[...] Das Leseverhalten hat sich also verändert! In der nun gut zehn Jahre alten Studie
„Medienwelten Jugendlicher“ nannte noch ein Drittel der Jugendlichen das Lesen als eine
ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Beliebter waren nur Sport treiben und das
Zusammensein mit Freunden. Dagegen lieferte die geschlossene Fragestellung der im Jahr
2000 durchgeführten PISA-Studie („Lesen ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“) für 15-
jährige Schülerinnen und Schüler weit niedrigere Ergebnisse – in allen verglichenen
Ländern2.
Die PISA-Studie hat außer in Sachen Leseverhalten auch eine Verschlechterung der
Lesekompetenz festgestellt (22. Platz) und so eine Zäsur in der bildungspolitischen
Diskussion in Deutschland markiert.
Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen können wir also feststellen, dass Lesen im
Zeitalter der Medien für die Jugendlichen zu einer Kulturtechnik geworden ist, die nicht mehr
als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Die Einstellungen zum Lesen haben sich
verändert und stellen nun den Deutschlehrer vor neue Herausforderungen. Der
Deutschunterricht muss kreativer werden, mehr auf die Voraussetzungen der Schüler
eingehen, um das Interesse an Literatur und das Entstehen einer Lesekultur zu fördern.
Deswegen soll, obwohl es schon viele Untersuchungen zur Lesesozialisation von
Hauptschülern gibt, hier noch eine hinzugefügt werden. Zwei verschiedene Objekte werden
auf die gleiche Weise untersucht werden: Einmal eine Hauptschulklasse aus der Bayreuther
Umgebung, ein M-Zug, von dem man annehmen möchte, besser sozialisiert zu sein, und zum
anderen eine Regelklasse aus der Bayreuther Innenstadt, die aufgrund ihres hohen
Ausländeranteils zumindest aus Sicht der Statistik schlecht lesesozialisiert ist.
Doch will diese Untersuchung noch einen Schritt weitergehen. Es geht uns – im Gegensatz zu
den anderen Untersuchungen nicht darum, einzig bestehende Probleme aufzuzeigen oder Hypothesen zu überprüfen, sondern wir wollen vielmehr aufgrund der Ergebnisse
Wertmassstäbe finden, anhand derer wir Schullektüre für den Unterricht, für eine Gruppe vo n
Subjekten also, auswählen, eine Lektüre, die unsere spezifischen Jugendlichen über ein
positives Erlebnis mit Literatur motivieren kann, sich selbst zu sozialisieren, d.h. die Lust am
Buch bei ihnen (wieder) weckt.
Inhaltsangabe:
1. Einleitung: Einführende Beschreibung der Untersuchung
2. Lesesozialisation
2.1. Medienangebot und Medienkonkurrenz
2.2. Die Familie als lesesozialisatorische Instanz
2.3. Die Peergroup als lesesozialisatorische Instanz
2.4. Die Schule als lesesozialisatorische Instanz
2.5. Selbstsozialisation
2.6. Zusammenfassung
3. Vorstellung des Fragebogens – Erläuterungen
3.1. Freizeitverhalten
3.2. Leseverhalten
3.3. Lesekompetenz
4. Auswertung
4.1. Soziokulturelle Voraussetzungen in der Klasse
4.2. Auswertung des Fragebogens
4.3. Schlussfolgerungen am Beispiel einer möglichen Lektüre
5. Schlussbemerkung
6. Anhang:
6.1. Fragebogen
6.2. tabellarische Auflistung der Ergebnisse des Fragebogens
6.3. grafische Umsetzung der Ergebnisse
7. Literaturangaben
1. Einleitung
Seit Jahren orakeln Kulturpessimisten, vor allem das Internet und das zunehmende Angebot an Fernsehkanälen würde dem Buch irgendwann den Garaus machen. Verschiedene neuere Untersuchungen wie etwa der Stiftung Lesen scheinen diesen Trend, diese Abwanderung vom Lesen zu stützen. Viele lesen zwar nicht weniger, beschreibt die Stiftung Lesen das Phänomen, aber dafür seltener, oberflächlicher - und brechen die Lektüre schneller ab, wenn sie nicht ihren Erwartungen entspricht[1].
Das Leseverhalten hat sich also verändert! In der nun gut zehn Jahre alten Studie „Medienwelten Jugendlicher“ nannte noch ein Drittel der Jugendlichen das Lesen als eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Beliebter waren nur Sport treiben und das Zusammensein mit Freunden. Dagegen lieferte die geschlossene Fragestellung der im Jahr 2000 durchgeführten PISA-Studie („Lesen ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“) für 15-jährige Schülerinnen und Schüler weit niedrigere Ergebnisse – in allen verglichenen Ländern[2].
Die PISA-Studie hat außer in Sachen Leseverhalten auch eine Verschlechterung der Lesekompetenz festgestellt (22. Platz) und so eine Zäsur in der bildungspolitischen Diskussion in Deutschland markiert.
Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen können wir also feststellen, dass Lesen im Zeitalter der Medien für die Jugendlichen zu einer Kulturtechnik geworden ist, die nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Die Einstellungen zum Lesen haben sich verändert und stellen nun den Deutschlehrer vor neue Herausforderungen. Der Deutschunterricht muss kreativer werden, mehr auf die Voraussetzungen der Schüler eingehen, um das Interesse an Literatur und das Entstehen einer Lesekultur zu fördern.
Deswegen soll, obwohl es schon viele Untersuchungen zur Lesesozialisation von Hauptschülern gibt, hier noch eine hinzugefügt werden. Zwei verschiedene Objekte werden auf die gleiche Weise untersucht werden: Einmal eine Hauptschulklasse aus der Bayreuther Umgebung, ein M-Zug, von dem man annehmen möchte, besser sozialisiert zu sein, und zum anderen eine Regelklasse aus der Bayreuther Innenstadt, die aufgrund ihres hohen Ausländeranteils zumindest aus Sicht der Statistik schlecht lesesozialisiert ist.
Doch will diese Untersuchung noch einen Schritt weitergehen. Es geht uns – im Gegensatz zu den anderen Untersuchungen nicht darum, einzig bestehende Probleme aufzuzeigen oder Hypothesen zu überprüfen, sondern wir wollen vielmehr aufgrund der Ergebnisse Wertmassstäbe finden, anhand derer wir Schullektüre für den Unterricht, für eine Gruppe von Subjekten also, auswählen, eine Lektüre, die unsere spezifischen Jugendlichen über ein positives Erlebnis mit Literatur motivieren kann, sich selbst zu sozialisieren, d.h. die Lust am Buch bei ihnen (wieder) weckt.
Der Einsatzbereich einer solchen Untersuchung könnte folgendermaßen umrissen werden: Wenn wir als Lehrer in eine neue, uns unbekannte Klasse kommen, und eine Schullektüre für den Literaturunterricht auswählen sollen, so kennen wir die Einstellung zum Lesen in dieser Klasse nicht. Folgende Fragen können uns helfen, diese Unklarheiten zu beseitigen, um so erfolgreich einen für diese Jugendlichen passenden und im Sinne der Lesesozialisation erfolgreichen Literaturunterricht machen zu können.
Dann sind vielleicht auch die Schüler der obigen Untersuchungen wieder von dem überzeugt, was die südafrikanische Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer auf dem PEN-Weltkongress im November 2003 in Chile über das Buch sagte:
“Das Buch ist ein Medium, das bei Stromausfall nicht verstummt. Sie können es auf einem Berggipfel genießen oder in einem Bus oder in einer Schlange ohne jemanden zu stören, und Sie sind von nichts anderem abhängig als von Ihren eigenen Augen.“[3]
2. Lesesozialisation
Der Begriff ‚Sozialisation‘ im Sinne von Enkulturation meint das „Mitglied- Werden“ des Menschen in einer Gesellschaft oder in einer Kultur. Dieser wissenschaftlicher Grundbegriff, darf nicht mit Erziehung gleichgesetzt werden, da er eher auf die „Vergesellschaftung“ eines Individuums abzielt, was soviel bedeutet wie die grundlegende und allseitige Einführung dieses Individuums in die Gesellschaft selbst, oder zumindest in einen Teil der Gesellschaft. Ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu sein, heißt, auch den dazugehörigen Regelkanon dieser zu übernehmen.
Es gibt zwei verschiedene Phasen der Sozialisation: die primäre und die sekundäre Sozialisation. Während der primären Phase tritt der Mensch ein in die Gesellschaft. Diese Phase ist beendet, wenn sich alles, was damit zusammenhängt, im Bewusstsein des Kindes gefestigt hat.
Während der Phase der sekundären Sozialisation erfährt das Individuum spezielle Einweisungen in neue Ausschnitte der eigenen Gesellschaft.
Das heißt also, dass die gesellschaftliche Welt für die Heranwachsenden doppelt gefiltert wird.
Ein wichtiger Bestandteil der primären Sozialisation ist die Lesesozialisation. Unter Lesesozialisation versteht man im allgemeinen einen Prozess der Aneignung und Vermittlung von Kompetenzen zur Textrezeption und Textverarbeitung sowohl literarischer Texte als auch Gebrauchstexte durch das Hineinwachsen in die verschiedensten sozialen und auch räumlichen Umwelten des Lesens und den damit zusammenhängenden eigenen Erfahrungen mit auf das Lesen bezogenen Aktivitäten. „Lesen lernt man durch Lesen“ - deshalb korrelieren gleichermaßen der Spaß am Lesen an sich und das Interessen an dem breiten Angebot des angebotenen Lesestoffes notwendig mit der Lese- Kompetenz. Wichtig für eine Entwicklung zu einer positiven Einstellung zum Lesen ist einer lesefreundliche Sozialisation, die wiederum auch die Lesekompetenz positiv beeinflussen kann.
Allerdings muss man auch erwähnen, dass die entsprechenden Sozialisationsbedingungen die Freude am Lesen nicht nur fördern, sonder im schlimmsten Fall sogar hemmen können. Das ist beispielsweise der Fall, wenn bereits während der primären Phase nicht auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen wird oder von Seiten der Leserzieher her zu hohe Erwartungen gestellt werden.
2.1. Medienangebot und Medienkonkurrenz
In unserer heutigen Zeit steht jedem einzelnen von uns ein umfangreiches Medienangebot zur Verfügung. Von Kindesbeinen an wachsen wir alle in eine Welt voller bunter Fernsehprogramme, spektakulärer Kinoneuheiten, vielfältiger Radiosender, unterschiedlichster Zeitungen und Zeitschriften und natürlich auch Bücher. Jedoch erzeugen sowohl Vielfalt als auch Komplexität eine gewissen Dispartheit in der Medienrezeption und Entwicklungsakzelerationen, was rückwirkende Folgen auf das Medienverhalten des Menschen mit sich bringt und zu einer noch stärkeren Differenzierung führt.
Kinder und Jugendliche nutzen tendenziell alle angebotenen Medien recht aufgeschlossen und gleichermaßen innovativ. Leider lässt sich aber feststellen, dass dabei gerade besonders die auditiven Medien stark dominant von den Heranwachsenden genutzt werden. So ist beispielsweise immer häufiger zu beobachten, dass ein Fernseher aus ihrem Leben kaum mehr weg zu denken wäre, da er, wenn auch nur als untermalende Geräuschkulisse, viele Stunden am Tag angeschaltet bleibt.
Das Lesen steht heute also eindeutig sowohl hinter anderen mediengebundenen Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel das Fernsehen oder das Radio hören, als auch hinter diversen Hobbys, wie zum Beispiel verschiedene Sportarten, Basteln, Freunde treffen,...
Des weiteren werden ebenso viel häufiger Tageszeitungen und Zeitschriften zur Hand genommen als Bücher.
Zwar schließen sich das Bücherlesen und die Nutzung anderer Medien nicht aus, dennoch hält das Lesen heute bei den Kindern und Jugendlichen seine eher nachrangige Position. Gerade noch ungefähr ein Viertel aller Heranwachsenden lesen in der heutigen Zeit noch täglich. 80 % der Kinder und Jugendlichen dagegen, zählen allerdings lediglich Radio hören und Fernsehen zu ihren festen Gewohnheiten. Mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung ist mittlerweile als ‚buchfern‘ einzustufen, wogegen es sich bei lediglich 10 % aller Haushalte um Vielkäufer(= ca. vier Bücher im Jahr) von Jugendliteratur handelt.
Ein buchgeprägtes und bildungsorientiertes Hineinwachsen in eine „Lesekultur“ scheint also mittlerweile obsolet geworden zu sein. Der wichtigste Geschichtenerzähler unserer Zeit ist der Fernseher, und er wird es wohl in naher Zukunft auch bleiben.
Welche Medien die Jugendlichen hauptsächlich nutzen, hängt jedoch im wesentlichen stark vom Anregungsklima ihrer alltäglichen Umwelt ab. Das heißt, es besteht durchaus die Möglichkeit, die Mediengewohnheiten der Heranwachsenden zum Positiven hin verändern. Im folgenden möchte ich diesbezüglich noch intensiver darauf eingehen.
2.2. Die Familie als lesesozialisatorische Instanz
Wegbereiter für das spätere Leseverhalten der Heranwachsenden ist die primäre Lesesozialisation. Durch sie wird das Empfinden für die Bedeutung des Lesens geweckt. Eine Basis für die spätere richtige Nutzung von Büchern ist die Anteilnahme der Familie an der Leseentwicklung der Kinder. Die Erfahrungen, die ein jeder in seiner Kindheit selbst mit dem Lesen macht, und auch der Umgang mit Lesen und Printmedien, die man in seinem nahen sozialen Umfeld erlebt, beeinflusst wesentlich das eigene Leseverhalten im zukünftigen Leben. Die Integration des Lesens im familiären Alltag ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung einer positiven Beziehung zu dieser Kulturtechnik.
Die Lesesozialisation unserer Kinder beginnt also durchaus nicht erst mit dem Schriftspracherwerb im Deutschunterricht, sondern bereits im frühen Kleinkindesalter, zum Beispiel mit dem gemeinsamen Bilderbuchlesen von Eltern und Kind, wobei in den meisten Fällen gerade die Mutter eine wichtige Position als Leseerzieherin einnimmt. Vor allem die Art und Weise, wie von Seiten der Mutter/ Eltern her dieser Vorlesedialog gestaltet wird, ist von Anfang an von enormer Bedeutung für das weitere Leseverhalten des Kindes. Wird nämlich eben dieser Dialog vom Vorleser attraktiv und greifbar gestaltet, wird den Kindern, bewusst und auch unbewusst, eine positive Einstellung zu den Büchern suggeriert, die sie auch in ihrem weiteren Leben in sich tragen können. Ein Lernprozess ohne eine gewisse Gefühlsbindung wäre/ ist für Kinder nämlich außerordentlich schwierig, da sie dabei die Einstellungen und Rollen der Erwachsenenwelt übernehmen sollen.
Auch noch für die Grundschulkinder gilt meist die Mutter als wichtigste Leseerzieherin. Jedoch muss man unterstreichend sagen, dass die Kinder und Jugendlichen im allgemeinen am meisten von einer familialen Lesesozialisation profitieren, die von beiden Elternteilen ausgehend ist. So ist es auch zum Beispiel für Jungen leichter in die Rolle des aktiven Lesers zu schlüpfen, wenn er bereits in jungen Jahren seinen Vater ebenso als solchen erlebt hat.
Ein positiver Einfluss ist auch in diesen Jahren bereits von Seiten älterer Geschwister her erkennbar, wenn es sich bei diesen ebenso um Vielleser handelt.
Das Vorlesen aus Büchern, Buchgespräche und auch das Mitnehmen in Buchläden und Büchereien haben eine entscheidende Bedeutung für den Aufbau stabiler Lesegewohnheiten.
Als von noch eminenter Bedeutung zeigte sich jedoch die Wirkung eines alltäglichen, ungeplanten Vorbildes in den Familien auf das Leseverhalten der Heranwachsenden. Während sich nämlich explizite Aufforderungen und Ermahnungen zum Lesen bei den meisten Kindern eher als kontraproduktiv herausstellen, ist das Vorleben eines guten Leseverhaltens durch die Eltern und Geschwister ein wichtiger Baustein zur Lesesozialisation der Kinder.
Durch die verschiedenen Vorbilder wird also sowohl die Medienkompetenz, als auch das Leseverhalten der Heranwachsenden konditioniert.
Die Zusammenhänge der elterlichen und kindlichen Mediennutzung ist jedoch nicht nur auf den Literaturbereich beschränkt, sondern ebenso für den medialen Gesamtbereich geltend und wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, wie zum Beispiel Personenanzahl, Wohnverhältnisse, Sozialstatus und natürlich auch Medienangebot. Auch das allgemeine Familienklima und gleichermaßen auch das Erziehungsverhalten stehen in engem Zusammenhang damit, welche Bedeutung auditive Medien und damit auch Printmedien im Alltag der Familien einnehmen. Umgekehrt kann das jedoch beispielsweise bedeuten, dass sich ein zu hoher und relativ einseitiger Fernsehkonsum negativ in den Familien auswirkt. Ein maßvolles Umgehen mit den auditiven Medien lässt damit eine positive Familienentwicklung erkennbar werden.
Leider muss man jedoch mittlerweile sagen, dass der Einfluss der Familie als lesesozialisatorische Instanz eine schwindende Tendenz aufweist. Das Buchlesen wird zu einer bloßen erzieherischen Maxime, ohne auch nur im geringsten im Familienalltag vorgelebt zu werden. Dies zeigt sich besonders ausgeprägt in Familien der sozialen Unterschicht. In Mittel- und Oberschicht jedoch, lässt sich das Phänomen der sogenannten Luxusverwahrlosung erkennen. ‚Luxusverwahrlosung‘ bezeichnet nicht anderes als die Tatsachen, dass die Eltern es nicht verstehen die materiell und sozial günstigen Bedingungen für ihre Kinder richtig zu nutzen.
Auch zerfällt die Familie mehr und mehr als gesellschaftliche Institution- aus Kindern werden Scheidungsweisen.
Insgesamt kann also immer weniger davon ausgegangen werden, dass die Familie ihre eminent wichtig Rolle in der Lesesozialisation ausfüllt. Da die Kinder heutzutage jedoch ihre Nachmittage mehr und mehr in betreuten Spielgruppen und Kindergärten verbringen, kann die Möglichkeit einer positiven Beeinflussung gegeben sein, die eventuelle soziale Nachteile ausgleicht.
So ist auf diese Weise auch eine Steigerung der Lesemotivation denkbar.
2.3. Die Peergroup als lesesozialisatorische Instanz
Für das Leseverhalten sozial benachteiligter Kinder spielen natürlich später auch die Peer- Kontakte eine nicht unbedeutende Rolle, die eine lesefreundliche Umwelt, in der das Lesen als angenehm und interessant aufgezeigt wird, vermitteln können.
Spätestens im Laufe der Pubertät ist bei den Jugendlichen ein Einsetzen familienferner Freizeitaktivitäten zu beobachten, wobei dann gerade Gleichaltrige zu einer wichtigen Sozialisationsgröße werden, was einen ambivalenten Einfluss auf die Medien- bzw. Lesesozialisation der Jugendlichen hat. Diese neue Quelle der Leseanregungen und Lektüretipps stellt sich sogar in den meisten Fällen als fruchtender als der Einfluss von Schule oder Eltern heraus, was es durchaus ermöglichen kann, familiäre Defizite zu kompensieren. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn in einem Freundeskreis ein Durchschnittsleser auf einen begeisterten Vielleser trifft oder wenn sich Schichtzugehörigkeiten und Bildungsrichtungen vermengen. Sollten aber während der gemeinsamen Freizeit lediglich nur Fernsehgespräche geführt werden, kommt es eher zu einer negativen Wendung. Leider ist das besonders häufig der Fall, da die Jugendlichen im allgemeinen eher das gleiche sehen, als dass sie es lesen.
Eine weitere negative Wendung innerhalb einer Peergroup ist im Hinblick auf das Abgrenzungsverhalten der Jugendlichen von geltenden „erwachsenen“ Normen durch die Ausklammerung ihrer Gewohnheiten in Gesprächen mit Freunden zu beobachten. AV- Medien sind weitgehendst prestigeträchtiger bei den Teenagern als beispielsweise Büchern. Dazu kommt, dass der Fernseh- und Videokonsum den Widerstand oder das Missfallen der Eltern erweckt und somit eben diese Abgrenzung ermöglicht, während das Lesen von Büchern aufgrund des hohen kulturellen Ansehens in der Gesellschaft in Einklang tritt mit den Elternwünschen. Und genau das gilt wiederum innerhalb der Peergroup als relativ wenig präsentabel.
Auch bilden die Peers ein Forum neuer Freizeitaktivitäten, welche das Freizeitreservat des Lesens ungemein beschneiden.
2.4. Die Schule als lesesozialisatorische Instanz
Der Familie und den verschiedenen Kindergruppen als Instanz der Lesesozialisation folgen in der Regel vier Jahre Erziehung in der Grundschule. In dieser Zeit verändern sich natürlich auch die Inhalte der bis dahin erfahrenen Lesesozialisation. Dort bietet sich für die Schüler in der primären Sozialisationsphase die wohl intensivste Möglichkeit, den selbstständigen Umgang mit Büchern zu erleben, die Eigenleistungen beim Lesen zu steigern und gleichermaßen auch zu lernen, wie sich deren Inhalt erschließen lässt. Dies geschieht anfangs relativ parallel zur familiären Lesesozialisation, da jedoch die Schule auch gleichzeitig die Aufgabe hat, Lesen und Schreiben zu lehren, gehen ihre Aufgaben und Ziele bald schon weit darüber hinaus. Aus bis dahin eher passiven Lesern oder Zuhörern werden aktive Leser.
Mit der fünften Klasse beginnt gleichfalls auch das Eintreten in den Bereich der sekundären Lesesozialisation. So soll in dieser Phase nicht nur das Leseinteresse der Schüler nochmals gesteigert, sondern auch das nun mehr kritische Erfassen eines Textes gelehrt werden.
Durch die Arbeit mit unterschiedlichsten Textsorten und literarischen Formen im Unterricht soll ebenso deren Nutzung im alltäglichen Leben unterstützt werden.
Leider ist es im Alltag jedoch oft der Fall, dass in der Unterrichtsplanung nur selten Themen eingefügt werden, die gleichermaßen Leseinteresse und Leseverhalten der Heranwachsenden unterstützen und vielmehr Wert auf die Qualität der Lesestoffe als auf die grundsätzliche Einstellung zum Lesen an sich gelegt wird, sodass das Lesen in der Schule gegenteilig zum freiwilligen, privaten Lesen zu Hause verläuft. Das lesen in der Schule wird dann in den Köpfen der Heranwachsenden leicht zum lästigen Pflichtprogramm, mit dem schließlich eher negative Konsequenzen einher gehen.
Während in Gymnasium und auch Realschule relativ viel Raum für das Lesen gegeben ist, kommt in der Hauptschule erschwerend hinzu, dass aufgrund der Dringlichkeit der Förderung von Grammatik, Rechtschreibung,... das Lesen oftmals weit in den Hintergrund gestellt wird.
Die Schule zeigt sich also mittlerweile als Instanz der Lesesozialisation insgesamt wenig produktiv. Lesebiographische Studien wecken den Zweifel am Erfolg der derzeitigen schulischen Lesesozialisation. Spätestens ab der Sekundarstufe wird das Auseinanderfallen von Schul- und Privatlektüre deutlich sichtbar, was mehr und mehr zu einem hartnäckigen Problem für den schulischen Literaturunterricht wird. Dies bezieht sich allerdings nicht nur auf den Lesestoff, sondern natürlich auch auf die unterschiedlichen Leseweisen. Besonders Während der Pubertät wird der schulische Literaturunterricht der Jugendlichen Leseinteressen und -bedürfnissen kaum mehr gerecht.
Dennoch bieten sich verschiedene Möglichkeiten, neben dem traditionellen Standartprogramm, wie zum Beispiel Bibliotheksbesuche mit der Schulklasse, freie Lesestunden,... der schulischen Lesesozialisation innerhalb der Unterrichtszeit lesefördernd auf die Schüler einzuwirken. So können zum Beispiel die Lehrerinnen und Lehrer durch interessante Buchtipps, kreative Arbeit mit Texten und die Möglichkeit zur eigenen Textauswahl das Interesse der Schüler an der Welt des Lesens wecken. Außerdem sollte beachtet werden, dass sich gerade die ersten Leseerfahrungen der Kinder als prägend herausstellen und gerade deshalb die Leseerzieher/-sinnen in dieser Hinsicht sensibilisiert werden müssen.
[...]
[1] Stiftung Lesen, a.a.O.
[2] Mädgefrau/Vollbrecht, S.1
[3] Deutschlandfunk, „Das Letzte in Kürze“, am 24.11.2003
- Quote paper
- Alexandra Meier (Author), 2004, Lektürewertung in Bezug auf die Lesesozialisation in der Hauptschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23007
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