Die Auseinandersetzung über Zuwanderung, Migration und Flucht ist in der BRD geprägt
von Abschottung, Nützlichkeitsüberlegungen und Fremdenfeindlichkeit. In der Regel
wird von Ausländern gesprochen, ohne dass diese als konkrete Subjekte und handelnde Individuen
wahrgenommen werden. Die Situation jedoch, in der sich Migrant/innen, insbesondere
ohne festen Aufenthaltsstatus, in Deutschland wiederfinden, fordert geradezu heraus, Stellung
zu beziehen: Wie könnte ein Umgang mit Menschen anderer Herkunft aussehen, der nicht
geprägt ist von Rassismus, Vorurteilen, Instrumentalisierung und Verwertung?
Die entscheidende Kategorie muss die Würde des einzelne Menschen sein. Die Abstraktionen,
denen wir im täglichen Leben unterworfen sind, die Subtrahierung von unseren
konkreten Bedürfnissen und Wünschen, Gefühlen und Träumen sind Zeichen der Entmenschlichung
und als solche Vorstufen von Barbarei und Vernichtung. Die Bestimmung eines Wertes
von Menschen, abhängig von einseitigen Beurteilungskriterien, und die sich anschließende
Ver-Wertung stellen die Negation der Individualität und Würde des Einzelnen dar.
Für eine umfassende Wahrung der Würde und Einzigartigkeit jedes Menschen muss
jedoch die Gesellschafts-Bezogenheit der Menschen mitgedacht und mitbeachtet werden. Die
universellen Rechte der Menschen, mithin das „Recht auf Rechte“, die Selbstentfaltung und
Würdigkeit müssen auf ihre Durchsetzbarkeit und Verwirklichung hin überprüft werden. Und
die gesellschaftlichen Bedingungen verhindern die Würdigkeit einiger Menschen in Deutschland,
oder schränken sie eklatant ein. Mithilfe von Gesetzen werden Menschen zu Bürger/
innen zweiter, dritter oder vierter Klasse gemacht oder ganz aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Migrant/innen werden nicht nur verbal in „nützliche“ und „überflüssige“, in berechtigt
und unberechtigt Zugewanderte eingeteilt. Am unteren Ende dieser Einteilung stehen
die sogenannten „Illegalen“, denen jegliche Rechte und ein würdevolles und menschliches
Leben verweigert werden. Gleichzeitig werden Außengrenzen verstärkt und neue, innere
Grenzen geschaffen:
„Die Grenzen differenzieren und vervielfältigen sich: Sie begrenzen den gesellschaftlichen
Raum nicht mehr lediglich von außen, der gesellschaftliche Raum
wird vielmehr zunehmend mit einem Kontrollnetz überzogen, das ihm seine spezifische
Form gibt und wie eine allgegenwärtige Grenze funktioniert.“1 [...]
1 Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V. (Hg.) 1998, S. 13
Gliederung
1 „...dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei...“
2 Konkretisierung des Themas
3 Politische Rahmenbedingungen
3.1 „Illegalität“ in Deutschland
3.1.1 Dauermigration und Pendelmigration
3.1.2 Andere Formen der Papierlosigkeit
3.1.3 Art der Einreise
3.1.4 Quantifizierung
3.2 Asylrechtsbeschneidung und Abschreckung im Inneren
3.2.1 Einschränkungen des Rechts auf Asyl
3.2.2 Leistungskürzungen
3.2.3 Weitere gesetzliche Regelungen
3.3 Abschottung nach außen und „Grenzsicherung“
3.3.1 Maßnahmen der BRD
3.3.2 Europäische Maßnahmen
3.4 „Menschenhändler“ und Fluchthelfer
3.5 Frauen auf der Flucht
4 Zur Situation von Papierlosen in Deutschland
4.1 Rechtliche Ansprüche und faktische Rechtlosigkeit
4.1.1 Arbeit und Ausbeutung
4.1.2 Unterkunft
4.1.3 Gesundheitsfürsorge
4.1.4 Bildung
4.1.5 Soziale Beziehungen und Netzwerke
4.2 Illegalisierte Frauen
4.3 Kinder von Papierlosen und papierlose Kinder
4.4 Zusammenfassung
5 Politische und rechtliche Ebene der Verbesserung der Situation Papierloser
5.1 Maßnahmen zur Verhinderung von Illegalität
5.2 Legalisierungsvorschläge nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten
5.3 Konkrete Vorschläge zur Verbesserung der rechtlichen Stellung Papierloser
6 Sozialpädagogische Ebene der Hilfe
6.1 Anspruch und Wirklichkeit
6.2 Hindernisse bei der Hilfe für Papierlose
6.3 Kirchliche Positionen
6.4 Praxis in den Beratungsstellen
6.5 Projekte und (Selbst-)Organisationen
6.5.1 Projekt :ZAPO:
6.5.2 Medizinische Projekte
6.5.3 Kirchenasyl
6.5.4 Die Kampagne „kein mensch ist illegal“
7 Zusammenfassung: Chancen und Grenzen professioneller Hilfsangebote
Anhang:
1. Wohlfahrtsverbände: Passamnestie 2000. Für ein passunabhängiges Recht auf Rechte
2. Tabelle: Entscheidungen und Entscheidungsquoten des Bundesamtes für die Anerken nung ausländischer Flüchtlinge (BAFl)
Literaturverzeichnis
»Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.« Karl Marx
»Die modernen Staaten- und Rechtlosen erscheinen als die ersten Boten einer kommenden Barbarisierung, einer möglichen Regression der Zivilisation. Ihre Unbezogenheit zur Welt, ihre Wertlosigkeit ist wie eine Aufforderung zum Mord, insofern der Tod von Menschen, die außerhalb aller weltlichen Bezüge rechtlicher, sozialer und politischer Art stehen, ohne jede Konsequenzen für die Überl e benden bleibt. « Hanna Ahrendt
1 „...dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei...“
Die Auseinandersetzung über Zuwanderung, Migration und Flucht ist in der BRD ge-prägt von Abschottung, Nützlichkeitsüberlegungen und Fremdenfeindlichkeit. In der Regel wird von Ausländern gesprochen, ohne dass diese als konkrete Subjekte und handelnde Indi-viduen wahrgenommen werden. Die Situation jedoch, in der sich Migrant/innen, insbesondere ohne festen Aufenthaltsstatus, in Deutschland wiederfinden, fordert geradezu heraus, Stellung zu beziehen: Wie könnte ein Umgang mit Menschen anderer Herkunft aussehen, der nicht geprägt ist von Rassismus, Vorurteilen, Instrumentalisierung und Verwertung?
Die entscheidende Kategorie muss die Würde des einzelne Menschen sein. Die Abs-traktionen, denen wir im täglichen Leben unterworfen sind, die Subtrahierung von unseren konkreten Bedürfnissen und Wünschen, Gefühlen und Träumen sind Zeichen der Entmensch-lichung und als solche Vorstufen von Barbarei und Vernichtung. Die Bestimmung eines Wer-tes von Menschen, abhängig von einseitigen Beurteilungskriterien, und die sich anschließende Ver-Wertung stellen die Negation der Individualität und Würde des Einzelnen dar.
Für eine umfassende Wahrung der Würde und Einzigartigkeit jedes Menschen muss jedoch die Gesellschafts-Bezogenheit der Menschen mitgedacht und mitbeachtet werden. Die universellen Rechte der Menschen, mithin das „Recht auf Rechte“, die Selbstentfaltung und Würdigkeit müssen auf ihre Durchsetzbarkeit und Verwirklichung hin überprüft werden. Und die gesellschaftlichen Bedingungen verhindern die Würdigkeit einiger Menschen in Deutsch-land, oder schränken sie eklatant ein. Mithilfe von Gesetzen werden Menschen zu Bür-ger/innen zweiter, dritter oder vierter Klasse gemacht oder ganz aus der Gesellschaft ausge-schlossen. Migrant/innen werden nicht nur verbal in „nützliche“ und „überflüssige“, in be-rechtigt und unberechtigt Zugewanderte eingeteilt. Am unteren Ende dieser Einteilung stehen die sogenannten „Illegalen“, denen jegliche Rechte und ein würdevolles und menschliches Leben verweigert werden. Gleichzeitig werden Außengrenzen verstärkt und neue, innere Grenzen geschaffen:
„Die Grenzen differenzieren und vervielfältigen sich: Sie begrenzen den gesellschaftlichen Raum nicht mehr lediglich von außen, der gesellschaftliche Raum wird vielmehr zunehmend mit einem Kontrollnetz überzogen, das ihm seine spezifische Form gibt und wie eine allgegenwärtige Grenze funktioniert.“1
Mit den Widrigkeiten des Alltags derer, denen der Zugang zu den Ressourcen und zur Teilhabe an der Gesellschaft konsequent versperrt wird, sind all jene konfrontiert, die sich die Hilfe zur Aufgabe gemacht haben.
Hilfe bedeutet dabei nicht nur die karitative, praktische Nächstenliebe, sie ist gleichermaßen subjektive Parteinahme und Empathie2. Parteinahme meint erst mal die Einforderung gleicher Rechte für alle und die Garantie fundamentaler Rechte auf Leben, Gesundheit, persönliche Entfaltung und Teilhabe. Es bedarf also einer „Erweiterung der Partizipationschancen“, bei der es „weder bloß um die Durchsetzung einer gerechteren Verteilung materieller und immaterieller Güter noch bloß um die Durchsetzung erweiterter Freiheitsspielräume für individuelle (und auch abweichende) Entwürfe der Selbstverwirklichung, sondern nach wie vor um das Spannungsverhältnis zwischen beiden“3 geht.
Nur so lässt sich eine Basis schaffen, von der aus die Bedürfnisse der Einzelnen in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestellt werden können, von der aus die Menschen selbst auf ein Ende der Herrschafts-, Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse hinarbei-ten können. Die „pädagogisch initiierten Aneignungsprozesse [müssen] eine Befreiung des Subjekts aus der Abhängigkeit von seinen eigenen Lebensumständen, also die Aneignung dieser und die Verfügung über sie ermöglichen (...)“4.
Empathie bedeutet eine, dem Zustand des Gegenübers angemessene, emotionale Zu-wendung, aus der ein prosoziales Verhalten erwächst, das sich jedoch nicht in bloßem Mitleid erschöpft5. Empathie setzt gleichermaßen eine gewisse kognitive und emotionale Distanz vor-aus, ebenso die Wahrnehmung des Gegenüber als selbstverantwortliches, einzigartiges und unabhängiges Subjekt. Die unmittelbaren Bedürfnisse des Klienten, dessen Nöte und Sorgen, müssen im Mittelpunkt des Betreuungsverhältnisses stehen. Empathie darf aber nicht zu Pa-ternalismus werden. Allzu leicht werden gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse im Kleinen reproduziert. Die Abhängigkeit, das Ausgeliefertsein der Migrant/innen blockiert weitgehend deren freie Entscheidung und Entfaltung.
Aus diesem Grund müssen Freiräume geschaffen und gemeinsam erkämpft werden, von denen aus die Betroffenen eigene Standpunkte und Perspektiven entwickeln können. Freiräume, in denen soziales Handeln, Kommunikation, Austausch, Liebe, Vertrauen, Zuneigung, Freundschaft, sprich: Leben stattfinden kann: „Würdig ist der Mensch nur in der hartnäckigen Revolte gegen seine Lage.“ (Albert Camus)6.
2 Konkretisierung des Themas
Migration unterliegt einem ständigen Wandel. Nicht nur Ursachen und Formen von Migration haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert, sondern auch der Umgang der Nationalstaaten mit Immigrationswilligen. Seit der Ausbildung von Nationalstaaten und der Entwicklung eines Staatsbürgerschaftsrechts ist Migration staatlichen Regelungen und Grenzen unterworfen. So sind die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der potentiellen Einwanderungsländer entscheidend für Art und Umfang von Zuwanderung7.
War im Nachkriegs-Deutschland zunächst die Aufnahme und Integration von Flüchtlin-gen und Vertriebenen bestimmend, folgten Mitte der 50er Jahre Arbeitsmigrant/innen aus süd- und südosteuropäischen Ländern sowie der Türkei den Anwerbungen der Bundesrepu-blik. Nach dem Anwerbestopp Anfang der 70er Jahre fand Migration überwiegend über den Familiennachzug und über Ausbildung statt, nach der Einschränkung der Möglichkeiten auch auf diesen Gebieten versuchten mehr und mehr Menschen über den Status als Flüchtling in der BRD Asyl und damit ein Bleiberecht zu erlangen8. Die weitere Entwicklung ist auch vor dem Hintergrund des Endes der Blockkonfrontation zu sehen. War das Asylrecht bis in die 80er Jahre auch ein ideologisches Instrument gegen den „real existierenden Sozialismus“, wandelte sich dies mit der zunehmenden Inanspruchnahme durch Menschen aus ärmeren Ländern des Südens. Die bundesdeutsche Gesellschaft reagierte auf diese vermehrte Zuwan-derung über Asyl überwiegend ablehnend bis feindlich. Von „Asylantenflut“ und das Asyl-recht „ausnutzenden Wirtschaftsflüchtlingen“ - eben im Unterschied zu den politischen Flüchtlingen aus den Staaten des Warschauer Pakts - war die Rede und gipfelte in den Pog-romen von Rostock und Hoyerswerda. Die Politik goss 1993 im sogenannten Asylkompro-miss diese Stimmung in eine das Asylrecht weitgehend einschränkende Grundgesetzände-rung: seit diesem Zeitpunkt können Flüchtlinge, die über sogenannte „Drittstaaten“ einreisen oder aus „sicheren“ Herkunftsländern kommen, dahin zurückgewiesen werden, ungeachtet einer tatsächlichen Verfolgung in ihren Heimaltändern. Nicht mehr die Fluchtursachen, son-dern die Migrationswege stehen im Mittelpunkt der Anerkennungsverfahren. Die Folge war ein Rückgang der Asylbewerber/innen- und der Zahl der anerkannten Asylant/innen9.
Von nun an stieg die Zahl derer, die als „illegale Einwanderer“10 bezeichnet werden11. Durch die nur noch spärlichen Möglichkeiten der legalen Einreise in die BRD durch Men-schen aus Nicht-EU-Ländern sehen sich immer mehr Menschen gezwungen, andere Wege der Grenzüberschreitung zu suchen. Das zeigt, dass die „Illegalisierung der Migration“12 wesent-lich eine staatlich produzierte Entwicklung ist13. Dabei sind die Einwanderungswilligen ver-stärkt auf Hilfe angewiesen: Die immer schärferen und massiveren Kontrollen an den EU-Außengrenzen erfordern mehr Wissen und Kenntnisse, die durch Fluchthelfer/innen bereitge-stellt werden. Aber auch innerhalb der BRD steigt der Überwachungs- und Kontrolldruck auf papierlose Flüchtlinge und zwingt sie zu einer noch unauffälligeren und eingeschränkteren Lebensweise.
Migrationssozialarbeit sollte das Ziel haben, Menschen anderer Herkunft im Zielland zu unterstützen und bei der Eingliederung zu helfen, sowie Menschen in Not ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dabei sollten die konkreten Bedürfnisse der Menschen respektiert und beachtet werden, unabhängig vom (Aufenthalts-)Status.
Staatliche Politik setzt diesen Vorstellungen jedoch enge Grenzen. Obwohl die meisten Grundrechte für alle Menschen gelten und nicht explizit Bürger/innenrechte sind, gestaltet sich die Durchsetzung dieser Rechte für Menschen ohne Aufenthaltstitel schwierig bis un-möglich und ist auch für Helfer/innen mit Strafandrohung verbunden. Die sozialen Folgen für Papierlose sind die Ausbildung psychischer und physischer Krankheiten, die oftmals unbe-handelt bleiben, eine Existenz unterhalb der Armutsgrenze und ein Leben in ständiger Angst und Unsicherheit sowie ohne Aussicht auf sozialen und beruflichen Aufstieg und persönliche Entfaltung.
Im Verlauf dieser Arbeit sollen die Rahmenbedingungen von Einwanderung und die Si-tuation von in der BRD lebenden Papierlosen beleuchtet werden. Auf der Basis dieser Be-schreibung soll die Notwendigkeit einer menschenwürdigen und angemessenen Hilfe deutlich gemacht und Forderungen formuliert werden. Es soll die Frage thematisiert werden, in wel-chem Rahmen Sozialpädagogik intervenieren kann, um die Situation von Papierlosen zu verbessern. Außerdem sollen Beispiele von Selbsthilfe sowie Erfahrungen in der Arbeit mit Papierlosen dargestellt werden.
3 Politische Rahmenbedingungen
Wie eingangs erwähnt beeinflussen die politischen Rahmenbedingungen des Migrati-ons-Ziellandes Umfang und Art der Zuwanderung mit14. Die legalen Möglichkeiten einer Ein-reise nach Deutschland sind immer mehr zurückgegangen, gleichzeitig steigt der Migrati-onsdruck durch Armut, Verfolgung und (Bürger-)Kriege. Die Europäische Union hat darauf mit einer schärferen Visapolitik und verstärkter Abschottung der Außengrenzen reagiert (s. Punkt 3.3.2). Gleichzeitig werden Migrant/innen Opfer rassistisch motivierter Übergriffe. Das Klima für Migranten/innen und insbesondere für Flüchtlinge wird zunehmend kälter. Die ge-setzlichen Bestimmungen fördern Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, wie dieses Zitat einer papierlosen Peruanerin verdeutlicht: “Wir werden hier schlecht behandelt, nicht weil die Menschen hier schlecht sind, sondern weil sie ihre Gesetze befolgen (...)“15.
3.1 „Illegalität“ in Deutschland
Nach dem Ausländergesetz (AuslG) stehen sowohl unerlaubte16 Einreise als auch unerlaubter Aufenthalt unter Strafe (§ 92 AuslG)17. Rechtswidrige Einreise und Aufenthalt können danach eine bis zu dreijährige Haftstrafe beziehungsweise Abschiebehaft bis zu 18 Monaten nach § 57 AuslG zur Folge haben. Wer also ohne (gültige) Papiere nach Deutschland einreist oder sich hier aufhält, handelt illegal.
Wer unerlaubt in die BRD einreisen will, wird gemäß § 60 AuslG18 an der Grenze zurückgewiesen. Jede/r, die/der sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in Deutschland aufhält, ist nach § 42 AuslG19 ausreisepflichtig.
Die Gruppe der „ungesetzlichen“ Papierlosen in Deutschland ist keine homogene. So müssen nicht nur die vielfältigen Motive der Einreise unterschieden werden, sondern auch der Weg, wie es zum Status der Papierlosigkeit gekommen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die folgende Aufstellung generalisierend ist und Mischformen nicht ausgeschlossen werden können. Die jeweils unterschiedlichen Motive von Migrant/innen, ein Leben in der Illegalität zu wählen bzw. dazu gezwungen zu sein, sind im Einzelfall höchst komplex. Dennoch lassen sich Unterschiede feststellen.
3.1.1 Dauermigration und Pendelmigration
Zunächst kann man zwischen papierlosen Dauermigrant/innen und pendelnden Arbeits-suchenden unterscheiden. Dauermigrant/innen haben in der Regel vor, ihren Lebensmittel-punkt dauerhaft oder für voraussichtlich viele Jahre ins Zielland zu verlegen und sind also Migrant/innen im klassischen Sinn. Sie verstehen sich selbst überwiegend, aber nicht aus schließlich als Flüchtlinge20. Durch die Einschränkungen des Asylrechts werden viele Flücht-linge jedoch bereits an der Grenzen zurückgewiesen oder nach einer Ablehnung des Asylan-trages ausgewiesen. Um dennoch nicht in ihr Heimatland zurückkehren zu müssen, ziehen viele den illegalen Aufenthalt in der BRD vor. Die Motive dieser Menschen sind in der Regel klar: in erster Linie versuchen sie, einer akuten Verfolgungs- oder Bedrohungssituation aus-zuweichen und in Europa Schutz zu finden. Die Ursachen der Flucht sind dementsprechend zahlreich: so kommen Kriege und Bürgerkriege in Betracht, die Zugehörigkeit zu einer be-stimmten, im Heimatland verfolgten Gruppe, die Anwesenheit von alltäglichem Terror und Gewalt, von Existenznot und Hunger, geschlechtsspezifische Verfolgung (z.B. die Angst vor Genitalverstümmelung) oder Natur- und Umweltkatastrophen. Auch der Wunsch nach einem besseren Leben kann ein Motiv dauerhafter Migration sein. Bei einigen Menschen aus dieser Gruppe besteht zunächst der Wunsch, nach einem Wegfall der Flucht- bzw. Migrationsursa-che(n) wieder ins Heimatland zurückzukehren.
Auf der anderen Seite stehen Migrant/innen, deren primäres Ziel in der Bundesrepublik die Arbeitsaufnahme ist21. Diese Menschen versprechen sich von einem - meist als vorüber-gehend geplanten - Aufenthalt die Chance auf einen Neuanfang oder sozialen Aufstieg und ein sorgenfreieres Leben im Heimatland. Eine dauerhafte Verlegung des Wohnorts oder gar des Lebensmittelpunktes ist für sie nicht unbedingt notwendig: so gibt es eine nicht unbedeu-tende Zahl von Pendelmigrant/innen und Wanderarbeiter/innen vor allem aus den osteuropäi-schen Staaten. Da die Beschäftigungsmöglichkeiten oftmals saisonabhängig sind (z.B. in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe), fahren einige außerhalb der Saison in ihr Heimatland zurück22.
Natürlich ist die Grenze zwischen diesen Gruppen fließend. Migrationsmotive sind niemals eindimensional. Die strikte Trennung zwischen Arbeitsmigrant/innen ohne Aufent-haltsstatus und Flüchtlingen, die oftmals gemacht wird, erscheint vor diesem Hintergrund als konstruiert und willkürlich, wenn nicht gar politisch gewollt. Arbeitsmigration ist auch Folge einer bestehenden Nachfrage nach billigen Arbeitskräften in Europa, und die Anwesenheit von papierlosen ausländischen Arbeitskräften wird vom Staat in gewissem Umfang geduldet. Und auch wenn die meisten der Papierlosen nach deutschem Recht keinen Schutz durch Asyl gewährt bekommen würden, handelt es sich doch überwiegend um Menschen, die einer Situation im Heimatland entkommen wollen, die für sie und/oder ihre Familien belastend bzw. unerträglich ist. Kaum jemand verlässt freiwillig und kurzentschlossen sein soziales Lebens-umfeld, Migration geht ein langer und schwieriger Entscheidungsprozess voraus, der zudem nie völlig rational ist. Die jeweiligen Motive von Migration sind im Einzelfall höchst unter-schiedlich und eine Mischung aus „push- und pull-Faktoren“ sowie struktureller und kulturel-ler Faktoren23. Jörg Alt hat außerdem in seiner Arbeit nachgewiesen, dass „Migrations-Brückenköpfen“ eine entscheidende Rolle bei der Migrationsentscheidung zukommen24. Je eher die Menschen Kontakt zu (erfolgreichen) Auswanderern haben und damit auf eine Art Netzwerk zurückgreifen können, desto leichter fällt die Entscheidung25. Das können sowohl Freunde als auch Bekannte oder Nachbarn sein, Arbeitskolleg/innen oder einfach Landsleute, die Ressourcen zur Verfügung stellen können. Teilweise werden schon im Heimatland Woh-nungs- und Arbeitsmöglichkeiten sondiert oder es werden Informationen und Tipps zum Grenzübertritt ausgetauscht.
3.1.2 Andere Formen der Papierlosigkeit
Auch die „Entscheidung“ für ein Leben in der Heimlichkeit ist im Einzelfall von höchst unterschiedlichen Faktoren bestimmt.
Eine Gruppe innerhalb der Papierlosen ist die der Asylbewerber/innen, die sich ihrer drohenden Abschiebung bereits während oder nach Abschluss ihres Verfahrens entziehen oder solche, die erst gar keinen Asylantrag stellen, weil sie sich keine Chancen ausrechnen26. Der Gefahr ihrer Abschiebung oder der Inhaftierung in einer Abschiebehaftanstalt entziehen sich diese Flüchtlinge, indem sie in die Illegalität „untertauchen“.
Andere entziehen sich dem bundesweiten Verteilungsverfahren nach dem Asylverfah-rensgesetz, auch „EASY-Verfahren“ (Erst-Aufnahme-System) genannt. Es sieht die zentrale Verteilung der Asylantragssteller/innen auf die Bundesländer durch die Außenstellen das Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vor. Maßgebliche Kriterien bei der Verteilung sind die gesetzlich festgelegten Aufnahmequoten der Länder und freie Kapazi-täten der Einrichtungen, nicht jedoch die Wünsche der Antragssteller/innen. Flüchtlinge, die bereits Familienangehörige in Deutschland haben, aber nicht in deren Nähe verlegt werden, verweigern sich dem Transport, der zudem oftmals noch am selben Tag der Einreise stattfin-det oder Flüchtlingsgruppen auseinanderreißt und somit eine Härte für die Flüchtlinge bedeu-tet27.
Darüber hinaus handelt es sich um Menschen, die Verwandte in Deutschland haben, a-ber nicht im Rahmen des Familiennachzuges einreisen dürfen und deshalb den illegalen Auf-enthalt in Kauf nehmen, um bei ihrer Familie zu sein. Die Regelungen des Familiennachzuges sind in Deutschland sehr eng und unterliegen gravierenden Einschränkungen. Nach § 17 AuslG kann zwar zum Zweck des verfassungsmäßig gebotenen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 GG28 ) einem/r Migranten/in eine Aufenthaltserlaubnis zur „Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft“ (§ 17 Abs. 1 AuslG) erteilt werden; allerdings muss der oder die Angehörige in der BRD einen gesicherten Aufenthaltsstatus, genügend Wohnraum und die Unabhängigkeit von staatlichen Hilfen nachweisen. Zudem gilt diese Regelung nur für Ehegatten und Kinder bis 16 Jahre. Eltern, Geschwister, volljährige Kinder, Enkel und andere Angehörige können nur beim Nachweis von „außergewöhnlicher Härte“ (§ 22 AuslG) legal einreisen, was oftmals eine unüberwindliche Hürde darstellt und im Einzelfall sehr lange dauert. Zudem schrecken viele vor diesem Schritt zurück, da nach der Ablehnung eines sol-chen Antrags keine Besuchsvisa mehr ausgestellt werden.
Außerdem sind noch zu nennen Opfer von Menschenraub und -handel, überwiegend Frauen, die zum Zweck der Prostitution oder Zwangsheirat nach Deutschland eingereist sind oder verschleppt wurden und ausländische Ehepartner/innen, die nach einer Scheidung ihr Recht auf Aufenthalt verlieren29.
Oft wird auch die gesetzeswidrige Beschäftigung von Ausländer/innen im Zusammen-hang mit Illegalität genannt. Hierbei ist jedoch wieder zu differenzieren: Nicht alle illegal Beschäftigten haben auch keinen Aufenthaltsstatus, sondern sind lediglich nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis (z.B. Asylbewerber/innen, die unter das Arbeitsverbot fallen). Auch einheimische Schwarzarbeiter/innen (d.h. Deutsche oder Ausländer/innen mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis) sind streng genommen illegal Beschäftigte; zumeist beziehen sie zudem - im Gegensatz zu Papierlosen - parallel Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe und sind gesetzlich krankenversichert.
3.1.3 Art der Einreise
Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit besteht mit Blick auf die Art der Einreise. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten.
Die illegale Einreise ist der Grenzübertritt ohne Papiere wie Visa o.ä., sei es über die „grüne Grenze“ aus Polen oder der Tschechischen Republik oder über eine EU-Binnengrenze, versteckt auf PKW, Lastern, oder auf dem See- oder Luftweg. Diese Einreiseart ist die be-kannteste und am häufigsten thematisierte, was nicht unbedingt der tatsächlichen Häufigkeit geschuldet sein muss.
Die scheinlegale Einreise bedient sich ge- oder verfälschter Papiere. Das können falsche Pässe oder Visa sein (dabei reichen auch Visa für andere EU-Länder) oder echte Papiere anderer Personen. Solche Papiere können entweder geklaut, von professionellen Fälschern gekauft oder durch Bestechung erworben worden sein. In einigen Ländern besteht ein reger Handel mit gefälschten Papieren.
Die legale Einreise ist die sicherste Methode. Dabei reisen die Menschen beispielsweise mit Besuchs- oder Touristenvisa oder als Student ein und bleiben über die Dauer der Berechtigung hinaus in Deutschland („visa overstayers“). Nicht immer muss dabei schon bei der Einreise das Ziel des dauerhaften (illegalen) Aufenthalts feststehen.
3.1.4 Quantifizierung
Die Frage nach der Zahl von Papierlosen in Deutschland kann nicht beantwortet wer-den. Als mögliche Quellen gelten die Berichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) über Aufgrif-fe an den Grenzen, die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zu illegaler Beschäftigung und Fälschung von (Einreise- oder Aufenthalts-)Dokumenten sowie Befragungen von Beratungs-stellen und Bahnhofsmissionen. Allerdings geben alle diese Statistiken lediglich Teilbereiche wieder, ein mehrfaches Auftauchen ein und der selben Person in verschiedenen oder sogar ein und der selben Statistik (z.B. bei mehreren Aufgriffen der selben Person beim Grenzüber-trittsversuch) sind nicht ausgeschlossen30. Zudem lässt eine höhere Kontrolldichte, sowohl durch den BGS als auch durch Behörden zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung die Zahlen steigen. Die Zahl der „visa overstayers“ kann überhaupt nur schwer bestimmt werden.
Demgemäß existieren nur Schätzungen, die zwischen 500.000 und 1,5 Mio. Papierlosen im Bundesgebiet schwanken31. Aber selbst solche Schätzungen sind mit Vorsicht zu genießen, da sie je ideologisch gefärbt sind, je nachdem, ob ein Bedrohungsgefühl erzeugt oder das Ausmaß heruntergespielt werden soll.
In der Literatur ist jedoch durchweg die Rede davon, dass die Zahl der Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Europa und Deutschland seit 1989 und noch mal verstärkt nach 1993 angestiegen ist und weiter ansteigt32. Die Gründe hierfür sind z.T. auch in den Asylrechtsver-schärfungen und der starken Abschottung zu sehen, die offiziell dem Kampf gegen „illegale Einwanderung“ dienen.
3.2 Asylrechtsbeschneidung und Abschreckung im Inneren
Die bundesdeutsche Ausländer/innenpolitik ist geprägt vom Gedanken der Steuerung und Begrenzung von Einwanderung33. Der staatliche Versuch, ungewollte Einwanderung verhindern, zu steuern und in gewünschte Bahnen zu lenken, scheitert jedoch immer wieder an der „Autonomie der Migration“34. Der Wunsch und das Bedürfnis nach Wegzug und dauerhafter Bleibe in Deutschland hat sich stets als wirkungsvoller herausgestellt als alle Überwachungs-, Beschränkungs- und Abschreckungsmaßnahmen.
3.2.1 Einschränkungen des Rechts auf Asyl
Das Recht auf Asyl, wie es im Grundgesetz Art. 16 verankert ist, hat mehrere Ein-schränkungen erfahren. Der wohl weitreichendste Einschnitt war die Änderung des Art. 16 GG im Jahre 1993. Im neuen Art. 16a Abs. 2 und 3 sind folgende Einschränkungen des Asyl-rechts festgeschrieben: So können sich Flüchtlinge nicht mehr darauf berufen, die aus einem „sicheren Drittland“ einreisen. Neben der EU sind das alle Staaten, in denen „die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“ (Art. 16a Abs. 2 GG). Problematisch wird dieser Absatz insbesondere wenn man bedenkt, dass die BRD ausschließlich von siche-ren Drittstaaten umgeben ist. Eine legale Einreise, die nicht über einen Drittstaat erfolgt, ist so nur noch auf dem Luftweg möglich. Dieser Paragraf macht es für die Behörden möglich, alle Menschen an den Grenzen abzuweisen bzw. zurückzuschieben, die nicht über die nötigen Einreisepapiere verfügen. Über einen möglichen Anspruch auf Asyl ist dadurch noch gar nichts gesagt. Dieser wird auch nicht geprüft, da in diesem Fall der Einreiseweg entscheidend ist35.
Außerdem haben all jene keinen Anspruch auf Asyl, die aus einem als sicher eingestuf-ten Herkunftsland stammen. Wie die sicheren Drittstaaten, so werden auch diese Länder durch Gesetz definiert. Allerdings sind die Kriterien noch vager: es muss dort lediglich „auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse“ gewährleistet erscheinen, dass dort niemand verfolgt oder unmenschlich behandelt wird (s. Art 16 Abs. 3). Allein die Vermutung reicht aus, um den Betroffenen den Weg zu einem A-sylverfahren zu versperren. Immer wieder gibt es Kritik von Flüchtlings- und Menschen-rechtsverbänden an der Festlegung dieser Herkunftsländer, die allein auf der Basis der Lage-berichte des Auswärtigen Amtes getroffen wird. So lässt sich feststellen, dass bei der Erstel-lung Rücksicht auf die diplomatischen Beziehungen genommen wird oder die Botschaften nur oberflächlich recherchieren.
Flüchtlinge, die in Deutschland ein Asylverfahren anstreben und aus einem „sicheren Herkunftsland“ oder illegal bzw. scheinlegal auf dem Luftweg einreisen, müssen sich dem sogenannten Flughafen- oder Transitverfahren nach § 18a AsylVfG36 unterwerfen. Diese Personen werden im Flughafenbereich festgehalten und gelten als nicht eingereist. Das Asylver-fahren wird im Schnelldurchlauf vollzogen, in der Regel sollen die Flüchtlinge nicht länger als drei Wochen im Transitbereicht festgehalten werden. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) entscheidet in dieser Zeit („unverzüglich“) ob der Asylan-trag „offensichtlich unbegründet“ oder ob ein längeres Verfahren nötig ist. Im ersten Fall wird die Einreise verweigert und der Flüchtling unverzüglich zurückgeschoben, im zweiten Fall erhält er ein normales Asylverfahren. Auch an dieser Praxis gab es Kritik von verschiedenen Seiten, da u.a. auch Kinder interniert werden, die Aufenthaltszeit teilweise deutlich über den drei Wochen liegt und die Anhörung unter enormen Zeitdruck und ohne ausreichende Bera-tung erfolge37.
Eine weitere Hürde beim Versuch, Asyl zu erlangen besteht in der Notwendigkeit, indi-viduelle und politische Verfolgung konkret nachzuweisen. Selbst Menschen aus Ländern, die nicht als „sicher“ im Sinne das Art. 16 Abs. 2 GG gelten, müssen glaubhaft machen, dass sie als Person verfolgt wurden. Dieser Nachweis fällt nicht nur deshalb schwer, weil Folter, To-desdrohungen u.a. selten dokumentiert werden, sondern auch, weil die Verfolgten häufig über das Erlebte nicht sprechen können. Die Befragungssituation, bei der sich Flüchtlinge oft an Verhöre erinnert sehen, ist dabei nicht förderlich, zumal wenn es sich um traumatische Erleb-nisse handelt. Gerade bei sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung sehen sich insbesondere Frauen außerstande, das Geschehene den - überwiegend männlichen - Anhörern zu erzählen.
Glaubhaft gemacht werden muss außerdem die Verfolgung durch staatliche Stellen, In-stitutionen oder Kräften (z.B. Militär, Justiz, Polizei). Diese Einschränkung, die der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht, stellt für all jene Flüchtlinge eine Hürde dar, die aus Angst vor Milizen, Rebellen und anderen nicht-staatlichen Organisationen geflohen sind oder aus einem Land kommen, in dem es keine staatlichen Strukturen gibt. In der Vergangenheit betraf das vor allem Menschen aus Somalia und Afghanistan, deren Asylanträge pauschal abgelehnt wurden.
Entscheidungen des Bundesamtes und der Grenzbehörde zu stellen. Der Antrag kann bei der Grenzbehörde ge-stellt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. §58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen. §36 Abs.4 ist anzuwenden. Im Falle der rechtzeitigen Antragstellung darf die Einreiseverweigerung nicht vor der gerichtlichen Entscheidung (§36 Abs.3 Satz 9) vollzogen werden. (5) Jeder Antrag nach Absatz 4 richtet sich auf Gewährung der Einreise und für den Fall der Einreise gegen die Abschiebungsandrohung. Die Anordnung des Gerichts, dem Ausländer die Einreise zu gestatten, gilt zugleich als Aussetzung der Abschiebung. (6) Dem Ausländer ist die Einreise zu gestatten, wenn 1. das Bundesamt der Grenzbehörde mitteilt, daß es nicht kurzfristig entscheiden kann, 2. das Bundesamt nicht innerhalb von zwei Tagen nach Stellung des Asylantrags über diesen entschieden hat oder 3. das Gericht nicht innerhalb von vierzehn Tagen über einen Antrag nach Absatz 4 entschieden hat.
3.2.2 Leistungskürzungen
Bis zum Jahre 1980 waren Flüchtlinge sozialrechtlich im wesentlichen den Deutschen gleichgestellt. Die Leistungen richteten sich bei Bedürftigkeit grundsätzlich nach dem § 120 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Hilfe zum Lebensunterhalt, Bekleidungsbeihilfe, Krankenhilfe und Hilfe in besonderen Lebenslagen wurden ebenso wie Kindergeld gewährt.
Danach kam es zu einem schrittweisen Abbau der Leistungen, z.B. der Krankenhilfe, zur Einführung des Sachleistungsprinzip und der Unterbringung in Sammellagern. Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) 1993 und den Novellen zum AsylbLG 1997 und 1998 ging der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter: Erstmals wurde ein Sondergesetz geschaffen, das für Flüchtlinge einen geringeren Leistungsanspruch als für andere Sozialhilfeberechtigte festlegt. Betroffen davon sind Asylsuchende während des laufenden Verfahrens, Flüchtlinge im Flughafenverfahren gemäß § 18a AsylVG, Kriegsflüchtlinge, die Aufenthaltsbefugnisse nach den §§ 32 oder 32a des AuslG besitzen und wer eine Duldung gemäß § 55 AuslG erhalten hat.
Festgelegt ist darin die Senkung des Leistungsanspruchs unter das Sozialhilfeniveau. Hinzu kommen unterschiedliche Regelungen der Länder, wie das Gutscheinsystem, Lebensmittelpakete oder der Zwang zu gemeinnütziger Arbeit für ein geringes Entgeld38.
Mit der zweiten Gesetzesnovelle zum AsylbLG wurde der Weg der Leistungsverweigerung konsequent weitergegangen. Anspruch auf Leistungen hat nach dem neuen § 1a AslbLG39 nicht mehr, wer allein deshalb eingereist ist, um Sozialhilfe zu bekommen (um-zu-Regelung) und wer aufenthaltsbeendende Maßnahmen blockiert (z.B. durch Verschweigen der Staatsangehörigkeit, Zerstörung der Papiere o.ä.). In der Praxis erhalten solche Menschen lediglich das Nötigste zu essen und ein kleines Taschengeld.
Die als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 beschlossenen Anti-Terror-Gesetze sehen die biometrische Erfassung aller Ausländer/innen einschließlich visumspflich-tiger Touristen und das Einkleben entsprechender maschinenlesbarer Etiketten in deren Aus-weispapiere und Pässe, sowie die Möglichkeit der Erfassung und Speicherung von Sprach-proben von Migrant/innen und Flüchtlingen vor. Die Erfassung und Übermittlung der im Rahmen von Visaanträgen, im Asylverfahren und bei Ausländerbehörden erfassten Daten, aber auch z.B. der bei Sozialleistungsträgern erfassten Daten von Ausländer/innen an Ge-heimdienste (auch im Ausland), Verfassungsschutz, Polizei, Staatsanwaltschaft und weitere Stellen werden erheblich ausgeweitet (z.B. § 64a AuslG40 ). Der weitestgehende Eingriff ist jedoch die im Anti-Terror II-Paket durchgesetzte Verschärfung des Ausweisungsrechts. Aus-gewiesen werden kann künftig unter anderem jeder Ausländer, der „die freiheitliche demokra-tische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfol-gung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zu Gewaltanwendung aufruft, oder mit Gewaltanwendung droht oder wenn Tatsachen belegen, dass er einer Verei-nigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Verei-nigung unterstützt.“ (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG). Die Auswirkungen dieses Paragraphen lassen sich bislang schlecht abschätzen, da die Bewertung einer Organisation als „terroristisch“ kei-nen ausformulierten Kriterien unterliegt und dementsprechend maßgeblich eine politische und interessensgeleitete Entscheidung ist41.
3.2.3 Weitere gesetzliche Regelungen
Neben der Einschränkung der Leistungsansprüche für Asylsuchende sieht das Ausländergesetz noch andere Regelungen vor, die Flüchtlinge abschrecken bzw. zu einer Ausreise drängen sollen. Dazu zählt z.B. die Unterbringung in Sammelunterkünften, die Regelungen zur Abschiebungshaft, die sog. Ausreisezentren und die Residenzpflicht.
Die Unterbringung in Sammelunterkünften, meistens Baracken, Containern oder alte Kasernen, dient in erster Linie dem Zweck der Überwachung. Zudem lassen sich dort die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, z.B. die Ausgabe von Essenspaketen oder Lebensmittelgutscheinen, besser umsetzen. Obwohl die Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen für die Kommunen vielfach billiger wäre, ziehen die meisten aus den o.g. Gründen Sammelunterkünfte vor. Maßnahmen zur Integration der Menschen, die durch ortsnahe und flächendeckende Unterbringung erleichtert würden, sind nicht erwünscht, im Gegenteil, das Ziel der Abschreckung steht im Vordergrund42.
Asylsuchende im Asylverfahren sind zusätzlich der Residenzpflicht nach § 36 AuslG und § 56 AsylVG unterworfen. Sie dürfen den Landkreis, in dem sich ihre Aufnahmeeinrichtung befindet, nicht ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Das stellt eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen dar und beeinträchtigt sie in ihrem täglichen Leben. Bereits der Besuch eines Fußballspiels oder Kinos kann so zu einer strafbaren Handlung werden. Ebenso ist dadurch die freie Arztwahl eingeschränkt.
In verschiedenen Modellprojekten (Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 1998, Rheinland-Pfalz 1999) wurden und werden „vollziehbar ausreisepflichtige“ Asylsuchende in sogenannten Ausreiseeinrichtungen untergebracht. Für die Einweisung in eine solche halbof-fene Einrichtung genügt es, wenn Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass man einer Ausreisepflicht nicht nachkommen könnte oder wenn die gesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist. Insbesondere letztere Regelung ermöglicht praktisch die Einweisung der großen Mehrheit der bislang geduldeten Ausländer in derartige Ausreisezentren. Dort werden die Betroffenen unter Druck gesetzt, aktiv an ihrer Abschiebung mitzuarbeiten bzw. „freiwillig“ auszureisen. In den Lagern erhalten die Flüchtlinge lediglich das zum Überleben notwendigste (alle Leistungen werden nach § 1a AsylbLG gestrichen), die Residenzpflicht wird auf das Stadtgebiet be-schränkt und die Insassen müssen sich bis zu zwei Mal wöchentlich sog. „Interviews“ unter-ziehen, in denen die Herkunft geklärt werden soll. Notwendig aus der Sicht der Behörden wurden solche Einrichtungen auf Grund des hohen Ausmaßes von „Identitätsverschleierung“. Trotz der eher schlechten Bilanz dieser Einrichtungen (die meisten Eingewiesenen zogen die Illegalität vor) und obwohl der Modellversuch auf dem Gelände der Landesunterkunft für Asylbewerber in Minden-Lübbeke vorzeitig nach einem Selbstmord abgebrochen wurde, sieht auch der Entwurf für das neue Zuwanderungsgesetz die Errichtung derartiger Abschiebelager vor43.
Flüchtlinge können zudem zur Vorbereitung oder zur Sicherung ihrer Abschiebung in Abschiebungshaft nach § 57 AuslG genommen werden. Vorbereitungshaft kann demnach verhängt werden, „wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde“. Um Siche-rungshaft zu verhängen reicht „der begründete Verdacht“, dass der Asylsuchende sich „der Abschiebung entziehen will“. Abschiebungshaft kann bis zu 18 Monate dauern, wohlgemerkt ohne dass der/die Inhaftierte eines Verbrechens auch nur beschuldigt würde und ohne Ge-richtsverhandlung mit den entsprechenden Einspruchsmöglichkeiten44. Erst Ende letzte Jahres kritisierte Pro Asyl, dass gegen Jugendliche ab 16 Jahren verstärkt Abschiebehaft angewandt würde45
Die massive Einschränkung des Anspruchs auf Asyl durch die Änderung des Artikels 16 GG hat zudem zu einer sehr niedrigen Anerkennungsquote geführt46. Noch immer werden nicht-staatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung sowie die sogenannten „Nachflucht-gründe“47 nicht als Asylgrund anerkannt. Auch Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten kein Asyl und werden - soweit sie nicht Abschiebungsschutz nach § 51 oder § 53 AuslG er-halten - abgeschoben.
Eingriffe in die Religions- und Berufsfreiheit, menschenunwürdige Behandlung, die Einschränkung der Meinungsfreiheit, ein Verbot des Kontaktes zu Familienangehörigen und ähnliche staatliche Maßnahmen können unter Umständen eine politische Verfolgung nach § 51, 1 AuslG begründen. Eine weitere Begründung kann auch die drohende Gefahr für Leben und Freiheit darstellen. Diese besteht dann, wenn der Staat als Verfolger aus politischen Gründen regelmäßig oder sehr stark in das Leben der Betroffenen eingreift und deren Leben und Freiheit bedroht (z.B. bei Folter oder unverhältnismäßig hohen Bestrafungen, eventuell auch bei Zwangsbeschneidungen). Vorladungen, Verhöre, kurzzeitige Inhaftierungen und Schläge werden jedoch vielfach als "Belästigungen" bagatellisiert, welche die "Schwelle zu asylrelevanter Verfolgung" angeblich nicht überschritten hätten. Eine Anerkennung nach § 51, 1 AuslG kommt auch nur dann in Frage, wenn es zum Zeitpunkt der Ausreise in keinem anderen Landesteil Schutz vor Verfolgung gab. Besteht in einem anderen Landesteil angeb-lich keine Verfolgungsgefahr, so sprechen Behörden und Gerichte von einer "inländischen Fluchtalternative". Die Annahme einer inländischen Fluchtalternative führt regelmäßig dazu, dass Asylanträge abgelehnt werden, auch wenn an der Darstellung von Verfolgungserfahrun-gen kein Zweifel besteht. Ein Beispiel sind Kurden aus dem Irak, denen regelmäßig die Flug-verbotszone der NATO im Norden des Landes als innerstaatliche Fluchtalternative angeboten wird.
Das alles hat natürlich die z.T. gewollte Signalwirkung, dass sich viele Flüchtlinge ü-berhaupt nicht mehr dem Asylverfahren unterziehen, da sie ihre Chancen eher gering ein-schätzen.
Diese Maßnahmen sollen bewirken, Flüchtlinge von einer Einreise nach Deutschland abzuhalten, bzw. sie problemlos und schnell wieder abschieben zu können. Dementsprechend hat die Zahl der Asylantragssteller nach der Gesetzesänderung 1993 kontinuierlich abgenommen, von 513.561 Personen im Jahre 1993 auf heute (2001) 107.19348. Auf der anderen Seite entziehen sich immer mehr Flüchtlinge der Kontrolle der Behörden, indem sie in die Illegalität „abtauchen“. Die Angst vor der Einweisung in Ausreisezentren, Abschiebehaftanstalten oder vor Abschiebung lässt diese Menschen die Entbehrungen und Schwierigkeiten des Lebens in Heimlichkeit ertragen. Damit erhöhen die repressiven Regelungen im Ausländer- und Asylverfahrensgesetz die Zahl der Papierlosen in der BRD.
Die aktuellen Diskussionen um ein neues Zuwanderungsgesetz und die Aussicht auf ei-ne Instrumentalisierung der Thematik zu Wahlkampfzwecken lassen derzeit keine Hoffnun-gen auf eine baldige Verbesserung der asylpolitischen Situation aufkommen49. Insbesondere soll das Nachzugsalter weiter auf 12 oder sogar 10 Jahre gesenkt werden. Die Anwesenheit und die Probleme Papierloser werden in dem Entwurf des Innenministeriums gänzlich igno-riert50.
3.3 Abschottung nach außen und „Grenzsicherung“
Die kapitalistische Globalisierung hat nicht nur die Fluchtursachen durch Zerstörung der Lebensgrundlagen und Unterwerfung der Nationalökonomien unter die Konkurrenz des Weltmarktes vervielfacht, sondern gleichzeitig erleichterte Möglichkeiten und Wege der Mig-ration geschaffen.
[...]
1 Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V. (Hg.) 1998, S. 13
2 Nach Buchkremer sind „das parteiliche Interesse an Menschen in benachteiligten Lebenslagen“, sowie „das emanzipatorische Engagement zu Gunsten der und mit den AdressantInnen“ paradigmatische Grundsätze der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (Wurzbacher 1997, S. 99)
3 Müller 1990, S. 76f.
4 Winkler 1990, S.46
5 zur Definition von Empathie s. Kobayashi, S. 46
6 zitiert nach: AutorInnenkollektiv (Hg.) 2000, S. 17
7 Höfling-Semnar 1995
8 ebd.
9 Vgl. Statistik des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl). Online im Internet: http://www.bafl.de/template/statistiken [20.03.2002]
10 Eine Anmerkung zu den Begrifflichkeiten: Ich vermeide in meiner Arbeit den Begriff „Illegale“ für die Be-zeichnung von Menschen. Er ist m.E. zutiefst demütigend und unmenschlich. Menschen können illegale Hand-lungen begehen, nicht aber illegal sein. Zudem ist die Bezeichnung „Illegale“ eng mit Kriminalität konnotiert und wird leicht in eins gesetzt. Von einigen wird der Begriff „Illegalisierte“ verwendet, der deutlich machen soll, dass Menschen ohne Papiere erst zu solchen gemacht werden. Ich finde aber, das trifft nicht ganz den Sachver-halt, da hier die Menschen allein als passive Opfer einer staatlichen Politik begriffen werden. Es gibt jedoch auch Formen bewusst gewählter Illegalität. Im englischsprachigen Forschungsraum werden die Bezeichnungen „irregular“ oder „undocumented migrants“ benutzt (vgl. Gibney 2000), in Italien heißen Papierlose „clandestini“ (Heimliche). In Anlehnung an die „sans papiers“ in Frankreich und die „sin papeles“ in Spanien habe ich mich für die Bezeichnung „Papierlo-se“ entschieden. Sie drückt m.E. am deutlichsten aus, worum es geht: um ein Leben ohne Pass und ohne staatli-ches Recht auf Aufenthalt.
11 Bade, Klaus J.: Die ‚Festung europa’ und die illegale Migration, in: Bade 2001, S. 65-75
12 AutorInnenkollektiv (Hg.) 2000, S.7
13 „1981 wurde die erste Strafvorschrift gegen "Schlepperei" eingeführt (§ 47a AuslG, Novelle vom 15. Dezem-ber 1981, BGBl I 1390, Neufassung vom 16. Julli.1982, BGBl I 946) und im neuen Ausländergesetz von 1990 (§ 92 Abs 2) erweitert. Die Schaffung eines eigenen Straftatbestands "Einschleusen von Ausländern" erfolgte mit der Novellierung des Ausländergesetzes (§§ 92a, 92b, im Rahmen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes) am 28. Oktober1994, BGBl 3186. Der Straftatbestand wurde bei der erneuten Novellierung des Ausländergesetzes im November 1997 erweitert.“ (Dietrich in: Dominik u.a. (Hg.) 1999, S. 293)
14 Höfling-Semnar 1995, S. 113
15 aus: ila 2001, S. 11
16 Illegale Einreise und Papierlosigkeit ist auch in anderen europäischen Ländern an der Tagesordnung. Der Umgang mit Papierlosen jedoch unterscheidet sich von Land zu Land und kann hier nicht umfassend dargestellt werden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Lebenssituation in einigen Ländern, z.B. durch den Zugang zum (legalen) Arbeits- und Wohnungsmarkt, zu Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen etc., erträglicher ist als in der BRD und Papierlose nicht automatisch in die Rechtlosigkeit abgedrängt sind. Gleichwohl ist der Trend einer Vereinheitlichung der Politik gegen „illegale Migration“ nicht zuletzt unter Führung Deutschlands zu beobachten. Vgl. AutorInnenkollektiv (Hg.) 2000, Eichenhofer (Hg.) 1999 u.a.
17 § 92 AuslG: Strafvorschriften: (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhält und keine Duldung nach § 55 Abs. 1 besitzt, 2. entgegen § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 sich ohne Paß und ohne Aus-weisersatz im Bundesgebiet aufhält, 3. einer vollziehbaren Auflage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 oder § 56 Abs. 3 Satz 3, jeweils auch in Verbindung mit § 44 Abs. 6, oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 62 Abs. 2 zuwi-derhandelt, 4. einer vollziehbaren Anordnung nach § 37 zuwiderhandelt, 5. entgegen § 41 Abs. 6 eine erken-nungsdienstliche Maßnahme nicht duldet, 6. entgegen § 58 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist, 7. im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheimgehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 uner-laubt a) in das Bundesgebiet einreist oder b) sich darin aufhält oder 2. unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen, oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. (2a) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar. (3) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden. (4) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.
18 § 60AuslG: Zurückweisung: (1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückge-wiesen. (2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn 1. ein Ausweisungsgrund vorliegt, 2. der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient. (3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung be-freit ist, kann unter denselben Voraussetzungen zurückgewiesen werden, unter denen eine Aufenthaltsgenehmi-gung versagt werden darf. (4) Die Zurückweisung erfolgt in den Staat, aus dem der Ausländer einzureisen ver-sucht. Sie kann auch in den Staat erfolgen, in dem der Ausländer die Reise angetreten hat, in dem er seinen ge-wöhnlichen Aufenthalt hat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder der den Paß ausgestellt hat, oder in einen sonstigen Staat, in den der Ausländer einreisen darf. (5) § 51 Abs. 1 bis 3, § 53 Abs. 1, 2 und 4 und § 57 finden entsprechende Anwendung. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes gestattet ist.
19 § 42 AuslG: Ausreisepflicht: (1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er eine erforderliche Auf-enthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzt. (2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer 1. unerlaubt eingereist ist, 2. nach Ablauf der Geltungsdauer seiner Aufenthaltsgenehmigung noch nicht die Verlängerung oder die Erteilung einer anderen Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat oder 3. noch nicht die erstmalige Erteilung der erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat und die gesetzliche Antragsfrist abgelaufen ist. Im übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung der Aufenthaltsgenehmi-gung oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach Absatz 1 ausreisepflichtig wird, vollzieh-bar ist. (3) Ist die Ausreisepflicht vollziehbar, hat der Ausländer das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen. Die Ausreisefrist endet spätestens sechs Monate nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausreisepflicht. Sie kann in besonderen Härtefällen befristet verlängert werden. (4) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. (5) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen. (6) Der Paß oder Paßersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden. (7) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Im Fall des § 8 Abs. 2 Satz 1 kann er zum Zweck der Einreiseverhinderung außerdem zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bun-desgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden.
20 Alt 1999, S. 96f.
21 In diesem Zusammenhang ist oft vom - relativ neuen - Phänomen der „transnationalen Migration“ die Rede: „Die Transmigranten leben zwischen verschiedenen Wohnorten, sind (...) weder am Herkunftsort noch am Ein-reiseort heimisch, pendeln oftmals auch zwischen den Wohnorten hin und her. Einerseits entstehen daher inner-halb eines Flächenraumes verschiedene getrennte, ethnisch-kulturelle soziale Räume, andererseits über geogra-phisch-politische Räume hinweg Transnationale Soziale Räume“. aus: Haug 2000, S. 17 (Herv. i. Original)
22 vgl. Cyrus in: BUKO (Hg.) 1995, S. 27-44
23 Vgl. Höfling-Semnar 1995, S. 22ff. Die strukturellen Faktoren, die Wanderung beeinflussen, sind demnach das internationale „Entwicklungsgefälle“, die gestiegenen Möglichkeiten des Güter-, Kapital- und Arbeitskräfte-transfers etc. Kulturelle Faktoren sind z.B. „die westlich-demokratische Verheißung von Freiheit und Menschen-rechten“.
24 Alt 1999, S. 126f und S. 132
25 „Migrationsnetzwerke werden als dynamische Beziehungen und variable soziale Arrangements formeller oder informeller Art betrachtet, bestehend aus Individuen oder Institutionen am Herkunftsort oder Zielort, in die Indi-viduen eingebettet sind und die die Migrationsprozesse beeinflussen. Greifbare Merkmale sind bei Netzwerken monetäre Transaktionen, Geschenke, Briefe und Gespräche zwischen den Mitgliedern. Als Regulator werden interpersonelle Verpflichtungen aufgefaßt, die zur Kettenmigration führen können.“ Aus: Haug 2000, S.18
26 Gerade diese Gruppe scheint zuzunehmen, wie ich in mehreren Gesprächen mit Flüchtlingsberater/innen erfahren habe, und zwar vor dem Hintergrund der immer geringeren Möglichkeiten der Erhaltung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts.
27 Wurzbacher 1997, S. 53ff.
28 Artikel 6 GG: (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versa-gen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die glei-chen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
29 Nach § 19 AuslG muss die Ehe mindestens zwei Jahre lang bestehen, um einen vom/von der Ehepartner/in unabhängigen Aufenthaltsstatus zu erhalten.
30 Vgl. Alt 1999, S. 48ff.
31 Vgl. Alt 1999, S. 48ff., Lederer, Harald W.: Typologie und Statistik illegaler Zuwanderung nach Deutschland, in: Eichenhofer (Hg.) 1999, S. 62ff. und Bade in Bade (Hg.) 2001, S. 67f.
32 Lederer in Eichenhofer (Hg.) 1999, S. 62ff., Bade in Bade (Hg.) 2001, S. 67ff. und Zabel in Bade 2001, S. 94.
33 Vgl. Wurzbacher 1997
34 Boutang 2002, S.1
35 Geprüft werden lediglich Abschiebungshindernisse
36 §18a AsylVG: Verfahren bei Einreise auf dem Luftwege: (1) Bei Ausländern aus einem sicheren Herkunfts-staat (§29a), die über einen Flughafen einreisen wollen und bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen, ist das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen, soweit die Unterbringung auf dem Flugha-fengelände während des Verfahrens möglich ist. Das gleiche gilt für Ausländer, die bei der Grenzbehörde auf einem Flughafen um Asyl nachsuchen und sich dabei nicht mit einem gültigen Paß oder Paßersatz ausweisen. Dem Ausländer ist unverzüglich Gelegenheit zur Stellung des Asylantrages bei der Außenstelle des Bundesam-tes zu geben, die der Grenzkontrollstelle zugeordnet ist. Die persönliche Anhörung des Ausländers durch das Bundesamt soll unverzüglich stattfinden. Dem Ausländer ist danach unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich selbst vorher anwaltlichen Beistands versichert. §18 Abs.2 bleibt unberührt. (2) Lehnt das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, droht es dem Ausländer nach Maßgabe der §§34 und 36 Abs.1 vorsorglich für den Fall der Ein-reise die Abschiebung an. (3) Wird der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ist dem Ausländer die Einreise zu verweigern. Die Entscheidungen des Bundesamtes sind zusammen mit der Einreiseverweigerung von der Grenzbehörde zuzustellen. Diese übermittelt unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht eine Kopie ihrer Entscheidung und den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes. (4) Ein Antrag auf Gewährung vor-läufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der
37 Vgl. Pro Asyl: Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht. Online im Internet: http://www.proasyl.de/texte/mindest2.htm [07.04.2002]
38 Wurzbacher 1997, S. 35 und S. 58ff.
39 § 1a AsylbLG: Leistungseinschränkung: Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, 1. die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder 2. bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, erhalten Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
40 § 64 a AuslG: Sonstige Beteilungserfordernisse im Visumsverfahren und bei der Erteilung von Aufenthalts-genehmigungen: (1) Die im Visumverfahren von der deutschen Auslandsvertretung erhobenen Daten der visum-antragstellenden Person und des Einladers können von dieser zur Feststellung von Versagungsgründen nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 an den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den militärischen Ab-schirmdienst, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt übermittelt werden. Das Verfahren nach § 21 des Ausländerzentralregistergesetzes bleibt unberührt. (2) Die Ausländerbehörden können zur Feststellung von Ver-sagungsgründen nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 vor der Erteilung oder Verlängerung einer sonstigen Aufenthaltsgenehmi-gung die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten der betroffenen Person an den Bundesnachrichten-dienst, den militärischen Abschirmdienst und das Zollkriminalamt sowie an das Landesamt für Verfassungs-schutz und das Landeskriminalamt übermitteln. (3) Die in Absatz 1 und 2 genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste teilen der anfragenden Stelle unverzüglich mit, ob Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 vorliegen. Sie dürfen die mit der Anfrage übermittelten Daten speichern und nutzen, wenn das zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. (4) Das Bundesministerium des Innern bestimmt im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und unter Be- rücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage durch allgemeine Verwaltungsvorschrift, in welchen Fällen gegenüber Staatsangehörigen bestimmter Staaten sowie Angehörigen von in sonstiger Weise bestimmten Personengruppen von der Ermächtigung des Absatzes 1 Gebrauch gemacht wird.
41 Zudem lässt die Frage der Unterstützung einer den Terrorismus unterstützenden Organisation einen breiten Interpretationsrahmen zu. Denkbar wäre z.B. die Unterschrift für eine Freilassung eines einsitzenden Widerstandkämpfers o.ä.
42 Wurzbacher 1997, S. 54ff.
43 Kreusel o.J. und KMII o.J.
44 Für die Verhängung von Abschiebungshaft reicht eine „richterliche Verfügung“, die alle sechs Monate über-prüft wird.
45 Pressemitteilung von Pro Asyl vom 8.12.2001. Online im Internet: http://www.proasyl.de/presse01/dez08.htm [15.04.2002]
46 vgl. Tabelle über die Entscheidungen und Entscheidungsquoten (Anhang 1)
47 Als Nachfluchtgründe werden all jene Asylgründe bezeichnet, die den Flüchtling durch Aktivitäten nach der Flucht aus dem Heimatland z.B. durch politische Aktivität im Ausland der Gefahr der politischen Verfolgung nach der Abschiebung aussetzt. In einigen Ländern gilt bereits die Asylantragsstellung in Europa als Landesver-rat.
48 Quelle: BAFl
49 Den vorgesehenen Verbesserungen wie der Anerkennung geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung stehen massive Verschlechterungen wie die Ausweitung der Residenzpflicht, die Abschaffung der Duldung und die Einrichtung von sog. Ausreisezentren gegenüber.
50 vgl. Alt 2001
- Quote paper
- Andreas Beisbart (Author), 2002, Zur Situation von Papierlosen in Deutschland und den Möglichkeiten sozialpädagogischer Intervention, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22647
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