Dass das Sassanidenreich ein feudaler Staat war, ist eine Auffassung, die viele Histori-ker teilen. So schreibt Schippmann „Ich […] gehe davon aus, dass man [beim Sassanidenreich] von einem wirklichen Feudalstaat sprechen kann, egal welche Definition man dabei zugrunde legt“. Dieser Meinung schließen sich ebenfalls A. Christensen, F. Altheim und weitere an.
Es wird dabei aber oft außer acht gelassen, dass der Begriff Feudalismus in vieler Weise konnotiert ist und auf unterschiedlichsten Argumentationsfundament basiert. Feudalismus ist keine definierte Staats- oder Gesellschaftsform. Im Gegensatz zur Republik oder Autokratie ist der Feudalismus immer gewachsen und nie initial herbeigeführt. Auch wird er, selbst in feudalen Epochen, nicht als Konzeption unter diesem Begriff erkannt, sondern eine Epoche wird von späteren Beobachtern in dieses Begriffsspektrum klassifiziert. Hinzu kommt, dass dieser Begriff nahezu untrennbar mit der mittelalterlichen europäischen Geschichte verwoben ist. Zwar je nach Definition mit unterschiedlichem Fokus, jedoch immer regional, kulturell und/oder sozialstrukturell mit dieser Epoche Europas verbunden. Wird dieser Begriff also einer allgemeingültig definierten Staats-, Wirtschafts- oder Gesellschaftsform gleichgesetzt (so wie bei Schippmann), entstehen aufgrund der undefinierten Herleitung des Gesamtbegriffes schnell Unschärfen, die zu Trugschlüssen führen können. Insbesondere ist dies der Fall, wenn dieser regional aufgeladene Begriff bei außereuropäischen Gesellschaften seine Anwendung findet. Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist deshalb die Frage, ob das Sassanidenreich ein Feudalstaat war oder nicht.
Um also zu untersuchen inwieweit das Sassanidenreich feudalistisch war bedarf es einer klar definierten und vor allem nicht eurozentristischen Methode. Hierzu wird basierend auf Marc Blochs „Die Feudalgesellschaft“ ein Kriteriendarstellung entwickelt und auf das Sassanidenreich angewendet.
Bloch definiert den Feudalismus nicht nur auf der herrschenden Ebene, sondern er bin-det soziale, religiöse und wirtschaftliche Aspekte mit in seine Typisierung ein und erfasst so die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge wesentlich umfassender als andere Definitionen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Feudalismus nach Marc Bloch
- Schematische Untersuchung der Gesellschaft
- Die Ständegesellschaft
- Die Dezentralisierung der Macht
- Die Kriegerkaste und die Bindung durch das Feudum
- Die Ökonomie
- Die Religion
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, ob das Sassanidenreich als Feudalstaat zu klassifizieren ist. Hierzu wird eine Methode entwickelt, die auf Marc Blochs Definition des Feudalismus basiert, um diese auf die sassanidische Gesellschaft anzuwenden.
- Definition des Feudalismus nach Marc Bloch
- Analyse der sassanidischen Gesellschaft anhand der Bloch'schen Kriterien
- Bewertung der Ergebnisse im Hinblick auf die Frage nach der Feudalität des Sassanidenreiches
- Einordnung der Erkenntnisse in den aktuellen Forschungsstand
- Bedeutung der Untersuchung für das Verständnis der sassanidischen Gesellschaftsform
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die Forschungsfrage ein und beleuchtet die unterschiedlichen Auffassungen zum Feudalismus. Sie hebt die Notwendigkeit einer klaren Definition und die problematische Anwendung des Begriffs auf außereuropäische Gesellschaften hervor.
Feudalismus nach Marc Bloch
Dieses Kapitel stellt Marc Blochs Definition des Feudalismus dar, die auf einer umfassenden Analyse der mittelalterlichen europäischen Gesellschaft basiert. Bloch integriert soziale, wirtschaftliche und religiöse Aspekte in seine Beschreibung der Feudalgesellschaft.
Schematische Untersuchung der Gesellschaft
In diesem Kapitel werden die einzelnen Elemente der sassanidischen Gesellschaft im Lichte von Blochs Feudalismus-Definition untersucht. Es werden die Ständegesellschaft, die Machtstrukturen, die Rolle der Kriegerkaste, die Ökonomie und der Einfluss der Religion analysiert.
Fazit
Das Fazit fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und bewertet, inwieweit das Sassanidenreich den Kriterien eines Feudalstaates nach Marc Bloch entspricht.
Schlüsselwörter
Sassanidenreich, Feudalismus, Marc Bloch, Ständegesellschaft, Kriegerkaste, Lehenssystem, Ökonomie, Religion, Dezentralisierung, Machtstrukturen, Vergleichende Geschichtsforschung, Iranistik
- Quote paper
- David Niemeyer (Author), 2013, Das feudale Sassanidenreich: Untersuchung der Gesellschaftsform nach Marc Bloch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232773