Wäre die Gottesfrage für die Menschheit einsichtig gelöst, so kennte sie ihren Ursprung, Weg und Ziel und sie wüsste, was sie zu tun und zu lassen hätte auf diesem Weg aus der Ewigkeit durch die Zeit und wieder zurück in die Ewigkeit. Da der eine Gott und Schöpfer des einen myriadenfach diversen Schöpfung mit dem singulären Leben in seinen vielfältigen Gestalt, das die ganze Schöpfung von den einfachsten Lebensformen bis zur menschlichen Krone derselben durchwirkt und durchflutet, diese Frage nicht für alle Menschen unumkehrbar einsichtig und für alle und alle Zeiten verbindlich und verständlich gelöst zu haben scheint, herrscht hier ein verwirrender Pluralismus in den Augen der Geschöpfe des einen Schöpfers.
Der Mensch vor der Gottesfrage
Wäre die Gottesfrage für die Menschheit einsichtig gelöst, so kennte sie ihren Ursprung, Weg und Ziel und sie wüsste, was sie zu tun und zu lassen hätte auf diesem Weg aus der Ewigkeit durch die Zeit und wieder zurück in die Ewigkeit. Da der eine Gott und Schöpfer des einen myriadenfach diversen Schöpfung mit dem singulären Leben in seinen vielfältigen Gestalt, das die ganze Schöpfung von den einfachsten Lebensformen bis zur menschlichen Krone derselben durchwirkt und durchflutet, diese Frage nicht für alle Menschen unumkehrbar einsichtig und für alle und alle Zeiten verbindlich und verständlich gelöst zu haben scheint, herrscht hier ein verwirrender Pluralismus in den Augen der Geschöpfe des einen Schöpfers.
Und dieser Pluralismus der Annahmen über Ursprung, Ziel und Zweck des Lebens entzweit die Menschen. Man könnte sich daher fragen, was der Schöpfer wohl mit dieser Mystifizierung seiner zweifellos schon undurchdringbar und unentwirrbar mysteriösen Schöpfung wohl beabsichtigt hat, auch wenn man das Mysterium im Zeichen der Wissenschaft mehr und mehr in spirituell-ekklesiastische Reservate zu verbannen sucht, um es schließlich gänzlich zu demystifizieren und eine einheitlich-verbindliche, materialistisch-wissenschaftliche Ersatzreligion mit universellen Standards einzuführen.
Doch auch sich als religiös ausgebende, emergente Weltanschauungen, wie zum Beispiel die eines Weltethos, haben versucht, die Frage nach dem einen rechten Weg durch ein die Frage integrativ transzendierendes Universalethos zu beantworten, das eine Art größtmöglicher gemeinsamer Nenner der religiös-ethischen Diversität und somit eine Art religiöses Esperantos ist, dem dann aber die Vitalität und die Beseelung der millenär gewachsenen Religionen mit ihrer offenbarungsbedingten Kraft, ihren Gründern, Propheten und ihren Heiligen fehlt. Weder die Wissenschaft, noch die Philosophie, noch die Religion selbst scheint diese zeitüberdauernde, historische Frage bis in die Gegenwart und die voraussehbare Zukunft hinein lösen zu können. Und solange hierbei keine Konvergenz hergestellt werden kann, werden die weltanschaulichen Konflikte wohl weitergehen.
Doch das damit einhergehende Konfliktpotential ist im Kontext der modernen wissenschaftlich-technischen Entwicklung derart angewachsen, dass durch diese ungelöste Frage nun die weltweite Sicherheit bedroht ist. Selbst zwischen den diversen Gruppierungen innerhalb von Religionen, wie gegenwärtig z.B. in der islamischen Welt zwischen Sunniten und Schiiten, herrscht zunehmend Blutvergießen. Und wenn das Blutvergießen geendet zu haben scheint bestehen die intra- und interreligiösen Konflikte noch als kulturelle Konflikte fort, die die Gesellschaft in impliziteren oder expliziteren Formen infestiert und die latenten kulturell-religiösen Konflikte immer wieder in heißere Formen des Konfliktes eskalieren lassen kann. Betrachtet man den weltweiten interreligiösen Konflikt, der als Fundamentalismus in Erscheinung tritt, so erkennt man, dass die Frage eher an Brisanz gewonnen hat und dass sie, in der Gestalt der unheiligen Allianz mit dem technischen Fortschritt, die Menschheit sogar in präreligiös-präzivilisierte Zustände des Höhlendaseins moderner Prägung zurückwerfen könnte, wenn der Mensch nicht in der Lage ist, sie nachhaltig zu lösen.
Der Problematik überdrüssig und im Bewusstsein ihres Konfliktpotentials bieten daher Wissenschaft und Religionsphilosophie rationalistische Konvergenzmodelle an, die allen Menschen und der Menschheit als solcher eine gemeinsame Plattform für deren friedliche Koexistenz verleihen könnten. Diese Ansätze für ein rational basiertes, integratives interreligiöses geistiges Konstrukt können eventuell sogar bei Benedict XVI gefunden werden, wenn er das zweite integrative Standbein der Religion, das den Glauben ergänzt, nämlich die Vernunft postuliert, die den vorhandenen und offensichtlich gesellschaftliche Probleme verursachenden religiösen Pluralismus weltweit bezähmen könnte. Und die interreligiösen Begegnungen, wie beispielsweise in Assisi, die bereits Johannes Paul II eingeführt hat, sind ihrerseits bereits Spuren im Sand der Religions- und der dadurch bedingten Weltgeschichte, die auf eine Suche nach einem gemeinsamen integrativen Weg hinweisen. Und der Starschuss und die Schleußenöffnung zur Linderung des intrakonfessionellen Drucks durch Hegemonialansprüche wurde, die Zeichen der Zeit erkennend, bereits im zweiten Vatikanum vollzogen, dessen Beginn mit der einsetzenden pluralisierenden und relativierenden Gegenkulturrevolution koinzidiert. Sollte es nach 2000 Jahren Tauziehen nicht möglich sein, die Kirche wieder als Einheit ins dritte Millennium zu geleiten? Die historisch tabuisierte Ökumene, die den Pluralismus in der christlichen Zivilisation salonfähig machen möchte, die versöhnlichen symbolischen und konkreten Schritte der beiden Vorgängerpäpste von Papst hinsichtlich des Judentums, der Orthodoxie und der Anglikanischen Kirche, sowie die Unversöhnlichkeit gegenüber den traditionalistischen Integristen unter der Ägide des französischen Erzbischofs Lefebvre und der Pius Bruderschaft sind Evidenz dafür.
Die rationalistische moderne Zivilisation kommt auch in den Religionen immer mehr zu Erkenntnis - schließlich sind die Gläubigen auf die modernen rationalistischen Werten hin sozialisiert und transformieren dadurch auch die christliche Wertepriorisierung vom Geheimnis hin zur Logik und Rationalität – dass ein Konvergenzkonstrukt um jeden Preis her muss, um das Zerreißen des planetaren menschlichen Zivilisationsgewebes präventiv zu managen. Doch die Religionen, die die Rationalität einerseits transzendieren und andererseits historisch rückwärtsgewandt sind, reagieren fundamentalistisch auf diesen rationalen Reduktionismus der Transzendenz. Der Versuch der Lösung des Problems durch rationalistisch basierte, pluralismusfähigere Religionsmodelle wird also seinerseits ursächlich für Religionskonflikte, statt, wie es ihre Zweckbestimmung gewesen sein sollte, sie zu beheben.
Der intra- und interreligiösen Konflikte überdrüssig gibt es nun eine weitere signifikante Strömung des Humanismus der eine pragmatischere, verschlankte und entschlackte Lösung der Religionsfrage nachgelegt und die einen kleinsten gemeinsamen Nenner der Religionen bildet.
Eine weitere, esoterisch inspirierte Lösung der Frage geht davon aus und läuft darauf hinaus, dass die ethischen Fundamente aller Religionen identisch sind und wenn man die Religionen auf die alle religiöse Diversität überbrückenden und einbindenden Kernelemente reduziert, dann hat man eine global verträgliche Plattform ohne die religionsspezifischen Konfliktpotentiale.
Der Trend zur globalen religiösen Gleichschaltung ist eine neue Religion im Zeichen des Rationalismus geworden. Und eine weitere signifikante zeitgenössische Strömung, die ursächlich für die moderne Zivilisationskrise ist, möchte das Kind mit der Badewanne ausschütten und verschließt sich sowohl dem klassischen monistischen Religionsverständnis, als auch dem pluralistischen und wirft damit sowohl religiöse als auch ethische Systeme über Bord. Dieser religiöse Ikonoklasmus mit seiner weltweiten Loslösung von jeglicher Transzendenz und seiner integralen Relativierung jeglicher Ethik führt in einer materiell hochentwickelten Zivilisation in ein geistiges präreligiöses Vakuum der Unbeherrschbarkeit. Entgöttlichung, Verweltlichung und Anarchie folgen. Die dadurch bedingte geistig-materielle Diskrepanz im modernen globalen Zivilisationsumfeld birgt große Gefahren für die Menschheit. Nachdem die geistigen gesellschaftstragenden Fundamente bereits ins Wanken geraten sind, folgen die materiellen in der Gestalt ökonomischer und sozialer Krisen. Die Art und Weise, wie der Mensch die Gottesfrage beantwortet, bestimmt seine Zukunft und ist nicht von der Realpolitik zu isolieren.
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- Arbeit zitieren
- D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deißler (Autor:in), 2013, Der Mensch vor der Gottesfrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230604
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