Christian Kracht ist einer der einflussreichsten Autoren der letzten zwei Jahrzehnte. Er „fasziniert, begeistert – und irritiert. […] Er wird verehrt und verdammt, gepriesen und gescholten, verklärt und missverstanden – und, nicht selten, vereinnahmt für Bewegungen, Ideen und Generationen, zu denen er sich nicht bekannt hat.“ Dies zeigte sich zuletzt in der Rezension des Spiegel-Kritikers Georg Dietz zu dem Roman Imperium, wo dieser Christian Kracht unterstellte, er sei „der Türsteher der rechten Gedanken.“ Weiter polemisierte Dietz, dass man an seinem Beispiel sehen könne, „wie antimodernes, demokratiefeindliches, totalitäres Denken seinen Weg“ hineinfände „in den Mainstream“. Ein Aufschrei seitens der Autorenliga der Gegenwartsliteratur war die Folge, denn der Kritiker hatte den Roman schlichtweg missverstanden oder absichtlich aus dem Kontext gerissen, um dem Autor zu schaden. Die Vorwürfe wurden schließlich als haltlos eingestuft und Christian Kracht erhielt für Imperium seinen ersten Literaturpreis. Dieses und zwei weitere Werke des Autors sollen in der vorliegenden Arbeit analysiert werden.
Christian Kracht betont stets von sich selbst, dass er nichts Neues mehr erfinde, sondern nur alte Motive aufgreife und variiere. Seine Werke sind gespickt mit Zitaten und Referenzen. In seiner Dankesrede anlässlich des ihm für Imperium verliehenen Wilhelm-Raabe Preises bezichtigt Kracht sich gar der Hochstapelei und äußert seine Sorge, damit bald aufzufliegen, dass er „als Literat gar nichts Neues mehr wirke, sondern das von großen Vorgängern wie Salinger, Conrad oder Jünger Geschaffene nur aufnehme, variiere, allenfalls ‚mit einer neuen Glasur‘ versehe.“ Diesem Gestus bleibt der Autor treu, denn in Faserland, 1979 und vor allem Imperium zitiert er ein literarisches Motiv, das schon jahrhundertelang in der deutschen und internationalen Literaturgeschichte verankert ist: Das Aussteiger-Motiv. Sebastian Domsch erkennt Faserland als eine „Abstiegs und damit auch eine Ausstiegsgeschichte“ und führt an, dass 1979 gleichsam noch als Steigerung dessen als „radikalen sozialen Ausbruchsversuch“ anzusehen ist. In seinem Roman Imperium, der sich zwar thematisch und erzählerisch entschieden von den beiden anderen unterscheidet, verfolgt Kracht dieses Motiv weiter und erzählt mit einer Mischung aus historischer Satire und ironisch überformter Pseudorobinsonade die vermeintlich konsequenteste Form einer Aussteigergeschichte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Christian Kracht als Aussteiger?
- Die Figur des Aussteigers bei Christian Kracht
- Faserland
- 1979
- Imperium
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die Figur des Aussteigers in drei Romanen Christian Krachts: Faserland, 1979 und Imperium. Die Arbeit untersucht die Motive der Protagonisten für ihren Ausstieg, analysiert ihren Triumph oder ihr Scheitern und betrachtet den sich von Roman zu Roman verändernden Erzählstil.
- Das Aussteiger-Motiv in der Literatur
- Die Charakterisierung der Aussteigerfiguren in den drei Romanen
- Der Einfluss des sozialen und historischen Kontextes auf die Aussteigermotive
- Die Darstellung des Aussteiger-Scheiterns in den drei Romanen
- Der sich verändernde Erzählstil in Christian Krachts Werken
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und liefert einen kurzen Überblick über den Forschungsstand zum Aussteiger-Motiv in Christian Krachts Werken. Dabei werden insbesondere die Romane Faserland und 1979 sowie die Kritikerdebatte um Imperium in den Fokus gerückt.
2. Christian Kracht als Aussteiger?
Dieses Kapitel beleuchtet die Biographie Christian Krachts und stellt die Frage, ob er selbst Züge eines Aussteigers trägt. Der Begriff des Aussteigers wird anhand des Brockhaus und wissenschaftlicher Literatur definiert und auf Krachts Leben und Werk bezogen.
3. Die Figur des Aussteigers bei Christian Kracht
3.1. Faserland
Der Abschnitt analysiert den Protagonisten aus Faserland und untersucht dessen Motive für den Ausstieg aus der Gesellschaft. Die Analyse beleuchtet die Rolle von Marken- und Medienkonsum im Roman und zeigt, dass Kracht die Popliteratur gleichzeitig zitiert und dekonstruiert. Die Arbeit untersucht auch die verschiedenen Aussteigerversuche des Protagonisten und hinterfragt, ob diese gelingen.
3.2. 1979
Dieser Abschnitt beleuchtet den zweiten Roman und analysiert die Reise eines schwulen Paares in das vorrevolutionäre Teheran. Die Arbeit untersucht die Figurenkonstellation und die verschiedenen Stufen des Abstiegs des namenlosen Protagonisten. Der Abschnitt beleuchtet auch die Rolle des Wertemandels im Roman und hinterfragt die Frage, ob der Protagonist tatsächlich aus der Gesellschaft aussteigt.
3.3. Imperium
Dieser Abschnitt untersucht die Geschichte des Nürnberger Apothekers August Engelhardt, der sich in der deutschen Kolonie Deutsch-Neuguinea ein neues Leben aufbauen möchte. Die Analyse beleuchtet den sich von den vorherigen Romanen unterscheidenden Erzählstil und untersucht die Gründe für Engelhardts Ausstieg aus der Gesellschaft. Die Arbeit untersucht auch die Entwicklung Engelhardts zum Antisemiten und Kannibalen und stellt die Frage, ob dieser Aussteigerversuch gelingen kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Aussteiger-Motiv in der Literatur, der Analyse der Protagonisten in Christian Krachts Romanen Faserland, 1979 und Imperium, den Motiven für ihren Ausstieg, den Auswirkungen des sozialen und historischen Kontextes sowie dem Scheitern des Aussteigerversuchs. Darüber hinaus untersucht die Arbeit den sich verändernden Erzählstil Christian Krachts und seine Auseinandersetzung mit der Popliteratur. Als relevante Schlüsselbegriffe können beispielsweise "Aussteiger", "Zivilisationsflucht", "Identitätsverlust", "Dekadenz", "Popliteratur", "Antisemitismus" und "Kannibalismus" genannt werden.
- Quote paper
- B.A. Alexander Batzke (Author), 2013, Die Figur des Aussteigers in Christian Krachts "Faserland", "1979" und "Imperium", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229701