„Nur wer arbeitet, soll auch essen.“ Franz Müntefering ist dieser Satz damals vermutlich leicht über die Lippen gekommen. Er hat sein Einkommen und sein Auskommen.
Gegenwärtig muss der Sozialstaat nicht nur die zunehmende Bevölkerungsarmut in Deutschland bewältigen, auch die schwierige Arbeitsmarktlage und die demografische Entwicklung sind große Herausforderungen. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, das jedem Bürger ein fixes Einkommen garantiert, klingt da sehr verführerisch.
Doch wäre das bedingungslose Grundeinkommen sozialstaatlich gerecht? Würde die Einführung das Ende aller sozialen Probleme bedeuten? Und wäre es überhaupt finanzierbar?
Aus dem Inhalt:
John Rawls Theorie und die Gerechtigkeit des Bedingungslosen Grundeinkommens. Innovationen in einer Wissensgesellschaft, Grundsicherung vs. Grundeinkommen, Das Grundeinkommen als politische Nachhaltigkeitsinnovation, Finanzierungbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens, Das Bedingungslose Grundeinkommen aus soziologischer Sicht, Das Bedingungslose Grundeinkommen und seine Auswirkungen
Inhaltsverzeichnis
DIE BÜRGERGELDIDEE. HISTORISCHE ENTWICKLUNG, ERHOFFTE UND BEFÜRCHTETE AUSWIRKUNGEN, AKTUELLE KONZEPTE IN DEUTSCHLAND UND DEREN KRITIK (VON JENS HOFMANN) ... 7
1. Begriffsbestimmung ... 8
2. Finanzierung ... 9
3. Mögliche Folgen einer Umsetzung der Bürgergeldidee ... 9
4. Die Entwicklung der Bürgergeldidee ... 13
5. Die negative Einkommensteuer in den USA ... 17
6. Die Entwicklung der Bürgergeldidee in Deutschland ... 19
7. Die derzeitige Situation in Deutschland ... 22
8. Verschiedene Bürgergeldkonzepte ... 23
9. Kritik an Bürgergeldkonzepten ... 31
10. Zukunftsaussicht ... 36
11. Literaturverzeichnis ... 38
DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN. EINE GERECHTE IDEE? MIT BEZUG AUF JOHN RAWLS THEORIE DER GERECHTIGKEIT (VON ROSA GRIESER) ... 41
1. Einleitung ... 42
2. Das bedingungslose Grundeinkommen ... 43
3. Die Begründung der Gerechtigkeitsprinzipien ... 44
4. Die Verteilungsgerechtigkeit ... 49
5. Rawls und das bedingungslose Grundeinkommen ... 50
6. Fazit ... 52
7. Literaturverzeichnis ... 54
SOZIALE INNOVATION GRUNDEINKOMMEN. ANALYSE DES BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMENS IM WISSENSGESELLSCHAFTLICHEN INNOVATIONSPARADIGMA (VON JONAS HÄSSIG) ... 57
1. Einleitung ... 58
2. Innovationen in der Wissensgesellschaft ... 58
3. Soziale Innovationen im Innovationsparadigma ... 60
4. Das bedingungslose Grundeinkommen ... 62
5. Das Grundeinkommen als soziale Innovation ... 63
6. Skizzen zur Innovationswirkung des Grundeinkommens ... 64
7. Das Grundeinkommen als politische Nachhaltigkeitsinnovation ... 67
8. Fazit ... 71
9. Literaturverzeichnis 72
DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN ALS SOZIALPOLITISCHE ALTERNATIVE (VON DENNY KNÄBKE) ... 73
Abkürzungsverzeichnis ... 74
1. Einleitung ... 75
2. Der deutsche Sozialstaat ... 76
3. Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative ... 89
4. Zusammenfassung und Ausblick ... 106
Literaturverzeichnis ... 109
BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN. EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER FINANZIERUNG UND MÖGLICHEN FOLGEN EINER EINFÜHRUNG (VON JENNIFER BEYEN) ... 113
1. Einleitung ... 114
2. Das Finanzierungsmodell nach Thomas Straubhaar ... 115
3. Gegenrechnung und Kritik der BDA ... 116
4. Grundeinkommen Pro und Contra – Eine Gegenüberstellung ... 119
5. Fazit ... 123
6. Literaturverzeichnis ... 125
DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN AUS SOZIOLOGISCHER SICHT (VON MONIKA BERGER-LENZ) ... 127
1. Einleitung ... 128
2. Begriffliche Definition ... 129
3. Das Bedingungslose Grundeinkommen – Von der Idee zum Konzept ... 130
4. Das Bedingungslose Grundeinkommen und seine Auswirkungen ... 133
5. Fazit ... 145
6. Literaturverzeichnis ... 148
EINZELBÄNDE ... 153
Die Bürgergeldidee. Historische Entwicklung, erhoffte und befürchtete Auswirkungen, aktuelle Konzepte in Deutschland und deren Kritik (von Jens Hofmann)
Begriffsbestimmung
Bei der Bürgergeldidee handelt es sich nicht um ein einziges Konzept, das bereits ausdefiniert wurde. Es beinhaltet verschiedene sozialökonomische Vorhaben zur Veränderung der Sozialsysteme, wobei diesen Plänen eine bestimmte Grundhaltung gemeinsam ist: Es sollen weniger Marktdefekte repariert, sondern eher Freiheit, Demokratie und Menschenwürde ermöglicht werden.[1] Ohne Zwang zur Arbeit aus Existenzangst könne sich ein Individuum viel freier in seiner Persönlichkeit entfalten. Der Staat soll also eher mit Geld fördern und nicht primär Leistungen fordern.
Als andere Bezeichnungen für Bürgergeld werden unter anderem die Begriffe Existenzgeld und Grundeinkommen verwendet. Folgende Punkte haben alle Entwürfe gemeinsam:[2]
Ein existenz- beziehungsweise teilhabesicherndes Einkommen soll
- allen Bürgern (egal wie umfassend ihr Vermögen ist)
- lebenslang
- gesetzlich garantiert
- ohne Bedürftigkeitsprüfung und
- ohne Tätigkeitsverpflichtung
- vom Staat beziehungsweise von der Gesellschaft
- individuell (das heißt keine Auszahlung an einen Lebenspartner
- oder ein Familienoberhaupt, jedoch Ausnahmen bei Minderjährigen)
zustehen.
Da das Bürgergeld ohne Bedingungen gezahlt werden soll, wird es auch bedingungsloses Grundeinkommen genannt. Somit unterscheidet es sich von anderen Arten der Existenz- oder Mindestsicherung (wie zum Beispiel dem Arbeitslosengeld II oder der Grundsicherung). Es gibt aber auch Theorien, die Bedingungen wie eine Bedürftigkeitsprüfung und/oder Tätigkeitsverpflichtung sowie ein Bezugsrecht für alle Menschen im Land enthalten. Diese Vorhaben werden von ihren Vertretern trotzdem als Bürgergeld betitelt (zum Beispiel das Konzept von Ulrich Beck oder das liberale Bürgergeld, siehe unter 8.1 Die belohnte Bürgerarbeit und 8.3 Das liberale Bürgergeld).
2. Finanzierung
Da aufgrund eines Bürgergeldeinkommens einige Sozialsysteme nicht mehr benötigt würden, möchte man durch deren Einsparung das Bürgergeld finanzieren. Bereits heute schon existierende Geldströme müssten also nur umgeleitet werden. Das Konzept finanziere sich somit selbst. Das funktionierte allerdings nur, wenn die Geldströme weiterhin stabil blieben.[3]
Bei diversen Rechnungen, die von der derzeitigen Finanzsituation ausgehen, wird im Schnitt ein Bürgergeld von zirka 800 Euro möglich. Das entspricht ungefähr dem, was ein/e Arbeitslosengeld II-Empfänger/in kostet (Lebensunterhalt, Wohnung, Kranken- und Pflegeversicherung).[4]
[...]
Das bedingungslose Grundeinkommen. Eine gerechte Idee? Mit Bezug auf John Rawls Theorie der Gerechtigkeit (von Rosa Grieser)
1. Einleitung
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) findet zunehmend mehr Gehör in der breiten Öffentlichkeit (vgl. Straubhaar 2008: 6f.). Grund dafür seien die neuen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durch eine veränderte Wirtschaftsweise, die den Sozialstaat in eine Krise gestürzt habe. Durch den Wandel von einer Selbstversorgungs- zu einer Fremdversorgungsgesellschaft haben die Fortschritte in der Arbeitsteilung, in der Standardisierung und der Automatisierung von Arbeitsabläufen zu einer höheren Produktivität und zu einer Erleichterung des Ar-beitsprozesses geführt. Diese Entwicklung bedeutet aber gleichzeitig eine zunehmende und voraussichtlich auch langfristige Arbeitslosigkeit, da menschliche Produktivkräfte immer weiter durch maschinelle ersetzt werden (Werner 2007: 3ff.). Als weitere Folge der veränderten Wirtschaftsweise kann der Anstieg der Einkommens- und Vermögensungleichheiten betrachtet werden. Während die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher immer mehr verdienen, können die unteren zehn Prozent von ihrem Einkommen nicht einmal mehr ihren Lebensunterhalt decken (Liebig/ May 2009: 3). Für die Fürsprecher des BGE bedeutet diese Entwicklung eine zunehmende soziale Ungerechtigkeit, die in der Ungerechtigkeit des Steuersystems, der Bildungschancen, der Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation etc. zu erkennen sei (vgl. Vander-borght/Van Parijs 2005: 64). Der Sozialstaat könne daher der neuen Herausforderung durch die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur begegnen, wenn er neu strukturiert werden würde. Eine Idee dafür wäre die Einführung des BGE, das jedem bedingungslos ein Einkommen garantierte und dadurch die soziale Ungerechtigkeit mindert (Liebermann 2007: 71f.).
Wenn das BGE die soziale Ungerechtigkeit minderte, implizierte das, dass es soziale Gerechtigkeit schafft und somit nicht nur eine gerechtfertigte, sondern auch eine gerechte Idee wäre? Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ist da anderer Auffassung. Er meint: „Das „arbeitslose“ Grundeinkommen, welches Bürgergeld genannt wird, verstößt gegen alles, was wir über Gerechtigkeit und Solidarität gelernt haben... Pauschalen verletzen das Gerechtigkeitsgefühl.“ (Blüm 2007)
Gerechtigkeit ist ein abstraktes Prinzip, welchem keine einheitliche Definition zugrunde liegt. Es ist daher nicht pauschal zu beantworten, ob das BGE eine gerechte oder ungerechte Idee darstellt. Bereits Platon machte deutlich, dass Gerechtigkeit eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Zusammenleben einnimmt und bei der Frage nach der sozialen Ordnung nicht übergangen werden dürfe (Gosepath 2004: 31, Höffe 2006: 169). Wie Platon schon setzte sich auch John Rawls in seiner „Theorie der Gerechtigkeit” mit der Bedeutung dieses Begriffs auseinander. Er definierte die Gerechtigkeit als „die erste Tugend sozialer Institutionen“ (Rawls 1979: 19) und stellt damit die soziale Gerechtigkeit der gesellschaftlichen Grundstruktur in den Mittelpunkt (vgl. Rawls 1979: 26f.). Die Grundstruktur der Gesellschaft bezieht er auf die rechtlichen Institutionen, wirtschaftlichen Voraussetzungen und die sozialen Gegebenheiten, die die Lebensumstände der Menschen einer Gesellschaft bestimmen und prägen und dadurch die Verteilung der Grundgüter[152] unter ihnen regelt (vgl. Koller 2006: 45).
In dieser Arbeit soll nicht herausgefunden werden, ob die Einführung des BGE die soziale Ungerechtigkeit vermindern würde, noch sollen hier einzelne Modelle des BGE diskutiert und verglichen werden. Ziel dieser Arbeit ist es vielmehr anhand von Rawls „Theorie der Gerechtigkeit“ darzustellen, ob es gerecht wäre, Menschen ein Einkommen einzugestehen, ohne dass sie erwerbstätig sind oder anderen Auflagen unterliegen. Die Frage, die diese Arbeit nachgeht ist daher: Entspricht die Idee des BGE Rawls Vorstellung einer gerechten Verteilung?
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Soziale Innovation Grundeinkommen. Analyse des bedingungslosen Grundeinkommens im wissensgesellschaftli-chen Innovationsparadigma (von Jonas Hässig)
1. Einleitung
Wir leben in einer postindustriellen Gesellschaft, welche oftmals als Wis-sensgesellschaft bezeichnet wird. Der Hauptmotor für den Fortschritt in unserer Gesellschaft scheinen Innovationen aller Art zu sein, die durch einen schwer durchschaubaren Wissensprozess zustande kommen. Neben den technischen Innovationen, die die letzten Jahrzehnte prägten, werden soziale Innovationen immer wichtiger. Das ist so, weil in unserer Gesell-schaft durch die unsichere Wirtschaftslage zunehmend soziale Probleme auftreten, wie beispielsweise grösser werdende Unterschiede zwischen arm und reich, Fachkräftemangel oder Langzeitarbeitslosigkeit.
„Soziale Innovationen, d.h. neue Lösungen, die gesellschaftliche Heraus-forderungen kontextbezogen, zielgerichtet und das Gemeinwohl fördernd adressieren, können bei der Bewältigung der Probleme helfen“ (Müller, Rüede, Lurtz, Kopf, Russo 2013: 9).
Nach dieser These könnte das sozialpolitische Konzept des bedingungs-losen Grundeinkommens einen derartigen Lösungsansatz darstellen. Spannend dabei ist, dass die Idee des Grundeinkommens gleich mehrere gesellschaftliche Herausforderungen anspricht.
In einem ersten Schritt möchte ich die Rolle von Innovationen in einer Wissensgesellschaft klären. Darauf folgt die Ausdifferenzierung des Be-griffs der sozialen Innovation. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der Frage, inwiefern das bedingungslose Grundeinkommen eine soziale Innovation darstellt. Dabei werden einige zentrale soziale Probleme in Bezug auf das Grundeinkommen besprochen. In einem letzten Teil wird das Grundeinkommen als eine politische Nachhaltigkeitsinnovation aus-differenziert.
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Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative (von Denny Knäbke)
1. Einleitung
„Ich halte den Sozialstaat, wie wir ihn in Deutschland und anderen Staaten kennen, für die größte Kulturleistung, die die Europäer im Lauf dieses schrecklichen 20. Jahrhunderts zustande gebracht haben.“[158]
Nicht nur für Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist der Sozialstaat eine wichtige Errungenschaft. Der deutsche Sozialstaat bewahrt die Menschen vor Lebensrisiken wie Armut, Not und Elend. Er ermöglicht ein menschenwürdiges Leben. Seit der Einführung des sozialen Netzes im Kaiserreich unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck, steht die Sozialpolitik unter Druck. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen, Beschäftigungsprobleme, Globalisierung, Flüchtlingsströme, demographische Entwicklungen verlangen stetige Anpassungen und Veränderungen.
Im Jahr 2001 hat die Bundesregierung den ersten Armuts- und Reich-tumsbericht veröffentlicht. Seitdem sind Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland offiziell als bestehende Probleme anerkannt.[159] Armut in einem der reichsten Länder der Erde ist widersprüchlich. Soziale Ungleichheit sowie schwierige Lebenssituationen lassen Menschen nicht am gesellschaftlichen Wohlstand teilnehmen. Seit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht hat es in der Sozialpolitik gravierende Veränderungen gegeben, um die hohe und strukturell bedingte Arbeitslosigkeit, sowie die zunehmende soziale Ungleichheit zu reduzieren. Mit der Regierungserklärung des ehem. Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 14. März 2003 wurde mit der Agenda 2010 ein einschneidendes Reformpaket vorgestellt und eingeführt. Sozialstaatliche Absicherungen bei paralleler Aktivierung der Bürger sollen die Eigenverantwortung der Menschen fordern und för-dern. In diesem Jahr soll der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht werden. Trotz steigender Beschäftigung und einer relativ konstanten Sozialstaatsquote sind keine nennenswerten Errungenschaften in der Armutsbekämpfung zu verzeichnen. Die Armutsgefährdungsquote lag 2014 in Deutschland bei 15,4 Prozent. Während mittlere Einkommen steigen, wächst die Armut, da Transfereinkommen und Einkommen der Geringverdiener nicht im selben Umfang steigen. Der Armutsbericht 2016 zeigt deutlich, dass besonders Alleinerziehende, Arbeitslose sowie Rentner von Armut bedroht sind.[160]
Die Bundesrepublik Deutschland gilt als Motor Europas, ist eines der reichsten Länder der Welt und trotzdem existiert Alters- und Kinderarmut. Die Ungleichverteilung von Reichtum und Vermögen steigen, nach aktuellen Zahlen der Bundesbank besitzen 10 Prozent der Haushalte rund 60 Prozent des gesamten Nettoreinvermögens. Fast drei Viertel der privaten Haushalte verfügten 2014 über ein Nettovermögen was unter dem Durchschnitt von 214.500 Euro lag.[161] Dementsprechend ist es erforder-lich, Alternativen zur sozialen Sicherung zu betrachten. Eine in allen öffentlichen und privaten Bereichen diskutierte Idee ist die des Bedingungslosen Grundeinkommens. Ein umstrittener Grundgedanke, wie die aktuelle Volksbefragung zur Einführung in der Schweiz aufzeigte. Die Eidgenossen entschieden sich mit 78 Prozent gegen eine Einführung, es bestanden/bestehen Unklarheiten bezüglich der Finanzierung des Grundeinkommens. Die Auseinandersetzung entfachte eine rege Diskussion. Die Forschungsfrage, die dieser Studienabschlussarbeit zu Grunde liegt, lautet daher:
Kann die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland eine sozialpolitische Alternative sein, um die Probleme des aktivierenden Sozialstaats zu lösen?
Um dieser Frage nachgehen zu können, wird im zweiten Kapitel der deut-sche Sozialstaat mit den rechtlichen Grundlagen, seiner Struktur- und Gestaltungsprinzipien, die Finanzierung sowie ausgewählte Probleme betrachtet und aufgezeigt. Da es zahlreiche Modelle und Ideen eines Bedingungslosen Grundeinkommens gibt, werden im dritten Kapitel dieser Ar-beit drei diskutierte Modelle/Ideen erläutert und im Anschluss ein Fallbeispiel und dessen Ergebnisse dargestellt. Ein kurzer Ausblick auf eine mögliche Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens schließt diese Arbeit im vierten Kapitel ab.
[...]
Bedingungsloses Grundeinkommen. Eine kritische Ausei-nandersetzung mit der Finanzierung und möglichen Folgen einer Einführung (von Jennifer Beyen)
1. Einleitung
Im Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit und der zunehmenden Bevölkerungsarmut rückt die Suche nach Lösungen dieser Probleme immer mehr in den Vordergrund. Als ein mögliches Lösungskonzept wird hierzulande nun schon seit geraumer Zeit die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Dieses sozialökonomische Modell sieht eine gesetzliche Zahlung an alle Bürger vor, die eine Sicherung der Existenz leisten soll und keiner Gegenleistung bedarf.
Doch diese Idee ist nicht neu. Bereits 1516 gab es von Thomas Morus in seinem Buch "Utopia" den Vorschlag, jedem Landesbewohner Geld zum Leben zur Verfügung zu stellen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde diese Idee wieder aufgegriffen: Juan Luís Vives hielt eine zugesicherte Zahlung eines Minimaleinkommens für eine wirkungsvolle Form der Nächstenliebe. Über Jahrhunderte hinweg tauchten diese und ähnliche Ideen immer wieder auf und wurden weiter entwickelt, doch es dauert bis 1912, bevor es das erste anschauliche Modell in Deutschland für ein zugesichertes Grundeinkommen gab.
Ein besonderer Kritikpunkt an den heute vorherrschenden Modellen ei-nes bedingungslosen Grundeinkommens ist die Folge seiner Einführung für Wirtschaft und Preise. Entsprechend vieldiskutiert und umstritten ist das Thema in der deutschen Politik. Während CDU-Politiker fürchten, dass Menschen diese Transferzahlung als Anlass nehmen könnten, sich endgültig von der Arbeitswelt abzuwenden, sieht die SPD das Grundeinkommen lediglich als Abspeisung der Menschen mithilfe finanzieller Mittel. Die FDP hält dagegen eine Transferzahlung für sinnvoll, die nicht bedingungslos getätigt wird, sondern eine allgemeine Verpflichtung zur Ar-beit impliziert. Jedoch gibt es auch viele Unterstützer des bedingungslosen Grundeinkommens. Das Netzwerk Grundeinkommen, attac sowie der Deutsche Bundesjugendring sprachen sich wiederholt für dessen Einführung aus.
Doch welche Vor- und Nachteile hat die Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens nun konkret? Mit welchen Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft sind zu rechnen? Und eine der wichtigsten Fragen: Ist eine derartige Transferzahlung für Deutschland überhaupt finanzierbar?
Diese Arbeit soll zunächst anhand eines Finanzierungsmodells erklären, dass ein Grundeinkommen (zumindest in der dargelegten Form) nicht finanzierbar ist. Darüber hinaus wird eine Auswahl der gängigsten Argumente für ein Grundeinkommen widerlegt und somit gezeigt, dass – unabhängig von einer gesicherten Finanzierung – die Einführung eines Grundeinkommens die Probleme unserer heutigen Gesellschaft nicht zu lösen vermag.
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Das bedingungslose Grundeinkommen aus soziologischer Sicht (von Monika Berger-Lenz)
1. Einleitung
Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Franz Müntefering ist dieser Satz vermutlich leicht über die Lippen gekommen. Er hat sein Einkom-men und sein Auskommen. Das hat auch der Unternehmer und Inhaber von dm Götz Werner. Dennoch plädiert er für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Es soll das genaue Gegenteil des Arbeitslosengeldes 2 sein, bekannt unter dem Namen Hartz IV: „Hartz IV ist nichts anderes als Kujonierung des Bürgers durch den Staat und in seiner Auswirkung auf den Betroffenen nur vergleichbar mit offenem Strafvollzug.“ (2007, S. 91) Diese beiden Positionen markieren die entgegengesetzten Pole in der Debatte um ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Hintergrund der De-batte ist die immer geringere Zahl an Arbeitsplätzen und die steigende Zahl Arbeitsloser.
„Eine Epoche geht zu Ende, die mit Bismarcks Sozialgesetzen begann und die zuletzt den Anschein erweckte, als sei tatsächlich die große Aufgabe gelöst worden, für die Mehrzahl der Menschen ein Leben in Freiheit und Sicherheit auf der Grundlage ihrer Beteiligung an der Erwerbsarbeit zu gewährleisten.“ (Beck, 2000, S. 15) Diese Worte Ulrich Becks fassen zu-sammen, was auch immer mehr Menschen in Deutschland klar wird: Die Zeit der sogenannten Vollbeschäftigung ist vorbei. Bezahlte Arbeit wird immer seltener. Millionen Arbeitslose bevölkern das Land. Viele beziehen seit Jahren ihr Einkommen aus den verschiedenen Sozialtöpfen. Doch nicht die Arbeit ist es, die den Deutschen ausgeht. Es ist die Erwerbsar-beit. „Mit Blick auf die Arbeit wird die LOHNARBEIT zugunsten anderer lebenserhaltender Tätigkeiten zurückgedrängt...“, meint Wieland Jäger (1989, S. 84).
Der Mensch braucht Einkommen, um zu leben. Und er hat zunehmend seltener die Möglichkeit, dieses Einkommen aus Arbeit zu beziehen. An dieser Stelle setzt die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, im folgenden BGE genannt, an. Doch wäre das BGE tatsächliche eine Lösung? Welche Auswirkungen hätte es auf die Menschen? Würden sie viel-leicht ihre sozialen Kontakte verlieren, sich zurückziehen, isolieren? Würden sie krank werden, weil ihnen die Arbeit fehlt? Möglicherweise würden sie sich nicht mehr bilden? Wie steht es um das Leben in der Fa-milie, wenn es das BGE gäbe? In dieser Arbeit werden diese Punkte nä-her betrachtet. Bei der zugrundeliegenden Literatur handelt es sich um sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien. Empirische Untersu-chungen einer solchen Situation gibt es nicht, da es das BGE noch nicht gibt. Die Diskussion dazu verläuft allerdings immer engagierter. An dieser Stelle soll ein Überblick über den Stand der Debatte gegeben werden. Dabei überwiegt die Argumentation der Befürworter eines BGEs. Eine grundlegende Auseinandersetzung der Kritiker des BGEs mit diesem Thema gibt es derzeit kaum. Wo es sie gibt, bezieht sie sich hauptsächlich auf wirtschaftliche Argumente. Unabhängig davon, inwieweit diese zutreffen oder auf Annahmen statt Zahlen beruhen, sollen an dieser Stelle jedoch lediglich die soziologischen Aspekte betrachtet werden. In einem ersten Teil wird das BGE definiert. Dabei werden sowohl Ursprung der Idee als auch aktuelle Konzepte näher betrachtet. In den folgenden Kapiteln sollen die verschiedenen soziologischen Aspekte eines BGEs dargestellt werden. Es wird sich dabei zeigen, dass die Einführung eines BGEs ein grundlegendes Umdenken in der Gesellschaft zur Folge haben dürfte. Die Auswirkungen eines BGEs auf die Gesellschaft wären voraussichtlich enorm.
[...]
[1] Vergleiche http://www.archiv-grundeinkommen.de.
[2] Vergleiche ebenda sowie http://www.grundeinkommen.info und http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen.
[3] Vergleiche http://www.unternimm-die-zukunft.de/index.php?id=54 .
[4] Vergleiche http://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_Modell, http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen, http://www.d-althaus.de/fileadmin/PDF/FAQ_Buergergeld.pdf und http://www.unternimm-die-zukunft.de.
[152] Als Grundgüter der Gesellschaft bezeichnet Rawls Güter, nach denen jeder vernünftige Mensch strebt, unabhängig davon, wie sein Lebensplan aussieht und die ihm, vorausgesetzt er besitzt genügend, mehr Erfolg versprechen. Zentrale Güter seien Rechte, Freiheiten, Chancen, Vermögen, Einkommen und später auch Selbstachtung. Grundgüter wie Gesundheit, Intelligenz gehören nicht zu den gesellschaftlichen Grundgütern, da sie nicht direkt von der Grundstruktur beeinflusst werden (vgl. Frühbauer 2007: 84, Rawls 1979: 112).
[158] Helmut Schmidt (2008).
[159] Vgl. (2001), S. XVI ff.
[160] Vgl. Asmus, Antje/Pabst Franziska (2016), S 27 ff.
[161] Vgl. Deutsche Bundesbank (2016), S. 62.
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- Jens Hofmann (Autor:in), Rosa Grieser (Autor:in), Jonas Hässig (Autor:in), Jennifer Beyen (Autor:in), Monika Berger-Lenz (Autor:in), Denny Knäbke (Autor:in), 2017, Bedingungsloses Grundeinkommen: Allheilmittel für soziale Probleme?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230568