Gleichschaltung der Sicherheitsorgane


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Einleitung

Heinrich Himmler, Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, brachte 1937 zum Ausdruck, dass es „nach nationalsozialistischer Auffassung keine allgemein gültige Begriffsbestimmung und Aufgabenstellung der Polizei“ gäbe. Dr. Werner Best, juristischer Berater des Chefs des Sicherheitshauptamtes, der SS Brigade, prägte hingegen den „völkischen“ Polizeibegriff, welcher von der „völkischen“ Staatsauffassung abzuleiten sei[1]. Aber welche Aufgaben übernahm die deutsche Poli­zei zur Zeit des Dritten Reiches wirklich? Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Gleichschaltung der Sicherheitsorgane und fokussiert hierbei eben jene Frage, welche Rolle die Polizei als Instrument des NS-Regimes spielte. Steht bei Betrach­tung des totalitären Machsystems unter Adolf Hitler meist das Schicksal der Opfer im Mittelpunkt, ist es gleichwiegend relevant und aufklärend die Seite der Täter­schaft näher zu beleuchten. Es wird bei der folgenden Bearbeitung von der These ausgegangen, dass die Polizei mit der „Gleichschaltung“ zum wichtigsten Instrument des Führerkorps wurde. „Gleichschaltung“ ist ein nationalsozialistisch geprägter Be­griff, welcher den Vorgang der Einsetzung von Parteifunktionären in sämtliche Füh­rungspositionen beschreibt. Eine essentielle Rolle spielt außerdem der Begriff des „Volks“, welchen Heinrich Himmler mit der nationalsozialistischen Idee erklärt, dass die „wirkliche Erscheinungsform des Menschentums nicht im Einzelmenschen, son­dern im Volk zu sehen“ sei[2]. Hierbei ist es wichtig, das „Volk“ als parteifreundliches Ganzes, fernab von jeglichen Individualitätsbetrachtungen zu werten. Literatur ist zum Thema in vielfältiger Ausführung vorhanden. Die Monographie „Die Polizei im NS-Staat“ von Friedrich Wilhelm fasst grundlegende Informationen zur Gestaltung, Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb des deutschen Polizeisystems zur Zeit des Dritten Reichs detailliert zusammen. Daher dient es der folgenden Betrach­tung als Grundlage. Ein weiteres themenrelevantes Werk bildet der Sammelband „Der Weg in den Nationalsozialismus“ herausgegeben von Michael Kißener, welcher faktenlastige Aufsätze zur „Machtergreifungsphase“ beinhaltet. Zudem ist die Mono­graphie „SS und Polizei im NS-Staat“ von Hans Buchheim in diesem Zusammen­hang erwähnenswert. Diese enthält eine klar gegliederte Chronologie polizeilicher Ereignisse, spezifisch in Bezug auf die „Gleichschaltung der Länder“ und die „Ver­schmelzung von Polizei und SS“ für den relevanten Zeitraum. Obwohl das Werk be­reits 1964 publiziert wurde, ist es dennoch faktisch von großem Nutzen zur Bearbei­tung des Themas. Im Folgenden wird zuerst ein chronologischer Abriss über die wichtigsten Ereignisse für die polizeiliche Gleichschaltung gegeben, wobei die Auf­listung von Verordnungen und Handlungen ihren Platz findet. Im weiteren Verlauf werden Hauptakteure der polizeilichen Gleichschaltung zusammengefasst, unter Be­rücksichtigung ihrer wesentlichen Tätigkeiten und Benennung ihrer Ämter. Der dar­auffolgende Abschnitt soll zur Klärung der Frage, welche Rolle die Polizei spielte. Abschließend werden die Informationen zusammengefasst und unter Berücksichti­gung der eingangs genannten These ausgewertet.

2. Die Gleichschaltung der Polizei

2.1 Ein chronologischer Abriss

Die Gleichschaltung polizeilicher Organe begann, im Gegensatz zur Gleichschaltung der Justiz, bereits Monate vor dem Erlass der Gleichschaltungsgesetze vom 7. April 1933. Ihre Geburtsstunde erfährt sie bereits am 30. Januar 1933, an welchem Adolf Hitler zum Reichskanzler des Deutschen Reiches ernannt wird. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin Hermann Göring die kommissarische Leitung des Preußischen Ministeriums des Innern zu übertragen.[3] Schon zu diesem frühen Zeit­punkt betonte Göring, dass es von enormer Bedeutung sei, „das Machtinstrument der Schutzpolizei und der politischen Polizei fest in die Hand zu bekommen“[4]. Am 4. Fe­bruar 1933 wurde die erste der Notverordnungen, die „Verordnung des Reichspräsi­denten zum Schutze des deutschen Volkes“ erlassen, welche schleichend die Grund­rechte und die Weimarer Verfassung außer Kraft setzen sollte[5]. Es folgte nur zwei Tage später, am 6. Februar, die „Verordnung des Reichspräsidenten zur Herstellung geordneter Regierungsverhältnisse in Preußen“. Diese legalisierte die Positionen von Hitlers Funktionären in Preußen.[6] In Bezug auf die polizeiliche Gleichschaltung ist diese Verordnung prägnant, denn sie führte dazu, dass Göring freie Hand und volle Verfügungsgewalt über die preußische Polizei erlangte.[7] Göring bestellte einen Tag darauf, am 7. Februar 1933, Kurt Daluege, seinerseit SS-Gruppenführer, zum „Kommissar zur besonderen Verwendung“. Er wurde mit der essentiellen Aufgabe betraut, sich um die politische „Säuberung“ des preußischen Polizeiapparats zu kümmern.[8] Dies stellte den offensichtlichen Beginn der Instrumentalisierung der Polizei zugunsten des Regimes dar. Innerhalb kurzer Zeit wurden 14 Polizeipräsidenten preußischer Großstädte im Februar ihrer Ämter enthoben[9]. Der „Schießbefehl“, welchen Hermann Göring am 17. Februar 1933 verkündete, brachte erstmals das absolut skrupellose Vorgehen des Terrorregimes zum Vorschein. Göring verfügte, dass preußische Polizisten fortan „die nationale Propaganda mit allen Kräften zu unterstützen“ und „wenn nötig, rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch zu machen“ hätten.[10] Dieser „Schießerlass“ wurde ausdrücklich als Erlass zur Förderung der nationalen Bewegung bezeichnet und verpflichtete die Polizei, „auch nur jeden Anschein einer feindlichen Haltung oder gar den Eindruck einer Verfolgung gegenüber nationalen Verbänden, wie SA, SS und Stahlhelm, und nationalen Parteien unter allen Umständen zu vermeiden“.[11] Vielmehr seien diese Gruppen polizeilich „mit allen Kräften zu unterstützen“.[12] Des Weiteren sei „staatsfeindlichen Organisationen mit schärfsten Mitteln entgegenzutreten“ und „gegen kommunistische Terrorakte und Überfälle [...] mit aller Strenge vorzugehen und, wenn nötig, rückhaltlos von der Waffe Gebrauch zu machen“.[13] Hermann Göring drohte jedem „bei falscher Rücksichtnahme“ mit dienststrafrechtlichen Konsequenzen: „Jeder Beamte hat sich stets vor Augen zu halten, dass die Unterlassung einer Maßregel schwerer wiegt als begangene Fehler in der Ausübung“.[14] Göring übernahm zudem ausdrücklich die Verantwortung für jegliche Handlungen unter diesem Befehl. Zudem stellte dieser Erlass eine „völlige Einschwörung in der Beamtenschaft auf den nationalsozialistischen Maßnahmenstaat an, die wenige Monate später Ausdruck in der „Säuberung“ und „Gleichschaltung“ der Exikutive und Judikative fand“[15]. Die Gleichschaltung der preußischen Polizei besann sich sowohl auf Vorbilder der „Infiltration, aber auch der Sympathiewerbung“.[16] Parteifreundliche Organisationen, wie SS, SA, Stahlhelm und der nationalsozialistische Kampfring, sollten in den Prozess der polizeilichen Gleichschaltung involviert werden. Es erging der „Erlass über die Einberufung und Verwendung von Hilfspolizei“, welcher dieses Vorhaben verwaltete. In Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen vom 22. Februar 1933 kristallisierte sich ausdrücklich heraus, dass dieses Vorgehen auf die Unterstützung der Regierung und nicht auf den Schutz des Rechts abzielten.[17] Ein weiterer bedeutender Schritt auf dem Weg zur Instrumentalisierung der Polizei war getan. Unterdessen entstand, wiederum unter Görings Aufsicht, in Preußen die Geheime Staatspolizei als eigene Organisation, wie auch in den übrigen Ländern die politischen Polizeien als Verfolgungsinstrument ausgebaut wurden.

[...]


[1] Friedrich Wilhelm: Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. Paderborn 1997, S. 13.

[2] Michael Wildt: Polizei und Volksgemeinschaft. In: Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Prinz-Albrecht-Straße; eine Dokumentation. Berlin 2010, S. 4.

[3] Friedrich Wilhelm: Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. Paderborn 1997, S. 37.

[4] Hermann Göring: Aufbau einer Nation. Berlin 1934, S. 84.

[5] Wilhelm 1997, S. 37.

[6] Wilhelm: 1997, S. 37.

[7] Ebd.

[8] Ebd. S. 38.

[9] Michael Wildt: Geschichte des Nationalsozialismus. Göttingen 2008, S. 75.

[10] Ebd.

[11] Peter Steinbach: Die Gleichschaltung. Zerstörung der Weimarer Republik – Konsolidierung der nationalsozialistischen Diktatur. In: (Hrsg.) Michael Kißener: Der Weg in den Nationalsozialismus 1933/34. Darmstadt 2009, S. 75.

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] Steinbach 2009, S. 75.

[15] Ebd.

[16] Ebd.

[17] Ebd. S. 76.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Gleichschaltung der Sicherheitsorgane
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Nationalsozialistischer Terrorapparat
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V229723
ISBN (eBook)
9783656458807
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gleichschaltung, Nationalsozialismus, Polizei, Machtinstrument, Sicherheitsorgane, Verfolgungsapparat, Terrorapparat
Arbeit zitieren
Victoria Domeyer (Autor:in), 2012, Gleichschaltung der Sicherheitsorgane, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229723

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