Die Fußballweltmeisterschaft ist ohne Zweifel ein Ereignis, welches in breiten Bevölkerungsschichten großes Interesse hervorruft. Daher stellt sich die Frage, welche Chancen und Risiken sich für die deutsche Tourismusbranche durch den Einfluß der Fußball- WM 2006 ergeben und welche positiven bzw. negativen Auswirkungen ein solches Mega-Event auf den gesamten Tourismus bzw. auf die Tourismusregion hat. Um Mega-Events wie Fußballweltmeisterschaften, Weltausstellungen oder Olympische Spiele bewerben sich immer mehr Städte. Sie werden nicht länger vorwiegend als temporäres Ereignis gesehen, sondern im Streit um Kosten und Nutzen zunehmend als zentrales Instrument der Stadtentwicklungspolitik gerechtfertigt. In dieser Arbeit werden anhand von Beispielen vergangener Mega-Events die Argumente für und gegen eine solche „Politik der Mega-Events“ dargelegt. Vor allem werden die positiven und negativen Einflüsse eines solchen Mega-Events explizit aus Sicht der Tourismusbranche erläutert. Insbesondere sollen Chancen und Risiken für die deutsche Tourismusbranche im Hinblick auf die Fußball-WM 2006 in Deutschland dargestellt werden. Beispiele, die in dieser Arbeit im Zusammenhang mit Mega-Events genannt werden, beschränken sich überwiegend auf drei Arten von Großveranstaltungen: Fußballweltmeisterschaften, Weltausstellungen und Olympische Spiele. Des weiteren werden Vergleiche mit vergangenen Fußballweltmeisterschaften in dieser Arbeit hauptsächlich zu den beiden zuletzt veranstalteten Turnieren in Europa, 1990 in Italien und 1998 in Frankreich, gezogen. 1994 fand die WM in den USA statt, daß jedoch damals eher als „fußballerisches Entwicklungsland“ angesehen wurde und das noch nicht mal über eine nationale Liga verfügte.1 Somit wäre die WM 1994 ungeeignet für einen Vergleich- genauso wie die WM 2002, da diese in Japan und in Süd-Korea vom 31. Mai bis 30. Juni stattfinden wird, zudem erstmals in Asien und auch von zwei Ländern zusammen ausgetragen wird. Um dem Leser das Verständnis zu erleichtern, werden aufgrund der diesjährigen Euroumstellung sämtliche DM-Beträge und ausländische Währungen in Klammern als Euro-Beträge dargestellt. Diese werden teilweise auf- oder abgerundet, um anschaulichere Beträge zu erhalten. Die in dieser Arbeit verwendeten Beispiele zeichnen ein differenziertes Bild einer Fußballweltmeisterschaft auf, bei dem eventuell auch die negativen Aspekte überwiegen können. [...] 1 Vgl. Dahlkamp/Schulze-Marmeling (2001), S. 351
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung am Beispiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Begriffliche Abgrenzung von Mega-Events
2.1 Definitorische Abgrenzung von Mega-Events
2.2 Merkmale von Mega-Events
2.2.1 Befristung
2.2.2 Seltenheit und Außergewöhnlichkeit
2.2.3 Größe
3 Gesellschaftliche Aspekte einer Fußballweltmeisterschaft
3.1 Die besondere Stellung des Sports in der Gesellschaft
3.2 Die Fußballweltmeisterschaft als Massenunterhaltungsprodukt
3.3 Die Politik und die Fußballweltmeisterschaft
3.4 Die Fußballweltmeisterschaft als Werbemittel
4 Wirtschaftliche Aspekte der Fußballweltmeisterschaft
4.1 Finanzierung der Fußballweltmeisterschaft
4.2 Primärimpulse der Produktion und des Konsums
4.3 Sekundäre und induzierte Produktions-, Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen
4.4 Infrastrukturentwicklung
4.5 Auswirkungen auf das Preisniveau
4.6 Imagewirkung
5 Chancen für die deutsche Tourismusbranche durch die Fußballweltmeisterschaft 2006
5.1 Zusätzliche Absatzchancen
5.1.1 Zusätzliche Absatzchancen für Reiseveranstalter und Reisebüros
5.1.2 Zusätzliche Absatzchancen für Hotellerie und Gastronomie
5.1.3 Zusätzliche Absatzchancen für sonstige Absatzhelfer
5.2 Chance auf Erlössteigerungen
5.3 Besondere Werbechancen
5.4 Chance auf Zuschüsse und Genehmigungen des Staates
5.5 Chance zur Gewinnung neuer Kunden bzw. Gäste
6 Risiken für die deutsche Tourismusbranche durch die Fußballweltmeisterschaft 2006
6.1 Unternehmerisches Risiko hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolges
6.1.1 Zusätzliche Investitionskosten
6.1.2 Mangelndes Besucherinteresse
6.1.3 Nichtleistung von Subunternehmern
6.1.4 Ausfall der Veranstaltung
6.2 Sicherheitsrisiko
6.2.1 Bedrohung durch Hooligans
6.2.2 Gefahr von Terroranschlägen
7 Mögliche positive Auswirkungen auf den Tourismus
7.1 Verbesserung der touristischen Infrastruktur
7.2 Erhöhung des Bekanntheitsgrades
7.3 Imagegewinn für die Region
7.4 Steigerung der Gästeübernachtungen
8 Mögliche negative Auswirkungen auf den Tourismus
8.1 Schaffung von Überkapazitäten
8.2 Preissteigerung in der Region
8.3 Negative Entwicklung auf dem Immobilienmarkt
8.4 Entstehung von Konflikten mit traditionellen Gästen
8.5 Zusätzliche Umweltbelastung
8.6 Imageverschlechterung der Region
9 Untersuchung der Einstellung der Bevölkerung zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland
9.1 Zum Hintergrund der Untersuchung
9.2 Methodik der Untersuchung
9.3 Inhaltlicher Aufbau des Fragebogens
9.4 Ergebnisse der Befragung
9.4.1 Akzeptanz und Sicherheit der WM 2006
9.4.2 Einschätzungen zu Stand und Entwicklung von Rahmenbedingungen
9.4.3 Vorstellungen über das aktive Miterleben der WM 2006
9.4.4 Einstellung gegenüber der eigenen Nationalmannschaft
9.4.5 Finanzierung der Weltmeisterschaft
9.4.6 Ausgabebereitschaft für die Weltmeisterschaft 2006
9.5 Zusammenfassende Thesen
10 Interview mit dem Pressprecher der Olympiapark München GmbH hinsichtlich der Fußballweltmeisterschaft 2006
10.1 Grund des Interviews
10.2 Interview
11 Zukünftige Mega-Events
11.1 Feststehende Mega-Events
11.2 Mögliche Mega-Events
12 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Erklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Entwicklung des Bruttoinlandproduktes infolge einer steuerfinanzierten Fußball-Weltmeisterschaft 2006
Abb. 2: Entwicklung der Beschäftigung infolge einer steuerfinanzierten Fußball-Weltmeisterschaft 2006
Abb. 3: Vergleich der Bekanntheit von „AOL Arena“ und „Volksparkstadion“
Abb. 4: Botschaften Spaniens und Grad der Durchsetzung nach Ansicht der Journalisten
Abb. 5: Alter der Befragten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Münchens
Abb. 6: Wie groß ist Ihr Interesse an der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland im Allgemeinen?
Abb. 7: Befürworten Sie, daß die WM 2006 in Deutschland stattfindet?
Abb. 8: Wenn ja, warum sind Sie dafür (Mehrfachnennungen erlaubt)?
Abb. 9: Wenn nein, warum sind Sie dagegen (Mehrfachnennungen erlaubt)?
Abb. 10: Bitte beurteilen Sie die Infrastruktur in Deutschland und München im Hinblick auf ein solches Mega-Event.
Abb. 11: Wie schätzen Sie die Auswirkungen der WM 2006 auf die Situation Deutschlands ein?
Abb. 12: Befürchten Sie Ausschreitungen während der WM?
Abb. 13: Möchten Sie Spiele 2006 live im Stadion erleben?
Abb. 14: Wie wichtig sind folgende Kriterien bei der Frage, ob Sie WM-Spiele im Stadion verfolgen?
Abb. 15: Werden Sie sich die Spiele der WM 2006 im Fernsehen ansehen?
Abb. 16: Wer sollte Ihrer Meinung nach die WM im TV übertragen?
Abb. 17: Werden Sie sich z.B. Premiere (Pay-TV) zulegen, falls wesentliche
Teile der WM 2006 nur dort ausgestrahlt werden?
Abb. 18: Welchen Einfluß hat das Abschneiden Ihrer Nationalmannschaft auf Ihr Interesse an der WM 2006?
Abb. 19: Glauben Sie daß die WM ohne staatliche Förderung auskommen wird?
Abb. 20: Wie beurteilen Sie die Verwendung von Steuergeldern zur Finanzierung der WM 2006?
Abb. 21: Welchen Preis würden Sie für eine 3-Tage-Städtereise inkl. Anreise, Hotel, Deutschlandspiel in der Vorrunde sowie einer Stadtführung bezahlen?
Abb. 22: Welchen Preis würden Sie für eine 3-Tagesreise zum Endspiel nach Berlin bezahlen, wenn die deutsche Nationalmannschaft ins Finale einziehen sollte (inkl. Anreise, Hotel, Ticket, Stadtführung etc.)?
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Typen von Großveranstaltungen und ihre Besucherzahlen
- Beispiele für München 1993 -
Tab. 2: Anzahl der Stadionzuschauer bei WM-Turnieren
Tab. 3: Zuschauerschätzung für die WM 2006
Tab. 4: Sektorale Produktionseffekte im Zeitraum 2003 bis 2010 bei einer steuerfinanzierten Fußball-WM (in Mrd. DM)
Tab. 5: Bedeutung der Motive für die Bewerbung von Staaten um Weltausstellungen in drei Weltausstellungsepochen
Tab. 6: Die Ankünfte und Übernachtungen in München von 1970 bis 1980
1 Einleitung
1.1 Problemstellung am Beispiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland
Die Fußballweltmeisterschaft ist ohne Zweifel ein Ereignis, welches in breiten Bevölkerungsschichten großes Interesse hervorruft. Daher stellt sich die Frage, welche Chancen und Risiken sich für die deutsche Tourismusbranche durch den Einfluß der Fußball-WM 2006 ergeben und welche positiven bzw. negativen Auswirkungen ein solches Mega-Event auf den gesamten Tourismus bzw. auf die Tourismusregion hat.
Um Mega-Events wie Fußballweltmeisterschaften, Weltausstellungen oder Olympische Spiele bewerben sich immer mehr Städte. Sie werden nicht länger vorwiegend als temporäres Ereignis gesehen, sondern im Streit um Kosten und Nutzen zunehmend als zentrales Instrument der Stadtentwicklungspolitik gerechtfertigt.
In dieser Arbeit werden anhand von Beispielen vergangener Mega-Events die Argumente für und gegen eine solche „Politik der Mega-Events“ dargelegt. Vor allem werden die positiven und negativen Einflüsse eines solchen Mega-Events explizit aus Sicht der Tourismusbranche erläutert. Insbesondere sollen Chancen und Risiken für die deutsche Tourismusbranche im Hinblick auf die Fußball-WM 2006 in Deutschland dargestellt werden.
Beispiele, die in dieser Arbeit im Zusammenhang mit Mega-Events genannt werden, beschränken sich überwiegend auf drei Arten von Großveranstaltungen: Fußballweltmeisterschaften, Weltausstellungen und Olympische Spiele.
Des weiteren werden Vergleiche mit vergangenen Fußballweltmeisterschaften in dieser Arbeit hauptsächlich zu den beiden zuletzt veranstalteten Turnieren in Europa, 1990 in Italien und 1998 in Frankreich, gezogen. 1994 fand die WM in den USA statt, daß jedoch damals eher als „fußballerisches Entwicklungsland“ angesehen wurde und das noch nicht mal über eine nationale Liga verfügte.[1] Somit wäre die WM 1994 ungeeignet für einen Vergleich- genauso wie die WM 2002, da diese in Japan und in Süd-Korea vom 31. Mai bis 30. Juni stattfinden wird, zudem erstmals in Asien und auch von zwei Ländern zusammen ausgetragen wird.
Um dem Leser das Verständnis zu erleichtern, werden aufgrund der diesjährigen Euroumstellung sämtliche DM-Beträge und ausländische Währungen in Klammern als Euro-Beträge dargestellt. Diese werden teilweise auf- oder abgerundet, um anschaulichere Beträge zu erhalten.
Die in dieser Arbeit verwendeten Beispiele zeichnen ein differenziertes Bild einer Fußballweltmeisterschaft auf, bei dem eventuell auch die negativen Aspekte überwiegen können. In den meisten Städten Deutschlands gibt es derzeit bereits Streit über Kosten und Nutzen des großen Ereignisses, dieser ist jedoch gleichermaßen emotional wie sinnlos, denn er ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unentscheidbar. Eine hieb- und stichfeste sowie vollständige Bilanz aller Kosten und Nutzen einer Fußballweltmeisterschaft ist im vorhinein praktisch unmöglich und im nachhinein noch nie versucht worden.
Trotzdem soll im Rahmen dieser Diplomarbeit versucht werden, die Vor- und Nachteile für den Tourismus näher zu beleuchten, unabhängig davon wer letztendlich für die Kosten einer Fußball-WM aufkommt.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in elf Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel soll auf die Thematik und Vorgehensweise hinführen. Um mit den Untersuchungen über Mega-Events beginnen zu können, ist es zunächst notwendig, den Begriff Mega-Event, der heute zum viel benutzten und beliebten Modewort geworden ist, klar abzugrenzen, was im zweiten Kapitel geschehen wird.
Daran anschließend werden im dritten und vierten Kapitel die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte einer Fußballweltmeisterschaft in Deutschland näher untersucht. Dabei sollen unter anderem die Kosten und der Nutzen einer Fußball-WM für die gesamte Volkswirtschaft untersucht werden.
Das fünfte und das sechste Kapitel setzen sich mit den Chancen und Risiken für die deutsche Tourismusbranche durch die Fußball-WM 2006 auseinander, während dieser Großveranstaltung. Hierbei werden auch Vorschläge für diverse Tourismussparten gemacht, um aus einer Fußball-WM möglicherweise Kapital schlagen zu können.
Die Kapitel sieben und acht befassen sich mit den möglichen positiven und negativen Auswirkungen auf den Tourismus in Folge der Fußballweltmeisterschaft 2006, besonders im Hinblick auf eine bestimmte Region bzw. Stadt, und auch zeitlich über die Dauer des Mega-Events hinaus.
In Kapitel neun werden Ergebnisse und Schlußfolgerungen aus einer repräsentativen Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung zur Fußball-WM 2006 in Deutschland aufgezeigt.
In Kapitel zehn wird ein Interview mit dem Pressechef der Olympiapark München GmbH hinsichtlich der Fußball-WM 2006 in Deutschland und deren Auswirkungen auf München geführt.
Im vorletzten Kapitel soll einen Ausblick auf zukünftige, bereits in Planung befindliche, aber auch auf derzeit noch nicht feststehende Mega-Events gegeben werden.
Abschließend wird in Kapitel zwölf ein Fazit über die wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus der Austragung einer Fußballweltmeisterschaft in Deutschland für den Tourismus ergeben, gezogen.
2 Begriffliche Abgrenzung von Mega-Events
2.1 Definitorische Abgrenzung von Mega-Events
Heutzutage gestaltet sich die Definition eines Mega-Events als recht schwierig. Ursprünglich kommt der Begriff „mega“ aus dem griechischen (mégas) und hat als Wortbildungselement die Bedeutung groß, Riesen...[2] Jedoch ist der Begriff Mega-Event ebenso zu einem Modewort geworden, wie der Begriff Event selbst. Beispielsweise wirbt der Fernsehsender PRO 7 mit dem Begriff „Mega-Event“ für einen am folgenden Wochenende laufenden Hollywoodfilm. Sicherlich können nur die wenigsten Ereignisse mit Fug und Recht als Großereignisse oder Mega-Events bezeichnet werden, wie es zweifellos die Olympischen Spiele, G7-Gipfel, Weltausstellungen oder Fußballweltmeisterschaften sind. Unter die Kategorie Mega-Events können aber auch zufällige Ereignisse fallen, wie Vulkanausbrüche, Tragödien wie die Apollo-13-Mission, oder die historisch unterschiedlichsten Ereignisse, wie beispielsweise die erste Mondlandung. Allein die Aufzählung dieser wenigen Ereignisse zeigt die Notwendigkeit einer klaren definitorischen Abgrenzung des Begriffs Mega-Event im Rahmen dieser Diplomarbeit. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß sich auch verhältnismäßig kleine Veranstaltungen, wie regionale Snowboardmeisterschaften mit dem attraktiven Attribut „Mega-Event“ schmücken.[3] Vor allem was die Mindestgröße der Besucherzahlen eines Mega-Events angeht, läßt sich keine klare Linie ziehen. Folgende Erklärungen des Begriffs Mega-Event sollen die Schwierigkeit der Abgrenzung näher verdeutlichen:
- Schnedlitz und Piber definieren wie folgt: „Internationale Sportgroßveranstaltungen sind vor allem durch großes Publikumsinteresse, hohem organisatorischem Aufwand und meist hohen öffentlichen und privaten Investitionen gekennzeichnet“.[4]
- Häußermann und Siebel sprechen sogar von einem neuen Typus von Politik: „Die Politik der großen Ereignisse. Dabei werden kampagneartig Gelder, Menschen und Medien auf ein möglichst klar umrissenes Ziel hin mobilisiert. Die Kampagne ist zeitlich befristet, das Ereignis räumlich begrenzt und inhaltlich auf ein massenwirksames Thema focussiert.“[5]
- Nach Meinung von Venturi ist es in Italien bereits schwierig, den Gegenstand der Untersuchung in Bezug auf seine Funktion zu definieren. Die italienischen „big events“ reichen vom Wiederaufbau nach dem Erdbeben bis zu den Projekten für Hochgeschwindigkeitsstrecken, von den Neubauten für die Fußballweltmeisterschaft 1990 bis zum heiligen Jahr 2000, von den Dienstleistungszentren bis hin zu innovativen Freizeiteinrichtungen.[6]
- Laut Schneider repräsentieren Großveranstaltungen (auch „hallmark events“, „mega events“ oder „major events“ genannt) nahezu den gesamten Querschnitt gesellschaftlicher Interessenbereiche. Sie werden zu ökonomischen (Wirtschaftsmessen), wissenschaftlichen (Weltkrebskongreß), politischen (Parteitage, Großkundgebungen) oder kulturellen (Festivals, Ausstellungen, Kirchentage) Themenstellungen durchgeführt.[7]
- Der erwähnte Begriff „Hallmark Event“ wurde von Hall für die Bezeichnung einer Großveranstaltung eingeführt. Dabei versteht er unter Großveranstaltungen einmalige oder sich wiederholende Ereignisse von begrenzter Dauer, die durchgeführt werden, um die Berühmtheit, die Anziehungskraft und die Rentabilität eines Fremdenverkehrsortes kurz- und/ oder langfristig zu erhöhen. Sie bauen Ihren Erfolg auf die Einzigartigkeit, den Status und die zeitliche Bedeutung auf.[8]
- Ähnlich formuliert findet man bei Roche den Begriff Großveranstaltung als “Mega-events (large scale leisure and tourism events such as Olympic Games and World Fairs) are short-term events with long-term consequences for the cities that stage them“.[9]
Da in dieser Diplomarbeit hauptsächlich auf Fußballweltmeisterschaften, Olympische Spiele und Weltausstellungen Bezug genommen wird, scheint hierfür eine Definition von Klenk als die treffenste, die folgendermaßen formuliert ist: „Mega-Events sind langfristig geplante Ereignisse mit möglichst breiter internationaler Beteiligung von Nationen, Institutionen, Personen und Unternehmen, die über mehrere Jahre umfangreiche globale Medienberichterstattung generieren und möglichst viele Menschen weltweit emotional berühren.“[10]
2.2 Merkmale von Mega-Events
Die Literatur zieht häufig zur Definition von Mega-Events allgemeine Merkmale des äußeren Erscheinungsbildes, namentlich die „Befristung“, „Seltenheit bzw. Einmaligkeit“ und „Größe“ heran.
Einleitend sollen zunächst die äußeren Konturmerkmale von Mega-Events diskutiert werden. Ihre vielfältigen Sekundär- und Nebenwirkungen werden in den nachfolgenden Kapiteln näher betrachtet.
2.2.1 Befristung
Mega-Events zeichnen sich zunächst dadurch aus, daß sie zeitlich begrenzt sind. Im engeren Sinne äußert sich die Befristung in termingebundenen Veranstaltungsprogrammen. Der eigentliche Veranstaltungsablauf ist häufig in sehr langfristige Wirkungs- und Vorbereitungsphasen eingebettet. In Anlehnung an Travis bzw. Croizé lassen sich drei Kategorien von Großereignissen bilden:
- Kurze singuläre Ereignisse mit einer Dauer von ein bis vier Tagen (z.B. venezianischer Karneval, Messen)
- Mehrwöchige Ereignisketten (z. B. Olympische Wettkämpfe)
- Veranstaltungen von mehrmonatiger Dauer (z.B. Weltausstellungen, Bundesgartenschau)[11]
Die begrenzte Dauer unterscheidet Mega-Events vordergründig von Großattraktionen, wie etwa Naturschönheiten, berühmten Kunstsammlungen, historischen Stätten, religiösen Zentren oder auch Weltmetropolen.[12]
Jedoch bieten Mega-Events Anlaß zur Bereitstellung spektakulärer, funktionstragender Bauten und Anlagen und bringen demnach auch Großattraktionen hervor. Beispielsweise wurde für die Olympischen Spiele 1976 in Montreal mit 1,3 Mrd. Dollar (1,2 Mrd. €) die zu dieser Zeit teuerste Arena der Welt gebaut.[13] Ebenso werden für die Fußball-WM 2006 in Deutschland fast alle Stadien der Bewerberstädte für die Spiele ausgebaut oder wie in München ganz neu errichtet.
2.2.2 Seltenheit und Außergewöhnlichkeit
Nach dem Veranstaltungsturnus lassen sich zunächst regelmäßige oder aperiodisch wiederkehrende und einmalig durchgeführte Mega-Events unterscheiden.
Als Beispiel für ein einmaliges Mega-Event sei die Inszenierung der Rockoper „The Wall“ am 22. Juli 1990 auf dem Podsdamer Platz in Berlin zu nennen. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde dieses Konzert als Benefizveranstaltung geplant und inszeniert. Die Besucherzahl der Rockshow wurde auf 300.000 geschätzt und die Kosten beliefen sich auf 15 Mio. DM (7,7 Mio. €).
Mehrfach oder regelmäßig wiederkehrende Großveranstaltungen folgen in zeitlichen Mindestabständen aufeinander. Dies hat vor allem organisatorische (Planungs- und Vorbereitungsdauer) und technische Gründe. Es sind meist projektbezogene Baumaßnahmen abzuwickeln oder auch die Teilnehmer aufwendig zu selektieren. Deshalb finden Fußballweltmeisterschaften nicht umsonst nur alle vier Jahre statt, weil sich die Teams in Ausscheidungsspielen für die Teilnahme innerhalb von zwei Jahren erst qualifizieren müssen.
Die Veranstaltungshäufigkeit wird zudem aus strategischen Gründen reduziert, um den Ermüdungs- und Sättigungstendenzen bei potentiellen Besuchern und Teilnehmern oder auch unerwünschten Konkurrenzen zu anderen Mega-Events entgegenzuwirken. Deshalb werden beispielsweise die universalen Weltausstellungen nur alle 10 Jahre veranstaltet.[14]
2.2.3 Größe
Die Größe eines Mega-Events läßt sich grob in drei unterschiedliche Indikatoren einteilen:
- Volumen: Teilnehmer- und Besucherzahl, Flächenbedarf
- Monetärer Wert: Kapitaleinsatz, Gewinn
- Psychologische Bedeutung: Imagewirkung, Werbewirkung
Diese drei Größenvariablen stehen in einem engen Zusammenhang. So schaffen bauliche Investitionen häufig erst die Voraussetzungen, daß eine Veranstaltung in bestimmte Besucherdimensionen überhaupt hinein wächst. Als Beispiel sei der Bau des Pariser Eiffelturms genannt, der ursprünglich nur für die Weltausstellung im Jahr 1900 in Frankreich gebaut wurde, jedoch noch heute das Interesse von Millionen Besuchern weckt. Umgekehrt gehen Investitionserfordernisse und Gewinn auf das Teilnahmeinteresse zurück, und auch die psychologische Bedeutung der Veranstaltung resultiert aus der Aktivierung großer Menschenmengen.[15]
Um dem Leser einen groben Eindruck der Größendimension von Mega-Events zu vermitteln, soll die nachfolgende Tabelle am Beispiel München des Jahres 1993 einerseits die unterschiedlichen Typen von Großveranstaltungen, sowie andererseits deren Besucherzahlen aufzeigen. Es gibt jedoch keine festgelegte Mindestbesucherzahl, die eindeutig ein Mega-Event von einer normalen Veranstaltung abgrenzen würde. Deshalb sind in der folgenden Tabelle auch „kleinere“ Großveranstaltungen aufgeführt, obwohl diese vielleicht eher zu herkömmlichen Veranstaltungen zählen würden. Doch auch wenn aufgrund einer Extremsituation, beispielsweise einer Terrordrohung während einer Fußball-WM die Besucherzahlen drastisch zurückgehen würden, so müßte man schon allein wegen der jahrelangen Vorbereitung, trotzdem immer noch von einem Mega-Event sprechen, also unabhängig von den niedrigen Besucherzahlen.
Tab. 1: Typen von Großveranstaltungen und ihre Besucherzahlen:[16]
- Beispiele für München 1993 -
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3 Gesellschaftliche Aspekte einer Fußballweltmeisterschaft
3.1 Die besondere Stellung des Sports in der Gesellschaft
Sport ist heute ein Zauberwort, daß vieles auslöst: Faszination, Emotion, Kommunikation, Illusion, immer öfter aber auch Aversion. Zugleich ist der Sport auch unter Zwänge geraten, wurde politisch vereinnahmt und schließlich immer stärker von Geld und Kommerz abhängig. Für seine Fans ist er oft wichtiger geworden als der monotone Beruf und das Alltagsleben, weil er geeignet ist Spannung hervorzurufen, Leidenschaft zu entfachen und offenbar nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist.[17]
Heutzutage befindet sich der Sport im Zeichen der entwickelten Industriegesellschaft in einem Stadium, das ihn noch immer, als ein von sozialen Evolutionen abhängiges System determiniert und darüber hinaus mehr und mehr in den gesamtgesellschaftlichen Prozeß einbezieht. Sporttreiben als Massenbeschäftigung ist dabei vorwiegend eine Reaktion auf die technisch organisierte Arbeitswelt. Ausgegangen war diese Entwicklung von England, dessen Vorsprung in der Industrialisierung dann von den USA aufgeholt wurde. Wirtschaftlich rückständige Staaten, wie die damalige UdSSR oder die heutigen Entwicklungsländer erreichte der Sport dagegen erst relativ spät und wurde dort anfänglich auch nur zögernd gefördert.[18]
Der Sport repräsentiert jedoch keine heile Welt, sondern eher den Zeitgeist: das heißt, er gehört zu unserer Zivilisation und zwar mit all ihren Stärken und Schwächen.[19]
Dreyer und Krüger sprechen sogar vom jetzigen „Zeitalter der Freizeit“. Noch nie waren so große Teile der Bevölkerung so wohlhabend und hatten so viel freie Zeit zur Verfügung wie in diesen Tagen, um sich bei Spiel und Sport einerseits und bei touristischen Aktivitäten andererseits zu vergnügen. Dieser Trend zeigt sich inzwischen in allen modernen Industriegesellschaften.[20]
3.2 Die Fußballweltmeisterschaft als Massenunterhaltungsprodukt
Wie beliebt die Fußballweltmeisterschaft auf der ganzen Welt ist, zeigt eine Zahl aus dem Jahr 1994: Weltweit erlebten 32 Mrd. Fernsehzuschauer die 52 Spiele der Weltmeisterschaft in den USA. Das Endspiel sahen 3 Mrd. Menschen zeitgleich in 185 Ländern.[21]
Die WM 1998 in Frankreich wurde sogar als „Vollversammlung der Menschheit“ bezeichnet. Statistisch gesehen, schaltete sich jeder der damals 5,7 Mrd. Bewohner der Erde sechsmal in die TV-Berichterstattung über die WM 1998 ein. Das Turnier zog weltweit fast 49 Mrd. Menschen vor die TV-Geräte, doppelt so viele wie die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta. Davon entfielen 1,7 Mrd. Zuseher auf das Eröffnungsspiel, 2,2 Mrd. auf das Finale.[22]
In Frankreich selbst brach das Endspiel zwischen Frankreich und Brasilien alle Fernsehrekorde: 20.577.480 Zuschauer sahen auf TF1 (France Télévision 1) das Endspiel, das entspricht einem Anteil von 75,6 % der Einschaltquoten und außerdem müssen noch drei Mio. Zuseher auf Canal Plus- einem Pay-TV Sender dazu gezählt werden.[23]
Hinzu kommen Mio. von Zuschauern in den Stadien, die über die Jahre immer mehr zugenommen haben, was die nachfolgende Tabelle verdeutlichen soll:
Tab. 2: Anzahl der Stadionzuschauer bei WM-Turnieren[24]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Als Anmerkung zu der Tab. 2 bleibt noch zu sagen, daß die höhere Zahl der Zuschauer bei der WM 1994 im Vergleich zu der WM 1998 nicht auf ein nachlassendes Besucherinteresse zurückzuführen ist, sondern daß 1994 in den USA die Kapazität der Stadien wesentlich größer war als 1998 in Frankreich.
Für die Fußball-WM 2006 in Deutschland geht Professor Rahmann in seiner sozio-ökonomischen Analyse der Fußball-WM 2006 in Deutschland von folgender Schätzung aus:
Tab. 3: Zuschauerschätzung für die WM 2006[25]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dank der modernen Massenmedien ist es also gelungen, die Fußballweltmeisterschaft einem breiten Publikum ins Haus zu liefern, und sie dadurch zu einem Massenphänomen werden zu lassen. Die Fans eifern mit den Mannschaften mit, vor allem, wenn die eigene Nationalmannschaft spielt werden Emotionen und Stolz frei.
Die Mannschaften bzw. die Spieler rücken während der gesamten Dauer der Fußball-WM in den Mittelpunkt des Weltgeschehens. Es müßte schon etwas Außergewöhnliches passieren, daß diese gigantische Sportshow aus den Schlagzeilen der Titelseiten verschwindet.
3.3 Die Politik und die Fußballweltmeisterschaft
Der eigentlich unpolitische Charakter des Sports- und auch des Fußballsports- ist es, der ihn für die Politik so interessant macht, da aufgrund der sportimmanenten Neutralität eine gewisse Vergleichbarkeit verschiedener Systeme für Politiker möglich scheint.[26]
Betrachtet man die außenpolitischen Gesichtspunkte, so werden dem Fußballsport Beiträge zur besseren internationalen Verständigung zugesprochen, d.h. unter spezifischen Umständen kann er der politischen Entspannung, dem Frieden und dem Abbau von Vorurteilen dienen. Internationale Sportveranstaltungen dienten in der Vergangenheit unter anderem als Ausgangspunkt erster politischer Entspannungsgespräche oder trugen zur schrittweisen Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ mit Hilfe des liberalisierten Sportverkehrs zur Zeit des „Kalten Krieges“ bei.[27]
Ungeachtet dessen müssen hier auch Risiken angesprochen werden. Fußballweltmeisterschaften und Länderspiele für sich allein genommen, haben häufig Anlässe zu politischen Spannungen geboten, wie an den Auseinandersetzungen um Teilnahmeberechtigungen an der Endrunde oder auch um das Recht der Austragung belegt werden kann. In diesem Zusammenhang kann auf die Auseinandersetzung um die Anzahl der Endrundenteilnehmer verschiedener Kontinente wie Afrika, Asien usw. hingewiesen werden. Weiter ist der anfängliche Streit um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2002 zwischen Japan und Korea zu nennen.[28]
Außerdem benutzen viele Länder eine Sportgroßveranstaltung auch zur Selbstdarstellung und als Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit des Landes. Beispielsweise kann hier die Demonstration politischer Macht durch das nazionalsozialistische Regime Hitlers anläßlich der Olympischen Spiele 1936 in Berlin angeführt werden.
Unter innenpolitischen Gesichtspunkten kann eine Fußball-WM sich auf die politischen Zielsetzungen insbesondere auf kommunaler Ebene auswirken. Diese Zielsetzungen können in der Förderung der Stadtentwicklung, in der politischen Stabilität und in der Demonstration politischer Handlungskompetenz manifestiert werden. Vor allem mit Hilfe von Landes- und Bundeszuschüssen sowie privaten Investitionen bemühen sich einzelne Kommunen Infrastrukturmaßnahmen zur städtebaulichen Entwicklung durchzuführen.[29]
Die Leistungen des Bundes, der Länder und der Kommunen bleiben jedoch nicht ohne erhebliche Gegenleistungen des Sports. So ist der Sport längst zu einem gewichtigen wirtschaftspolitischen Faktor geworden,[30] da sich beispielsweise Sportgroßveranstaltungen aufgrund der hohen Infrastrukturausgaben positiv auf die Konjunktur der Bauwirtschaft auswirken. Zudem sind solche Veranstaltungen wichtige Einnahmequellen für Gastronomie, Hotellerie, das Verkehrswesen und andere Wirtschaftszweige und können somit auch zur Entstehung zahlreicher neuer Arbeitsplätze führen. Folglich würde auch der Staat an der steigenden ökonomischen Bedeutung des Fußballsports durch höhere Steuereinnahmen partizipieren.[31]
Versetzt man sich nun in die Rolle der regierenden Partei, kann diese sich derartige wirtschaftliche Erfolge im Wahlkampf zu Nutze machen, da Wählersympathien unter anderem von diesem Aspekt abhängen. Da die WM 2006 im Juni stattfindet und im selben Jahr im September wieder Bundestagswahlen anstehen, wären auch nur kurzfristige Erholungen der Baukonjunktur und auf dem Arbeitsmarkt ein durchaus interessanter Aspekt für den Wahlkampf der Regierung der kommenden Legislaturperiode (2002-2006).
Angesichts der noch nicht begonnenen Baumaßnahmen für die Fußball-WM ergibt sich zudem die Möglichkeit für die Politik, durch geeignete Steuerungsinstrumente positiv Einfluß zu nehmen, um so ökologische Schädigungen frühzeitig zu vermeiden- also etwas positives in Sachen Umweltpolitik zu unternehmen.[32]
Ferner haben solche Mega-Events wie die Fußball-WM auch Oaseneffekte für die Politik, d.h. die vorrübergehende Konzentration der Kräfte auf einen Höhepunkt trocknet andere Konfliktfelder der Politik aus. So kann eine Fußballweltmeisterschaft auch das organisierte Ablenken von sozialen, schwer lösbaren und wenig spektakuläre Erfolge versprechenden Problemen sein. Dies verdeutlicht eine Analyse der Effekte der Olympischen Spiele in Calgary eines kanadischen Soziologen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß durch große Ereignisse in den Städten positive Gefühle aufrechterhalten werden können, im Gegensatz zu den üblichen negativen Emotionen, die durch städtische Probleme entstehen.[33]
Der Sport ist also sowohl wirtschaftspolitisch wie auch sozialpolitisch ein Faktor, der aus unserem modernen Staatswesen nicht mehr wegzudenken ist.[34]
3.4 Die Fußballweltmeisterschaft als Werbemittel
Der Sport ist heute ein Werbemittel ersten Ranges geworden. Gerade sportliche Großveranstaltungen wie eine Fußball-WM bilden durch die weltweite Aufmerksamkeit, die sie genießen, einen idealen Werberahmen.
Man spricht inzwischen sogar von der „Kommerzialisierung des Fußballs“, denn untrennbar mit der Entwicklung des Fußballs zum Fernsehsport ist auch die zunehmende Vermarktung des Spiels verbunden.[35]
Jedoch kann durch die qualitativ verbesserte Berichterstattung, durch moderne Techniken und die große Anzahl der Medienvertreter den Ansprüchen der Konsumenten auch besser Rechnung getragen werden. Reichweiten bzw. Auflagenzahlen werden erhöht und somit höhere Werbe- und Verkaufserlöse erzielt. Dadurch ergeben sich positive, temporäre Auswirkungen auf die Werbebranche und die werbenden Unternehmen. Dabei geht die Dimension des Werbeeffektes für einzelne Unternehmen aufgrund der außerordentlichen internationalen Aufmerksamkeit und medialen Verbreitung weit über andere Fußballereignisse hinaus und wird im Sportbereich allenfalls von Olympischen Spielen übertroffen.[36]
Somit ist die Fußball-WM eine umfassende, globale Werbeplattform, mit deren Hilfe die Reputation sowohl deutscher Unternehmen als auch einzelner Regionen insbesondere im Ausland gesteigert werden kann. Das wirkt sich positiv auf die Exportchancen, auf ausländische Investitionen in Deutschland und auf den Tourismus aus.[37]
Andererseits begrüßen nicht alle ortsansässigen Unternehmen den großen Werbeeffekt, da sie fürchten, mit der Ansiedlung neuer zum Teil ausländischer Unternehmen eine größere Konkurrenz um staatliche Subventionen und hochqualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen.[38]
4 Wirtschaftliche Aspekte der Fußballweltmeisterschaft 2006
4.1 Finanzierung der Fußballweltmeisterschaft
Generell lassen sich drei Arten der Finanzierung der notwendigen Infrastrukturinvestitionen für die Fußball-WM unterscheiden.
- Finanzierung durch eine erhöhte Kreditaufnahme des Staates
D.h. die Finanzierung der Sportinfrastrukturinvestitionen in den Jahren 2003 bis 2005 erfolgt durch die Anhebung der Nettokreditaufnahme des Staates. Dabei wird unterstellt, daß die zusätzlichen staatlichen Sportinfrastrukturinvestitionen zu keiner Verdrängung der privaten Investitionstätigkeit führen wird.
- Finanzierung durch ein staatliches Münzprogramm
Damit hätten Fußballenthusiasten die Möglichkeit, durch den Erwerb von Münzen sich an der Finanzierung „Ihrer“ Fußball-WM selbst zu beteiligen. Doch können die Investitionen aufgrund ihres Gesamtvolumens nur zum Teil durch ein solches Münzprogramm aufgebracht werden.
- Finanzierung durch eine Erhöhung der direkten Steuern der privaten Haushalte an den Staat
Hierbei werden die Steuerzahlungen der privaten Haushalte an den Staat parallel um den Betrag der zusätzlichen jährlichen Investitionen in den Jahren 2003 bis 2005 angehoben. Dies wäre also eine zusätzliche, direkt zu zahlende Steuer der privaten Haushalte an den Staat.[39]
Zur Zeit gestaltet es sich als sehr schwierig, das ganze Ausmaß der Finanzierung zu erfassen. Doch so viel scheint sicher, daß eine Finanzierung ohne den Steuerzahler zu belasten praktisch unmöglich ist. Zwar erhielt das WM-Organisationskomitee erst kürzlich die Zusage für eine finanzielle Unterstützung der FIFA in Höhe von 250 Mio. Schweizer Franken (172,5 Mio. €) für die Ausrichtung der WM in Deutschland.[40]
Doch alleine die staatlichen Sportinfrastrukturinvestitionen werden sich in den Jahren 2003 bis 2005 für ganz Deutschland auf mindestens 690 Mio. DM (353 Mio. €) belaufen und die Gesamtinvestitionen für den Neubau und die Modernisierung der 12 WM-Stadien erfordern Gesamtinvestitionen von 1,7 Mrd. €.[41]
Es zeichnet sich außerdem jetzt bereits ab, daß die Fußballweltmeisterschaft viel teurer wird als sie zunächst kalkuliert wurde. Denn statt Kosten in Höhe von 250 Mio. €, die zunächst vorgesehen waren, ist inzwischen schon die Rede von Kosten in Höhe von 300 bis 400 Mio. €.[42] Ähnlich sieht es mit den Neubauten bzw. der Modernisierung der zwölf WM-Stadien aus. So steht am 16. April 2002 in der Süddeutschen Zeitung- der Neubau des Münchner Stadions kostet 280 Mio. €.[43] Zum Vergleich eine Zahl erschienen in der Wirtschaftszeitschrift der IHK München vom Oktober 2001, wo damals noch 400 Mio. DM (205 Mio. €) für den Stadionneubau veranschlagt wurden.[44]
Natürlich bleibt nun abzuwarten, zu welchem Anteil die Kosten für die zwölf Stadien (1,7 Mrd. €) von den Fußballvereinen, den Ländern und Städten, bzw. des Bundes übernommen werden. Doch insgesamt werden die Kosten voraussichtlich noch deutlich ansteigen, denn es ist zumindest fraglich, daß für den Ausbau der Infrastruktur in zwölf WM-Städten, der Staat nur 690 Mio. DM (353 Mio. €) für staatliche Investitionen benötigen soll. Da schon allein in München für die gesamten Infrastrukturmaßnahmen 360 Mio. DM (184 Mio. €) notwendig sind, wovon bei großen Straßenvorhaben 50 bis 60 % und beim U-Bahn-Bau sogar bis zu 80 % der Kosten von Bund und Land übernommen werden.[45]
Um zu zeigen wie gefährlich es sein kann, sich gerade bei der Finanzierung auf Prognosen und geschätzte Kosten zu verlassen, soll die folgende Fehleinschätzung für die Fußball-WM 1990 in Italien verdeutlichen. In Italien wurde den Kommunen drei Jahre vor Beginn der Weltmeisterschaft insgesamt rund 400 Mrd. Lire (207 Mio. €) an Zuschüssen zur Verfügung gestellt. Dadurch wurde zum einen der Bau neuer Stadien und zum anderen die Modernisierung der bestehenden Anlagen finanziert. Weitgehend nebensächlich schienen
zu diesem Zeitpunkt so wichtige Themen wie die Beförderung oder die Beherbergung der zu erwartenden Besucher. Für die Verbesserungen der verkehrs- und stadttechnischen Infrastruktur der betroffenen Städte waren aber insgesamt nur 66 Mrd. Lire (34 Mio. €) an Zuschüssen eingeplant.[46]
[...]
[1] Vgl. Dahlkamp/Schulze-Marmeling (2001), S. 351
[2] Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie (1991), S. 401
[3] Vgl. Klenk (1999), S. 39
[4] Schnedlitz/Piber (1985), S. 2
[5] Häußermann/Siebel (1993), S. 8
[6] Vgl. Venturi (1993), S. 56
[7] Vgl. Schneider (1993), S. 115
[8] Vgl. Hall (1992), S. 2
[9] Roche (1994), S. 1
[10] Klenk (1999), S. 40
[11] Vgl. Travis/Croizé (1987), S.62 f.
[12] Vgl. Ritchie/Yangzhou (1987) S. 20 f.
[13] Vgl. Schneider (1993) S. 116
[14] Vgl. Schneider (1993), S. 116 f.
[15] Vgl. Schneider (1993), S. 120
[16] Quelle: Feige (1994), S. 7
[17] Vgl. Jacob (2000), S. 5
[18] Vgl. Jacob (2000), S. 26
[19] Vgl. Jacob (2000), S. 5
[20] Vgl. Dreyer/Krüger (1995), S. 1 f.
[21] Vgl. Aschenbeck (1998), S. 19
[22] Vgl. Dahlkamp/Schulze-Marmeling (2001), S. 405
[23] Vgl. Dauncey/Hare (1999), S. 197
[24] Quelle: Simon (1998), S. 176
[25] Quelle: Rahmann/Weber/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 137
[26] Vgl. Krockow (1984), S. 29 ff.
[27] Vgl. Heinemann 1990), S. 251 ff.
[28] Vgl. Rahmann/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 73
[29] Vgl. Rahmann/Weber/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 75 f.
[30] Vgl. Wange (1988), S. 290 f.
[31] Vgl. Rahmann/Weber/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 61 f.
[32] Vgl. Rahmann/Weber/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 83
[33] Vgl. Hiller (1990), S. 118
[34] Vgl. Wange (1988), S. 291
[35] Vgl. Aschenbeck (1998), S. 47
[36] Vgl. Ritchie (1984), S. 3
[37] Vgl. Häußermann/siebel (1993), S. 7 ff.
[38] Vgl. Rahmann/Weber/Groening/Kurscheidt/Napp/Pauli (1998), S. 72
[39] Vgl. Meyer/Ahlert (2000), S. 225 ff.
[40] Vgl. Süddeutsche Zeitung (16.4.2002), S. 1
[41] Vgl. Meyer/Ahlert (2000), S. 70; vgl. Süddeutsche Zeitung (16.4.2002), S. 1
[42] Vgl. Schwäbisches Tagblatt (19.3.2002), Sportteil
[43] Vgl. Süddeutsche Zeitung (16.4.2002), S. 35
[44] Vgl. Wirtschaft (2001), Nr. 10, S. 3
[45] Vgl. Wirtschaft (2001), Nr. 10, S. 20
[46] Vgl. Obermaier (1993), S. 209
- Arbeit zitieren
- Clemens Netzer (Autor:in), 2002, Mega-Events als Chance und Risiko für den Tourismus. Die Fussballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22853
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