In vielen modernen funktionellen Materialien werden dünne Schichten und Folien unterschiedlicher Materialzusammensetzung im Mikro- und Nanometerbereich kombiniert. Insbesondere polymere Beschichtungssysteme wurden seit jeher für verschiedene technische Anwendungen verwendet (z.B. als Beschichtung von Werkzeugen oder Geräten, Automobillackierungen etc.). Um bestimmte optische, elektrische, magnetische oder mechanische Eigenschaften beeinflussen oder generieren zu können, werden meist anorganische Füller in eine Polymermatrix eingearbeitet, so dass funktionali-sierte Polymerschichten synthetisiert werden können.
Für die Quantifizierung solcher Mehrschichtstrukturen mithilfe von röntgenfluoreszenzspektroskopischen- oder massenspektrometrischen Messsystemen und eine spätere Validierung dieser Analysentechniken werden polymere Mehrschichten als Referenzmaterial benötigt, deren Analytkonzentrati-onen und Schichtdicken genau definiert sind. Messsysteme wie die dreidimensionale Röntgenfluoreszenzanalyse (3D μRFA), ns-Laserablation-Quadrupolmassenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ns-LA-ICP-QMS) und Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie (TOF-SIMS) werden zurzeit (weiter-)entwickelt oder sind erst seit kurzem verfügbar. Diese konfokalen oder tiefensensitiven Messsysteme erlauben eine semi- oder zerstörungsfreie Bestimmung anorganischer und/oder organischer Komponenten mit der Probentiefe.
Zur Quantifizierung mit diesen Messmethoden müssen Referenzmaterialien einer definierten Schichtdicke mit stöchiometrischen Mengen an röntgen- oder massenspektrometrisch detektierbaren Substanzen präpariert werden, welche bisher kommerziell nicht verfügbar sind. Zudem stellen solche Messsysteme hohe Ansprüche an ein solches Referenzmaterial im Hinblick auf die elementare Zusammensetzung, Schichtstruktur, Aufbau, Film- und Schichtdicke, Homogenität, Stabilität etc. Die Kenntnis dieser Eigenschaften ist wichtig, da diese die Intensität des Röntgen- bzw. Isotopen-Signals direkt oder indirekt beeinflussen können.
Verschiedene Präparationsmethoden erlauben die Herstellung solcher Mehrschichtsysteme mit unterschiedlichen Füllmaterialien bzw. Analyten, Schichtdicken und Schichtstrukturen, die den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bilden und hier präsentiert werden. Zudem wird die Charakterisierung dieser Mehrschichtsysteme mit der 3D μRFA, ns-LA-ICP-QMS und TOF-SIMS vorgestellt.
Schlagwörter: 3D μRFA, Laserablation, ICP-QMS, TOF-SIMS, Referenzmaterial
Inhaltsverzeichnis
Kapitel I
Einleitung
Kapitel II: Methodik
1. Referenzmaterialien
2. Strahlenhärtende Lackformulierungen
3. Füllmaterialien und Additive
3.1 Metalloxide
3.1.1 Oxide von Übergangsmetallen
3.1.2 Hydrophile pyrogene Kieselsäure
3.2 Organometallische Verbindungen
3.2.1 Lithiumacrylat
3.2.2 Eisen(II)-fumarat
3.2.3 Einzelelementstandards auf Ölbasis
3.3 Additive
3.3.1 Entschäumer und Entlüfter
3.3.2 Oberflächenadditive
3.3.3 Netz- und Dispergieradditive
4. Applikationsmethoden
4.1 Rakeltechnik
4.2 Rotationsbeschichtung
Kapitel III: Dreidimensionale mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (3D μRFA)
1. Technik
2. Präparation und Charakterisierung der Schichtsysteme
2.1 Bestrahlungsquelle
2.2 Einfluss der Polymerviskosität auf die Drehzahl des Dissolver-Rührwerks
2.3 Lackformulierung
2.3.1 Polymermatrix
2.3.2 Polymermischungen der S-Probenserie mit Eisen(III)- und Kupfer(I)-oxid
2.3.3 Polymermischungen der R-Probenserie mit Zinkoxid und Nickel(II)-oxid
2.3.4 Polymermischungen der R-Probenserie mit Chrom(III)-oxid
2.3.5 Polymermischungen der R-Probenserie mit Zinkacrylat
2.4 Applikation mittels Rakeltechnik
2.5 Präparierte Schichtsysteme
2.6 Bestimmung der Nass- und Trockenschichtdicke
2.7 Bestimmung des Gewichtsverlustes
2.8 Bestimmung der Dichte
2.9 Bestimmung der realen Analytkonzentrationen
2.10 Überprüfung der Homogenität
3. Anwendung
3.1 3D μ-SYRFA am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
3.2 3D μRFA an der Technischen Universität Berlin
Kapitel IV: ns-Laserablation-Quadrupolmassenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ns-LA-ICP-QMS)
1. Technik
2. Präparation und Charakterisierung der Schichtsysteme
2.1 Lackformulierung
2.1.1 Polymermatrix
2.1.2 Polymermischung mit Zinkacrylat
2.1.3 Polymermischung mit Zinkneodecanoat
2.1.4 Polymermischung mit Zinkoxid, Eisen(III)-oxid oder Kupfer(II)-oxid
2.2 Applikation mittels Rotationsbeschichtung
2.2.1 Auswahl des Substratmaterials
2.2.2 Bestimmung der Applikationsparameter
2.3 Präparierte Schichtsysteme
2.4 Bestimmung der Trockenschichtdicke
2.5 Bestimmung der realen Analytkonzentrationen
2.6 Überprüfung der Homogenität
3. Anwendung
3.1 Variation von Laserparametern
3.2 Homogenitätsvergleich mittels LA-ICP-QMS
3.3 Bestimmung von Ablationsraten
3.4 Tiefenprofilierung an einem Mehrschichtsystem
Kapitel V: Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie (TOF-SIMS)
1. Technik
2. Präparation und Charakterisierung der Schichtsysteme
2.1 Lackformulierung
2.1.1 Polymermatrix
2.1.2 Polymermatrix mit Einzelelementstandards auf Ölbasis
2.1.3 Polymermatrix mit Lithiumacrylat
2.1.4 Polymermatrix mit hydrophiler pyrogener Kieselsäure
2.1.5 Polymermatrix mit Eisen(II)-fumarat
2.2 Applikation mittels Rotationsbeschichtung
2.2.1 Auswahl des Substratmaterials
2.2.2 Bestimmung der Applikationsparameter
2.3 Präparierte Schichtsysteme
2.4 Bestimmung der realen Analytkonzentrationen
2.5 Überprüfung der Homogenität
3. Anwendung
3.1 Massenspektrum & Fragmentierungen
3.1.1 α-Spaltung
3.1.2 Benzyl-Spaltung
3.1.3 Allyl-Spaltung
3.1.4 CO-Eliminierung
3.2 Bestimmung von Ablationsraten
3.3 Tiefenprofilierung und Bestimmung der Schichtdicken durch Rekonstruktion
3.3.1 Lithium auf Ölbasis
3.3.2 Hydrophile pyrogene Kieselsäure
3.3.3 Eisen auf Ölbasis
Kapitel VI: Zusammenfassung & Ausblick
Anhang
1. Literaturverzeichnis
2. Abkürzungsverzeichnis
3. Weitere Messdaten
4. Erklärung
5. Lebenslauf
Kurzzusammenfassung
In vielen modernen funktionellen Materialien werden dünne Schichten und Folien unterschiedlicher Materialzusammensetzung im Mikro- und Nanometerbereich kombiniert. Insbesondere polymere Beschichtungssysteme wurden seit jeher für verschiedene technische Anwendungen verwendet (z.B. als Beschichtung von Werkzeugen oder Geräten, Automobillackierungen etc.). Um bestimmte optische, elektrische, magnetische oder mechanische Eigenschaften beeinflussen oder generieren zu können, werden meist anorganische Füller in eine Polymermatrix eingearbeitet, so dass funktionalisierte Polymerschichten synthetisiert werden können.
Für die Quantifizierung solcher Mehrschichtstrukturen mithilfe von röntgenfluoreszenzspektroskopi- schen- oder massenspektrometrischen Messsystemen und eine spätere Validierung dieser Analysen- techniken werden polymere Mehrschichten als Referenzmaterial benötigt, deren Analytkonzentrati- onen und Schichtdicken genau definiert sind. Messsysteme wie die dreidimensionale Röntgenfluo- reszenzanalyse (3D μRFA), ns-Laserablation-Quadrupolmassenspektrometrie mit induktiv gekoppel- tem Plasma (ns-LA-ICP-QMS) und Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie (TOF-SIMS) werden zurzeit (weiter-)entwickelt oder sind erst seit kurzem verfügbar. Diese konfokalen oder tiefensensiti- ven Messsysteme erlauben eine semi- oder zerstörungsfreie Bestimmung anorganischer und/oder organischer Komponenten mit der Probentiefe.
Zur Quantifizierung mit diesen Messmethoden müssen Referenzmaterialien einer definierten Schichtdicke mit stöchiometrischen Mengen an röntgen- oder massenspektrometrisch detektierbaren Substanzen präpariert werden, welche bisher kommerziell nicht verfügbar sind. Zudem stellen solche Messsysteme hohe Ansprüche an ein solches Referenzmaterial im Hinblick auf die elementare Zusammensetzung, Schichtstruktur, Aufbau, Film- und Schichtdicke, Homogenität, Stabilität etc. Die Kenntnis dieser Eigenschaften ist wichtig, da diese die Intensität des Röntgen- bzw. Isotopen-Signals direkt oder indirekt beeinflussen können.
Verschiedene Präparationsmethoden erlauben die Herstellung solcher Mehrschichtsysteme mit unterschiedlichen Füllmaterialien bzw. Analyten, Schichtdicken und Schichtstrukturen, die den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bilden und hier präsentiert werden. Zudem wird die Charakterisierung dieser Mehrschichtsysteme mit der 3D μRFA, ns-LA-ICP-QMS und TOF-SIMS vorgestellt.
Schlagwörter: 3D μRFA, Laserablation, ICP-QMS, TOF-SIMS, Referenzmaterial
Abstract
In many modern functional materials thin layers and foils with micrometer and nanometer dimen- sion made of different materials are combined. Especially polymeric coating systems have been used in many technical applications for a long time (e.g. coatings of tools and instruments, car paint etc.). For the generation of certain optical, electrical, magnetic or mechanical properties mostly inorganic fillers are incorporated into a polymer matrix, so that functionalized polymer layers can be synthe- sized.
For quantification of these multilayered structures by X-ray fluorescence or mass spectrometric measuring systems and a subsequent validation of these analytical methods polymeric multilayer reference materials with defined contents of analytes and layer thicknesses have to be available. Measuring systems such as 3D micro X-ray fluorescence spectroscopy (3D μXRF), ns-laser ablation inductively coupled plasma quadrupole mass spectrometry (ns-LA-ICP-QMS) and time-of-flight secondary ion mass spectrometry (TOF-SIMS) are currently under development or even shortly available. These confocal or depth sensitive measuring systems allow a semi or nondestructive determination of inorganic and/or organic components in the depth of a material.
For quantification with these methods the reference materials with a defined layer thickness have to be equipped with stoichiometric amounts of X-ray-active or mass spectrometric detectable sub- stances, which are not available so far. In addition, the measurement systems demand high specific standards on the reference materials regarding elemental composition, layer structure, constitution, foil and layer thickness, homogeneity, stability etc. Knowledge of these properties is essential, since they can directly or indirectly influence the intensity of the detected X-ray or isotope signal.
Different preparation methods allow the production of such multilayer systems with different fillers, analytes, layer thicknesses and layer structures, which were the focus of this thesis and will be presented here. Furthermore the characterization of these multilayer systems with 3D μXRF, ns-LA-ICP- QMS and TOF-SIMS will be presented.
Keywords: 3D μXRF, laser ablation, ICP-QMS, TOF-SIMS, reference material
Danksagung
An erster Stelle möchte ich mich bei Frau Prof. Dr. Carla Vogt für die Überlassung des überaus interessanten Themengebietes und die Möglichkeit in ihrem Arbeitskreis zu arbeiten herzlich bedanken. Die fachliche Unterstützung und die vielen interessanten Diskussionen während meiner Promotionszeit in ihrem Arbeitskreis waren für mich immer wertvolle Anregungen. Darüber hinaus möchte ich ihr danken, dass ich die Möglichkeit hatte, so selbstständig forschen zu können.
Ferner möchte ich mich bei Frau Prof. Dr. Birgit Kanngießer und ihrem Arbeitskreis an der Technischen Universität Berlin für die aktive und kollegiale Zusammenarbeit bedanken. Namentlich möchte ich Dr. Timo Wolff und Valentin Stoytschew für die Durchführung der 3D μRFA-Messungen und die fachlichen Diskussionen danken.
Herrn Sven Kayser der ION-TOF GmbH danke ich für die einzigartige Möglichkeit an einem TOFSIMS5 -Gerät gearbeitet zu haben. Mit seiner Unterstützung war es möglich polymere Schichtmaterialien mit dieser Hochleistungstechnik untersuchen zu können.
Herrn Mateusz Czyzycki von der Technischen Universität Krakau möchte ich mich für die freundliche Zusammenarbeit im Rahmen der von der IAEA finanzierten Kooperation zur Herstellung und Charakterisierung von polymeren Mehrschichtmaterialien für die Kalibrierung der 3D μSYRFA am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bedanken.
Herrn Prof. Dr. Ulrich Giese danke ich für die freundliche Übernahme des Koreferats zu dieser Arbeit.
Bei meiner eigenen kleinen „ Subgroup Reference Materials “ bestehend aus den Studenten Isabel Ten Doménech, Maggie Yip, Damian A. Motz und Anja Dreyer möchte ich mich für die wunderbare und lehrreiche Zeit, sowie die gemeinsamen äußerst fruchtbaren Forschungsarbeiten bedanken.
Dem Arbeitskreis Analytik danke ich für den regen fachlichen Austausch und die schönen gemeinsamen Augenblicke bei Kino- und Kochabenden, oder Sommer- und Weihnachtsfesten. René Frankfurter möchte ich für eine wundervolle Zeit im gemeinsamen Labor danken und für seine Freundschaft, die mich in so manchen Augenblicken erdete.
Zum Schluss möchte ich meiner eigenen Familie danken, die mich über die Jahre bemerkenswert unterstützt und mir jederzeit zur Seite gestanden hat. Ihr seid stets mein Anker und mein Rückzugspunkt an dem ich Kraft tanken kann.
Kapitel I Einleitung
In unserer heutigen Welt verwenden wir eine Vielzahl von beschichteten Werkstoffen und Materialien, die unsere Alltagsgegenstände mit den unterschiedlichsten Funktionalitäten ausstatten. Dies können beispielsweise schützende und dekorative Eigenschaften sein, wie es bei Möbeln, Wandfarbe oder Automobillackierungen der Fall ist. Hierbei wird das Grundmate- rial, das sog. Substrat, mit einem Beschichtungsstoff veredelt. Häufig wird jedoch eine Be- schichtung erzeugt, um verschiedenste physikalische Eigenschaften zu verändern. Hierzu gehören zum Beispiel optische, elektronische oder auch magnetische Eigenschaften, die mit Hilfe von Beschichtungen beeinflusst werden können. So kann eine dünne Indium-Zinn-Oxid- Beschichtung im Nanometerbereich bereits die elektrischen Eigenschaften eines Substrates, wie Glas, derart verändern, dass die nichtleitende Materialoberfläche nach der Beschichtung eine elektrische Leitfähigkeit aufweist und dennoch transparent ist (HERTEL et al. 2005). Ein weiteres Beispiel sind sog. Antireflexbeschichtungen, welche zur Unterdrückung der Reflexion von optischen Oberflächen, wie von Linsen und Objektiven, appliziert werden. Hier sei insbe- sondere Magnesiumfluorid als Veredelungsmaterial genannt, welches das Reflexionsvermögen von Standardgläsern auf unter 1 % senkt (YAMADA et al. 2006). Aber auch Dünnschichten mit dem Halbleiter Zinkoxid zur Herstellung von durchsichtigen, elektrisch leitenden Schichten für die Verwendung in Leuchtdioden oder Dünnschicht-Solarzellen ist ein wichtiges Anwendungs- feld (WILLANDER et al. 2009). Ein weiteres, spezielles Anwendungsgebiet von Schichtmaterialien stellen Kunstobjekte dar. Vor allem ältere Gemälde weisen eine polymere Mehrschichtstruktur auf, wobei dem Polymermaterial häufig anorganische Pigmente zur Farbgebung zugefügt wurden.
Für die Charakterisierung solcher Dünnschichten im Nano- und Mikrometerbereich stehen unterschiedliche invasive und non-invasive Messtechniken zu Verfügung. Wie beim Beispiel der Kunstobjekte sind jedoch zerstörungsfreie Messmethoden vorzuziehen, um die kostbaren und einzigartigen Kunstobjekte durch eine Analyse nicht zu beschädigen. In vielen Fällen beschränkt sich zudem die Bestimmung von Schichtdicken vorzugsweise auf Einzelschichten auf einem metallischen Untergrund. Zur Charakterisierung von Mehrschichtsystemen hinsicht- lich ihrer Schichtstruktur, sowie für eine Identifikation und quantitative Bestimmung der che- mischen Zusammensetzung muss hierfür jedoch ein Querschnitt des Probenmaterials präpa- riert werden. Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Röntgenfluoreszenzspektroskopie und Massenspektrometrie erlauben zukünftig eine zerstörungsfreie bzw. quasi zerstörungsfreie Analyse solcher Schichtsysteme.
Drei dieser messtechnischen Neuentwicklungen werden in der vorliegenden Arbeit vorgestellt. Hierbei handelt es sich um die dreidimensionale mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (3D μRFA), die ns-Laserablation-Quadrupolmassenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ns-LA- ICP-QMS), sowie die Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie (TOF-SIMS), die universitäre und industrielle Neu- oder Weiterentwicklungen darstellen. Mit allen drei Messtechniken ist eine tiefensensitive Profilierung von Mehrschichtsystemen möglich, so dass die Schichtstruktur bzw. der Schichtaufbau und die Schichtdicken untersucht werden können. Zudem wird eine qualitative und quantitative Analyse der Zusammensetzung ermöglicht.
Mit der 3D μRFA können heute Probenmaterialien non-invasiv untersucht werden. Hierbei wird durch die Verwendung von Polykapillarhalblinsen im Anregungs- als auch im Detektions- kanal ein Mikroprobenvolumen definiert, mit dessen Hilfe eine konfokale Messweise mit einer Tiefenauflösung im unteren Mikrometerbereiche ermöglicht wird. In der Vergangenheit wurden die 3D μRFA mit Synchrotronanregung, sowie die zur Quantifizierung benötigen Re- konstruktionsalgorithmen bereits validiert (MANTOUVALOU 2009). Eine Weiterentwicklung stellt die 3D μRFA mit einer Röntgenröhre als Strahlungsquelle dar. Für die Validierung eines Laboraufbaus mussten auch hier geeignete Referenzmaterialien hergestellt werden, deren Präparation und erste Anwendungen in dieser Arbeit vorgestellt werden.
Mit der Kopplung von ns-Lasern mit verschiedenen Massenspektrometern steht dem Anwender durch die fortschreitende Entwicklung und Verfügbarkeit der Lasertechnologie in den vergangenen 20 Jahren eine effektive und schnelle Analysenmethode zur Verfügung. Insbesondere der stark reduzierte Aufwand bei der Probenpräparation und der Wegfall eines aufwendigen Probenaufschlusses sind die Vorzüge dieser Kopplungstechnik. Häufig werden Feststoffe mit der ns-LA-ICP-QMS analysiert. Hierbei stellt sich wie bei anderen Analysentechniken die Herausforderung geeignetes Referenzmaterial zu verwenden.
In der überwiegenden Zahl der Fälle werden unabhängig vom Probenmaterial vereinfacht diverse Glasstandards zur Kalibrierung des Messsystems verwendet, da matrixangepasste Referenzmaterialien oftmals nicht verfügbar sind oder erst speziell hergestellt werden müssten. Solche Messergebnisse können nur Näherungen der tatsächlichen Analytkonzentration darstellen. Der Einfluss der verschiedenen Bindungsformen eines Analyten auf die Ablationsraten und die Signalintensität wird in dieser Arbeit daher genauso untersucht, wie der Einfluss der Bindungsform auf die Signalstabilität insgesamt. Um diese Effekte genauer beschreiben zu können, werden ferner Analyt- und Bindungsform-abhängige Ablationsraten bestimmt, die als Bewertungsmaß für diese Effekte dienen können.
Bei der dritten in dieser Arbeit verwendeten Messmethode handelt es sich um die Flugzeit- Sekundärionenmassenspektrometrie als Form einer Ionenstrahltechnik, die erst in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Sie ist eine hochsensitive und vielseitig einsetzbare Analysenmetho- de. Die Vielseitigkeit beruht auf der Tatsache, dass mit ihr sowohl die elementare Zusammen- setzung einer Probe untersucht werden kann, als auch anorganische und organische Moleküle bzw. Molekülfragmente. Zudem ist die SIMS eine nachweisstarke Technik, mit der alle Elemen- te des Periodensystems im Spurenbereich untersucht werden können. Aufgrund ihrer ausge- zeichneten lateralen Tiefenauflösung sind Analysen bis in den untersten Nanometerbereich möglich, so dass auch Monolagen von Verunreinigungen auf hochreinen Siliziumwafer- Oberflächen analysiert werden können (LEE et al. 2003).
Da auch bei dieser Messtechnik Probenmaterial zuerst erodiert werden muss, bevor dieses analysiert werden kann, stellt sich gleichfalls die Frage, ob der Ablationsprozess als unabhängig betrachtet werden kann oder ob dieser ebenfalls vom Probenmaterial bzw. im konkreten Fall vom Analyten oder dessen Bindungsform abhängig ist. Hierfür wurden speziell auf die Mess- bedingungen der TOF-SIMS angepasste Referenzmaterialien in Form von Mehrschichtmateria- lien hergestellt, deren Präparationsprozess in den folgenden Kapiteln beschrieben wird. Mithilfe der gewonnen Erkenntnisse werden im Anschluss Mehrschichtsysteme mit sechs Einzelschichten mithilfe der TOF-SIMS profiliert und die Zusammensetzung dieser Proben charakterisiert.
Die Verwendung eines Polymermaterials als Probenmatrix für die vorliegenden Referenz- materialien stellte sich als vorteilhaft heraus, da aufgrund der leichten Matrix und des damit verbundenen großen Unterschieds zwischen den atomaren bzw. molekularen Massen der Polymermaterials und der Analyten nur geringe Interferenzen und (mit Ausnahme der TOF- SIMS) ein meist niedriger Signaluntergrund beobachtet wurden. Ferner sind die leichte Verar- beitbarkeit und Handhabbarkeit bei der Präparation von Mehrschichtsystemen günstig.
Die vorliegende Arbeit wurde nach den drei hier verwendeten Analysentechniken 3D μRFA, ns- LA-ICP-QMS und TOF-SIMS gegliedert. Jeweils ein Kapitel jeder Analysentechnik umfasst eine methodische Einleitung zur Messtechnik als solche, die Präparation und Charakterisierung der Schichtsysteme, sowie die Anwendung dieser Schichtsysteme mit den genannten Analysenme- thoden. Im Präparations- und Charakterisierungs-Abschnitt eines jeden messtechnischen Kapitels werden die Herstellung der jeweils verwendeten flüssigen Füllmaterial- Polymermischungen, sowie die Applikation dieser Mischungen detailliert beschrieben und ausgewertet. Der Übersichtlichkeit halber wird die Diskussion und Interpretation von Einzeler- gebnissen in jedem Unterabschnitt direkt vorgenommen. Den drei genannten Hauptkapiteln ist ein Methodik-Kapitel vorangestellt, in dem allgemeingültige Erläuterungen und Ausführun- gen zu Referenzmaterialien, strahlenhärtenden Lackformulierungen, Füllmaterialien und Additiven, sowie zu den verwendeten Applikationsmethoden gegeben werden. Diese Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der vorgestellten Messergebnisse und einem Ausblick ab, der offene Fragestellungen und mögliche zukünftige Aufgaben auf dem Gebiet der polymeren Referenzmaterialien herausstellt.
Kapitel II Methodik
Zunächst sollen in diesem Kapitel die theoretischen Grundlagen für die spätere Präparation der polymeren Schichtsysteme und die Verwendung dieser als Referenzmaterialien erläutert werden. Hierzu sollen zum einen die Bedeutung von Referenzmaterialien erläutert werden. Zum anderen soll der theoretische Hintergrund zu den verwendeten chemischen Substanzen und den angewandten präparativen Methoden verdeutlicht werden. Es sollen vor allem chemische und physikalische Zusammenhänge betrachtet werden, die die Grundlage einer Charakterisierung der hergestellten Materialien bildet und als Ausgangspunkt für eine spätere Deutung und Interpretation der Messergebnisse dient.
1. Referenzmaterialien
Referenzmaterialien sind für die Qualität von Messergebnissen unabdingbar. Sie erlauben eine Einschätzung der Richtigkeit und Zuverlässigkeit von Messergebnissen und die Angabe der Messunsicherheit einer Analyse. Hierbei werden Referenzmaterialien auf anerkannte Bezugs- größen zurückgeführt. Der Einsatz von Referenzmaterialien ist für akkreditierte Laboratorien im Rahmen der Qualitätssicherung sogar zwingend erforderlich. Der Einsatz von Referenzma- terialien gilt als wichtigste Maßnahme der Qualitätssicherung. Hierbei ist grundsätzlich zwi- schen dem Begriff des Referenzmaterials (RM) und des zertifizierten Referenzmaterials (ZRM) zu unterscheiden. Diese und viele weitere Begriffe wurden in nationalen (DIN) und internatio- nalen Normen (ISO) klar definiert. Ein Referenzmaterial kann ein Material oder eine Substanz sein. Kriterien zur Eignung eines Materials oder einer Substanz für die Verwendung als Refe- renzmaterial ist eine ausreichende Homogenität und die präzise Kenntnis von mindestens einem Merkmal, welches zur Kalibrierung von Messgeräten dienen kann (ISO Leitfaden 30 (1996)). Ein zertifiziertes Referenzmaterial ist dagegen ein Referenzmaterial mit einem Zertifi- kat, welches die Unsicherheit und das Vertrauensniveau dieser Merkmale nach genauer Er- mittlung zertifiziert. Diese Werte müssen auf einen Standard rückführbar sein (ISO Leitfaden 30 (1996)). Eine weitere Anforderung an Referenzmaterialien ist ihre Stabilität. Es muss sichergestellt werden, dass die bestimmten Kennwerte eines Merkmals innerhalb einer definierten Zeitspanne ihre Gültigkeit behalten. Zertifizierte Referenzmaterialien werden federführend von nationalen und internationalen Behörden und metrologischen Instituten bereitgestellt, wie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) oder dem National Institute of Standards and Technology (USA).
Referenzmaterialien dienen in erster Linie als Vergleichsmaterialien, da die meisten chemi- schen Analysen Vergleichsmessungen sind. Hierbei werden Messdaten in Abhängigkeit zu einem vorher bestimmten Bezugspunkt bzw. einer Bezugsgröße angegeben, so dass prinzipiell relative Messergebnisse erhalten werden. Der Prozess der Bestimmung eines solchen Bezugs- punktes ist auch als Kalibrierung bekannt und dient der späteren Rückführung der Messergeb- nisse, sowie der Einschätzung der Messunsicherheit. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Referenzmaterialien zur Entwicklung und Validierung von Messverfahren. Hierbei wird unter anderem die Richtigkeit und Präzision von neuen Messgeräten und Messverfahren bestimmt und überprüft.
Die Zertifizierung von Referenzmaterialien kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Ein Weg ist der Ringvergleich mit externen Laboratorien. Hierbei wird das Material von einer großen Anzahl an qualifizierten Laboratorien unabhängig voneinander und mit unterschiedli- chen validierten Analysenverfahren untersucht. Eine zweite Möglichkeit ist die Bestimmung der Merkmale durch standardfreie Messverfahren, wie beispielsweise der referenzproben- freien quantitativen Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) mit Synchrotronstrahlung. Ein solches Messsystem ist z.B. zur Charakterisierung von Waferoberflächen am Berliner Elektronenspei- cherring (BESSY) der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) etabliert. Eine dritte Strate- gie ist die Untersuchung des Referenzmaterials in einem internen Ringversuch. Hierbei wird das Material mit mehreren unabhängigen, validierten Verfahren analysiert. Diese Verfahrens- weise schließt systematische Fehler die bei der Anwendung nur einer Messmethode auftreten könnten aus. Allerdings birgt sie die Gefahr von systematischen Fehlern bei der Probenhand- habung und Probenaufbereitung. Diese Fehler können bei externen Ringversuchen ebenfalls auftreten, werden jedoch nach statistischer Auswertung der Messdaten aller Laboratorien aufgedeckt.
Referenzmaterialien sind in den drei Aggregatzuständen gasförmig, fest und flüssig und in den verschiedensten Stoffklassen (anorganische/organische Reinstoffe, Stähle, Werkstoffe, Poly- mermaterialien etc.) verfügbar. Die große Vielfalt beruht auf der Tatsache, dass das Referenz- material auf jedes zu untersuchende Probensystem abgestimmt werden muss. In diesem Fall wird von einer Matrixanpassung gesprochen. Eine solche Matrixanpassung ist erforderlich, da die elementare, chemische, sowie physikalische Zusammensetzung der Probe Einfluss auf die Wechselwirkung mit dem Anregungsmedium hat und somit direkten Einfluss auf das Analy- senergebnis nimmt. Die Verwendung von Referenzmaterialien für die Validierung von neuen Messmethoden erfordert oftmals keine Anpassung, sondern vielmehr die Kenntnis jener elementaren und chemischen Zusammensetzung, sowie der physikalischen Eigenschaften, um das Messsignal in Abhängigkeit von diesen Merkmalen untersuchen zu können und geeignete Identifizierungs- und Quantifizierungsmodelle aufstellen zu können.
Für die herzustellenden Referenzmaterialien zur Validierung der Analysenmethoden 3D μRFA, ns-LA-ICP-QMS und TOF-SIMS mussten zunächst die Anforderungen an diese definiert werden. Alle drei Messtechniken sind für den Einsatz von tiefensensitiven Analysen ausgelegt, so dass auch Referenzmaterialien mit divergierender Tiefenzusammensetzung benötigt werden. Je- doch unterscheiden sich bei den genannten Techniken beispielsweise das Auflösungsvermögen oder die Sensitivität gegenüber bestimmten Elementen oder Verbindungen. Das Auflösungs- vermögen der dreidimensionalen μRFA beträgt ca. 15-20 μm abhängig von der Anregungs- energie. Die Tiefenauflösung von Messtechniken mit Laseranregung hängt von der Art des eingesetzten Lasers (ns, fs) und der Anregungswellenlänge ab und kann von einigen Mikrome- tern bis in den Nanometerbereich reichen, ist jedoch auch von der Messempfindlichkeit der Kopplungstechnik abhängig. Das Auflösungsvermögen der TOF-SIMS-Geräte liegt im untersten Nanometerbereich, ist jedoch auf Schichtdicken bis hin zu wenigen Mikrometern limitiert. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auflösungsvermögen müssen Referenzmaterialien mit spezifisch an die Messtechnik angepassten Schichtdicken präpariert werden.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der drei Messtechniken ist die bereits erwähnte Sensi- tivität. Die Nachweisempfindlichkeit der 3D μRFA und ns-LA-ICP-QMS liegt im oberen μg·g-1 - Bereich, die der TOF-SIMS im ng·g-1 und sind von verschiedenen apparativen Parametern abhängig. Der Bereich der analysierbaren Elemente und Verbindungen ist ebenfalls sehr unter- schiedlich. Mit der 3D μRFA ist es möglich Elemente ab einer Ordnungszahl von > 17 (Chlor) zu analysieren. Der Analysenbereich der ns-LA-ICP-QMS ist von der Kopplungstechnik abhängig und ist bei der ICP-QMS ≤ 3 (Lithium). Die Auswahl an untersuchbaren Analyten ist jedoch bei der TOF-SIMS am größten. Mit dieser Technik ist es möglich das gesamte Periodensystem zu untersuchen und erstreckt sich ferner auch auf Makromoleküle bis hin zu einer Masse von < 10000 Da. Hinsichtlich der Bandbreite analysierbarer Elemente und Verbindungen muss ein geeignetes Referenzmaterial auch hierauf abgestimmt sein. Des Weiteren ist es zur Vermei- dung von spektralen Interferenzen vorteilhaft, wenn die Differenz der Atommassen der Analy- ten möglichst groß ist. Dies bezieht sich zum einen auf verschiedene Analyten innerhalb eines Schichtsystems, als auch auf die Analyten und die sie umgebende Matrix. Als problematische spektrale Interferenzen seien hier vor allem die Linienüberlagerung in der Röntgenfluoreszenz- spektroskopie und die isobare Überlagerung in der Massenspektrometrie genannt. Diese können zum Teil durch hochauflösende Geräte oder leistungsstarke Auswertungsprogramme kompensiert werden, können jedoch zumindest teilweise bereits im Vorfeld reduziert werden, indem die Zusammensetzung der Referenzmaterialien durchdacht gewählt wird. Im Allgemei- nen ist eine leichte, organische Polymermatrix vorzuziehen. Bei der 3D μRFA können diese leichten Elemente des Polymer- materials nicht effektiv angeregt werden. Bei der Ablation mittels eines Lasers oder Ionenstrahls fragmentieren die organischen Bestandteile der Polymermatrix. Die Fragmente und Fragmentierungs- muster können im Falle der SIMS sogar zur Charakterisierung des Polymermaterials herangezogen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. II 1: TEM-Aufnahme des zertifizierten Referenzmaterials BAM-L101 mit alternierenden TiO2- und SiO2-Schichten. Bild: BAM, 2005.
Es wird ersichtlich, dass die eingesetzten Messtechniken unterschiedliche Anforderungen an das Referenzmaterial stellen und demnach auch unterschiedliche Referenzmaterialien erfor- dern. Wie bereits erörtert, sind zudem tiefenaufgelöste Referenzmaterialien erforderlich, das heißt Materialien mit in der Tiefe variierender Probenzusammensetzung. Solche Referenzma- terialien sind kommerziell nur eingeschränkt verfügbar und werden bisher nur von wenigen Forschergruppen präpariert.
So stellt beispielsweise die BAM einige Oberflächen- und Schichtmaterialien her. Diese beschränken sich jedoch auf Schichtdicken im Nanometerbereich und 100 % reine Schichtkompositionen. Als Beispiel ist in Abbildung II 1 eine TEM-Aufnahme des Schichtmaterials BAM-L101 dargestellt. Es handelt sich hierbei um ein Mehrschichtsystem mit alternierenden Schichten aus reinem Titan- und Siliziumdioxid im Nanometerbereich. Ähnliche Ein- und Mehrschichtsysteme auf Basis Aluminium, Titannitrid, Titancarbid und Vanadiumcarbid sind ebenfalls erhältlich. Sie eignen sich vorzugsweise zur lateralen Bestimmungen von elektrooptischen Messinstrumenten, wie Elektronenmikroskopen. In den meisten Fällen werden sie durch chemische oder physikalische Gasphasenabscheidung (CVD, PVD) erhalten.
ROPER et al. entwickelte polymere Einschichtmaterialien zur Umsetzung der neuen EGRichtlinie 88/378/EEC zur Bestimmung von Cadmium, Blei oder Chrom in Kinderspielzeugen (ROPER et al. 2000, QUEVAUVILLER 2001). Hierfür wurden polymere Einzelschichten auf Basis von Alkydharzlacken und schwermetallhaltigen Pigmenten im Sprühverfahren hergestellt mit Elementkonzentrationen zwischen 23 und 430 μg·g-1. Als Substratmaterial dienten Normalstahlplatten. Zur Zertifizierung wurden verschiedene spektroskopische, sowie spektrometrische Methoden wie die GF-AAS, ICP-OES und ICP-MS eingesetzt.
PAVEL et al. haben Einzelschichtsysteme auf Basis von Gelatine hergestellt, die zur Kalibrierung von RFA-Messgeräten in der Umweltanalytik dienten (PAVEL et al. 1983). Auf diese Weise wurde die elementare Zusammensetzung von Stäuben und Aerosolen auf Filtern bestimmt. Hierfür wurden einer wässrigen Gelatinelösung definierte Mengen an Einzelelement- Standardlösungen von Blei, Zink, Chrom, Titan, Cadmium, Kalium, Phosphor und Silizium hin- zugefügt und die Mischungen mithilfe einer Pipette auf eine mit Polyesterfolie umhüllte Stahl- platte aufgetragen. Nach Austrocknung auf einer Sterilbank wurden die effektiven Element- konzentrationen durch Aufschluss eines Teils des getrockneten Films und Analyse mittels Flammen-Atomabsorptionsspektroskopie und Photometrie ermittelt. Die Schichtdicken betru- gen 3-20 μm.
In der Literatur werden viele solcher Präparationsmethoden für die Herstellung von Einzelschichtsystemen beschrieben. Das Ziel vieler Arbeiten war es jedoch lediglich Referenzmaterialien leichter Matrix mit Analyten > 11 (Natrium) herzustellen. Der Fokus lag weniger auf dem Erzielen einer definierten und konstanten Schichtdicke. Zum anderen eignen sich die vorgestellten Methoden nicht zur Präparation von polymeren Mehrschichtsystemen, wie es Ziel der vorliegenden Arbeit war. Mehrschichtsysteme sind heute kommerziell nur mit Einzelschichten einer reinen chemischen Verbindung zu erhalten, wie es bereits zu BAM-L101 erläutert wurde. Mehrschichtsysteme mit abgestuften Konzentrationen eines Analyten in einer gleichbleibenden Matrix sind nach wie vor kommerziell nicht verfügbar.
2. Strahlenhärtende Lackformulierungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. II 1: Typischer Aufbau moderner Beschich- tungsstoffe. Unterteilung in nicht-flüchtige und flüchtige Bestandteile.
Der Aufbau moderner Beschichtungsstoffe wird in DIN EN ISO 4618 und DIN 55945 erläutert. Dabei ist ein Beschichtungsstoff als ein flüssiges, pasten- oder pulverförmiges Produkt defi- niert, welches auf ein Substrat aufgebracht wird, so dass eine Beschichtung mit schützenden, dekorativen und/oder anderen spezifischen Eigenschaften erhalten wird. Die in dieser Arbeit vorgestellten polymeren Mehrschichtmaterialien fallen mit ihren spezifischen physikalischen Eigenschaften (z.B. Erzielen einer spezifischen Röntgenaktivität) in letztere Gruppe. Der Aufbau bzw. die Rezeptierung aller Beschichtungsstoffe ist dabei in der Regel gleich. In Tabelle II 1 sind die verschiedenen Komponenten moderner Beschichtungsstoffe aufgeführt und in nicht- flüchtige und flüchtige Bestandteile unterteilt. Ein charakteristischer Bestandteil vieler Be- schichtungsstoffe sind die Pigmente (lateinisch pigmentum für „Farbe“, „Schminke“), die zur Farbgebung zugesetzt werden, die allerdings für die folgenden Experimente unbedeutend waren. Klassische Füllstoffe sind im flüssigen nicht flüchtige Anteile flüchtige Anteile Pigmente Lösemittel Füllstoffe Dispersionsmittel Filmbildner Flüchtige Additive nicht flüchtige Additive Beschichtungsstoff unlösliche Substanzen, die der Verbesserung bestimmter technologischer Eigenschaften und der Vergrößerung des Volu- mens dienen. Die Unterscheidung zwischen der Bezeichnung einer Substanz als „Pigment“ oder „Füllstoff“ hängt hiernach im Wesentlichen von seiner Verwendung ab. So können beispielswei- se bestimmte Calciumcarbonate als farbgebende Pigmente verwendet werden oder nur zur Vergrößerung des Volumens, um eine bestimmte Füllwirkung zu erzielen. Meist unterscheiden sich jedoch beide Substanzklassen aufgrund ihrer Teilchengrößen. In der Regel ist dabei die Teilchengröße von Füllstoffen größer als jene von Pigmenten. Ein Ziel dieser Arbeit war es Materialien mit möglichst geringen Teilchengrößen zu erhalten, um definierte physikalische Eigenschaften des Schichtsystems zu erhalten. Dabei spielte die Farbgebung eine untergeord- nete Rolle. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf die DIN-konformen Bezeichnungen „Pig- ment“ oder „Füllstoff“ verzichtet und allgemein von Füllmaterialien gesprochen.
Ein Basisbestandteil eines jeden Beschichtungsstoffes ist der Filmbildner, der häufig auch als Bindemittel bezeichnet wird. Filmbildner sind organische Makromoleküle, wie Polymere oder bei der Aushärtung polymerisierende Oligomere, wobei Letzteren reaktive Monomere (Reak- tivverdünner) zugefügt werden. Der Filmbildner ist das eigentliche polymere Gerüst eines jeden Beschichtungsstoffes. Reaktivverdünner werden vor allem auch bei lösemittelfreien und/oder strahlenhärtenden Formulierungen eingesetzt und übernehmen dort die Aufgabe der Einstellung der Verarbeitungsviskosität, die üblicherweise sonst den Lösemitteln zufällt.
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Tab. II 2: Typische Rezeptierung von in dieser Arbeit verwendeten Lackformulierungen.
Ein weiterer Bestandteil eines typischen Beschich- tungsstoffes sind Additive. Diese können sowohl flüchtig, als auch nicht-flüchtig sein. Nicht-flüchtige Additive werden bei der Aushärtung im Polymer chemisch fest gebunden. Sie werden der Formulie- rung meistens in sehr geringen Mengen zugesetzt und weisen spezielle chemische oder physikalische Wirkungen auf. Beispiele sind die auch hier verwendeten Netz- und Dispergieradditive oder Entschäumer, auf die im nächsten Abschnitt Bezug genommen wird.
Eine typische Rezeptierung von in dieser Arbeit verwendeten Lackformulierungen mit Angabe des eingesetzten Anteils bezogen auf die Gesamtformulierung ist in Tabelle II 2 aufgeführt.
Bei der strahleninduzierten Härtung von Polymeren dient die UV-Strahlung der Auslösung einer radikalischen oder kationischen Polymerisation als chemische Vernetzungsreaktion im speziell auf diesen Prozess zugeschnittenen Lacksystem. Als Bindemittel eignen sich für die radikalische Härtung ungesättigte Polyester und wie im vorliegenden Fall vor allem Acrylate, welche beide die wichtigsten Filmbildnerklassen darstellen. Die UV-Härtung erfordert zudem Fotoinitiatoren. Diese setzen unter UV-Bestrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 350- 370 nm reaktive Radikale frei, die dann die radikalische Polymerisation der Lackformulierung starten. Eine Direktanregung von ungesättigten funktionellen Gruppen der Lackkomponenten ist zwar mittels kurzwelliger UV-Strahlung im Wellenlängenbereich von 200-280 nm prinzipiell möglich, aufgrund der schlechten Strahlungsausbeuten von konventionellen UV-Strahlern in diesem Wellenlängenbereich allerdings nicht sinnvoll. Pigmentierte oder mit Füllmaterialien dotierte Lackformulierungen weisen unter Umständen beeinträchtigte Aushärtungseigenschaf- ten auf, sofern das Pigment oder Füllmaterial im Absorptionsbereich des Fotoinitiators Licht absorbiert. Bei der UV-Härtung an Umgebungsluft treten unerwünschte Nebenreaktion auf. Vor allem Sauerstoff bewirkt als natürliches Biradikal einen Kettenabbruch und führt, sofern nicht unter Schutzatmosphäre gearbeitet wird, zu einer Sauerstoffinhibierung des Polymers. Um eine genügend hohe Vernetzungsdichte an der äußersten Oberfläche zu erzielen ist daher eine UV-Belichtung unter Inertgasatmosphäre (z.B. CO2, N2, Ar) wünschenswert, da ansonsten eine durch die radikalische Polymerisation bedingte Sauerstoffinhibierung an der Oberfläche die Vernetzungsdichte heruntersetzen würde (BROCK et al. 2009).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. II 2: Strukturformeln der Reaktivverdünner Hexandiol- diacrylat (HDDA) (a) und Tripropylendiacrylat (TPGDA) (b).
Strahlenhärtende Lackformulierungen bestehen aus niedermolekularen Film- bildnern mit einem hohen Anteil an polymerisierbaren Kohlenstoff-Doppel- bindungen, die im flüssigen Zustand mit copolymerisierenden, reaktiven Mono- meren verdünnt werden können, da sie in der Regel zu viskos für eine direkte Verarbeitung sind. Die sog. Reaktivverdünner sind monomere, flüssige Acrylsäureester. In dieser Arbeit wurden acrylierte Oligoaminharze als Filmbildner verwendet, welche mit reaktiven Verdünnern wie Hexandioldiacrylat (HDDA) und Tripropylendiacrylat (TPGDA) als 100 % lösungsmittelfreie Festkörpersysteme rezeptiert wurden. Die Strukturformeln der beiden sog. Reaktivverdünner sind in Abbildung II 2 dargestellt.
Im Gegensatz zu klassischen Acrylatharzen enthalten strahlenhärtende Acrylatharze noch Kohlenstoff-Doppelbindungen in Form von endständigen Acryloyl-Gruppen. Diese werden durch Veresterung, Kondensation oder Addition von Acrylsäure oder ihrer Derivate mit verschiedenen Präpolymeren mit endständigen Epoxid- oder Hydroxylgruppen erhalten Die Präpolymere haben die Funktion eines Basisharzes und können Polyester-, Polyether-, Epoxidund/oder Polyurethan-Gerüste besitzen. Abbildung II 3 zeigt eine schematische Darstellung des strukturellen Aufbaus von strahlenhärtenden Acrylatharzen.
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Abb. II 3: Schematische Darstellung und Strukturbeispiel eines strahlenhärtenden Acrylatharzes
UV-Initiatoren sind Verbindungen, die durch Aufnahme von UV-Licht in einen elektronisch angeregten Zustand überführt werden. Hierauf folgt ein intramolekularer Zerfall mit Radikal- bildung. Es gibt verschiedene Klassen von UV-Initiatoren, die für verschiedene Einsatzgebiete entwickelt wurden. Die meisten UV-Initiatoren enthalten eine Benzoyl-Gruppe als molekularen Bestandteil. Es wird zwischen zwei grundlegenden Prinzipien unterschieden nach denen Foto- initiatoren Radikale freisetzen können. Zum einen kann die Radikalbildung intramolekular durch homolytische Bindungsspaltung initiiert werden. Zum anderen kann die Radikalbildung aber auch intermolekular durch Wasserstoffabstraktion erfolgen. Zur ersten Gruppe gehören die sog. α-Spalter und β-Spalter. Diese zerfallen durch Einwirkung von intensiver UV-Strahlung mit Wellenlängen von 300 bis 400 nm in reaktive Radikale. Die Art der weiteren Substituenten an diesem Grundgerüst bestimmt die Lage der UV-Licht-Absorptionsmaxima, die Reaktivität, die Radikalausbeute und damit letztlich auch das optimale Einsatzgebiet (MÜLLER et al. 2005). Ausschlaggebend für die Auswahl von UV-Initiatoren waren in dieser Arbeit die Reaktivität, die Langzeitstabilität im Dunkeln, die Löslichkeit und Verträglichkeit mit dem Polymermaterial. In der hier vorliegenden Arbeit wurden Benzophenon und 1-Hydroxycyclohexylphenylketon (HCPK) als Fotoinitiatoren verwendet.
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Abb. II 4: α-Spaltung am Beispiel von 1-Hydroxycyclohexylphenylketon (HCPK).
Ein wichtiger Vertreter der Stoffklasse der α-Spalter ist das HCPK. In Abbildung II 4 wird die Reaktion der α-Spaltung dargestellt. Das Molekül 1 wird mit UV-Licht angeregt, so dass ein Elektron aus einem nichtbindenden π-Orbital des Sauerstoffs der Carbonylgruppe in das anti- bindende Orbital des π-Elektronensystems der Carbonylgruppe angeregt wird. Aus diesem Singulett-Zustand erfolgt durch Interkombination der Übergang in den Triplett-Zustand, so dass die Verbindung Diaradikalcharakter erhält. Hierbei besitzt das Molekül 2 des angeregten Zustands zwei ungepaarten Elektronen, deren Spins parallel ausgerichtet sind. Es folgt die energiebringende Kohlenstoffspaltung in α-Stellung zur Carbonylgruppe. Die Reaktion ent- spricht der analogen NORRISH-Typ-I-Reaktion. Als Endprodukte werden Benzoylradikale 3 und Hydroxycyclohexylradikale 4 gebildet, die den Kettenstart der Polymerisation initiieren kön- nen.
Das einfachste Initiatormolekül ist das Benzophenon. Benzophenon und seine Alkylderivate bilden mit einem Wasserstoffabstraktor Radikale, die eine Polymerisation auslösen, aber auch zu Benzpinakol dimerisieren können. Die Carbonylgruppe des Benzophenons besitzt einen n,π*-Übergang. Dieser ist aufgrund des ausgedehnten, konjugierten π-Elektronensystems in den nahen UV-Bereich verschoben, so dass er bereits mit energieärmerem UV-Licht (λ = 365 nm) angeregt werden kann. Vorteilhaft ist hierbei, dass Nebenreaktionen, die bei Bestrahlung mit höherenergetischem Licht stattfinden würden vermieden werden. Hierzu gehören vor allem die bereits erörterte Spaltung von C-H- oder C-C-Bindungen bei ca. 200 nm Anregungswellenlänge.
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Abb. II 5: Vereinfachtes Jablonski-Diagramm des Benzophenons. Elektronische Niveaus des Grundzustands S 0 und der angeregten Zustände S 1 und T 1. Mit elektromagnetischer Strahlung verbundene Übergänge: Absorption, Fluoreszenz und Phosphoreszenz, sowie strahlungsloser Übergang: Intersystem Crossing (Interkombination).
Das in Abbildung II 5 dargestellte Jablonski-Diagramm des Benzophenons zeigt, die Anregung des Moleküls mit UV-Licht der Wellenlänge von 365 nm. Das Molekül wird hier aus dem Grundzustand S 0 in den angeregten Zustand S 1 überführt. Vom angeregten Zustand S 1 aus geht das Benzophenon durch Interkombination, dem sog. intersystem crossing , und unter Spinum- kehr der Elektronen in den Triplett-Zustand T 2 über. Dies ist nur möglich, da der intersystem crossing -Übergang gegenüber der einfachen Fluoreszenz viel höhere Übergangsraten aufweist und dem Molekül eine höhere Verweildauer in diesem Energieniveau zukommt (TURRO 1991). Da die Wahrscheinlichkeit des Phosphoreszenz-Übergangs sehr klein gegenüber allen anderen Übergangsraten und die damit verbundene Verweildauer hoch ist, baut sich unter konstanter UV-Bestrahlung eine stationäre Konzentration von Molekülen im T 1-Zustand in Form von Biradikalen auf.
In Abbildung II 6 ist die Bildung des Diradikals 2 aus Benzophenon 1, sowie die Kopplung an organischen Verbindungen mit aliphatischen CH-Gruppen schematisch dargestellt. Durch das entstehende Biradikal 2 kommt es in Gegenwart von aliphatischen CH-Gruppen 3 zur Wasserstoffabstraktion, wodurch ein Ketylradikal 4 gebildet wird. Die hier beschriebene Initialreaktion setzt sodann die radikalische Polymerisation in Gang.
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Abb. II 6: Schematische Darstellung der Kopplung von Benzophenon an organische Verbindungen mit aliphatischen CH-Gruppen.
Neben dem hier beschriebenen Reaktionsweg ist aber auch die Aktivierung des Biradikals 2 mit tertiären Aminen möglich. Diese wirken als Synergisten, da sie eine schnelle und einfache Wasserstoffabstraktion aus ihrem Alkylrest ermöglichen. Sie können der Lackformulierung bspw. als N -Methyldiethanolamin oder Triethanolamin zugesetzt werden oder bereits in Form einer tertiären Amingruppe an Oligomeren oder Polymeren enthalten sein. Ein Vorteil dieser Methode ist die Steigerung der Fotoaktivität des Fotoinitiatorsystems und damit eine verbesserte und schnellere Aushärtung des Lackfilms (HAGEMANN 1997).
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Abb. II 7: Dimerisierung zweier Ketylradikale zu Benzpinakol.
Als Nebenreaktion kann jedoch u.a. auch die in Abbildung II 7 dargestellte Dimerisierung zweier Ketyladikale zum Benzpinakol auftreten, die jedoch aufgrund der niedrigen verwendeten Konzentrationen an Benzophenon eine untergeordnete Rolle spielt.
Der strahleninduzierten UV-Härtung der in dieser Arbeit verwendeten Lackformulierungen liegt die radikalische Polymerisation zu Grunde. Die radikalische Polymerisation umfasst drei Teilschritte: 1. die Kettenstart-Reaktion (Initiation), 2. der Reaktion des Kettenwachstums (Propagation) und 3. der Kettenabbruchsreaktion (Termination). Abbildung II 8 veranschaulicht den Prozess der radikalischen Polymerisation.
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Abb. II 8: Schematische Darstellung der radikalischen Polymerisation.
Vor der Kettenstart-Reaktion wird in einer vorgelagerten Reaktion der Fotoinitiator durch UV- Strahlung zur Radikalbildung angeregt, wie es bereits im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde. Das gebildete Fotoinitiator-Radikal initialisiert im ersten Schritt die Polymerisation, indem es an die endständige, ungesättigte Kohlenstoffgruppe eines Monomers oder Oligomers addiert wird. Hierbei wird ein aktives Ende in Form eines neuen Radikals gebildet, welches wiederum mit weiteren Monomeren, Oligomeren oder (bei entsprechender Reaktionswieder- holung) dem Polymer reagieren kann. Bei der Propagation kommt es durch wiederholte Addi- tion erneut zur Ausbildung eines neuen aktiven Endes in Form eines Radikals. Die Ketten- wachstumsreaktionen werden weitergeführt bis es zur Rekombination oder Disproportionierung kommt. Im ersten Fall reagieren zwei Radikale in einer Additionsreaktion, wobei keine neuen aktiven Enden gebildet werden. Im Falle der Disproportionierung reagiert ein Radikal unter Wasserstoffabstraktion eines anderen zu einer gesättigten Spezies, wobei das zweite Radikal unter Ausbildung einer π-Bindung zu einer ungesättigten Verbindung umge- setzt wird. In beiden Fällen kommt es zur Termination, da die Anzahl freier Radikale kontinu- ierlich reduziert wird.
3. Füllmaterialien und Additive
Hier werden die bereits im vorigen Abschnitt eingeführten Füllmaterialien und Additive näher betrachtet. Der Einsatz von Füllmaterialien dient hier dem Erzielen bestimmter physikalischer Eigenschaften. Hierzu gehört die Verwendung röntgenaktiver Substanzen, um die mit diesen Füllmaterialien dotierten Polymerschichten für röntgenspektroskopische Zwecke einsetzen zu können, oder aber auch der Einsatz von anorganisch-oxidischen und metallorganischen Ver- bindungen als Füllmaterialien für die Referenzmaterialien der massenspektrometrischen Untersuchungen dieser Arbeit.
Im Folgenden werden die Füllmaterialien und Additive näher betrachtet, die in den nächsten Kapiteln zur Präparation der polymeren Schichtsysteme verwendet wurden.
3.1 Metalloxide
Nanoskalige Materialien werden schon seit vielen Jahren hergestellt. Ein bekanntes Beispiel ist Carbon black als qualitativ hochwertiger Industrieruß, welcher nach dem sog. Furnance - Prozess hergestellt wird. Heute gibt es unterschiedliche Verfahren zur Herstellung von Nano- partikeln aus unterschiedlichen Substanzen, mit denen in Abhängigkeit der Herstellungs- und Reaktionsbedingungen auch unterschiedliche Teilchengrößen und -formen erreicht werden können. Dabei wird zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Methoden unterschieden: den sog. „ Top-Down “- und „ Bottom-Up “-Prozessen. Unter „ Top-Down “ wird die Herstellung von Nanopartikeln durch mechanische Zerkleinerung verstanden. Als Beispiel sei die Zerkleine- rung von Feststoffmaterial mithilfe verschiedenster Mühlen genannt. Beim „ Bottom-Up “- Prozess werden die Nanoteilchen mittels chemischer Reaktionen erst erzeugt, so dass von einem chemisch-physikalischen Herstellungsverfahren gesprochen werden kann. Hier ist zwischen Gasphasen-/Aerosol- und Flüssigphasenprozessen zu unterscheiden. Dabei gehören die Gasphasenprozesse zu den großtechnisch gängigsten Verfahren, bei der pulverförmige Nanomaterialien erhalten werden. Zu den Gasphasenprozessen zählt auch die bereits erwähn- te Furnance -Methode als Sonderform der Sprühpyrolyse. Bei der Sprühpyrolyse wird durch Versprühen von Lösungen, Suspensionen oder Dispersionen in einen durch unterschiedliche Art und Weise erhitzten Hochtemperatur-Reaktor zunächst das Lösungsmittel verdampft und anschließend die verwendeten Edukte (z. B. Salze) thermisch zersetzt, wobei es zur Neubildung von Substanzen (z.B. Oxide, Mischoxide) mit Teilchengrößen im unteren Nanometerbereich kommt (BÜCHEL et al. 1999). Viele der im Folgenden erläuterten Metalloxide wurden auf diese Weise großtechnisch hergestellt.
3.1.1 Oxide von Übergangsmetallen
Alle im Folgenden genannten Metalloxide wurden in Pulverform von der Fa. SIGMA-ALDRICH (St. Louis, USA) bezogen.
Eisenoxid-Pigmente werden bereits seit Jahrhunderten für die Malerei verwendet und auch heute noch ist die Produktionsmenge an Eisenoxid-Pigmenten größer als alle anderen anorga- nischen Buntpigmente zusammen. Sie werden mittlerweile synthetisch gewonnen, so dass eine starke Vielfalt an verschiedenen Eisenoxid-Pigmenten verfügbar ist. Eisen(II)-oxid ist auch als Eisenoxidrot-Pigment bekannt und in Form des in der Natur vorkommenden Hämatits als α- Fe2O3 von Interesse. Die Farbe variiert dabei von rotorange bis hin zu tiefrot. Feinkristallines Eisen(III)-oxid kann dabei aus der Hydrolyse von Eisen(II)-sulfat (PENNIMAN-Verfahren) oder mithilfe des Anilinverfahrens durch Oxidation von Eisen mit Nitrobenzol gewonnen werden. Beide Reaktionen sind nachstehend dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. II 9: Darstellung des Eisenoxidrot-Pigments (α-Fe2O3) mit dem PENNIMAN-Verfahren (oben) und dem Anilinverfahren (unten).
In den folgenden Experimenten mit Eisen(III)-oxid als Füllmaterial wurde das Füllmaterial als Nanopulver mit Teilchengrößen von < 50 nm eingesetzt.
Chrom(III)-oxid ist bereits seit 1929 auch als synthetisches Pigment unter dem Namen Chromoxidgrün bekannt. Es wird durch Reduktion von Natriumdichromat mit Holzkohle, Schwefel oder organischen Stoffen hergestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Abhängigkeit der Herstellungsmethode liegt es als grünes Pulver oder glänzende, sehr harte Kristalle (MOHS’sche Härte 8-9) vor. Aufgrund seiner Härte wird es daher oft auch in Schleif- mitteln verwendet. Es ist widerstandsfähig gegenüber vielen Säuren und Laugen und wird zum Färben von Gummiprodukten, Zement, Keramik und Dachziegeln benutzt. In den folgenden Experimenten wurde es als Nanopulver mit Teilchengrößen von < 100 nm verwendet.
Lange vor dem großtechnischen Einsatz von Titan(IV)-oxid wurde Zinkoxid als günstiges Weißpigment unter dem Namen Zinkweiß oder Chinesischweiß verwendet. Wegen des höheren Brechungsindex und der außerordentlichen chemischen Beständigkeit des Titan(IV)-oxid- Pigments wurde es weitestgehend von diesem verdrängt. Es wird heute noch als Vulkanisationsaktivator in der Kautschukindustrie eingesetzt. Nanoskaliges Zinkoxid-Pulver kann durch Verbrennen von dampfförmigem Reinzink erhalten werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Besonders kleine Teilchengrößen werden erzeugt, indem eine Zinkhydroxid-Lösung zuerst fein zerstäubt und anschließend pyrolysiert wird. Ein auf diese Weise erhaltenes Nanopulver mit Teilchengrößen von < 100 nm wurde in dieser Arbeit verwendet.
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In der Natur kommt Kupfer(I)-oxid als das Mineral Cuprit vor. Kupfer(I)-oxid wird in Schiffsanstrichen als Antifouling-Agent und als Fungizid verwendet. Weiterhin findet es als Rotpigment zur Einfärbung von Glas und Emaille Verwendung. Die Darstellung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Zum einen kann sie durch Reduktion von Kupfer(II)-salzen in alkalischer Lösung oder durch Reduktion von Kupfer(II)-hydroxid erfolgen. Eine weitere Möglichkeit ist die Darstellung durch thermische Zersetzung von Kupfer(II)-oxid, welches dann in Kupfer(I)-oxid übergeht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Herstellung von polymeren Schichtsystemen wurde ein Mikropulver mit Teilchengrößen von < 5 μm eingesetzt, da ein Nanopulver kommerziell nicht erhältlich war.
Nickel(II)-oxid ist ein basisches Oxid und auch als natürlich vorkommendes Mineral Bunsenit bekannt. Reinstes Nickel(II)-oxid ist hellgelb. Mit zunehmendem Sauerstoffgehalt erhält es eine grüne Färbung. Mit zunehmendem Gehalt an dreiwertigem Nickel färbt es sich dunkel. Die Teilchengrößen des hier verwendeten Nanopulvers betrugen < 50 nm.
Großtechnisch wird es durch Glühen von Nickel(II)-hydroxid, -nitrat oder –carbonat erhalten. Nanoskaliges Nickel(II)-oxid wird ähnlich der Herstellung von nanoskaligem Zinkoxid durch Pyrolyse feinst versprühter Nickel(II)-hydroxid-Lösungen dargestellt.
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Wie viele Nickelverbindungen wird auch Nickel(II)-oxid als krebserzeugend eingestuft.
3.1.2 Hydrophile pyrogene Kieselsäure
Pyrogene Kieselsäuren oder auch sog. hochdisperse Kieselsäuren (HDK) sind amorphe Siliziumdioxid- Pulver mit Partikeldurchmessern von 5-50 nm und einer dementsprechend großen spezifischen Oberfläche von 50-600 m2∙g-1. Sie werden durch Flammenhydrolyse hergestellt. Dabei werden flüssige Chlorsilane mit mikropartikulärem Wasser, welches in einer Knallgasreaktion von Wasserstoff und Sauerstoff entsteht, zu feinstverteiltem Siliziumdioxid hydrolysiert:
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Es wird unterschieden zwischen hydrophiler und hydrophober pyrogener Kieselsäure. Letztere wird nach der Hydrolyse mit reaktiven Silanen, z.B. Chlorsilanen oder Hexamethyldisilazan, modifiziert, so dass sie nicht mehr in Wasser dispergierbar ist (CHRIST et al. 1994).
Abb. II 10: Thixotropie und Rheopexie. Viskosität als Funktion der Zeit bei Scherbeanspruchung. Bild: David Spura, 2011.
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In dieser Arbeit wurde hydrophile pyrogene Kieselsäure (HPKS) mit dem Handelsnamen AEROSIL® 200 (Fa. EVONIK INDUSTRIES, Essen) mit einer spezifischen Oberfläche von 200 m2·g-1 verwendet. Aufgrund der extrem geringen Schüttdichte von nur 0,05 g∙cm-3 ist AEROSIL® 200 vor allem für die Präparation von Füllstoff-Polymermischungen mit niedrigen Analytkonzentrationen sehr gut geeignet. AEROSIL® 200 besitzt zudem zu den anderen Füllstoffen deutlich abweichende Eigenschaften. Es wird zur Einstellung der Rheologie und Thixotropie von Flüssigkeiten, Bindemitteln, Polymeren etc. verwendet, da die Viskosität infolge andauernder mechanischer Beanspruchung abnimmt und erst nach beendigter Beanspruchung wieder zunimmt (DIN 1342-3, 2003). Abbildung II 10 verdeutlicht diese Viskositätsänderung mit der Zeit grafisch. Auch ein Einsatz als Antiabsetzmittel, Verdickungsmittel oder zur Ablaufverhinderung und Verbesserung der Rieselfähigkeit von Pulvern ist bekannt. Anwendungsfelder sind daher Lacke und Farben, Siliconkautschuke, Klebstoffe und Dichtungsmassen, Druckfarben, Pflanzenschutz, Lebensmittel und Kosmetik (ETTLINGER et al. 2000).
3.2 Organometallische Verbindungen
Die Verwendung von organometallische Verbindungen erscheint für die Präparation von flüssigen Lackformulierungen und die Herstellung polymerer Schichtsysteme äußerst zweckmäßig. Zum einen müssen diese im Gegensatz zu anorganisch-oxidischen Füllmaterialien aufgrund ihres bereits teils vorhandenen organischen Charakters in der Regel nicht speziell modifiziert werden. Geeignet sind hier vor allem flüssige organometallische Verbindungen, die sich mit der ebenfalls flüssigen Lackformulierung gut homogenisieren lassen. Allerdings ist zu beachten, dass sich einige organische Substanzen aufgrund zu starker Unterschiede in ihrer Polarität nicht miteinander mischen lassen. Ferner darf die organometallische Verbindung nicht mit Bestandteilen der Lackformulierung (insbesondere des Filmbildners) reagieren, bevor ein Nassfilm auf einem Substrat appliziert und die UV-Härtung initiiert wurde. Die Auswahl an geeigneten organometallischen Füllmaterialien ist daher eingeschränkt und abhängig von der verwendeten Lackformulierung.
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Abb. II 11: Lithiumacrylat
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Tab. II 3: Auswahl kommerziell verfügbarer Metallacrylate und Metallmethacrylate, sowie Netto-Grundpreise verschiedener Feinchemikalienhersteller, Stand: 11/2012.
3.2.1 Lithiumacrylat
Metallacrylate sind Salze der Acrylsäure (vgl. Abb. II 11). Auch hier ist eine radikalische Polymerisation über die ungesättigte Acryl-Gruppe möglich. Es sind vor allem Metallacrylate der ersten und zweiten Gruppe des Periodensystems leicht verfügbar. Übergangsmetallacrylate sind jedoch kommerziell nur eingeschränkt und teils nur in sehr geringen Mengen von unter 5 g erhältlich. Die mäßige Verfügbarkeit spiegelt sich wiederum im hohen Preis für diese Chemikalien wieder. Tab. II 3 gibt einen Überblick über kommerziell verfügbare Metallacrylate verschiedener Feinchemikalienhersteller. Für die Herstellung von Schichtsystemen der vorliegenden Arbeit wurde Lithiumacrylat (C3H3LiO2, M = 78,00 g∙mol-1) der Fa. ABCR (Karlsruhe) verwendet. Es wird bereits zur Herstellung von festen Elektrolytmembranen verwendet (PUA et al. 2009; SHIDA 2011; ZHANG et al. 2012). Lithiumacrylat findet aber auch bei der Entwicklung hochleitfähiger Gel-Polymer- Elektrolyte für Lithium-Batterien Verwendung. Es sind polymerisierbare Lithiumsalze, die in Verbindung mit Lösungsmitteln als gelartige Elektrolyte in elektrochemischen Energiespeichern verwendet werden können (MATSUMOTO et al. 2012). Organische Polymere eignen sich aufgrund ihres geringen spezifischen Gewichts und ihrer guten Verformbarkeit als feste Elektrolytschichten in elektrochemischen Zellen. Wurden früher noch heterogene Systeme mit anorganischen Füllkomponenten verwendet, um eine Ionenleitfähigkeit zu ermöglichen, werden heute organische Lithiumsalze wie Lithiumacrylat verwendet, mit denen sehr gute Homogenitäten bis in atomare Dimensionen erzielt werden können (BECK et al. 1992).
3.2.2 Eisen(II)-fumarat
Eisen(II)-fumarat (C4H2FeO4, M = 169,90 g∙mol-1) (Abb. II 12.1) ist ein rötlich-orangefarbenes Pulver, welches in Wasser sehr schwerlöslich ist. Es ist das Eisensalz der Fumarsäure (trans- Butendisäure) (Abb. II 12.2) und wird bspw. durch direkte katalytisch unterstützte Reaktion von Fumarsäure mit Eisen in Butylacetat als Lösungsmittel erhalten, wobei Iod als Katalysator verwendet wird (MIKHAJLOVICH et al. 2009). Fumarsäure wird durch Isomerisierung aus Maleinsäure (Abb. II 12.3), wie die isomere cis-Form auch genannt wird, hergestellt (NOZAKI et al. 1941). Es wird vor allem im medizinischen Bereich bei Eisen-Mangelerscheinungen (Anämien) zur oralen Substitutionstherapie eingesetzt (RETI et al. 1987).
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Abb. II 12: Eisen(II)-fumarat (1), Butendisäuren: trans-Form Furmarsäure (2) und cis-Form Maleinsäure (3)
3.2.3 Einzelelementstandards auf Ölbasis
Die zertifizierten Lithium-, Silizium- und Eisen-Einzelelementstandards auf Ölbasis der USamerikanischen Fa. VHG LABS (Manchester, USA) mit einer Konzentration von 5000 μg·g-1 eigneten sich aufgrund ihrer bereits flüssigen Form und werden ursprünglich in der Routineanalytik der Ölindustrie zur Analyse von verschiedenen Verunreinigungen von Ölen verwendet. Hier werden sie v.a. zur Kalibrierung von ICP-OES- und RFA-Spektrometern verwendet. In den Einzelelementstandards liegen die Analyten auf Sulfonat-Basis vor. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Benzolsulfonsäure- und Phenolsulfonsäure-Derivate, wie z.B. p- Phenolsulfonate (GROVES 1977; SHUBNELL et al. 1994). p-Phenolsulfonsäure gehört dabei zur Gruppe der Hydroxybenzolsulfonsäuren, welche ähnlich wie Benzolsulfonsäuren starke Säuren sind (LINDNER et al. 2000). Abbildung II 13 gibt einen Überblick über die verschiedenen beschriebenen Sulfonsäuren und Sulfonate.
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Abb. II 13: Benzolsulfonsäure (1), p-Phenolsulfonsäure (2), m-Phenolsulfonsäure (3), o-Phenolsulfonsäure (4).
3.3 Additive
Bei der Formulierung von Lackmischungen werden idealerweise die gewünschten Zieleigenschaften bereits durch geeignete Polymere und Füllmaterialien erreicht. Wenn dies aus qualitativen Gründen nicht gelingt, so wird auf den Einsatz von Additiven zurückgegriffen. Additive werden daher zur Optimierung der Lackherstellung und der Lackeigenschaften verwendet. Neben der Art des Additivs spielt insbesondere die Dosierung eine entscheidende Rolle. Nicht selten müssen Dosierungen speziell an die Lackmischung und die Menge der Füllmaterialien angepasst und vorher in experimentellen Versuchsreihen bestimmt werden. Häufig liegt die effektive Konzentration im unteren Prozent- oder sogar Promillebereich bezogen auf die Masse der Gesamtmischung. In den meisten Fällen beruhen die optimierenden Eigenschaften der Additive auf eine grenzflächenphysikalische Wirkung dieser. Die Klassifizierung der Additive kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen, wobei vorzugsweise nach dem Verwendungszweck unterteilt wird. Viele Additive besitzen multifunktionelle Wirkungsweisen, so dass eine genaue Einordnung oft erschwert wird. Tabelle II 4 gibt einen Überblick über die wichtigsten Additivklassen. Die für diese Arbeit wichtigsten Additive sind die Entschäumer, Oberflächenadditive, Netz- und Dispergiermittel und Rheologieadditive, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird. Aufgrund der eingesetzten späteren Messtechnik (3D μRFA, LA-ICP-QMS, TOF-SIMS) musste auf die Verwendung siliziumhaltiger bzw. silikonhaltiger Additive verzichtet werden, was die Auswahl der Additive einschränkte. So würde beim Einsatz silikonhaltiger Additive, abhängig von der Konzentration und der Empfindlichkeit der Messtechnik, bei der späteren röntgenbasierten oder massenspektrometrischen Analyse ein Silizium- Signal detektiert werden, welches die Messung ggf. stören oder eine Quantifizierung erschweren könnte.
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Tab. II 4: Kurzübersicht verschiedener Additivklassen der Lackchemie.
In dieser Arbeit wurden Additive der Fa. BYK-CHEMIE (Wesel) verwendet. Die eingesetzten Produkte können den vorgestellten Additivklassen zugeordnet werden.
3.3.1 Entschäumer und Entlüfter
BYK®-1790 ist ein silikonfreier Polymer-Entschäumer für lösemittelfreie strahlenhärtende Systeme und ist zudem in pigmentierten als auch in unpigmentierten Lacken verwendbar. Entschäumer und Entlüfter unterdrücken die Schaumbildung, die fast immer auf die Einarbeitung von Luft bei Rühr- und Mischvorgängen oder bei der Applikation des Materials zurückzuführen ist. Entstandene Schaumblasen werden an die Oberfläche transportiert und destabilisiert, sodass sie schnell platzen und keine Störungen verursachen (BROCK et al. 2009). Solche Störungen zeigen sich durch Bildung von sog. Pinholes (engl. Nadelstichen) oder Blasen (vgl. Abb. II 14). Abb. II 14: Verschiedene Lackstörungen: Pinhole-, Orangenschalen-, Krater- und Kocher-/Blaseneffekt (v.l.) (GOLDSCHMIDT et al. 2002).
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Abb. II 14: Verschiedene Lackstörungen: Pinhole-, Orangenschalen-, Krater- und Kocher-/Blaseneffekt (v.l.) (GOLDSCHMIDT et al. 2002).
3.3.2 Oberflächenadditive
Lackfilme zeigen direkt nach der Applikation eine mehr oder weniger starke Oberflächenstruktur. Ein wellenförmiges Oberflächenprofil, welches vor allem bei der Rakeltechnik stark auftritt, muss vor der UV-Härtung durch gezieltes Absenken der Wellenberge und Anheben der Täler ausgeglichen werden. Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung von Polymeren niedrigerer Viskosität, was den Verlauf verbessert, die Stabilisierung dispergierter Füllstoffe allerdings verschlechtert. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von speziellen Verlaufsadditiven, wie BYK®-350, welches zur Gruppe der Acrylat-Verlaufadditive gehört und für lösemittelhaltige und -freie Systeme eingesetzt werden kann. Es verbessert den Verlauf, vermeidet eine Kraterbildung und minimiert den Orangenschalen-Effekt, welche beide in Abbildung II 14 zu sehen sind. Ein Vorteil ist, dass dieses Acrylatadditiv die Überlackierbarkeit und die Zwischenschichthaftung nicht beeinträchtigt. Die Oberflächenspannung wird nur in geringem Maße reduziert. Der Anteil an nichtflüchtigen Bestandteilen beträgt bei BYK®-1790 und BYK®-350 100 %.
3.3.3 Netz- und Dispergieradditive
Partikel von Feststoffen lagern sich bei der Herstellung und Trocknung zu Agglomeraten mit Partikelgrößen von bis zu 100 μm zusammen. Eine solche Agglomeration ist für das Abfüllen und den Transport wünschenswert, verursacht im Polymer jedoch Probleme bei der Homogenisierung. Die Partikel müssen dispergiert werden, so dass sie vollständig vom Polymer benetzt werden und eine sehr gute Verteilung erzielt werden kann. Nach der Benetzung und Zerteilung der Agglomerate muss allerdings auch eine Stabilisierung der feinen Dispersionen stattfinden, da die Partikel andernfalls noch vor dem Aushärten reagglomerieren. Im flüssigen Medium wird in diesem Zusammenhang auch von Flokkulation gesprochen. Die Benetzung erfolgt durch Reduktion der Grenzflächenspannung zwischen Polymer und der Partikeloberfläche mittels Netzadditiven. Sie weisen eine Tensid-Struktur auf und sind grenzflächenaktiv, wobei sie aus unpolaren Kohlenwasserstoffketten und polaren anionischen oder nichtionischen Enden bestehen (SCHWUGER 1996). Die Deflokkulation und damit die Zerkleinerung der Agglomerate erfolgt durch Stoß- und Scherkräfte, in dieser Arbeit unter Zuhilfenahme von Kugelmühle, Dissolver, Ultra-Turrax-Einheit und/oder Ultraschall-Dispergierer. Die Stabilisierung der deflokkulierten Partikel erfolgt auf elektrostatische oder sterische Weise. Die elektrostatische Stabilisierung beruht auf der elektrostatischen Abstoßung gleichgeladener Teilchen und Partikel, welche durch Adsorption von Polyelektrolyten noch verstärkt werden kann (BIELEMANN 1998). Bei der sterischen Stabilisierung bewirken langkettige und räumlich abstehende Molekülteile der Dispergiermittel, welche durch polare Ankergruppen an die Partikeloberflächen gebunden sind, eine Behinderung beim Annähern dieser. Beispiele für Netz- und Dispergieradditiv dieser Art sind DISPERBYK®-2155, DISPERBYK®-168 und DISPERBYK®-111.
DISPERBYK®-2155 ist ein Netz- und Dispergieradditiv für lösemittelhaltige und lösemittelfreie Systeme und Pigmentkonzentrate auf Basis eines Block-Copolymers mit basischen pigmentaffinen Gruppen. Es deflockuliert sowohl anorganische als auch organische Pigmente und stabilisiert sie über sterische Hinderung. Die deflockulierende Eigenschaft des Additivs ergibt eine Reduzierung der Mahlgut- bzw. Dispergierviskosität. Allerdings besitzen deflockulierte Pigmente eine stärkere Tendenz zum Absetzen. Dies gilt insbesondere für Pigmente hoher Dichte. Der Einsatz flüssiger Rheologieadditive wie BYK®-410 oder BYK®-430 in der Mahlphase wirkt diesem Phänomen entgegen. Der Anteil nichtflüchtiger Bestandteile beträgt bei diesem Additiv > 99 Gew.-%.
DISPERBYK®-111 ist im Gegensatz zu DISPERBYK®-2155 ein Copolymer mit sauren Gruppen auf Basis von Phosphorsäure-Derivaten und Polyester für lösemittelhaltige als auch lösemittelfreie Lacksysteme, wobei der nichtflüchtige Anteil 95 Gew.-% beträgt. Es stabilisiert anorganische Pigmente, insbesondere Titandioxid. DISPERBYK®-110 ist dahingehend eine Lösung des Additivs DISPERBYK®-111 auf Basis einer Mischung von Naphtha und 2-Methoxy-1- methylethylacetat (1:1) als Lösungsmittel. Der Lösemittelanteil beträgt 48 %.
Ein weiteres verwendetes Netz- und Dispergieradditiv stellt DISPERBYK®-168 dar. Es ist für lösemittelhaltige, als auch für UV-härtende Systeme geeignet. Im Unterschied zu DISPERBYK- 2155 ist DISPERBYK®-168 eine Lösung eines hochmolekularen Block-Copolymers mit pigmentaffinen Gruppen. Der nichtflüchtige Anteil beträgt nur 30 Gew.-%. Dieses hochmolekulare Additiv sorgt durch sterische Stabilisierung für eine Deflokkulation der Pigmente und Füllstoffe. Es erzeugt eine gleichnamige elektrische Ladung der dispergierten Feststoffe und verhindert damit zusätzlich eine mögliche Coflokkulation ungleichnamig geladener Pigmente.
Die Zusatzmengen der Netz- und Dispergieradditive sind stark von der Teilchengröße der Pigmente bzw. Füllstoffe abhängig. Die optimale Einsatzmenge musste vorher durch abgrenzende Versuchsreihen ermittelt werden.
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- Dipl.-Chem. Gregor Christoph Schwartze (Author), 2013, Polymere Ein- und Mehrschichtmaterialien für die Kalibrierung moderner festkörperspektroskopischer Messsysteme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229565