„Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg.
Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.“
Joschka Fischer, 7. April 1999
Mit diesen Worten erläuterte Joschka Fischer 1999 das Dilemma der humanitären Intervention der Kosovo Krise. Laut ihm gilt es einen Krieg und damit ein militärisches Eingreifen zu verhindern und die Bevölkerung trotzdem vor menschenrechtsverletzenden Situationen zu bewahren.
Im März 2011 wurden in Syrien Jugendliche gefangen genommen, da sie regierungsfeindliche Parolen an Wände gesprüht haben sollen. Daraufhin begannen erste Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad. Diese Proteste wurden stets militärisch niedergeschlagen und bekämpft. Als die Bevölkerung begann, sich selbst zu verteidigen, entwickelte sich aus den Protesten ein Bürgerkrieg. Laut UN-Mitteilungen hat der Bürgerkrieg bis zum März des Jahres 2013 ungefähr 70 000 Todesopfer gefordert.
Da bis zum heutigen Tag kein Ende der Bürgerkriege in Sicht ist, stellt sich für die außenstehende Europäische Union die Frage nach der Verantwortung für die Menschen in diesem Land. Es wird also die Frage laut: Ist ein Eingreifen der EU in Form einer humanitären Intervention in dieser Situation legitim?
Aufgrund der Aktualität der Problematik in Syrien ist es wichtig sich mit diesem Thema näher zu befassen und auseinander zu setzten. Ich habe dieses Thema als grundlegende Frage meiner Seminararbeit gewählt, da ich erwarte durch die angestellten Recherchen und Erörterungen eine Antwort auf die politische Situation in Syrien und die Position Deutschlands zu finden.
Ich werde im weiteren Verlauf meiner Arbeit näher auf die Probleme der humanitären Intervention eingehen und erörtern, ob sie in dieser Situation legitim ist. Hierzu werden Faktoren wie Menschenrechte, Politik oder wirtschaftliche Aspekte, welche für und gegen eine Intervention sprechen, näher betrachtet um abschließend zu klären, ob eine Intervention durchgeführt werden sollte.
Inhalt
1. Einleitung
2. Eine grundlegende Begriffsdefinition
3. Befürwortung der allgemeinen humanitären Intervention
3.1 Die Pflicht Menschenrechte zu schützen
3.2 Humanitäre Intervention als präventives Politikinstrument
3.3 Der letzte Ausweg aus dem Bürgerkrieg
4. kritische Betrachtung der humanitären Intervention
4.1 Mehr Todesopfer durch humanitäre Interventionen
4.2 Die fehlende Anteilnahme der intervenierenden Staaten
4.3 Zwischen Gewaltverbot und Souveränitätsprinzip
5. Fazit
6. Anhang
Bibliografie
Literatur
Internetquellen
1. Einleitung
„ Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz. “ 1
Joschka Fischer, 7. April 1999
Mit diesen Worten erläuterte Joschka Fischer 1999 das Dilemma der humanitären Intervention der Kosovo Krise. Laut ihm gilt es einen Krieg und damit ein militärisches Eingreifen zu verhindern und die Bevölkerung trotzdem vor menschenrechtsverletzenden Situationen zu bewahren.2
Im März 2011 wurden in Syrien Jugendliche gefangen genommen, da sie regierungsfeindliche Parolen an Wände gesprüht haben sollen. Daraufhin begannen erste Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad. Diese Proteste wurden stets militärisch niedergeschlagen und bekämpft. Als die Bevölkerung begann, sich selbst zu verteidigen, entwickelte sich aus den Protesten ein Bürgerkrieg. Laut UN-Mitteilungen hat der Bürgerkrieg bis zum März des Jahres 2013 ungefähr 70 000 Todesopfer gefordert.3
Da bis zum heutigen Tag kein Ende der Bürgerkriege in Sicht ist, stellt sich für die außenstehende Europäische Union die Frage nach der Verantwortung für die Menschen in diesem Land. Es wird also die Frage laut: Ist ein Eingreifen der EU in Form einer humanitären Intervention in dieser Situation legitim?
Aufgrund der Aktualität der Problematik in Syrien ist es wichtig sich mit diesem Thema näher zu befassen und auseinander zu setzten. Ich habe dieses Thema als grundlegende Frage meiner Seminararbeit gewählt, da ich erwarte durch die angestellten Recherchen und Erörterungen eine Antwort auf die politische Situation in Syrien und die Position Deutschlands zu finden.
Ich möchte im weiteren Verlauf meiner Arbeit näher auf die Probleme der humanitären Intervention eingehen und erörtern, ob sie in dieser Situation legitim ist. Hierzu werden Faktoren wie Menschenrechte, Politik oder wirtschaftliche Aspekte, welche für und gegen eine Intervention sprechen, näher betrachtet um abschließend zu klären, ob eine Intervention durchgeführt werden sollte.
2. Eine grundlegende Begriffsdefinition
Der Begriff der humanitären Intervention wird weder in der Fachliteratur noch in politischen Grundschriften, wie der UN-Charta, allgemeingültig definiert. Aus diesem Grund ist es wichtig, zunächst eine für diese Arbeit geltende Definition auf der Grundlage verschiedener Definitionen zusammenzufassen. Weitläufig umfasst eine humanitäre Intervention das Eingreifen des einen Staates in die innerpolitischen Angelegenheiten eines zweiten Staates. Hierbei wäre eine Form der Intervention das Aushelfen mit Hilfsgütern, zur Bewältigung einer Krise möglich.4 Als Beispiel wäre hierbei die Finanzkrise in Griechenland zu nennen, bei der Europa Griechenland mit finanziellen Mitteln unterstützt hat.5
Im weitaus gebräuchlicheren Sinn ist jedoch die humanitäre Intervention als ein militärisches Eingreifen eines Staates oder einer Staatengemeinschaft in die innerpolitischen Angelegenheiten eines anderen Staates, welcher menschenrechtsverletzende Handlungen begeht, zu verstehen. Das Ziel einer humanitären Intervention ist es hierbei, die Menschen zu schützen und deren Rechte zu wahren.6
In dieser Arbeit wird daher die humanitäre Intervention als ein militärischer Einsatz zu humanitären Gunsten der Bevölkerung angesehen.
3. Befürwortung der allgemeinen humanitären Intervention
Nachdem in Ländern wie in Syrien Menschenrechte immer mehr verletzt werden, da die Machthaber des jeweiligen Landes ihre Bevölkerung nicht mehr schützt oder gar gegen sie Krieg führen, kommen in mutmaßlich intervenierenden Ländern oft Argumentationen für eine Intervention auf. Argumente, welche für eine Intervention sprechen, sollen nun in den folgenden Kapiteln betrachtet werden.
3.1 Die Pflicht Menschenrechte zu schützen
Zunächst soll eines der zentralen Argumente für eine humanitäre Intervention näher betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um das Argument, andere Menschen zu schützen. Nachdem die Aufstände in Syrien immer lauter wurden, fingen Soldaten an nicht nur auf erwachsene Menschen, sondern auch auf die Beine von Kindern zu schießen und damit den Tod der Menschen in kauf zu nehmen.7 Diese Handlungen sind insofern rechtswidrig, als dass sie dem dritten Artikel der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen widersprechen, welcher besagt, dass „jeder [...] das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“8 hat. Da diese menschenrechtsverletzenden Handlungen direkt von der Regierung ausgeführt werden, welche somit den Schutz der eigenen Bevölkerung nicht mehr bewahren kann, sind andere Staaten oder internationale Vereinigungen befugt in das Land einzugreifen, um die Sicherheit der Bevölkerung des Landes zu gewährleisten. Die Begründung für derartige Handlungen liefert die Schutzverantwortung. Das Prinzip der Schutzverantwortung besagt, dass wenn ein Staat seine Bevölkerung körperliche Unversehrtheit nicht gewährleisten kann oder nicht dazu bereit ist, ein anderer Staat eingreifen muss und die Verantwortung an die internationale Gemeinschaft fällt. Sie zielt also darauf ab, schwerste Menschenrechtsverletzungen wie diese der syrischen Regierung zu verhindern.9 Um zu klären, ob die Schutzverantwortung (engl. responsibility to protect) in Syrien eine humanitäre Intervention der verantwortlichen Nationen legitimiert, sollten zunächst vergangene Präzedenzfälle, in denen die Schutzverantwortung die Grundlage einer Intervention war, betrachtet werden.
Das signifikanteste Beispiel ist der Bürgerkrieg in Libyen 2011. Unter dem Regime von Muammar al-Gadhafi wurde die libysche Bevölkerung bedroht, angegriffen und Aufstände militärisch niedergeschlagen. Libyens Situation im Jahr 2011 zeigt sehr starke Parallelen zu der aktuellen syrischen Situation auf. Nachdem in Libyen alle diplomatischen, friedlichen Lösungsansätze ignoriert wurden und die Angriffe auf die Bevölkerung nicht nachließen, wurde mit Hilfe einer militärischen Intervention eingegriffen.10 Die NATO führte in Libyen einige Luftangriffe durch und stellte ein Waffenembargo für die Rebellen auf.11 Durch das Eingreifen der NATO wurden 72 Menschen getötet.12 Die zivilen Opfer sind zwar nicht zu vernachlässigen, jedoch sind sie verschwindend gering gegenüber den 4700 Todesopfern, welche aus dem Krieg zwischen Gadhafi und den Rebellen hervorgegangen sind.13 Es wird angenommen, dass es ohne ein militärisches Eingreifen in Libyen zu weitaus mehr Todesopfern gekommen wäre, als es in Endeffekt gab. Dies kann jedoch im Nachhinein nicht mehr bewiesen werden, da eben diese besagten Todesopfer durch die Intervention verhindert wurden, womit der Beweis für den Erfolg der Intervention fehlt.14 Es steht jedoch außer Frage, dass nach dem NATO-Einsatz das Gaddafi-Regime und somit auch der Bürgerkrieg ein Ende fand, was im Grunde das elementare Ziel der humanitären Intervention ist.
Ein weiterer an dieser Stelle nennenswerter Präzedenzfall ist der Genozid in Ruanda. Ein Eingreifen wie es in Libyen der Fall war hat seinerzeit in Ruanda gefehlt, wodurch bei einem Genozid mindestens 500 000 Menschen ermordet wurden. Diese Zahl stieg unter anderem so hoch an, da eine humanitäre Intervention, welche die Ermordung der Bevölkerung in Ruanda hätte verhindern können, viel zu spät stattfand.15
Die Erfahrungen aus den Präzedenzfällen in Libyen und Ruanda zeigen, dass ein militärisches Eingreifen in Krisengebieten in denen es zu starken menschenrechtsverletzenden Situationen gekommen ist, zweifelsfrei weitere Todesopfer verhindern und somit die Schutzverantwortung wahrgenommen werden sollte.
Somit steht fest, dass die Schutzverantwortung in Syrien in jedem Fall auf andere Länder und damit auch auf die Europäische Union fällt. Wenn die Lage von dem Standpunkt aus betrachtet wird, dass die Europäische Gemeinschaft die Schutzverantwortung gegenüber der Bevölkerung von menschenrechtsverletzenden Ländern hat, ist ein militärisches Eingreifen unabdingbar. Nach der Analyse der einzelnen Fälle stellt sich heraus, dass eine humanitäre Intervention mit Berufung auf die Schutzverantwortung vollkommen legitimiert ist, um die Menschenrechte Syriens zu bewahren und Europa damit durchaus in der Pflicht steht, in Syrien einzugreifen.
3.2 Humanitäre Intervention als präventives Politikinstrument
Das grundlegende Konzept der humanitären Intervention hat nicht nur das Prinzip die Menschen vor Verbrechen wie Massenmorden und Genoziden zu schützen und diese zu stoppen. Es lässt sich laut des Professors für internationales Recht, Michael Reisman, auch darauf erweitern, präventive Maßnahmen wie die Sicherstellung einer Demokratie zu ergreifen, um weitere menschenrechtsverletzende Verbrechen zu verhindern.16 In den folgenden Abschnitten soll geklärt werden, ob die humanitäre Intervention wirklich als präventives Mittel die Situation in Syrien langfristig ändern könnte.
Der demokratische Friede ist eine Hypothese, nach welcher zwischen Staaten mit einer demokratischen Regierung kein Krieg stattfindet. Immanuel Kant hat diese Theorie erstmals 1795 in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ näher erläutert. Laut Kant kommt es in einer demokratischen Gesellschaft nicht zu Kriegshandlungen, da die Bevölkerung an den politischen Entscheidungen beteiligt ist und sich aufgrund der Folgen und Konsequenzen eines Krieges, welche sie selbst betreffen, gegen diesen ausspricht.17 Da in Syrien ohne Krieg und mit einer demokratischen Grundordnung wohl keine menschenrechtsverletzenden Handlungen wie im bisherigen Ausmaß mehr stattfinden würden, ist anzunehmen, dass eine unter anderem politisch ausgerichtete militärische Intervention der EU unter anderem die Stabilisierung und Legitimierung der Regierung in Syrien wieder herstellen kann, und damit die Sicherheit der Menschen damit langfristig gewährleistet wäre.
Zudem ist bereits aus der Vergangenheit bekannt, dass Regierungen, welche auf einem demokratischen Grundsatz beruhen, stets versuchen, die Zahlen der Kriegsopfer so gering wie möglich zu halten. Diese Praxis hat nicht nur moralische Absichten, wie den Schutz und die Sicherstellung der eigenen Bevölkerung, sondern auch Politische. Nur Regierungen welche Kriegsopfer vermeiden oder zumindest versuchen sie so gering wie möglich zu halten, werden auf Dauer von dem eigenen Volk anerkannt und unterstützt.18 /19
[...]
1 Fried, Nico: "Ich habe gelernt: Nie wieder Auschwitz", online unter: <http://www.sueddeutsche.de/politik/fischer-ich-habe-gelernt-nie-wieder-auschwitz-1.915701> (Stand 26.03.2013)
2 ebd.
3 Hintergrund aktuell: Syrien: Zwei Jahre Bürgerkrieg, online unter: <www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/156632/buergerkrieg-in-syrien> (Stand 26.03.2013)
4 Hinsch, Wilfried; Janssen, Dieter: Menschenrechte militärisch schützen. Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen, Bonn 2006, S.29f.
5 Landeszentrale für politische Bildung: Griechische Tragödie, online unter: <http://www.lpb- bw.de/6783.html#> (Stand 07.04.13)
6 Hinsch; Janssen: Menschenrechte militärisch schützen. Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen, S.29f.
7 Assad-Regime schießt auf Beine von Kindern. Menschenrechtsverletzungen in Syrien, online unter: <http://www.focus.de/politik/ausland/krise-in-der-arabischen-welt/menschenrechtsverletzungen-in-syrien- assad-regime-soll-auf-beine-von-kindern-schiessen_aid_729400.html> (Stand 27.03.2013)
8 Bundeszentrale für politische Bildung, Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen, Bonn 2004, S.55 Artikel 3
9 Schaller, Christian: Gibt es eine "Responsibility to Protect"?, online unter: <http://www.bpb.de/apuz/30862/gibt-es-eine-responsibility-to-protect> (Stand 27.03.2013)
10 Bittner, Jochen; Böhm, Andrea: Dieser Krieg war gerecht. Eine Bilanz der Intervention in Libyen, online unter: <http://www.zeit.de/2011/44/Libyen-Intervention/komplettansicht> (Stand 27.03.2013)
11 Lacher, Wolfram: Libyen nach der Revolution des 17. Februar, online unter: <http://www.bpb.de/internationales/afrika/arabischer-fruehling/52398/libyen> (Stand 27.03.2013)
12 Spiegel Online: Menschenrechtsbericht: Nato soll in Libyen 72 Zivilisten getötet haben, online unter: <http://www.spiegel.de/politik/ausland/human-rights-watch-nato-soll-in-libyen-72-zivilisten-getoetet-haben- a-832981.html> (Stand 27.03.2013)
13 Khan, Umar: Casualty figures exaggerated, says Ministry: Online unter: <http://www.libyaherald.com/2013/01/07/casualty-figures-exaggerated-says-ministry/> (Stand 27.03.2013)
14 Bittner, Jochen; Böhm, Andrea: Dieser Krieg war gerecht. Eine Bilanz der Intervention in Libyen, online unter: <http://www.zeit.de/2011/44/Libyen-Intervention/komplettansicht> (Stand 27.03.2013)
15 ebd.
16 Reisman, W. Michael: Coercion and Self-Determination: Construin Article 2(4), online unter: <http://digitalcommons.law.yale.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1729&context=fss_papers> (Stand 28.03.2013)
17 Hinsch; Janssen: Menschenrechte militärisch schützen. Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen, S.61f.
18 Speckmann, T.: Neue Helden, online unter: <http://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-und-demokratie-neue- helden-1.130496> (Stand 27.03.2013)
19 Matthies, Volker: Immer wieder Krieg?. Wie Eindämmen? Beenden? Verhüten? Schutz und Hilfe für die Menschen?, Opladen 1994, S.53
- Quote paper
- Pascal Steinmüller (Author), 2013, Humanitäre Intervention in Syrien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231382
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.