Alexander Kluge, deutscher Schriftsteller und Regisseur, ist am 14. Februar 1932 in Halberstadt geboren. Dort und später auch in Berlin besuchte er das Gymnasium. Nach einem erfolgreichen Studium in Marburg, Freiburg und Frankfurt am Main promovierte er 1956 zum Dr. jur. . Kluge war Sprecher der Oberhausener Gruppe „Junger deutscher Film“ und leitete mit Edgar Reitz die 1962 gegründete Filmabteilung der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Der Literat Kluge ist von dem Theoretiker und Filmproduzenten nicht zu trennen. Die gleichberechtigte Arbeit mit drei unterschiedlichen Medien verhindert eine einfache literarhistorische Zuordnung. Am deutlichsten ist der Bezug zum Realismus des 19. Jahrhunderts, galt dort die Wirklichkeit als eine Konstante, der sich die Kunst abbildend nähern sollte, so fügt Kluge heute Bruchstücke aus Phantasie und Realität zu einem Genrebild, dessen Charakter als Collage bewusst betont wird. Seit der Erstveröffentlichung der „Lebensläufe“ 1962 verfolgen seine Bücher und Filme in einem sachlich kühlen, distanzierten Stil die Wirklichkeit bis ins kleinste Details und wirken nahezu wie Dokumentationen eines literarisch ambitionierten Soziologen. Ihre irritierende Wirkung besteht in der Umwertung des Realitätsbegriffes: Dokumente präsentieren plötzlich ihre Fiktionalität, unreale Fakten fingieren den Ton von Dokumenten. So erscheint beispielsweise der in drei Fassungen „der Schlachtbeschreibung“ geschilderte Untergang der 6. Armee bei Stalingrad zunächst nur als Schlachtfeld aus Plänen, Skizzen, Dialogen, Bildern und Fragmenten. Die aus hartem filmischem Schnitt entstandene Montage produziert Wahrnehmungslücken, in die Erfahrungen des Lesers einfließen können. Dieses Verfahren bindet Kluges filmische Arbeit eng an die zumeist parallel entstandenen Bücher. Seit „Lernprozesse mit tödlichem Ausgang“ erscheinen Kluges Filme als Bild - Text-Bücher, deren Sperrigkeit die Kraft der Phantasie gegen die Macht der Realität setzt. Mit „Neue Geschichten“ (1977), „Die Patriotin“ (1979) und „Die Macht der Gefühle“ (1984) artikulierte Kluge den Hunger nach Lebenssinn angesichts verlorengegangener Erfahrungszusammenhänge. Er fragt nach den menschlichen Hoffnungen, um sie als Wünsche erkennbar werden zu lassen. 1990 erhielt Kluge den Lessing - Preis der Stadt Hamburg, 1992 den Adolf - Grimme - Preis für den Film „Das goldene Vlies“ und 1993 den Heinrich - Böll - Preis.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kluges „Lebensläufe“ – Gesellschaftskritik als biographische Fallstudie
- „Maßverhältnisse des Politischen“ – kurzer Abriss über Kluges politische Vorstellungen
- Ein Versuch zur Aufklärung der Frage nach der Tradition und das damit verbundene Problem der untrennbaren Abhängigkeit von Innen- und Außenwelt
- Die Vereinigung von Film und Literatur bei Alexander Kluge und die Frage nach Beliebigkeit und Austauschbarkeit
- Analyse und Interpretation des Textes „Oberleutnant Boulanger“ als Teil der „Lebensläufe“
- Verwendung von historischen Dokumenten zur Einführung in die Konflikthandlung
- Vorstellung der Person Rudolf B. – kühle Berechnung begleitend auf dem Weg zur Selbstverwirklichung
- Der gescheiterte Versuch zur Identifizierung mit dem „Untersuchungsgegenstand“ und Boulangers erste Kriegserfahrung
- Resozialisierungsversuch Boulangers nach 1945
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Alexander Kluges Werk „Lebensläufe“ zielt darauf ab, die Geschichte der Deutschen seit 1933 aus der Perspektive einzelner Lebensläufe zu betrachten und die Wechselwirkungen zwischen individuellem Handeln und den sozialen Verhältnissen zu untersuchen. Die „Lebensläufe“ dienen als biographische Fallstudien, die die komplexe Zusammenhänge zwischen Geschichte und Individuum beleuchten und den Einfluss der Gesellschaft auf die Persönlichkeitsentwicklung aufzeigen.
- Die Kritik am traditionellen Realismus und die Konstruktion einer eigenen Realität durch Collagierung von Fiktion und Dokumentation
- Der Einfluss der sozialen und politischen Verhältnisse auf die Lebensläufe und die Frage nach der Verantwortung des Individuums
- Die Rolle von Geschichte und Krieg in der individuellen Entwicklung und die Suche nach Möglichkeiten zur Bewältigung der Vergangenheit
- Der Versuch, die „jüngere Geschichte“ aus einer neuen Perspektive zu betrachten und den Krieg nicht als moralisch eindeutiges Ereignis darzustellen, sondern als komplexes Phänomen mit vielfältigen Einflüssen
- Die Verbindung von Film und Literatur als Mittel zur Gestaltung eines eigenen Realitätsverständnisses
Zusammenfassung der Kapitel
In der Einleitung wird Alexander Kluge als Schriftsteller und Regisseur vorgestellt, seine vielseitige künstlerische Tätigkeit und seine Verbindung zum Realismus des 19. Jahrhunderts erläutert. Im zweiten Kapitel werden Kluges „Lebensläufe“ als Gesellschaftskritik aus biographischer Perspektive präsentiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der komplexen Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, wobei der Krieg als Hauptthema im Mittelpunkt steht. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Kluges politischen Vorstellungen. Im vierten Kapitel wird die Frage nach der Tradition und die Abhängigkeit des Individuums von seiner Umgebung beleuchtet. Das fünfte Kapitel analysiert die Verbindung von Film und Literatur bei Kluge und die Frage nach Beliebigkeit und Austauschbarkeit. Das sechste Kapitel widmet sich der Analyse und Interpretation des Textes „Oberleutnant Boulanger“, der als Beispiel für die „Lebensläufe“ dienen soll. Hier werden die Verwendung von historischen Dokumenten, die Vorstellung der Person Rudolf B. und der gescheiterte Versuch zur Identifizierung mit dem „Untersuchungsgegenstand“ analysiert.
Schlüsselwörter
Alexander Kluge, „Lebensläufe“, Gesellschaftskritik, biographische Fallstudie, Realismus, Dokumentation, Fiktion, Krieg, Geschichte, Individuum, Gesellschaft, Tradition, Film, Literatur, Oberleutnant Boulanger, Rudolf B.
- Quote paper
- Alexander Rhau (Author), 2004, Alexander Kluge - Oberleutnant Boulanger als Exempel der 'Lebensläufe' und die Dialektik zwischen handelndem Subjekt und den sozialen Verhältnissen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23156