialer Ungleichheit zu unterschei- den. Objektive Ungleichheiten bestehen und vermitteln Vor- bzw. Nachteile, ob diese den Betroffenen oder deren Mitmenschen bekannt sind oder nicht. Ob ihnen ein Gewicht oder Gleichgultigkeit zugeschrieben wird. Dagegen kommen subjektive Ungeichheiten nicht ohne das Denken und Handeln der Beteiligten vor. Somit werden soziale Ungleichhei- ten innerhalb der einzelnen Dimensionen erst verstandlich, wenn deren Auswirkungen im privaten und offentlichen Leben mit berucksichtigt werden12 (vgl. Hradil 1999, S. 28). Ferner kann einer Person innerhalb jeder Dimensionen eine Position zugeschrieben werden, sodass sich in der Gesamtbetrachtung der jeweilige Status, welcher eine bessere oder schlechtere Stellung eines Individuums im Oben und Unten einer Dimension von sozialer Ungleichheit bezeichnet, einstellt13 (vgl. Hradil 1999, S. 29). Ist der Status eines Menschen in allen Dimensionen ahnlich hoch, besteht der Zustand der Statuskonsistenz14 (vgl. Hradil 1999, S. 29). Ist dem nicht so, herrscht Statusinkonsistenz15 (vgl. Hradil 1999, S. 29-30). In Leistungsgesellschaften sollten, aufgrund der leistungsabhangigen Vergabe von Bildungsabschlussen, Berufsstellungen und Einkommen, Statusinkonsistenzen selten auftreten, doch kommen diese gerade in modernen Gesellschaften recht haufig vor (vgl. Hradil 1999, S. 30).
So ist es moglich, aus dem Zusammenspiel von Dimensionen sozialer Ungleichheit und dem Status die Strukturen der Ungleichheit zu beschreiben (vgl. Hradil 1999, S. 30). Einen weiteren wichtigen Aspekt in diesem Kontext stellen die Determinanten sozialer Ungleichheit, wie etwa „das Geschlecht, das Alter, der Beruf, die Wohnregion, die ethni- sche Zugehorigkeit, die Kohortenzugehorigkeit, die an sich keine Besser- oder Schlechter- stellung bedeuten, aber diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen“ (Hradil 1999, S. 30), dar. Im Einzelnen sind damit die Positionen von Menschen in Beziehungs- geflechten gemeint (vgl. Hradil 1999, S. 30). Daruber hinaus werden die Determinanten in individuell erworbenelveranderbare (beispielsweise die Berufspositionen in Industrie- gesellschaften) und in zugeschriebene (z.B das Geschlecht) unterschieden (vgl. Hradil 1999, S. 31). Infolgedessen werden Gruppierungen von Menschen mit gemeinsamen so- zialen Merkmalen geschaffen, welche folglich soziale Chancen eroffnen oder schliefien konnen . Diese Gruppen sind oftmals durchgangig bekannt und zudem sehr evident. Dar- uber hinaus sind sich die Angehorigen dieses Kreises ihrer Zugehorigkeit und den damit einhergehenden Statuschancen bewusst. Jedoch stellen empirisch konstatierte Kausalita- ten zwischen Determinanten und dem Status der Personen noch keine Erklarung dar (vgl. Hradil 1999, S. 31).16
Anhand des dargelegten Ansatzes werden Kausalitaten sichtbar, welche zu sozialer Un- gleichheit in der Gesellschaft fuhren. So konnen beispielsweise Frauen, aufgrund ihres Geschlechts im Berufsleben Benachteiligungen erfahren, was wiederum einen niedrige- ren Status zur Folge haben kann und wodurch sich im Vergleich zum mannlichen Ge- schlecht diesbezuglich eine strukturelle Ungleichheit einstellt. Entsprechend findet eine gesellschaftliche Exklusion statt, welche die Partizipation entweder erheblich einschran- ken bzw. ganzlich ausschliefien kann. Die Grunde fur solche Erscheinungen konnen viel- faltig sein, was sich auch in der Vielzahl an Theorien niederschlagt, z.B. Die Habitus Theorie17 von Pierre Bourdieu oder Ulrich Becks Individualisierungsthese18.
2.1.3 Weitere theoretische Ansatze
Frank Parkin: Soziale Schliefiung - eine Weiterentwicklung des Weber'schen Ansatzes
Max Weber entwarf unter okonomischen Gesichtspunkten das Konzept von offenen19 und geschlossenen Beziehungen, welches als Grundlage der Theorie „sozialer Schliefiung“ dient (vgl. Mackert 2004, S. 9). So stellt Weber heraus: „[...] nach aufien ’geschlossen’ dann, insoweit und in dem Grade, als ihr Sinngehalt oder ihre geltenden Ordnungen die Teilnahme ausschliefien oder beschranken oder an Bedingungen knupfen“ (Weber 2005, S. 31). Das Interesse, insbesondere Beziehungen mit einem wirtschaftlichen Hintergrund geschlossenen zu halten, steigt, Weber zufolge, sobald das Verhaltnis von Mitkonkurren- ten und Erwerbsspielraum aus dem Gleichgewicht gerat. Um einen Ausschluss von Mit- bewerbern zu erwirken, konnen demnach Merkmale, wie die Rasse, Sprache, Konfession, die ortliche/soziale Herkunft, die Abstammung, der Wohnsitz u.a. zum Anlafi genommen werden (vgl. Weber 2005, S. 260).
Frank Parkin hat in seinen Arbeiten das Konzept von Max Weber erweitert. Alles soll in diesem Zusammenhang nicht betrachtet werden, der Fokus liegt einzig auf dem Aspekt: Soziale Schliefiung als Ausschliefiung20. Laut Parkin gehoren Ausschliefiungsstrategien zu den dominanten Schliefiungsformen in allen Schichtungssystemen (vgl. Parkin 1983, S. 125).21 Des Weiteren konnen zwei Exklusionspraktiken unterschieden werden. Dabei handelt es sich zum einen um den Ausschluss aufgrund individueller Eigenschaften22 und zum anderen anhand von Gruppenmerkmalen23 (vgl. Parkin 1983, S. 126).24 Die Verande- rungen in den Regeln der politischen Ausschliefiung und die Erweiterung der Burgerrech- te haben allerdings dazu gefuhrt, dass die Formen sozialer Schliefiung heute starker auf individuellen als auf kollektiven Eigenschaften beruhen (vgl. Parkin 1983, S. 126-127). In Hinblick auf die Leistungsgesellschaft, oder nach Miller im „Kredentialismusu25 (Miller 1967, zit. nach Parkin 1983, S. 127), sind speziell die individualistischen Exklusi- onsregeln interessant (vgl. Parkin 1983, S. 127). Die Etablierung von allgemeingultigen Auswahl- und Ausschliefiungskriterien, welche auf spezifischen Fahigkeiten und Eigenschaften basieren, bilden dafur die politische Grundlage. Somit kommt es zu einer stan- digen Anhebung der Prufungsordnungen als Mittel, um den Zugang zur professionellen Mittelschicht zu regulieren, welcher sich auch fur die Nachkommen von gegenwartigen Positionsinhabern deutlich erschwert darstellt26. Jedoch kann das liberale Ideal von indi- vidualistischer Ausschliefiung nur insofern umgesetzt werden, wenn die Mittel des Kre- dentialismus nicht von einer sozialen Gruppe monopolisiert werden. Das heifit, „wenn die Beziehung zwischen individueller Fahigkeit und Leistungsstandards durch die Wei- tergabe von ’kulturellem Kapital’ (vgl. Bourdieu 1973, zit. nach Parkin 1983, S. 127) in der Familie verzerrt wird, fuhrt die Klassenauslese per Prufungen und Zeugnissen [...] de facto zu kollektivistischer Ausschliefiung und zur Klassenreproduktion. Individualis- tische Ausschliefiungskriterien und die Anwendung universeller Regelungen konnen also die liberalen Gerechtigkeitsbedingungen nicht garantieren, solange der Staat den Einfluss sozial vererbter Handicaps und Begunstigungen auf die individuelle Leistungsfahigkeit toleriert (Parkin 1983, S. 127).“ Somit sind nach liberaler Auffassung Ausschlussregeln nur dann gerecht, wenn sie dazu fuhren, dass Individuen nach ihren Leistungen und Fa- higkeiten bewertet werden (vgl. Parkin 1983, S. 128). Andererseits muss often zugegeben werden, dass in realen Gesellschaften individuelle und kollektive Ausschliefiungsprakti- ken gleichzeitig, wenn auch in unterschiedlichen Verknupfungen, auftreten (vgl. Parkin 1983, S. 128).
In Anlehnung an die Problematik der gesellschaftlichen Exklusion sind nachstehend die Ausfuhrungen Bourdieus zum kulturellen und sozialem Kapital detailliert abgebildet. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Funktion der Familie als Schnittstelle fur Lebenschancen eingegangen.
Pierre Bourdieu: Kulturelles und soziales Kapital
Pierre Bourdieu hat in seiner Argumentation den Begriff des Kapitals wieder aufgegriffen und setzt diesen mit akkumulierter Arbeit gleich, welche in Gestalt von Materie oder in einer verinnerlichten ’inkorporierten’ Form auftreten kann (vgl. Bourdieu 1983, S. 183). Des Weiteren streicht Bourdieu heraus, dass Kapital auf drei elementare Arten vorkommen kann: als okonomisches Kapital27, als kulturelles Kapital28 und als soziales Kapital29 (vgl. Bourdieu 1983, S. 184-185). Im Folgenden wird die Aufmerksamkeit ausschliefilich auf die Bedeutung des kulturellen (speziell auf die des inkorporierten) und des sozialen Kapitals gerichtet.
Auch das kulturelle Kapital kann in drei unterschiedlichen Varianten auftreten: in inkor- poriertem Zustand, in einer objektivierten30 Form oder in einer institutionalisierten31 Art und Weise (vgl. Bourdieu 1983, S. 185).
Die Akkumulation von Kultur in einer inkorporierten Form setzt einen ’Verinnerlichungs- prozess’ voraus, welcher vergleichbar, wie Unterricht Zeit32 erfordert (vgl. Bourdieu 1983, S. 186). Daruber hinaus gehort das verinnerlichte Kapital zum festen Bestandteil einer Person und stellt somit den Habitus des entsprechenden Individuums dar. Ergo kann es nicht durch Schenkung, Vererbung, Kauf oder Tausch kurzfristig weitergegeben werden (vgl. Bourdieu 1983, S. 181). Die eigentliche Ubertragung findet vielmehr in der Familie statt, wobei einerseits die Aneignung von objektiviertem kulturellen Kapital von dem in der gesamten Familie verfugbaren kulturellem Kapital abhangig ist. Andererseits konnen nur Familien mit einem sehr starken Mafi an Kulturkapital gewahrleisten, dass die Zeit der Sozialisation zugleich eine Zeit der Akkumulation ist (vgl. Bourdieu 1983, S. 188). Folglich fuhrt „unterschiedliches Kulturkapital in der Familie zunachst zu Unter- schieden beim Zeitpunkt des Beginns des Ubertragungs- und Akkumulationsprozesses, sodann zu Unterschieden in der Fahigkeit, den im eigentlichen Sinne kulturellen Anfor- derungen eines langandauernden Aneignungsprozesses gerecht zu werden“ (Bourdieu 1983, S. 188).
Des Weiteren hat Bourdieu einen Beitrag zum sozialen Kapital erarbeitet. So ist „das Sozialkapital die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind“ (Bourdieu 1983, S. 190). Diese Sozialbeziehungen bestehen auf der Basis von sowohl materiellen als auch sym- bolischen Tauschbeziehungen, welche gesellschaftlich institutionalisiert und garantiert werden konnen (vgl. Bourdieu 1983, S. 191).33 Weiterhin ist der Umfang des Sozialka- pitals sowohl von dem tatsachlichen Ausmafi des Beziehungsnetzes34 abhangig als auch von der Extensitat des (okonomischen, kulturellen oder symbolischen) Partnerkapitals (vgl. Bourdieu 1983, S. 191). Wobei Kennen und Anerkennen wichtige Kriterien dar- stellen (vgl. Bourdieu 1983, S. 192). Ergo entspricht die Reproduktion von Sozialkapital einer fortwahrenden Beziehungsarbeit (Austauschakte), durch welche die gegenseitige Anerkennung immer wieder Bestatigung findet. Letztlich bleibt zu erwahnen, dass je grofier das Ausmafi des Sozialkapitals ist, desto umfangreicher ist die aufzuwendende Arbeit fur dessen Akkumulation/Unterhaltung (vgl. Bourdieu 1983, S. 192).
In Anbetracht der Argumentationslinie geht Bourdieu also davon aus, dass die Familie und die mit ihr verbundenen Potentiale einen mafigeblichen Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes besitzen. Was sich somit auch auf dessen Bildungschancen und spateren Sozialstatus auswirken konnte.
Heiner Meulemann, welcher sich im Folgenden Abschnitt mit der Thematik „Chancen- gleichheit und -gerechtigkeit“ auseinandergesetzt hat, knupft an die Analyse Bourdieus, speziell an die Rolle der Familie an und stellt in diesem Kontext heraus, weshalb in einer Leistungsgesellschaft eher die Forderung nach Chancengerechtigkeit als nach Chancengleichheit besteht.
Heiner Meulemann: Die Forderung nach Chancengerechtigkeit statt nach Chancengleichheit
Der Aufsatz: „Sozialstruktur, soziale Ungleichheit und die Bewertung der ungleichen Verteilung von Ressourcen“ von Heiner Meulemann (Meulemann 2004) befasst sich in dem Zusammenhang von Sozialstruktur35 mit den Begrifflichkeiten: Gleichheit36, Er- gebnisgleichheit37, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit. Wobei fur den Kontext dieser Arbeit lediglich die Auffassungen zur Chancengleichheit und Chancengerechtig- keit relevant sind.
So halt Meulemann fest: „Chancengleichheit ist die Gleichheit der Ergebnisverteilung fur unterschiedliche Startbedingungen im Wettbewerb um die Verteilung der Ergebnis- se: Arbeiterkinder und Beamtenkinder sollten mit den gleichen Prozentsatzen wieder Arbeiter und Beamte werden“ (Meulemann 2004, S. 119). Das Postulat der Gleichver- teilung von Chancen begrundet sich uber die Erhaltung der gesellschaftlichen Einigkeit. Wobei gleichwohl respektiert wird, „dass moderne differenzierte Gesellschaften auf Ungleichheit38 beruhen und Ungleichheit rechtfertigen mussen“ (Meulemann 2004, S. 119). Meulemann stellt somit fest, dass Chancengleichheit nur fur Gesellschaften ange- messen ist, welche sich nach sozialen Klassen differenzieren, in die wiederum Individuen hineingeboren werden und die ohne ihr Mitwirken Lebenschancen bestimmen. Entspre- chend steht schliefilich die Reduzierung von aufierlichen Einflussen (’soziale Mitgift’)39 und die Beurteilung der Leistung als Mafi zur Ermittlung der Gleichheit im Mittelpunkt dieses Ansatzes (vgl. Meulemann 2004, S. 119).
Hingegen ergibt sich das Postulat der Chancengerechtigkeit aus der Forderung: „glei- che Chancen bei gleicher Leistung“, welche wiederum aus den Tatsachen resultiert, dass Leistung Ungleichheit rechtfertigt und Herkunft und Leistung kausal miteinander verknupft sind (vgl. Meulemann 2004, S. 120). Somit setzt dieser Ansatz eine simulta- ne Betrachtung von Mitgift (Herkunft), Leistung und Ergebnis voraus. Besitzt allein die Ausbildung einen Nettoeinfluss auf den Zielstatus, so herrscht Chancengerechtigkeit (vgl. Meulemann 2004, S. 121). Weiterhin kann der ganze Effekt der Herkunft auch legitim40 sein, wenn dieser sich „als Produkt des Nettoeinflusses der Herkunft auf die Leistung mit dem Nettoeinfluss der Leistung auf den Zielstatus ergibt“ (Meulemann 2004, S. 121). Aus diesem Grund herrscht Chancengerechtigkeit, wenn Chancenungleichheit allein aus divergierenden Leistungen resultiert oder die bedingte Verbindung zwischen der Herkunft und dem Ziel Null ist. Ein solcher Anspruch ist demnach in Gemeinschaften angemessen, welche sich nach Leistung der Individuen differenzieren (vgl. Meulemann 2004, S. 122). Des Weiteren besteht die Moglichkeit Chancengerechtigkeit in einem starkeren Mafie zu diagnostizieren. Dies vollzieht sich, in dem weitere zusatzliche Leistungsvariablen, wie beispielsweise die Weitsicht der Lebensplanung, das Aspirationsniveau oder das Durch- haltevermogen, eingefuhrt werden, denn dadurch lasst sich besser der Zusammenhang zwischen Herkunft und Ziel durch Leistung erklaren und der direkte/illegitime Einfluss der Herkunft auf das Ziel wird schwacher (vgl. Meulemann 2004, S. 122).41 Oder anders formuliert: Es existieren drei Bedingungen, welche erfullt sein mussen, um Chancengerechtigkeit ausweiten zu konnen: Zum einen „mussen die zusatzlich eingefuhrten Leistungsvariablen mit den beiden Variablen korrelieren, zwischen denen sie vermitteln sollen“. Zum Zweiten „muss die Vermittlung durch eine Leistungsvariable sich theore- tisch begrunden und der illegitime, an der Leistung vorbeigehende Einfluss sich sinnvoll interpretieren lassen“. Und zum Dritten „muss die Einfugung einer Leistungsvariable auch einen politischen Gegner uberzeugen“ (Meulemann 2004, S. 124).
2.2 Zusammenfassung und Folgerungen
Wie eben dargestellt, nehmen die zwei abgebildeten Ansatze von Davis/Moore und Hradil zur Thematik „soziale Ungleichheit“ sehr polare Positionen ein. Die sich daran anschlie- fienden Arbeiten von Parkin, Bourdieu und Meulemann folgen eher der Denkweise von Hradil und spezifizieren einige der moglichen Wechselwirkungen von sozialer Ungleich- heit.
Die funktionale Schichtungstheorie nach Davis und Moore hat vor allem in den USA zahlreiche Anhanger und Kritiker gefunden und demzufolge temperamentvolle Diskurse angeregt. „In Deutschland hat diese Theorie weder Schule gemacht, noch zu Kontrover- sen gefuhrt“ (Mayntz 1961, S. 10). Der entscheidende Grund dafur ist wahrscheinlich, dass diese Theorie die Erscheinungen Macht, Herrschaft und soziale Konflikte, also Kri- terien der Sozialschichtung/-struktur ubergeht, welche bei der Klassentheorie nach deut- scher Tradition von zentraler Bedeutung sind (vgl. Mayntz 1961, S. 10). Davis und Moore zufolge ist Sozialschichtung angesichts ihrer fur die Gesellschaft notwendigen selektiven Wirkung positiv funktional und daher unvermeidbar bzw. unerlasslich. „Die selektive Wir- kung soil darauf beruhen, dass die nur begrenzt vorhandenen Talente fur die schwierigeren Aufgaben bestimmter Positionen eben durch deren hohere materielle, ideelle und symbo- lische Belohnung angereizt werden, sich dem Opfer einer langeren Ausbildung sowie den Muhen der betreffenden Aufgaben selbst zu unterziehen“ (Mayntz 1961, S. 11).42 Aller- dings ist hier nicht von Sozialschichtung im ublichen Sinne die Rede, vielmehr handelt es sich um eine Hierarchisierung der verschiedenen sozialen Positionen nach ihrem Prestige und weiteren Belohnungen. Des Weiteren differenziert Davis nicht zwischen Stratifika- tion und vertikaler Differenzierung. Die vertikale Differenzierung funktioniert aber nur dann, wenn die ihr zugeschriebene selektive Funktion ausgefuhrt werden kann, was wie- derum nur der Fall ist, wenn die Positionen dem Wettbewerb offenstehen und nicht durch Statusvererbung oder durch Zuschreibung nach angeborenen Merkmalen besetzt werden. Laut Dennis H. Wrong basiert die funktionalistische Schichtungstheorie auf dem Modell eines Marktmechanismus, welcher nur bei uneingeschranktem Wettbewerb vollkommen funktioniert, aber tatsachlich durch den zweiten Schichtungsaspekt (Statusvererbung bzw. Zuschreibung nach angeborenen Merkmalen) restringiert wird (vgl. Mayntz 1961, S. 1112). Weiterhin wird fur das Funktionieren der vertikalen Differenzierung die Erringbarkeit der sozialen Position vorausgesetzt, was von der funktionalen Schichtungstheorie weder eindeutig formuliert noch stets berucksichtigt wurde (vgl. Mayntz 1961, S. 12). So gilt: „[...], dass die These von der, aufgrund ihrer selektiven Wirkung funktionalen Ungleich- heit der Belohnungen auf keine Schichtungsordnung anwendbar ist, bei der die einzelnen Positionen prinzipiell nicht errungen sondern zugeschrieben werden“ (Mayntz 1961, S. 12). Diese Uberbetonung der angeborenen Begabungen fuhrt ferner dazu, dass gleichzei- tig Erziehung und Ausbildung, welche „jeden Beliebigen zum Erfullen der betreffenden Aufgaben vorbereiten und befahigen konnen“, in ihrer Wirksamkeit herabgesezt werden (vgl. Mayntz 1961, S. 12). Melvin M. Tumin fugt dem hinzu, dass auch soziales Pflicht- gefuhl und Altruismus das Streben nach hoheren Positionen antreiben konnten und nicht nur Prestige und materielle Vorteile. Davis dagegen geht davon aus, dass der Mensch an sich faul und trage ist und durch Belohnung zur Leistung uberredet werden muss, selbst da, wo er Talente besitz. Somit beruht die These von der Funktionalitat der Sozialschichtung auf einem bestimmten Menschenbild (vgl. Mayntz 1961, S. 13). Dementsprechend musste die These von der funktionalistischen Schichtungstheorie wie folgt lauten: „Unter den Voraussetzungen, dass erstens Talent angeboren und knapp ist, dass zweitens niemand ohne Aussicht auf besondere Belohnung nach schwierigen Aufgaben strebt, und drittens soziale Positionen im freien Wettbewerb errungen werden, mussen fur die Gesellschaft wichtigeren Positionen hoher belohnt werden, wenn die entsprechenden Aufgaben erfullt werden sollen“ (Mayntz 1961, S. 13).
Hingegen gehen sowohl Hradil als auch Parkin, Bourdieu und Meulemann von einer enor- men Komplexitat dieses Themas aus, wobei samtliche Bereiche der Gesellschaft mit ih- ren ganz spezifischen Ressourcen mit einbezogen werden und auch miteinander verknupft sind bzw. ein korrelativer Einfluss zwischen ihnen besteht, welcher wiederum dazu fuhrt, dass fur die auftretende soziale Ungleichheit in der heutigen Gesellschaft nicht explizit eine Ursache benannt werden kann, sondern vielmehr ein Geflecht von moglichen Grun- den in Frage kommt.43 Des Weiteren geht Hradil in seinem Buch:“Soziale Ungleichheit in Deutschland“ speziell auch auf die historische Entwicklung von sozialer Ungleichheit ein, wonach gesellschaftliche Disparitaten schon im Mittelalter auftraten und uber die ver- schiedenen Epochen, mit ihren sich unterscheidenden Gesellschaftsformen, divergierende Gestalten annahmen (vgl. Hradil 1999, Kapitel 3). Dieser Punkt wurde hier nicht explizit vorgestellt, da dies nicht unmittelbar an das Thema der vorliegenden Arbeit anschliefit. Dennoch ist die Benennung dieses Arbeitsschrittes bei Hradil ein weiteres Indiz dafur, dass „soziale Ungleichheit“ als sehr viel weitgreifender und in seinen Strukturen sehr viel komplizierter angesehen wird, als dies Davis und Moore in ihrem Aufsatz tun. Die histori- sche Entwicklung von sozialer Ungleichheit kann zudem mit dem Ansatz von Dahrendorf verknupft werden, welcher davon ausgeht, dass jede Gesellschaft Normen hervorbringt, welche je nach dem Grad der Normkonformitat zu Ungleichheiten unter den Menschen fuhren (vgl. Dahrendorf 1966, S. 26). ,Der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen liegt also in der Existenz von mit Sanktionen versehenen Normen des Verhaltens in allen menschlichen Gesellschaften (Dahrendorf 1966, S. 26).“ “Solange Normen noch nicht bestehen bzw. insoweit sie noch nicht fur die Menschen als Trager sozialer Rollen bestehen und auf diese wirken (’vor dem Gesetz’), gibt es keine soziale Schichtung; gibt es aber Normen als unausweichliche Verhaltenszumutungen fur die Menschen und wird damit das Rollenverhalten an diesen Normen gemessen (’nach dem Gesetz’), dann ent- steht auch eine Rangordnung des sozialen Status“ (Dahrendorf 1966, S. 27). Des Weiteren stellt Hradil aber auch heraus, dass in modernen Gesellschaften soziale Divergenzen nicht generell unerwunscht sind. Bestimmte Ungleichheiten sind tolerierbar oder auch erwunscht, wie z.B. ungleiche Bildungsabschlusse, berufliche Uber- und Unterordnung oder leistungsentsprechende Einkommensunterschiede. Dabei kommt es darauf an, wie diese Ungleichheiten von den Mitgliedern einer Gesellschaft wahrgenommen und als ge- recht oder ungerecht bewertet werden (vgl. Hradil 1999, S. 410). Ferner nimmt Hradil mit der Einfuhrung der Lagenmodelle eine Erweiterung der traditionellen Schicht- und Klas- senmodelle vor, welche zu einer mehrdimensionalen Ungleichheitsforschung fuhren (vgl. Geifiler 2006b, S. 104). „Sie vermeiden die Beschrankung auf die vertikale Dimension und beachten neben den traditionellen vertikalen auch ’horizontale’ Ungleichheiten, um die Mehrdimensionalitat der Ungleichheitsstruktur besser zu erfassen“ (Geifiler 2006b, S. 104).
Sowohl Parkin als auch Bourdieu und Meulemann behandeln in den hier vorgestellten Theoremen jeweils eine spezielle Erscheinung von sozialer Ungleichheit, deren Ursache allerdings in einem Beziehungsgeflecht von mehreren Determinanten zu finden ist. Sie schliefien somit an die Grundhaltung von Hradil an, welcher auch schon auf die Kau- salverkettung von Ereignissen eingegangen ist. Parkin bindet gedanklich an Dahrendorf an, da sozusagen Normen dazu fuhren, dass Menschen bei einem andersartigem Verhal- ten sozial ausgeschlossen werden. Bourdieu und Meulemann wiederum erortern die Ver- knupfung von Herkunft und Lebenschancen und somit auch das Potenzial der familiaren Sozialisation fur die Entwicklung und Erreichbarkeit von sozialen Position in einer Ge- sellschaft.
Aufgrund der berechtigten Einwande am Modell von Davis und Moore ist diese Herange- hensweise zum Thema soziale Ungleichheit nicht als Leitidee fur die vorliegende Arbeit geeignet. Vielmehr ist sie ein interessanter Ansatz, welcher der oberflachlichen Betrach- tung von sozialer Ungleichheit dient, da viele wichtige Faktoren (Macht, Herrschaft und soziale Konflikte) einfach ausblendet werden. Hinzu kommt, dass diese Denkweise der nord-amerikanischen Tradition entspricht und mit der europaischen, hier speziell mit der deutschen Schule wenig vereinbar ist. Zur tiefergreifenden Analyse von gesellschaftli- chen Disparitaten sind eher Arbeiten von Theoretikern aus Europa heranzuziehen, wel- che die historischen Entwicklungen, die kausalen Verquickungen und die Reichweite von Ereignissen und deren Folgen mit einkalkulieren. Konkret sind dies hier die vorgestellten Ansatze von Hradil, Parkin, Bourdieu und Meulemann.
2.3 Sozialstruktur und Eliterekrutierung
2.3.1 Rainer Geifiler: ausgewahlte Aspekte der Sozialstruktur Deutschlands
Rainer Geifiler hat sich in seinem Buch „Die Sozialstruktur Deutschland. Zur gesell- schaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Wiedervereinigung.“ (Geifiler 2006b) mit vielen Teilbereichen bzw. -aspekten der Gesellschaft auseinandergesetzt und diese unter- sucht. Nachstehend sind nur ausgewahlte Punkte der Untersuchung bezuglich des Themas Eliten und deren Rekrutierung abgebildet. So geht ein Modell von sozialer Schichtung sowohl auf die Stellung der Eliten als auch auf die Struktur der Schichtgrenzen ein. Des Weiteren ist erklart was unter sozialer Mobilitat, insbesondere unter der vertikalen Mo- bilitat zu verstehen ist. Abschliefiend ist der Zusammenhang von Herkunft und Bildung erlautert, welcher indirekt auf die Bedeutung der sozialen Herkunft beim Wettlauf um die Spitzenpositionen hinweist.
Ein Modell sozialer Schichtung
In der Soziologie dient zum einen das traditionelle Modell der sozialen Schichten und Klassen und zum anderen die beiden neueren Modelle der sozialen Lagen und sozialen Milieus dazu die Struktur der sozialen Ungleichheit in ihrer Gesamtheit zu gliedern und zu analysieren (vgl. GeiBler 2006b, S. 93), wobei hier das traditionelle Modell ins Zen- trum der Betrachtung ruckt.
Hinsichtlich der sozialen Schichten und Klassen ist ein gemeinsames Wesen feststellbar, welches sich in drei kurzen Punkten darstellen lasst (vgl. GeiBler 2006b, S. 93-94): Zum einen die Kategorisierung der Bevolkerung anhand vergleichbarer Klassen-/Soziallagen, welche durch einzelne oder mehrere Bestimmungsmerkmale identifiziert werden. Zum Zweiten die Existenz der Sozialisationsannahme, d.h. „Menschen in ahnlichen Klassen- und Soziallagen leben unter ahnlichen Bedingungen und machen daher ahnliche Erfah- rungen“, welche ihr Denken, ihre Vorstellungswelt, ihre Mentalitaten, Werte, Interessen, Ideologien und Verhaltensweisen beeinflusst und etwas wie ’Klassenbewusstsein’ (Karl Marx), ’Schichtmentalitat’ (Theodor Geiger), ’Klassenhabitus’ (Pierre Bourdieu), spe- zifische Einstellungs- und Verhaltensmuster, klassen- bzw. schichtspezifische Subkultu- ren entstehen lasst (vgl. GeiBler 2006b, S. 93-94).44. Und zum Dritten konnen aus den Klassen-/Soziallagen, aufgrund ihrer Ressourcen und Pragungen klassen-/schichttypische Lebenschancen/-risiken resultieren (vgl. GeiBler 2006b, S. 94).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Soziale Schichtung der westdeutschen Bevolkerung 1960er Jahre
Ralf Dahrendorf hat in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts das sogenannte „Haus-Modell“45 konstruiert, welches die Schichtung der westdeutschen Bevolkerung zu seiner Zeit wiedergibt (vgl. Dahrendorf 1965, S. 105). Innerhalb des Hauses werden sie- ben Schichten unterschieden, von welchen die Eliten die Spitze der Gesellschaft bilden (vgl. Dahrendorf 1965, S. 105). Im Obergeschoss des Hauses residiert die Dienstklas- se (burokratische Helfer der Elite/’nichttechnisierte Verwaltungsangestellte aller Range’) und der alte Mittelstand der Selbstandigen (vgl. Dahrendorf 1965, S. 106). Im Hauptge- schoss ist die groBe Arbeiterschicht und der falsche Mittelstand46 zu finden. Oberhalb, vom Rest der Arbeiterschaft abgesetzt, hat sich die sogenannte Arbeiterelite angesiedelt. Im Keller des Hauses ist schlieBlich die Unterschicht untergebracht.
Im Jahr 2000 wurde der Versuch unternommen das Dahrendorf‘sche Haus umzubau- en und zu modernisieren. Dabei haben Umschichtungen (qualitative Verlagerungen und quantitative Veranderungen), welche sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben ihre Berucksichtigung gefunden (vgl. GeiBler 2006b, S. 100).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Soziale Schichtung der westdeutschen Bevolkerung 2000
Augenfallig ist, dass dieses Haus sehr viel vielschichtiger ist und seine Decken/Wande sehr viel durchlassiger gewurden sind. Hier kommt die sogenannte Uberlappungshypo- these zum tragen, so weisen in modernen differenzierten Gesellschaften die Schichten keine scharfen, klaren Grenzen auf, sondern gehen vielmehr ineinander uber (vgl. GeiBler 2006b, S. 101). Laut Geifiler hat sich daruber hinaus die „historisch langfristige Tendenz zur ’Entschichtung’ der Sozialstruktur“ (Geifiler 2006b, S. 101) in der Bundesrepublik fortgesetzt - die Zusammenhange der Soziallagen und die Mentalitaten/Verhaltensweisen haben sich weiter gelockert und die schichttypischen Unterschiede haben sich starker in die ’Tiefenstruktur’ der Gesellschaft verlagert (die Latenzhypothese) (vgl. dazu Geifiler 1990a, S. 96ff, zit. nach Geifiler 2006b, S. 101). Letztlich bleibt zu erwahnen, dass trotz des ’offenen Wohnens’ „die Menschen weiterhin genotigt oder gewillt sind, sich vor- nehmlich in bestimmten Wohnbereichen aufzuhalten“(Geifiler 2006b, S. 102).
Soziale Mobilitat - Vertikale Mobilitat
Der Begriff „Mobilitat“, insbesondere der sozialen Mobilitat meint in den Sozialwissen- schaften immer die Bewegung von Personen in einem sozialen System bzw. sagt etwas uber den Wechsel von Individuen zwischen sozialen Positionen aus. Die subtile Unter- scheidung von horizontaler und vertikaler Mobilitat geht dabei auf den Mobilitatsforscher Pitrim A. Sorokin zuruck (vgl. Geifiler 2006b, S. 255). So bezeichnet Vertikale Mobilitat „die Bewegung von Individuen (intragenerativ, Karrieren), Familien (intergenerativ) oder Kollektiven (z.B. Berufsgruppen) zwischen Positionen oder Schichten, die subjektiv oder objektiv unterschiedlich bewertet werden, sodass die Veranderung als sozialer Auf- oder Abstieg erfasst werden kann“ (Fuchs-Heinritz u.a. 1994, S. 444).
Fur den Kontext dieser empirischen Arbeit ruckt die vertikale Mobilitat in den Mittel- punkt des Erkenntnisinteresses. So sind drei Thesen47 formulierbar: Zum Ersten ist die Mobilitat in der BRD der letzten funfzig Jahren minimal angestiegen - „zwischen 1976 und 2002 ist die vertikale Mobilitat weiter geringfugig gestiegen“ (Pollak 2005, S. 619 zit. nach Geifiler 2006b, S. 257). Zum Zweiten sind die Aufstiegschancen gestiegen, wah- rend die Bedrohung durch den sozialen Abstieg abgenommen hat - immer mehr Sohnen aus den unteren und mittleren Schichten gelingt der Aufstieg in Gruppen der gehobe- nen bzw. hoheren Angestellten und Beamten“ (Geifiler 2006b, S. 257). Und zum Dritten ist die Entfernung ’nach oben’ seit den siebziger Jahren grofier geworden - „Kleining (1975, S. 286f.) hat die Mobilitatsdistanzen in einem 6-Schichten-Modell [...] quantifi- ziert und festgestellt: Jeder 5. steigt in die nachsthohere Schicht auf, jeder 10. steigt uber zwei Schichten auf und nur jedem 50. gelingt ein Aufstieg uber drei Schichten“ (Geifiler 2006b, S. 258).
Des Weiteren weist Geifiler darauf hin, dass sowohl offene48 als auch geschlossene49 Schichten existieren. Hier gilt: Je offener eine Schicht ist, desto kleiner ist die Selbstrekru- tierungsrate und desto gunstiger ist es in diese Schicht aufzusteigen (vgl. Geifiler 2006b, S. 261-263).
Der Zusammenhang von Bildung und sozialer Schichtung
In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft hat sich Bildung zu einem weite- ren Instrument im Kampf um die begehrten sozialen Positionen entwickelt (vgl. Hradil 1999, S. 27). Geifiler spricht hier speziell von der Platzierungs- und der Selektionsfunk- tion des Bildungssystems, wonach zum einen der Auf- und Abstieg in einem sozialen System eng an das Bildungsniveau gekoppelt ist und zum anderen die Auslese innerhalb der Bildungseinrichtungen sowohl nach Kriterien der Leistung als auch nach sozialen Merkmalen - wie die soziale, ethnische und religiose Herkunft und das Geschlecht - vollzogen wird (vgl. Geifiler 2006b, S. 273).
Hinsichtlich der Platzierungsfunktion zeigen empirische Daten, dass die soziookonomi- sche Lage eines Menschen deutlich mit den Bildungsabschlussen in Beziehung steht: Zum einen besitzen die Akademiker gegenuber dem Durchschnitt einen Einkommens- vorsprung - 1995 verdienten Universitatsabsolventen das 2,2fache eines ungelernten und ca. 70 Prozent mehr als eine gelernte Fachkraft (vgl. Geifiler 2006a, S. 34). Zum Zweiten gilt: „Je besser die Schulbildung, um so grofier ist die Chance eine qualifizierte Berufsposition zu erreichen“ (Geifiler 1994, S. 113) - 1997 hatten z.B. 82 Prozent aller leitenden Angestellten der deutschen Wirtschaft erfolgreich ein Hochschulstudium ab- geschlossen (vgl. Geifiler 2006a, S. 34). Und zum Dritten mindert eine gute Ausbildung das Beschaftigungsrisiko - „2004 lag die Arbeitslosenrate unter ungelernten Mannern mit 27,8 Prozent um das 8fache hoher als unter Hochschulabsolventen mit 3,5 Prozent“ (IAB 2005, S. 4 zit. nach Geifiler 2006a, S. 35).
Die bestehende schichtspezifische Auslese im Bildungssystem hingegen beeintrachtigt mittels des Urteils- und Ausleseverhaltens der Lehrer/Lehrerinnen, der Inhalte des Un- terrichts, der Leistungsbewertung und der Organisationsstruktur die Bildungswege der Kinder aus den unteren Schichten unabhangig von ihrem tatsachlichen Leistungsver- mogen (vgl. Geifiler 1994, S. 144). So werden beispielsweise Kindern aus der Mittel- und Oberschicht, aufgrund ihrer sozialen Herkunft bessere Leistungen zugestanden als Kindern aus den unteren Schichten - „Ein Aufsatz, der mit dem Hinweis versehen war, er sei vom sprachbegabten Sohn eines Zeitungsredakteurs verfasst wurden, erhielt von 16 Prozent der Lehrer die Note ’sehr gut’ und von 40 Prozent die Note ’gut’“. Im umgekehr- ten Fall wurde derselbe Aufsatz nicht ein einziges Mal mit ’sehr gut’ und nur in 7 Prozent der Falle mit ’gut’ bewertet (vgl. Weiss 1965 zit. nach Geifiler 1994, S. 145). Folg- lich sind die Lehrerempfehlungen fur weiterfuhrende Schulen mit schichtspezifischen Verzerrungen belastet (vgl. Geifiler 1994, S. 145) - „damit eine Gymnasialempfehlung wahrscheinlich wurde, reichten bei Kindern von Vatern mit Abitur 65 Punkte in einem Schulleistungstest; Kinder von Vatern ohne Hauptschulabschluss mussten dagegen 98 Punkte erreichen“50 (Lehmann und Peek 1997, S. 89 zit. nach Geifiler 2006a, S. 44).
2.3.2 Michael Hartmann: Eliten in Deutschland
Der Soziologe Michael Hartmann beschaftigt sich seit Jahren ausfuhrlich mit der Soziolo- gie der Eliten, bekannt ist sowohl einfuhrende Literatur, wie z.B. „Elite-Soziologie. Eine Einfuhrung“ (Hartmann 2004), als auch seine Ausfuhrungen zu Spezialthemen, wie bei- spielsweise „Topmanager. Die Rekrutierung einer Elite“ (Hartmann 1996) oder „Der My- thos von den Leistungseliten“ (Hartmann 2002). In den nun folgenden Abschnitten sind pragnante Erkenntnisse Hartmanns hinsichtlich der Struktur und der Rekrutierung von Eliten in der Bundesrepublik Deutschland aufgefuhrt. Insbesondere steht dabei die Beant- wortung der Frage: Inwieweit besitzt die soziale Herkunft einen Anteil an der Auslese? im Erkenntnisinteresse. Einleitend wird zunacht jedoch der Elitebegriff nach Dreitzel dar- gestellt, auf welchen sich Hartmann in seinem Buch „Elite-Soziologie. Eine Einfuhrung“ unter anderem bezieht (Hartmann 2004, S. 51).
Der Elitebegriff nach Dreitzel
Hans P. Dreitzel hat in seinem Werk „Elitebegriff und Sozialstruktur“ (Dreitzel 1962) eine Definition von Eliten (von Funktionseliten) erarbeitet, welche auf insgesamt vier Merkmalen beruht (vgl. Dreitzel 1962, S. 66-70): Zum Ersten bezeichnet der Elitebe- griff Inhaber von Spitzenpositionen, deren Rekrutierung auf Leistungsselektion basiert. Zum Zweiten vollzieht sich die Elitenbildung in bestimmten Bereichen des sozialen Le- bens. Somit sind diverse Eliten nach verschiedenen Gruppen- und Leistungsbereichen zu unterscheiden.51 Zum Dritten konnen Eliten anhand ihrer Machtquellen, der Reichwei- te ihres Einflusses und des Grades an entgegengebrachten Interesses durch die Gesell- schaft differenziert werden. Dabei ist ein Ruckgriff auf ein und dieselbe oder aber auf verschiedene Quellen der Macht moglich. Und zum Vierten ist fur die Elitenbildung der Erfolg von entscheidender Wichtigkeit. Erst die offentliche Anerkennung der Leistung fuhrt schliefilich zur Elitenbildung. Wobei jedoch beachtet werden muss, dass nicht jeder Inhaber einer Spitzenposition gleichzeitig eine Eliteposition inne hat. Umgekehrt gilt sehr wohl, dass jede Eliteposition eine Spitzenposition ist.
Schliefilich definiert Dreitzel: „Eine Elite bilden diejenigen Inhaber der Spitzenpositio- nen in einer Gruppe, Organisation oder Institution, die, aufgrund einer sich wesentlich an dem (personlichen) Leistungswissen orientierenden Auslese in diese Positionen gelangt sind, und die kraft ihrer Positions-Rolle die Macht oder den Einfluss haben, uber ihre Gruppenbelange hinaus zur Erhaltung oder Veranderung der Sozialstruktur und der sie tragenden Normen unmittelbar beizutragen oder die, aufgrund ihres Prestiges eine Vor- bildrolle spielen konnen, die uber ihre Gruppe hinaus das Verhalten anderer normativ mitbestimmt“ (Dreitzel 1962, S. 71).
[...]
1 “In der Leistunggesellschaft herrscht durch das formale Leistungsprinzip Chancengleichheit für alle und damit ein Trend zur Beseitigung der sozialen Ungleichheit“ (Fuchs-Heinritz u.a. 1994, S. 398). Ausführlicher wird die Leistungsgesellschaft in Kapitel 3 dargestellt (Anmerkung der Autorin).
2 Infolge der ideologischen Vereinnahmung und der weltanschaulichen Aufladung des Elitebegriffs durch die Nationalsozialisten (vgl. Imbusch 2003, S. 12).
3 “Nicht mehr die eher auf Integration zielenden Schicht- und Elitemodelle wurden favorisiert, sondern eher den Konflikt betonende Klassenmodelle, in denen allerdings die Gestalt und Struktur der ’Bourgeoisie’ nur höchst selten thematisiert wurden. Man begnügte sich mit Rollenetiketten und Funktionszuschreibungen an die ’herrschende Klasse’ und verengte den Begriff dabei zugleich auf die unumschränkte Macht und die überragende Bedeutung des Kapitals und ließ andere Führungsgruppen nur noch als Handlanger der Wirtschaft zu oder vorsorglich gleich außer Acht“ (vgl. Imbusch 2003, S. 13).
4 Die Eliten werden beispielsweise in Sozialstrukturanalysen entweder oft vernachlässigt, nicht gesondert aufgeführt und eher den oberen Mittelschichten zugeschrieben (vgl. Geißler 1996 zit. nach Imbusch 2003, S. 14) oder in der modernen Ungleichheitsforschung nur am Rande untersucht (vgl. Hradil 2001 zit. nach Imbusch 2003, S. 14).
1 Wonach sich die soziale Position innerhalb einer Gesellschaft nach der erbrachten Leistung bemißt (vgl. Fuchs-Heinritz 1994, S. 399 ).
2 Beide Fälle sind gleichermaßen unerlässlich und ergänzen zudem einander. Im Folgenden sind sie miteinander verwoben (vgl. Davis und Moore 1967, S. 347-348).
3 “Typ und Gegentyp: spezialisiert und unspezialisiert“ (Davis und Moore 1967, S. 356).
4 “[...] da eine gegebene Funktion in der Rangordnung erst dann besonders betont werden kann, wenn sie sich strukturell von anderen Funktionen unterscheidet“ (Davis und Moore 1967, S. 356).
5 Die Haupttypen sind familial, autoritär (theokratisch oder kirchlich und totalitär oder weltlich), kapitalistisch (vgl. Davis und Moore 1967, S. 356).
6 “Typ und Gegentyp: egalitär - skalar“ (Davis und Moore 1967, S. 356).
7 “Typ und Gegentyp: mobil (offen) - immobil (geschlossen)“ (Davis und Moore 1967, S. 357).
8 “Typ und Gegentyp: organisierte Klasse - unorganisierte Klasse“ (Davis und Moore 1967, S. 357).
9 Aussage und Hervorhebung durch die Autorin.
10 Damit sind vom Denken und Verhalten des einzelnen kurzfristig nicht beeinflußbare Rahmenbedingungen des Lebens gemeint (vgl. Hradil 1999, S. 24).
11 Beispielsweise ist es möglich materiellen Wohlstand in bessere Wohnverhältnisse, mehr Freizeit, Macht und Prestige zu transformieren. Umgekehrt kann auch Prestige und Macht in Monetäres und Wohlstand eingetauscht werden (Hradil 1999, S. 27-28). II
12 “So bestehen beispielsweise die Vorteile des Wohlstands durchaus nicht nur im jeweiligen Kontostand, sondern in Graden der Freiheit, der Kontakte, des Selbstbewusstseins, der Gesundheitschancen, der Mobilität usw. Erst dies macht die Besserstellung wohlhabender Menschen vollends aus“ (Hradil 1999, S. 28).
13 “In der neueren Literatur zur Ungleichheitssoziologie wird dieser Begriff auf alle Dimensionen sozialer Ungleichheit angewendet. Hiernach lässt sich u.a. ein Wohlstandsstatus, ein Machtstatus und ein Prestigestatus erkennen. Im älteren Schichtungssoziologischen Schrifttum bezieht sich der Begriff ’Status’ dagegen allein auf die Stellung im Prestigegefüge" (vgl. Hradil 1999, S. 29).
14 Beispielsweise eine Frau, welche Beamtin im mittleren Dienst ist, eine mittlere Schulbildung vorweist, ein mittleres Einkommen bezieht und auch ein mittleres Berufsprestige genießt (vgl. Hradil 1999, S. 29).
15 Wie etwa ein Jungunternehmer, welcher über vergleichsweise viel Geld verfügt und gleichzeitig über wenig Freizeit und Sicherheit (vgl. Hradil 1999, S. 30).
16 “Wer z.B. weiß, dass weibliche Arbeitnehmer in bestimmten Einkommensniveaus nur selten vordringen, weiß noch nicht, warum dies geschieht“ (Hradil 1999, S. 31).
17 Bourdieu geht von der ungleichen Verteilung dreier Ressourcen aus: dem ökonomischen, dem Bildungs- und dem sozialen Kapital. Wonach sich die Gesellschaftsmitglieder zum einen in eine vertikale Klassenordnung (’Arbeiterklasse’, ’Kleinbürgertum’ etc.) und in eine horizontale Klassenfraktion (’Besitzbürgertum’, ’Bildungsbürgertum’ und dem alten/neuen/exekutiven Kleinbürgertum) anordnen. So lässt das Aufwachsen innerhalb der jeweiligen Lebensbedingungen klassenspezifische Habitusformen entstehen. Dabei handelt es sich um Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen, welche sowohl ihre Möglichkeiten des alltäglichen Verhaltwens begrenzen als auch eine Fülle von Handlungsformen freisetzen (vgl. Hradil 1999, S. 138-139).
18 Nach Ulrich Beck haben sich zum einen die Strukturen sozialer Ungleichheit seit den sechziger Jahren fast gar nicht verändert und zum anderen werden diese weniger bewußt wahrgenommen bzw. besitzen geringe Effekte auf das alltägliche Denken und Handeln. Ein Grund dafür ist der sogenannte Fahrstuhleffekt - ZunehmenderWohlstand, Bildung, Mobilität, Rechte, sozialstaatliche Absicherung etc. ’haben die Klassengesellschaft eine Etage höher gefahren’ - wodurch sich subkulturelle Klassenbindungen und -identitäten auflösen (vgl. Hradil 1999, S. 140). „Steigender Wohlstand, zunehmende Freizeit, vermehrte Mobilität, und das höhere Bildungsniveau lockern materielle, zeitliche, örtliche und informationelle Bindungen und erweitern die Handlungsspielräume der Einzelnen. Der Prozeß der Individualisierung wird in Gang gesetzt“ (Hradil 1999, S. 140).
19 “Eine soziale Beziehung (gleichviel Vergemeinschaftung oder Vergesellschaftung) soll nach außen ’offen’ heißen, wenn und insoweit die Teilnahme an dem an ihrem Sinngehalt orientierten gegenseitigen sozialen Handeln, welches sie konstituiert, nach ihren geltenden Ordnungen niemand verwehrt wird, der dazu tatsächlich in der Lage und geneigt ist“ (Weber 2005, S. 31).
20 Frank Parkin hat einen weiteren Ansatz von sozialer Schließung erarbeitet, welcher sich mit der Thematik der Usurpation (Soziale Schließung als Solidarismus) beschäftigt (vgl. dazu Parkin 1983, S. 129-131).
21 “Historisch beruht der Aufstieg und die Konsolidierung herrschender Gruppen darauf, dass der Zugang zu wichtigen Ressourcen, wie etwa Land, esoterischesWissen, oderWaffen, auf einen begrenzten Kreis von Auserwählten mit bestimmten sozialen Merkmalen beschränkt worden ist“ (Parkin 1983, S. 125).
22 Ein individualistischer Ausschließungsprozess bringt ’Nominierungsklassen’ hervor (vgl. Parkin 1983, S. 126).
23 Bei der Exklusion, aufgrund von Gruppenmerkmalen kommt es zur Bildung von ’Reproduktionsklassen’ (vgl. Parkin 1983, S. 126). III
24 Diese Unterscheidung bezieht sich nicht nur auf die Prozesse, welche der Klassenrekrutierung/- nachfolge zugrunde liegen, sondern auch auf die Mittel und Wege, die den Zugang zu öffentlichen Gütern und allgemeinen Ressourcen regeln. Beispielsweise beruht der kollektiv abgeleitete Status des Arbeiters auf dem Ausschluss von Eigentum an Produktionsmitteln, es ist aber eine empirische Frage, inwieweit dies dazu führt, dass ihnen der Zugang zu anderen Resourcen und Mitteln verwehrt wird (vgl. Parkin 1983, S. 126).
25 “Gemeint ist damit das Vertrauen auf Prüfungszeugnisse, wenn es darum geht, den Zugang zu wichtigen Positionen in der Arbeitswelt zu kontrollieren“ (Parkin 1983, S. 127).
26 “Wie Miller gezeigt hat, sind die Bemühungen der etablierten Eliten, ihre Kinder auf derselben Statusebene zu plazieren in den meisten fortgeschrittenen Gesellschaften nur zu etwa 50 Prozent erfolgreich - ein weiterer Hinweis darauf, dass die von Geburt aus Privilegierten ’keinen festen Halt in den oberen Rängen der Gesellschaft’ haben“ (Parkin 1983, S. 127).
27 “[...] ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in der Form des Eigentumsrechts [...]“ (Bourdieu 1983, S. 185).
28 “[...] ist unter bestimmten Voraussetzungen in ökonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von schulischen Titeln [...]“ (Bourdieu 1983, S. 185).
29 “[...] das Kapital an sozialen Verpflichtungen oder ’Beziehungen’, ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in ökonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von Adelstiteln“ (Bourdieu 1983, S. 185).
30 Unter objektivierten Kulturkapital sind Bilder, Bücher, Lexika, Instrumente und Maschinen zu verstehen (vgl. Bourdieu 1983, S. 185). Wobei dieses Wissen nur in Verbindung mit dem verinnerlichten Kulturkapital zugänglich ist (vgl. Bourdieu 1983, S. 188).
31 Die Objektivierung des inkorporierten Kulturkapitals in Form von Titeln schafft eine Trennung zwischen demWissen des Autodidakten und dem Träger eines schulischen Titels (vgl. Bourdieu 1983, S. 189-190). Durch die Einführung von schulischen/akademischen Titeln werden die Erkenntnisse zum institutionalisierten Kulturkapital, wonach deren Träger vergleichbar und austauschbar werden (vgl. Bourdieu 1983, S. 190).
32 Diese Zeit ist vom Betreffenden selbst zu investieren, sodass die Inkorporation nicht auf eine fremde Person übertragbar und folglich das Delegationsprinzip ausscheidet (vgl. Bourdieu 1983, S. 186).
33 Dies kann „sowohl durch die Übernahme eines gemeinsamen Namens, welcher die Zugehörigkeit zu einer Familie, einer Klasse, einem Stamm oder auch einer Schule, einer Partei usw. kennzeichnet als auch durch eine Vielzahl anderer ’Institutionalisierungsakte, die die davon Betroffenen gleichzeitig prägen und über das Vorliegen eines Sozialkapitalverhältnisses informieren“ (Bourdieu 1983, S. 191).
34 “Das Beziehungsnetz ist das Produkt individueller und kollektiver Investitionsstrategien, die bewusst oder unbewusst auf die Schaffung und Erhaltung von Sozialbeziehungen gerichtet sind, die früher oder später einen unmittelbaren Nutzen versprechen“ (Bourdieu 1983, S. 192).
35 “Unter Sozialstruktur verstehen wir (1) die demographische Grundgliederung der Bevölkerung, (2) die Verteilung zentraler Ressourcen wie Bildung, Einkommen und Beruf, die Gliederung nach (3) Klassen und Schichten, (4) Sozialmilieu und Lebensstile, aber auch (5) die sozialen Prägungen des Lebenslaufs in der Abfolge der Generationen“ (Zapf 1989, S. 101; Zählung hinzu gefügt, zit. nach Meulemann 2004, S. 115).
36 So meint Gleichheit in den Verfassungen moderner Industrienationen die Gleichbehandlung des Bürgers durch den Staat (vgl. Boldt 1990, S. 77 zit. nach Meulemann 2004, S. 116 ), welche jedoch eine Norm für den Staat ist und nicht für den Bürger. Sie bezieht sich auf Handlungen und nicht auf Verteilungen (vgl. Meulemann 2004, S. 117). IV
37 Ergebnisgleichheit basiert auf der Annahme, dass unterschiedliche Kräfte zwischen den Individuen zu ungleichen Ergebnissen führen, diese aber nicht rechtfertigen können, sodass jegliche Benachteiligung die soziale Integration gefährdet. Allerdings ist dieses Ziel nur einfachen, aus gleichartigen und weitgehend autarken Segmenten aufgebauten Gesellschaften angemessen, welche durch einen gemeinsamen Glauben und gemeinsame Wertüberzeugungen zusammengehalten werden (wie die Stämme Israels) (vgl. Meulemann 2004, S. 117).
38 “Ungleichheit wird sowohl vererbt wie auch erworben; aber die soziale Integration ist gefährdet, wenn Ungleichheit überwiegend vererbt und nicht erworben ist“ (Meulemann 2004, S. 119).
39 Damit sind die Eigenschaften der sozialen Klasse (vgl. dazu Bourdieu 1983), die äußeren Bedingungen der Umwelt und der persönliche Wille des Individuums, welcher sich über die Lebensziele und -pläne artikuliert, gemeint (vgl. Meulemann 2004, S. 119-120).
40 Neben dem legitimen Einfluss existiert natürlich auch ein illegitimer: Dieser besteht aus dem Nettoeinfluss der Herkunft auf den Zielstatus. Diese leistungsfremde Wirkung muss dann durch äußere Bedingungen, wie etwa durch die Beziehungen der Eltern oder durch die Vorteile der Beschäftigten (vgl. Meulemann 2004, S. 121-122).
41 Andererseits kann aber auch genau das Gegenteil eintreten, dies ist beispielsweise bei Einführung der Variable „Schulnote“ der Fall. Hier könnte eine illegitime Wirkung der Herkunft auf die Schulnote auftreten. Ein legitimer Einfluss wäre dann nur noch über den Weg: Herkunft- Leistungstest-Schulnote-Ausbildung-Zielstatus gegeben (vgl. Meulemann 2004, S. 124). Dementsprechend wäre nur noch die folgende Kausalität gegeben: „Je mehr Leistungsvariablen [...] zwischen Herkunft- und Zielstatus eingeschoben werden, desto eher wird sich der illegitime Anteil an der Korrelation zwischen Herkunfts- und Zielstatus vergrößern; desto mehr erweist sich Chancenungleichheit als unverdient und desto seltener wird Chancengerechtigkeit diagnostiziert“ (Meulemann 2004, S. 124).
42 Davis unterscheidet dazu noch einen zweiten Aspekt der Sozialschichtung, die Vererbung des Status (vgl. Mayntz 1961, S. 11).
43 Beispielsweise beeinflusst die Bildungsaspiration der Eltern die Meinung der Lehrer über die Erreichbarkeit von Bildungsabschlüssen bei den entsprechenden Kindern. Mit Auswahl eines Bildungsabschlusses bzw. mit dessen Realisierung sind bestimmte Karrierechancen verbunden, welche wiederum auch auf die Gestaltung des Privatlebens einwirken. So sind Herkunft und Lebenschancen miteinander kausal verknüpft (vgl. Geißler 1994, S. 131-148).
44 “[...] nicht alle Menschen mit der Soziallage X entwickeln auch eine x-typische Mentalität, aber unter ihnen ist die x-typische Mentalität wahrscheinlicher bzw. häufiger als eine andere Mentalität“ (Geißler 2006b, S. 94).
45 Dahrendorf hat dieses Modell von sozialer Schichtung stark an das Mentalitätenmodell sozialer Schichtung von Theodor Geiger angelehnt, dessen Gliederung der Bevölkerung einerseits auf den unterschiedlichen Funktionen der Gruppen im Herrschafts-/Wirtschaftssystem beruht und andererseits basiert die Segmentierung auf soziopolitischen/-kulturellen Mentalitäten (vgl. Geißler 2006b, S. 99).
46 Dazu gehören die einfachen Dienstleistungsberufe, deren soziale Stellung sich nicht von der der Arbeiter unterscheidet, die sich aber ihrem Selbstverständnis nach ’fälschlicherweise’ zur Mittelschicht zählen (vgl. Geißler 2006b, S. 99-100).
47 Diese Erkenntnisse beruhen weitgehend auf aktuellen Studien und beziehen sich überwiegend auf Männer (vgl. Geißler 2006b, S. 256).
48 Zu ihnen gehören die mittleren und kleineren Selbständigen, mit einer niedrigen Selbstrekrutierungsrate von 19 Prozent. Die höheren Dienstleister rekrutieren sich zu 19 Prozent von oben, zu 48 Prozent aus der Mitte und zu 30 Prozent von unten. Hingegen besteht die mittlere Dienstleistungsschicht zu zwei Dritteln aus Söhnen von Facharbeitern (29 Prozent), Un- und Angelernten (15 Prozent), der Arbeiterelite (11 Prozent) und von ausführenden Dienstleistern (11 Prozent) (vgl. Geißler 2006b, S.261). V
49 Hohe Selbstrekrutierungsraten bestehen in der Bauernschaft, bei den größeren Selbständigen, bei den Facharbeitern und den Un- und Angelernten (vgl. Geißler 2006b, S.261).
50 Dies zeigte eine Studie von 1996 auf, welche an 13.000 Hamburger Fünftklässlern durchgeführt wurde (Geißler 2006a, S. 43-44).
51 Dreitzel verweist hier indirekt auf „Das pluralistische Paradigma der Elitenforschung“ (Hoffmann-Lange 2003) (Anmerkung durch die Autorin).
- Quote paper
- Adeline Funke (Author), 2009, Leistungsgesellschaft mit Schattenseiten?!, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232964
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