»Sandmann, lieber Sandmann,/ es ist noch nicht soweit!/ Wir
sehen erst den Abendgruß,/ ehe jedes Kind ins Bettchen
muss,/ du hast gewiss noch Zeit./ Kinder, liebe Kinder,/ es hat
mir Spaß gemacht!/ Nun schnell ins Bett und schlaft recht
schön,/ dann will auch ich zur Ruhe gehn,/ ich wünsch’ euch
Gute Nacht.«
Als „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann 1817 erschien war sich
keiner der Bedeutung bewusst, die dieses Buch in sich trägt. Richtig analysieren konnte man es erst nachdem psychoanalytische Sichtweisen literarisch angesehen wurden. Die Urszene wurde zuerst gar nicht als solche erkannt, und man mag sich auch heute noch davor verschließen, doch baut der Rest des Romans auf eben dieser unheimlichen Szene auf. Sie rational zu betrachten würde deshalb bedeuten das Genie des Autors zu verleumden.
Als Freud sein Essay „Das Unheimliche“ 1919 veröffentlichte
konzentrierte er sich vor allem auf das Irrationale, das Unheimliche der Geschichte. Dabei konnte er die Urszene natürlich nicht außen vor lassen, nein sie ist sogar einer der Hauptpunkte seiner Analyse.
Im Folgenden werde ich nun eben jene Szene analysieren, die
Leitmotive des Romans untersuchen und sie auf die Urszene zurückbeziehen. Dabei werde ich mich nicht nur an Freuds Interpretation halten, sondern vor allem auch meine eigenen
Vermutungen mit ein bringen. Die Frage, die sich stellt und die ich letztendlich beantworten möchte, ist, in wie fern Realität und Wahnsinn ineinander verschmelzen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Urszene
- Zusammenfassung
- Die Urszene, eine Definition nach Freud
- Anwendung der Definition auf den Sandmann
- Motive
- Das Motiv des Doppelgängers
- Das Augenmotiv
- Das Auge als Sinnesorgan und Metapher
- Augen als Mittel zur Charakteranalyse
- Brillen, Perspektive
- Der Kastrationskomplex
- Das Leblose und das Lebendige (Automaten, Puppen, Menschen)
- Clara und Nathanael: Zwei unterschiedliche Weltansichten
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die Urszene und die Leitmotive in E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann". Die Analyse bezieht sich auf Freuds Interpretation des Unheimlichen und untersucht die Rolle der Urszene als traumatisierende Erfahrung und die Bedeutung des Kastrationskomplexes in der Geschichte. Die Analyse konzentriert sich auf die Frage, inwiefern Realität und Wahnsinn ineinander verschmelzen.
- Die Urszene als traumatisierende Erfahrung
- Die Rolle des Kastrationskomplexes
- Das Motiv des Doppelgängers
- Die Bedeutung des Augenmotivs
- Die Verschmelzung von Realität und Wahnsinn
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Analyse ein und stellt die Frage nach der Verschmelzung von Realität und Wahnsinn in der Erzählung. Der zweite Abschnitt analysiert die Urszene in „Der Sandmann" im Kontext von Freuds Interpretation des Unheimlichen. Die Urszene, die Nathanaels Begegnung mit Coppelius beschreibt, wird als traumatisierende Erfahrung interpretiert, die die Grundlage für die Entwicklung von Nathanaels Wahnsinn legt. In diesem Abschnitt wird auch die Bedeutung des Kastrationskomplexes für die Interpretation der Urszene beleuchtet.
Der dritte Abschnitt widmet sich den Leitmotiven der Erzählung. Das Motiv des Doppelgängers wird im Zusammenhang mit der Spaltung der Vaterimago und Nathanaels wiederkehrendem Verdrängungsprozess untersucht. Das Augenmotiv wird als Symbol für die Wahrnehmung der Realität und die Verbindung zwischen Innenwelt und Außenwelt analysiert. In diesem Abschnitt werden auch die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Augen als Sinnesorgan und als Metapher beleuchtet.
Der vierte Abschnitt untersucht den Kastrationskomplex in „Der Sandmann". Die Urszene wird als Ausdruck von Nathanaels negativem Ödipus-Komplex interpretiert, der ihn in eine fixierte Beziehung zu seinem Vater bringt und die Liebe zu einer Frau für ihn unmöglich macht. Die Augen werden als Symbol für die Kastration interpretiert und die Misshandlung Nathanaels durch Coppelius als Äquivalent zur Kastration gesehen.
Der fünfte Abschnitt analysiert die unterschiedlichen Weltansichten von Nathanael und Clara. Nathanael sieht die Ereignisse in der Erzählung als Realität, während Clara sie als Projektionsfläche für subjektive Vorstellungen interpretiert. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Realität und die Rolle der inneren Stimme werden in diesem Abschnitt beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Urszene, den Sandmann, den Kastrationskomplex, den Ödipus-Komplex, das Augenmotiv, den Doppelgänger, die Spaltung der Vaterimago, Realität und Wahnsinn, sowie die Verschmelzung von Innenwelt und Außenwelt. Die Analyse beleuchtet die psychoanalytische Interpretation der Erzählung und analysiert die Rolle der traumatisierenden Erfahrung in der Entstehung von Nathanaels Wahnsinn.
- Quote paper
- Marie H. (Author), 2013, E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann". Die Urszene und Leitmotive im Hinblick auf Freuds "Das Unheimliche", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231718