Gibt man „Mnemotechnik“ als Suchbegriff in eine Suchmaschine ein, so erweisen sich die
ca. 100.000 Ergebnisse zum Grossteil entweder als esoterische Offenbarungen oder als
Anleitungen zu einem besseren Lerngedächtnis, meistens von Pädagogen für Schüler
verfasst, wohl eine der wenigen Gruppen in der heutigen westlichen Gesellschaft, für die
Auswendiglernen noch relevant ist. Da erschließt sich nicht auf den ersten Blick, dass die
Mnemotechnik einen grundlegenden Einfluss auf die wohl wichtigste Technologie der
Gegenwart und die damit einhergehenden sozialen und kulturellen Umwälzungen gehabt
haben soll.1
Dennoch soll der Computer und vor allem das Graphic User Interface (GUI) aus der
Geistesgeschichte der Mnemotechnik betrachtet werden, einer Kulturtechnik, die bereits im
antiken Griechenland existierte. Dazu wird zunächst in einem kurzen Abriss die Geschichte
der Mnemonik2 dargestellt, mit Schwerpunkten auf der klassischen Mnemotechnik der
Antike, dem Lullismus und Giordano Bruno. Die unzähligen Ausformungen der
Gedächtniskunst, von der banalen Eselsbrücke bis hin zum komplexen Ramismus, können
hier nicht alle behandelt werden.
Daraufhin werden die Wege aufgezeigt, über die die Mnemotechnik die
Computertechnologie der Gegenwart beeinflusst hat.
Man könnte die Mnemotechnik mit McLuhan als Medium betrachten, erweitert sie doch unser
Gedächtnis, jedoch ohne es zu externalisieren. Mit der teilweisen Auslagerung unseres
Gedächtnis in den Computerspeicher, der für Menschen genau so wenig direkt zugänglich ist
wie weite Teile ihres Gedächtnisses, muss die Mnemonik als dazugehöriges
Ordnungssystem gleich mit ausgelagert werden. Sie manifestiert sich im graphischen
Interface, das durchaus als eine Mnemotechnik bezeichnet werden kann.
1 Vgl. Johnson, Steven: Interface Culture- How new technology transforms the way we create and communicate.
New York: Basic Books, 1997. S. 16ff.
2 Ich verwende Mnemonik, Mnemotechnik und Gedächtniskunst gleichwertig. Die Definition der Informatik für
Mnemonik lasse ich außer Acht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Die Geschichte der Mnemotechnik:
- 1.1 Simonides' Gedächtnispalast:
- 1.2 Mnemotechnik im Mittelalter:
- 1.3 Der Lullismus:
- 1.4 Mnemonik in der Renaissance:
- 1.4.1 Das Gedächtnistheater des Giulio Camillo:
- 1.4.2 Giordano Bruno auf der Suche nach dem Einen:
- 2. Mnemonik goes Cyberspace:
- 2.1 Der Traum von der Universalsprache:
- 2.1.1 Characteristica universalis:
- 2.1.2 Null-Eins:
- 2.2 Giordano Bruno trifft John von Neumann:
- 2.3 Mnemotechnik und Interface:
- 2.3.1 Memory palace und Cyber City:
- 2.3.2 Alice in front of cyberland:
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Frage, wie die Mnemotechnik, eine Kulturtechnik des antiken Griechenlands, moderne Computer und ihre graphischen Interfaces beeinflusst hat. Sie untersucht die Geschichte der Mnemotechnik, insbesondere die klassische Mnemotechnik der Antike, den Lullismus und Giordano Bruno, sowie die Wege, über die die Mnemotechnik die Computertechnologie der Gegenwart beeinflusst hat.
- Die Geschichte der Mnemotechnik von der Antike bis zur Renaissance
- Die Bedeutung der Mnemotechnik für die Entwicklung des Computers
- Das Graphic User Interface als eine Form der Mnemotechnik
- Die Rolle der Mnemotechnik in der Entwicklung von Ordnungssystemen für Informationen
- Die Beziehung zwischen Gedächtnis, Mnemotechnik und Computertechnologie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Seminararbeit ein und zeigt die Relevanz der Mnemotechnik für die heutige Computertechnologie auf. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte der Mnemotechnik, beginnend mit Simonides' Gedächtnispalast. Es werden verschiedene Epochen und bedeutende Figuren der Mnemotechnik beleuchtet, darunter die Mnemotechnik im Mittelalter, der Lullismus und die Renaissance. Im zweiten Kapitel wird untersucht, wie die Mnemotechnik den Cyberspace und die Computertechnologie beeinflusst hat. Es werden Themen wie der Traum von der Universalsprache, Characteristica universalis und Null-Eins sowie die Verbindung von Giordano Bruno und John von Neumann beleuchtet. Das Kapitel endet mit einer Analyse des Zusammenhangs zwischen Mnemotechnik und Interface, wobei die Konzepte Memory palace und Cyber City sowie Alice in front of cyberland behandelt werden.
Schlüsselwörter
Mnemotechnik, Gedächtniskunst, Gedächtnispalast, Computertechnologie, Graphic User Interface (GUI), Universalsprache, Characteristica universalis, Null-Eins, Giordano Bruno, John von Neumann, Memory palace, Cyber City, Alice in front of cyberland.
- Quote paper
- Bernhard Unterholzner (Author), 2003, Von Simonides zum Graphic User Interface - Wie die Mnemotechnik moderne Computer und ihre graphischen Interfaces beeinflusst hat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22766