Samuel Becketts Werk ist absurd, grotesk, komisch. Ebenso handeln und denken seine Figuren. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie Schauspieler sich mittels des etablierten Method Actings den Figuren annähern können und zeigt, dass "absurd" zu spielen durchaus problematisch, aber praktisch umsetzbar ist.
Inhalt
1. Einleitung
2. Method Acting - Geschichte und Prinzip
3. Method Acting in Rough for Theatre I
4. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nachdem wir in der Vorlesung „Das Theater des Absurden“ dieBesonderheiten der Stücke von Samuel Beckett angesprochen und teilweiseanalysiert hatten, begann ich mir über ein spezielles Problem Gedanken zumachen. Becketts Charaktere, wenngleich sie sich in vielerlei diversenKontexten bewegen, haben doch eines gemeinsam. Sie gleichen nichtordinären, „normalen“ Personen, die eine problemlose Identifikation mitdem Leser zulassen. Dies soll nicht heißen, dass Becketts Charakteremärchenhaft oder unmenschlich sind. Durchaus sind sie mit menschlichenAttributen und Charakteristiken ausgestattet. Die meisten von BeckettsCharakteren sind sogar ins Alter gekommene Menschen, die es versäumthaben ihre Träume und Wünsche zu verwirklichen und folglich eingefrustetes Dasein führen, wie Warten auf Godot oder Endspiel beweisen.
Die Fragestellung, die ich in vorliegender Arbeit analysieren will, liegt vielmehr im ominösen Agieren und Reagieren der Charaktere, sowie ihrerhäufig missverständlichen Kommunikation. Als unabdingbare Konsequenzsehe ich eine Minderung an Identifikations- und Empathievermögenzwischen Leser und Figur. Des Weiteren ist der Leser nicht in der Lage denHintergrund, die Bedeutung und Motivation einer Figur in gewissen Szenenzu verstehen. In genau diesem Moment wird die Arbeit eines Schauspielers,der die komplexen Charaktere verkörpern muss, höchst interessant. Sokommt die Frage auf: Kann ein Schauspieler die Emotionen, Gefühle undGedanken von Becketts Figuren verstehen und authentisch spielen?
Zur Beantwortung dieser Frage werde ich die Schauspieltheorie des MethodActings untersuchen und Probleme und Herausforderungen analysieren, diesich beim Spielen von Becketts Figuren mit eben dieser Schauspieltechnikergeben. Dabei stütze ich mich auf Becketts Stück Rough for Theatre I.
2. Method Acting - Geschichte und Prinzip
Konstantin Sergejewitsch Stanislawski wurde im Jahr 1863 als Sohn einerKaufmannsfamilie in Moskau geboren. Er trat jedoch nicht in dieFußstapfen seiner Familie und wurde 1888 Mitglied der Gesellschaft f ü r Kunst und Literatur. Dort traf er W.I. Nemirowitsch-Dantschenko.Zusammen entwickelten sie ein neues Theater, welches später als dasMoskauer Künstlertheater (kurz MChAT) in die Annalen derTheaterhistorik eingehen würde. Bald schon wurden bedeutendeSchriftsteller wie Tschechow oder Gorki mit dem MChAT assoziiert.
Dort begann Stanislawski ausführlich an einer Schauspieltheorie zu arbeiten, die er später das System nennen würde. Anders als manche Stanislawski-Gegner behaupten, war das System nicht dogmatisch angelegt. Sharon Carnicke erklärt:
There is nothing absolute about his compendium of theory and techniques for the ephermal art of acting that he so loved. He saw his System as offering advice to actors of different temperaments who wished to speak through different aesthetic styles. He called his System ´ universal ´ for thesetwo reasons. Only three months before his death, he cautioned his directing students that, ´ One must give actors various paths ´ (Vinogradskaia 2000:498). 1
Bis heute hat Stanislawskis System diverse Schauspielschulen beeinflusst und wurde von Wissenschaftlern und Praktikern wie Lee Strasberg, Sanford Meisner und Erric Morris aufgegriffen und weiterentwickelt. Lee Strasberg, selbst Schauspieler und Lehrer, konfigurierte, erweiterte das System und machte es als Method bekannt. Spätestens nachdem 1969 das Lee Strasberg Theatre and Film Institute gegründet wurde, waren Strasberg und Stanislawski nicht mehr vom Method Acting zu trennen.
Obwohl Carnicke behauptet, dass durch Strasberg eine Amerikanisierungdes Stanislawski-Systems stattgefunden hat2, war die Zielsetzung dochgleich geblieben: „…gegen falschen Pathos, […] gegen die Übertreibung imSpiel, gegen die oberflächliche Stilisierung in der Inszenierung und imBühnenbild, gegen das Starsystem, welches jedes Ensemble zerstört hat, gegen die gesamte Struktur der Vorstellungen und das arme Repertoire des zeitgenössischen Theaters.“3
Doch mit welchen Mitteln versucht Strasbergs Methode ihre Ziele zuerreichen? Mit anderen Worten: Welche Prinzipien verbergen sich hinter derTheorie?
Strasbergs Buch „A Dream of Passion“ schildert die Entwicklung der Ideenund Techniken von Stanislawski, hinzu den des Method Actings. So nimmtStrasberg diverse Grundtechniken wie „das bewusste Training der Sinne,welches [den Schauspieler] zu den unbewussten, kreativen Ressourcenführt.“4 oder „praktische Entspannungs- und Konzentrationsübungen, denZirkel der Aufmerksamkeit, etc.“ (ebd., Übersetzung A.L.) auf undverfeinert diese. Für Strasberg erscheint jedoch „der Gebrauch der Seele desSchauspielers als Substanz seiner Arbeit“ (ebd, A.L.) als wichtigste vonStrasbergs Methoden.
Doch Strasberg verdeutlicht auch, dass „seine [Stanislawskis] Arbeit nicht weit genug vorangeschritten war, um das Problem des schauspielerischen Ausdrucks [ausreichend] zu lösen“ (ebd., A.L.) und sieht daher die „Notwendigkeit Emotionen zu studieren sowie einfache und komplexe Gefühle zu analysieren.“ (ebd., A.L.).
Ein Prinzip, welches einen Großteil der Method ausmacht, ist das sog. affektive Gedächtnis. Es wird häufig mit den Begriffen Sinn-Gedächtnis und emotionales Gedächtnis verwechselt. Das affektive Gedächtnis ist per Definition die „Bewusstwerdung vergessener Emotionen, die im privaten Leben des Schauspielers empfunden wurden und ihre Anwendung auf die Figur, die auf der Bühne dargestellt wird.“5
[...]
1 Sharon Marie Carnicke, Stanislavsky in Focus, (New York, NY: Routledge, 2009) 3.
2 Carnicke 7-13.
3 Bernd Stegemann, Stanislawski Reader, (Berlin: Henschel, 2007) 10.
4 Lee Strasberg, A Dream of Passion, (New York, NY: Davada Enterprises, Ltd, 1987) 62.
5 Edward D. Easty, On Method Acting, (New York, NY: The Random House Publishing Group, 1992) 44. Übersetzung Alexander Löwen.
- Quote paper
- Alexander Löwen (Author), 2012, Schauspiel und Absurdes Theater, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231149
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