Der Liberalismus und die Aufklärung haben den Glauben an Autoritäten und mit ihnen die Grundlagen der alten gesellschaftlichen Moral zerstört und waren nicht in der Lage die von ihnen geschlagene Bresche mit etwas gleichwertigem wieder zu füllen. Diejenigen, von denen diese Kritik zumeist geübt wird, sind Kommunitaristen,
manchmal auch als Kommunitarier bezeichnet, deren Ziel nicht eine
möglichst grenzenlose Freiheit des Einzelnen ist, sondern die Wiederherstellung der Autorität der gesellschaftlichen Moral.
Eine als Einführung gut geeignete Zusammenfassung der Debatte liefert der deutsche Philosoph Wolfgang Kersting in einem 1993 erschienenen Aufsatz.(1) Nach Kersting wurde der Grundstein der aktuellen Debatte mit dem Erscheinen der Rawlschen Gerechtigkeitstheorie Anfang 1971 gelegt.(2) Von diesem Werk inspiriert versuchten sich danach mehrere namhafte Denker wie Buchanan,(3) Nozicks,(4) Ackermann, Scanlon und Dworkin5 an einer Erneuerung des Liberalismus unter Berufung auf die Ideen Kants, Hobbes und Lockes, die wesentlich für die Prägung des westlichen Gesellschaftsverständnisses waren.
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1 Kersting, Wolfgang: Liberalismus und Kommunitarismus. Zu einer aktuellen Debatte: S. 12f. In: Informationen zur Philosophie. Nr. 3/1993, S. 9-19. Im folgenden zitiert als: Kersting.
2 Rawls, John. Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1975. Im folgenden zitiert als: Rawls.
3 Buchanan, James: Die Grenzen der Freiheit. Zwischen Anarchie und Leviathan. Tübingen 1984. Im folgenden zitiert als: Buchanan.
4 Nozick, Robert: Anarchy, State and Utopia. New York 1974. Im folgenden zitiert als: Nozick.
5 Dworkin, Ronald: Bürgerrechte ernstgenommen. Frankfurt am Main 1984. Im folgenden zitiert als: Dworkin.
Inhaltsverzeichnis
- Worum es geht? - Einführung
- John Locke - der Vater des modernen Liberalismus
- Der Naturzustand
- Eigentum
- Die Bildung der Gesellschaft
- Gewaltenteilung
- Kontrolle und Revolutionsrecht
- Das Individuum in der Krise - die Vorboten der Postmoderne
- Moralische Autonomie und Freiheit des Einzelnen - der (post-) moderne Liberalismus
- John Rawls
- Ronald Dworkin
- Robert Nozick
- James Buchanan
- Der Mensch als Teil seiner Gemeinschaft - der Kommunitarismus
- Michael Sandel
- Alasdair MacIntyre
- Michael Walzer
- Richard Rorty
- Charles Taylor
- Axel Honneth
- Amitai Etzioni
- Abschlussdiskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Debatte zwischen Liberalismus und Kommunitarismus und untersucht, wie diese beiden Denkrichtungen die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft konzeptionalisieren. Ziel ist es, einen Überblick über die verschiedenen Antworten zu geben, die liberale und kommunitaristische Philosophen auf die Frage nach dem guten Leben und dem persönlichen Glück liefern.
- Die Kritik des Kommunitarismus am Liberalismus und dessen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Moral
- Die Entwicklung des modernen Liberalismus von John Locke bis hin zu zeitgenössischen Denkern wie Rawls, Dworkin und Nozick
- Die Entstehung des Kommunitarismus als Gegenströmung zum Neoliberalismus und seine verschiedenen Ausprägungen
- Die Bedeutung von Gemeinschaft und Tradition für das individuelle Glück und die soziale Ordnung
- Die Rolle von Individualismus und Kollektivismus in der Gestaltung von Politik und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Debatte zwischen Liberalismus und Kommunitarismus vor und beschreibt die zentralen Themen und Argumente, die in der Arbeit behandelt werden.
Kapitel 2 widmet sich John Locke, der als Vater des modernen Liberalismus gilt, und analysiert seine Theorie des Naturzustands, des Eigentums, der Gesellschaftsbildung, der Gewaltenteilung und des Revolutionsrechts.
Kapitel 3 beleuchtet die Krise des Individuums in der Moderne und zeigt, wie die Entwurzelung und die Zerüttung der traditionellen Moral die westliche Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten.
Kapitel 4 befasst sich mit dem (post-) modernen Liberalismus und untersucht die Theorien von John Rawls, Ronald Dworkin, Robert Nozick und James Buchanan.
Kapitel 5 stellt verschiedene Strömungen des Kommunitarismus vor und analysiert die Ansichten von Michael Sandel, Alasdair MacIntyre, Michael Walzer, Richard Rorty, Charles Taylor, Axel Honneth und Amitai Etzioni.
Schlüsselwörter
Liberalismus, Kommunitarismus, Individualismus, Kollektivismus, Gesellschaft, Moral, Gerechtigkeit, Autonomie, Freiheit, Tradition, Gemeinschaft, Glück, gutes Leben, Naturzustand, Gesellschaftsvertrag, Aufklärung, Postmoderne, Identitätsverlust, Entwurzelung, Wiener Jahrhundertwende.
- Quote paper
- Robert Albrecht (Author), 2001, Das Ich und die anderen - Individuum und Gesellschaft im Rahmen der Kommunitarismus-Liberalismus Debatte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2316