Vor nunmehr beinahe zwanzig Jahren wurde die innerdeutsche Grenze, welche die Menschen aus Ost und West durch eine Mauer für mehr als 28 Jahre von einander getrennt hatte, geöffnet. Millionen von DDR Bürgern blickten am Abend des 9.11.1989 gebannt auf die Fernsehbildschirme und verfolgten wie Günther Schabowski, auf einer vom DDR Fernsehen live übertragenen Internationalen Pressekonferenz, die für alle DDR Bürger gültigen neuen Reisebestimmungen vorlas. Nach Momenten der Unklarheit und Verwirrung führten diese Änderungen bekanntlich noch am selben Abend zur Öffnung der Grenze und der damit verbundenen Reisefreiheit aller DDR Bürger. Es erscheint grotesk das eine Liveübertragung des DDR Fernsehens, welches von der SED Partei über Jahrzehnte hinweg als Instrument der Machtsicherung genutzt wurde, an diesem Abend das Ende der Mauer und somit zwangsläufig auch das Ende der exponierten Stellung von Staat und Partei publik machte. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht das Fernsehen in der DDR und die schrittweise Beantwortung folgender Frage: Inwiefern gelang es dem DDR Staat mithilfe des Informations- und Meinungsmonopols der SED im DDR Fernsehen nachhaltig Einfluss auf die (politischen) Meinungsbildungsprozesse der DDR Bürger zu nehmen? Ist in dieser Hinsicht ein Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit festzustellen? Zur Beantwortung der Fragen soll die Beziehung der DDR Bevölkerung zum DDR Fernsehen anhand der Kategorie der Nutzungshäufigkeit und Glaubwürdigkeit untersucht werden. Die Wirkung des Westfernsehens darf mit Hinblick auf die Frage nicht unbeachtet bleiben, da der Einfluss des DDR Fernsehens in direkter Abhängigkeit zum Einfluss des Westfernsehens stand. Da die Menschen in der DDR gegenüber westlichen Medieneinflüssen nicht völlig isoliert werden konnten, schließt die Beantwortung der Frage neben der Betrachtung des DDR Fernsehens daher auch eine Betrachtung des vom Westfernsehen ausgehenden Einflusses ein. Weil der Partei Nachrichtensendungen und politische Informationssendungen zur staatlich gelenkten Beeinflussung der Meinungsbildungsprozesse der Bürger besonders geeignet erschienen und dahingehend auch unfassend genutzt wurden, wird sich die anschließende Betrachtung vorwiegend auf einzelne Sendeformate dieses Nachrichten- und Informationstyps beschränken. Zeitlich beschränkt sich die Arbeit auf den Zeitraum der späten achtziger Jahre, mit Schwerpunkt auf dem Jahr 1989. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Einbindung des DDR Fernsehens in die staatlichen Strukturen
3. Die politischen Informations- und Nachrichtensendungen des DDR Fernsehens
3.1 Die Nutzungshäufigkeit politischer Informations- und Nachrichtensendungen des DDR Fernsehens
3.2 Die Glaubwürdigkeit politischer Informations- und Nachrichtensendungen des DDR Fernsehens
4. Die politischen Informations- und Nachrichtensendungen des Westfernsehens
4.1 Die Nutzungshäufigkeit politischer Informations- und Nachrichtensendungen des Westfernsehens
4.2 Die Glaubwürdigkeit politischer Informations- und Nachrichtensendungen des Westfernsehens
5. Von den Auswirkungen der Nachrichtenpolitik unter Honecker zu den Auswirkungen der Fernsehwende im Herbst 1989
6. Abschließende Betrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Vor nunmehr beinahe zwanzig Jahren wurde die innerdeutsche Grenze, welche die Menschen aus Ost und West durch eine Mauer für mehr als 28 Jahre von einander getrennt hatte, geöffnet. Millionen von DDR Bürgern blickten am Abend des 9.11.1989 gebannt auf die Fernsehbildschirme und verfolgten wie Günther Schabowski, auf einer vom DDR Fernsehen live übertragenen Internationalen Pressekonferenz, die für alle DDR Bürger gültigen neuen Reisebestimmungen vorlas. Nach Momenten der Unklarheit und Verwirrung führten diese Änderungen bekanntlich noch am selben Abend zur Öffnung der Grenze und der damit verbundenen Reisefreiheit aller DDR Bürger. Es erscheint grotesk das eine Liveübertragung des DDR Fernsehens, welches von der SED Partei über Jahrzehnte hinweg als Instrument der Machtsicherung genutzt wurde, an diesem Abend das Ende der Mauer und somit zwangsläufig auch das Ende der exponierten Stellung von Staat und Partei publik machte. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht das Fernsehen in der DDR und die schrittweise Beantwortung folgender Frage: Inwiefern gelang es dem DDR Staat mithilfe des Informations- und Meinungsmonopols der SED im DDR Fernsehen nachhaltig Einfluss auf die (politischen) Meinungsbildungsprozesse der DDR Bürger zu nehmen? Ist in dieser Hinsicht ein Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit festzustellen? Zur Beantwortung der Fragen soll die Beziehung der DDR Bevölkerung zum DDR Fernsehen anhand der Kategorie der Nutzungshäufigkeit und Glaubwürdigkeit untersucht werden. Die Wirkung des Westfernsehens darf mit Hinblick auf die Frage nicht unbeachtet bleiben, da der Einfluss des DDR Fernsehens in direkter Abhängigkeit zum Einfluss des Westfernsehens stand. Da die Menschen in der DDR gegenüber westlichen Medieneinflüssen nicht völlig isoliert werden konnten, schließt die Beantwortung der Frage neben der Betrachtung des DDR Fernsehens daher auch eine Betrachtung des vom Westfernsehen ausgehenden Einflusses ein. Weil der Partei Nachrichtensendungen und politische Informationssendungen zur staatlich gelenkten Beeinflussung der Meinungsbildungsprozesse der Bürger besonders geeignet erschienen und dahingehend auch unfassend genutzt wurden, wird sich die anschließende Betrachtung vorwiegend auf einzelne Sendeformate dieses Nachrichten- und Informationstyps beschränken. Zeitlich beschränkt sich die Arbeit auf den Zeitraum der späten achtziger Jahre, mit Schwerpunkt auf dem Jahr 1989.[1] Inhaltlich folgt in Gliederungspunkt zwei eine Darstellung zur Organisation und Einbindung des DDR Fernsehens in die staatlichen Strukturen und der damit verbundenen Einbindung in die Staatsideologie. Gliederungspunkte drei und vier beleuchten das DDR Fernsehen, bzw. Westfernsehen hinsichtlich ihrer Wirkung und Einflussnahme auf die DDR Bürger unter dem Aspekt der Nutzungshäufigkeit und der von den Nachrichten- und Informationssendungen ausgehenden Glaubwürdigkeit. In Gliederungspunkt fünf wird im Rahmen der im Herbst 1989 erfolgten Umstrukturierung des DDR Fernsehens auf die unter Krenz durchgeführten Änderungen in der Nachrichtenpolitik und die daraus hervorgegangenen Veränderungen im Zuschauerverhalten der DDR Bürger eingegangen. Diesem Punkt schließt sich mit Gliederungspunkt sechs eine abschließende Betrachtung der Thematik an.
2. Die Einbindung des DDR Fernsehens in die staatlichen Strukturen
Das DDR Fernsehen war ohne Zweifel das wirkungsvollste zur Verfügung stehende Massenmedium in der ehemaligen DDR und wurde vom SED Regime auch als solches erkannt und in gezielter Art und Weise genutzt. Das Fernsehen war fest in den Staatsapparat der DDR eingebunden und unterlag daher den strengen Vorgaben der Partei. Es unterstand direkt dem „Staatlichen Komitee für Fernsehen“. Das „Staatliche Komitee für Fernsehen“ wiederum unterstand der „Abteilung Agitation“ des SED Zentralkomitees, sowie der „Agitationskommission“ des Politbüros. Des Weiteren war das Fernsehen über das Presseamt auch dem Ministerrat unterstellt.[2] Die von Joachim Herrmann[3] geleitete „Abteilung Agitation“ entschied peinlich genau über Inhalt und Darstellungsform von Fernsehbeiträgen. Ohne die Genehmigung der „Abteilung Agitation“ durfte nichts ausgestrahlt werden. „Die Abteilung Agitation des ZK der SED griff fast täglich in das laufende Programm ein, ließ Meldungen umstellen, einfügen oder herausnehmen, veranlasste kurzfristig die Überarbeitung längst sendefertiger Beiträge und lieferte unverändert zu übernehmende, eigene Formulierungen.“[4] Eine solche Praxis allein verdeutlicht, welch großen Stellenwert die Partei dem Fernsehen in der DDR beigemessen hat und wie sehr sie dieses Medium täglich für ihre Zwecke manipulierte und missbrauchte. Besonders geeignet schienen hierfür natürlich Nachrichtenformate wie die „Aktuelle Kamera“. Die Nachrichtenbeiträge hatten, neben ihrer eigentlichen Informationsfunktion, immer auch das Bild einer gesunden, vor Kraft strotzenden und einer in eine erfolgreiche Zukunft blickenden DDR zu vermitteln. Mittels Berichten über die vorzeitige Planerfüllung in Vorzeigebetrieben, der Schaffung von Wohnraum und Kindergartenplätzen, sowie der Darstellung von unaufhaltsamen Fortschritt in Wissenschaft und Technik, wurde versucht dieses Bild eines erfolgreichen Staates aufrecht zu halten. Die Ausstrahlung solcher hervorragenden Erfolgsmeldungen und Erfolgsprognosen gehörte zur täglichen Erfolgspropaganda und stand genauso auf der Tageordnung wie die negative Darstellung des „Klassenfeindes“ mit all seinen „hausgemachten Problemen“. „Staatliche Selbstdarstellung in der Aktuellen Kamera zielte darauf ab, die DDR als vollwertigen, weltweit anerkannten Staat, als eigentliche deutsche Kulturnation, den Sozialismus als das überlegene System zu präsentieren.“[5] Brisante Themen, wie etwa die bestehenden Versorgungsengpässe, die Mauer, Republikflucht oder der drohende Staatsbankrott fanden dabei natürlich keine Erwähnung. Ziel war es schließlich nicht auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen, sondern die Bevölkerung für das System der DDR und für die Idee des Sozialismus zu gewinnen. Daher hatten auch alle Fernsehmitarbeiter im Sinne der Partei zu handeln und auf das Strengste die Anweisungen der „Abteilung Agitation“ zu befolgen. Angehende Fernsehjournalisten unterstanden seit 1950 einer strengen Kaderpolitik und hatten sich vor der Aufnahme eines Journalistikstudiums an der Karl-Marx-Universität Leipzig einer gewissen Prüfung hinsichtlich ihrer Einstellung zu Staat und Partei zu unterziehen.[6] Durch diese Vorauswahl und aufgrund der Tatsache das ein Großteil der Fernsehjournalisten selbst Mitglieder der SED waren, kann davon ausgegangen werden, das ein nicht unerheblicher Anteil der DDR Fernsehmitarbeiter die Politik der SED aus eigener Überzeugung mitgetragen hat. Aber auch im Falle einer Antihaltung gegenüber der Politik der SED oder aber den Vorgaben der „Abteilung Agitation“ war man als Fernsehjournalist besser beraten auf jeglichen Widerspruch oder Protest zu verzichten, da man ansonsten mit erheblichen Sanktionen zu rechnen hatte.[7] Es bleibt zu konstatieren das das Fernsehen unter Honecker und dem für die „Abteilung Agitation“ zuständigen Herrmann bis in den Herbst ´89 einer allumfassenden Manipulation und Steuerung von Seiten der Partei unterlag. Inwieweit es der Partei über das Medium Fernsehen auch gelungen ist die Bevölkerung zu manipulieren und zu lenken wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit herausstellen.
3. Die politischen Informations- und Nachrichtensendungen des DDR Fernsehens
Das Fernsehen hatte einen besonders hohen Stellenwert in der Freizeitgestaltung der Menschen in der DDR gehabt. Um genau zu sein nahm das Fernsehen knapp zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Freizeit der Menschen ein.[8] Bis in das Jahr 1989 war in der DDR, was die Versorgung der Haushalte mit Fernsehempfangsgeräten betrifft, Vollversorgung erreicht worden. Mit Hinblick auf den hohen Stellenwert, den die DDR Bevölkerung dem Fernsehen beimaß, sowie einer potentiellen Rezipientenzahl von ca. 16 Millionen DDR Bürgern war das Medium Fernsehen in den Augen der Partei ein ideales Instrument um die Menschen für ihre Ideologie zu instrumentalisieren. In gewisser Weise waren nahezu alle Formate im DDR Fernsehen politisch gefärbt. Die einen mehr, die anderen weniger. So scheint es auch nicht verwunderlich, dass sich die verschiedenen Sendungsformate innerhalb der Bevölkerung verschiedener Beliebtheit erfreuten. Krimis wie „Staatsanwalt“ und „Polizeiruf 110“[9] oder Unterhaltungsshows wie ein „Kessel Buntes“ waren mit Sehbeteiligungen zwischen 35 und 50 Prozent bis in die späten achtziger Jahre hinein die absoluten Quotenhits und gehörten zu den liebsten Sendungen der DDR Bürger.[10] Das lag wohl zum Teil auch daran das diese Sendungen zum einen spannender bzw. unterhaltender und zum anderen nicht in dem Maße politisch gefärbt waren, wie es die politischen Informations- und Nachrichtensendungen des DDR Fernsehens gewesen sind. Formate wie die „Aktuelle Kamera“ oder der von Karl Eduard von Schnitzler kommentierte „Schwarze Kanal“ schienen wesentlich besser für die intensive Agitation und Propaganda der SED Führung geeignet. Die Hoffnung der Partei war es mittels solcher Formate nachhaltigen Einfluss auf die politischen Meinungsbildungsprozesse der DDR Bevölkerung zu nehmen. Um herauszufinden inwiefern dies auch gelungen ist, werden im Folgenden die Nutzungshäufigkeit und die beim Zuschauer erlebte Glaubwürdigkeit dieser genannten politischen Informations- und Nachrichtensendungen betrachtet werden.
[...]
[1] Bis hin zur Umbruchphase in der Fernsehpolitik Oktober-Dezember 1989. Abtritt Honecker, Amtsübernahme Krenz.
[2] Vgl. Riedel, Heide: Hörfunk und Fernsehen in der DDR. Funktion, Struktur und Programm des Rundfunks in der DDR. Köln 1977, S. 38.
[3] Herrmann war von 1978-1989 ZK Sekretär für Agitation und Propaganda.
[4] Wolff, Franca: Glasnost erst kurz vor Sendeschluss. Die letzten Jahre des DDR Fernsehens. 1985-1989/90. Köln 2002, S. 143.
[5] Kuhlmann, Michael: Fernsehen in der DDR. Siegen 1997, S. 47.
[6] Vgl. Arnold, Karl-Heinz/Arnold Otfrid: Herrschaft über die Medien. Die Gleichschaltung von Presse,
Rundfunk und Fernsehen durch die SED, in: Modrow, Hans (Hrsg.): Das große Haus. Insider berichten aus dem ZK der SED. Berlin 1995, S. 101.
[7] Vgl. Herlt, Günter: Sendeschluss. Ein Insider des DDR Fernsehens berichtet. Berlin 1995, S. 65.
[8] Vgl. Wolff, Franca: Glasnost erst kurz vor Sendeschluss. Die letzten Jahre des DDR Fernsehens. 1985 - 1989/90. Köln 2002, S. 126.
[9] Dazu ausführlich: Guder, Andrea: Genosse Hauptmann auf Verbrecherjagd. Bonn 2003, S. 112-143.
[10] Vgl. Meyen, Michael: Denver Clan und Neues Deutschland. Mediennutzung in der DDR. Berlin 2003, S.77.
- Quote paper
- Sebastian Richter (Author), 2009, Der Einfluss politischer Informations- und Nachrichtensendungen im Fernsehalltag der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232261
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