Die Kurzgeschichte gilt gerade in der heutigen Zeit als sehr experimentelle literarische Gattung mit vielen Einflüssen. Inhaltlich werden immer neue Themen behandelt, die mit dem Fortschritt zusammen hängen, aber auch klassische Elemente finden ihren Weg in die jüngsten Werke dieses weit gefächerten Genres. In dieser Arbeit möchte ich mich mit den Aspekten des klassischen Grimmschen Märchen auseinander setzen, die sich in den Kurzgeschichten des britischen Schriftstellers Roald Dahl finden. Obwohl er gerade als Autor von Kinderbüchern große Erfolge feierte, zeigen seine Kurzgeschichten eine andere, düstere Seite Dahls, die sich auf Anhieb nicht gleich mit dem Konzept des Märchens vereinbaren lässt. Blickt man jedoch auf die Tradition des Märchens zurück und analysiert diese näher, fällt auf, dass auch hier oftmals ein ernsthafter, fast grausamer unterschwelliger Ton herrscht. Die Überlieferung der Märchen, so wie sie in neu adaptierten Bilderbüchern oder Filmproduktionen auftreten, sind in vielerlei Hinsicht ausgeschmückt und lassen Dinge, wie die verletzten Augen des Prinzen, der von Rapunzels Turm springt, außer Acht. Doch dies ist nur eine der vielen nennenswerten Parallelen, die sich zwischen Dahls Kurzgeschichten und den traditionellen Volksmärchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm ziehen lassen. So gibt es im Märchen häufig eine Art phantastischen Twist, der z.B. darin besteht, dass ein Pfefferkuchenhaus im Wald oder eine andere Welt am Boden eines Brunnens gefunden wird. Diese Momente geben der Geschichte das phantastische Flair eines Märchens und prägen das weitere Geschehen unwiderruflich. Bei Dahl gibt es meist einen ebenso gravierenden Einschnitt in das bis dahin 'normale' Geschehen, allerdings besteht dieser eher in einem Schockmoment, der besonders beim Leser innerhalb kürzester Zeit eine Erkenntnis auslöst. So wird uns z.B. bewusst, welch grausames Geheimnis die alte Dame in The Landlady hat während der junge Billy immer noch fasziniert und ahnungslos in ihrem Salon steht und die ausgestopften Tiere bewundert (vgl. The Landlady, S.18). Dieser Effekt, den man nicht zuletzt aus Horrorfilmen kennt, bei denen man als Zuschauer den Drang verspürt den Protagonisten zu zurufen, wo sich der Mörder versteckt, unterstreicht den außergewöhnlichen Charakter von Dahls Geschichten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ort, Zeit und Namen
- Gut gegen Böse: Typische Figuren
- Der entscheidende Twist
- Wiederholung, Nummernsymbolik und fehlende Gleichzeitigkeit
- Charakterliche Tiefe?
- Isolation und Allenverbundenheit
- Grausamkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Parallelen zwischen klassischen Grimmschen Märchen und den Kurzgeschichten von Roald Dahl. Dabei werden die Gemeinsamkeiten in Bezug auf Figuren, Motive und Erzählstrukturen untersucht. Ziel ist es, die überraschenden Verbindungen zwischen diesen beiden Gattungen aufzuzeigen und die besonderen Merkmale, die Dahls Kurzgeschichten zu einer eigenständigen, düsteren Variante des Märchens machen, hervorzuheben.
- Vergleich von Motiven und Strukturen in Grimmschen Märchen und Dahls Kurzgeschichten
- Analyse der Rolle des ,,entscheidenden Twists" in beiden Gattungen
- Interpretation der typischen Figuren und ihrer Bedeutung in beiden literarischen Formen
- Die Bedeutung von Zeitlosigkeit und Ortlosigkeit in Märchen und Kurzgeschichten
- Die Verbindung von Phantasie und Grausamkeit in den Werken von Dahl
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den klassischen Grimmschen Märchen und den Kurzgeschichten Roald Dahls. Dabei werden die traditionellen Elemente des Märchens herausgestellt und der Fokus auf die düstere Seite von Dahls Werken gelegt. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Thema ,,Ort, Zeit und Namen" und analysiert, wie beide Gattungen die Bedeutung von Zeit und Ort sowie die Benennung von Figuren effektvoll einsetzen.
Kapitel 3 befasst sich mit den typischen Figuren und ihren Rollen in Märchen und Kurzgeschichten. Hierbei wird das Motiv des Guten gegen Böse in beiden Gattungen untersucht und die jeweiligen Charaktere analysiert.
Schlüsselwörter
Grimmsche Märchen, Roald Dahl, Kurzgeschichten, Figuren, Motive, Strukturen, entscheidender Twist, Zeitlosigkeit, Ortlosigkeit, Phantasie, Grausamkeit, Symbolismus, Metaphorik, Verknüpfung, Gattung, Tradition.
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- M.A. Tanja Wittrien (Author), 2009, Märchenelemente in Roald Dahls Kurzgeschichten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229833