Abzählreime gehören in unserer westlichen Kultur zum Standardinventar der Vorbereitung aller Arten von Kinderspielen, wie Räuber und Gendarm, Verstecken oder zum Zwecke der Mannschaftseinteilung sämtlicher Ballspiele. Wir alle kamen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dieser Versform in Kontakt. Umso interessanter ist demnach die Frage, was es genau mit diesen Kinderreimen auf sich hat. Was passiert wenn Kinder mittels Reimen andere Kinder zum Spielbeginn auswählen? Die Frage, welche in dieser Arbeit beantwortet werden soll lautet: Handelt es sich oder kann es sich bei der Verwendung von Abzählreimen um Poesie handeln? Mittels der Forschungsarbeiten des Roman Jakobsons, welcher sich mit der Natur unserer Sprache und schwerpunktmäßig mit der Definition von Poesie und deren linguistischer Relevanz beschäftigte, wird nun im Folgenden eine semiotische Analyse eines gängigen Abzählreimes durchgeführt. Zur Vorbereitung soll aber zunächst gezeigt werden, in wie weit der Abzählreim in die Zeichentheorie des Semiotikpioneers Charles Sanders Peirce einzuordnen ist. Dies geschieht in Anbetracht der Tatsache, dass die jakobsonsche Theorie auf der peirceschen Zeichentheorie aufbaut und zugleich erste wichtige Aspekte des Kinderreimes in zeichentheoretischer Hinsicht angeführt werden.
Einleitung
Abzählreime gehören in unserer westlichen Kultur zum Standardinventar der Vorbereitung aller Arten von Kinderspielen, wie Räuber und Gendarm, Verstecken oder zum Zwecke der Mannschaftseinteilung sämtlicher Ballspiele. Wir alle kamen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dieser Versform in Kontakt. Umso interessanter ist demnach die Frage, was es genau mit diesen Kinderreimen auf sich hat. Was passiert wenn Kinder mittels Reimen andere Kinder zum Spielbeginn auswählen? Die Frage, welche in dieser Arbeit beantwortet werden soll lautet: Handelt es sich oder kann es sich bei der Verwendung von Abzählreimen um Poesie handeln? Mittels der Forschungsarbeiten des Roman Jakobsons, welcher sich mit der Natur unserer Sprache und schwerpunktmäßig mit der Definition von Poesie und deren linguistischer Relevanz beschäftigte, wird nun im Folgenden eine semiotische Analyse eines gängigen Abzählreimes durchgeführt. Zur Vorbereitung soll aber zunächst gezeigt werden, in wie weit der Abzählreim in die Zeichentheorie des Semiotikpioneers Charles Sanders Peirce einzuordnen ist. Dies geschieht in Anbetracht der Tatsache, dass die jakobsonsche Theorie auf der peirceschen Zeichentheorie aufbaut und zugleich erste wichtige Aspekte des Kinderreimes in zeichentheoretischer Hinsicht angeführt werden.
1 Peircesche Zeichentheorie
Entscheidender Faktor in Bezug zu unserem Untersuchungsgegenstand des Kinderverses ist die Suche nach dem „Wesen der Sprache“, welche durch ein Bedürfnis der Freilegung der innewohnenden Gesetzmäßigkeiten aller Arten von Zeichen gekennzeichnet war und sich bis zum Beginn der Wissenschaft von Sprache zurückverfolgen lässt. Peirce geht in seiner Zeichenlehre, welche er als das große Feld der Semiotik bezeichnet, von mittelalterlichen Überlegungen der „doppelten Erkenntnis“, dem zweifachen Charakter jedes Zeichens aus.[1] Für unsere Zwecke ist die Einteilung von Peirce in drei Grundtypen der Zeichen von Bedeutung. So besteht für ihn ähnlich wie bei Saussure ein Zeichen zunächst aus signans (der materiellen Zeichengestalt) und signatum (dem unmittelbaren Interpreten). In den drei Grundtypen zeigen sich nun verschiedene Darstellungsqualitäten, welche auf die unterschiedliche Beziehung oder Verknüpfung zwischen signans und signatum zurückzuführen ist und dadurch erst die Typenunterscheidung ermöglicht. Die ersten beiden Typen von Zeichen, das Abbild und das Anzeichen sind dadurch charakterisiert, dass sie über eine natürliche Wirkbeziehung zwischen signans und signatum ihre Bedeutung erhalten. So wirkt das Abbild (icon) durch tatsächliche Ähnlichkeit zwischen signans und signatum (beispielsweise ein Portrait), das Anzeichen (index) durch eine tatsächliche existenzielle Kontiguität zwischen beiden (beispielsweise Rauch ist Anzeichen für Feuer). Die Wirkung des Symboles ist nach Peirce dagegen ganz anderer Natur. „Das Symbol wirkt in erster Linie durch eine auferlegte erlernte Kontiguität zwischen signans und signatum.“[2] Diese Tatsache spielt eine enorme Rolle bei der Untersuchung von sprachlichen Zeichen und der Diskussion über den arbiträren Charakter der Sprache. Entsteht in unserem sprachlichen Zeichensystem, sei es in der verbalen Realisation oder im Medium der Schriftsprache die Bedeutung nur durch Gewohnheit, denn sprachliche Zeichen sind doch Symbole? Ist unsere Sprache rein willkürlicher Natur oder gibt es Gesetzmäßigkeiten, die jenseits von Konvention Bedeutung schaffen ? Diese zentralen Fragen beantwortet Peirce zunächst mit seiner scharfsinnigen Beobachtung:
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[1] Vgl. Jakobson, Roman: Form und Sinn. 1974. Wilhelm Fink Verlag München. S.14.
[2] Jakobson, Roman (1974): a.a.O., S.16.
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- Daniel Jacobs (Author), 2012, Spielerische Poesie? Eine semiotische Analyse des Abzählreimes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232919
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