Samuel Beckett und das Theater des Absurden
- Eine Analyse des Dramas Waiting for Godot -
1. Einleitung:
Waiting for Godot ist Samuel Becketts berühmtestes Drama und zugleich eines der bekanntesten des Theaters des Absurden. Oftmals wurde es als Unsinns- und Vexierspiel kritisiert. Man glaubte einfach nicht daran, daß dieses Stück irgendetwas auszusagen hätte, geschweige denn von irgendjemand wirklich
verstanden werden könne.(1) Daß dies jedoch anders ist, wird diese Hausarbeit zeigen.
Es geht in ihr darum, wie “absurde” Dramen funktionieren und welche Spannbreite der Begriff des “Absurden” hat. Dabei wird vor allem auf Samuel Becketts Drama Waiting for Godot Bezug genommen und eine Dramenanalyse - mit Schwerpunkt auf Dramenhandlung, Dramenfiguren, Sprache bzw. Dialog, Handlungsraum und Zeitstruktur - durchgeführt.
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1 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 12
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Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Leben und Werk Samuel Becketts
3. Das Theater des Absurden
3.1. Begriffserklärung des Wortes “absurd”
3.2. Merkmale des absurden Theaters
3.3. Merkmale der Dramen des absurden Theaters
4. Waiting for Godot als “absurdes” Drama
4.1. Inhaltsangabe
4.2. Handlung
4.3. Figurenkonzeption, -konstellation, -charakterisierung
4.3.1. Vladimir
4.3.2. Estragon
4.3.3. Pozzo und Lucky
4.3.4. Godot
4.4. Sprache
4.5. Raumkonzeption
4.6. Zeitstruktur
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Waiting for Godot ist Samuel Becketts berühmtestes Drama und zugleich eines der bekanntesten des Theaters des Absurden. Oftmals wurde es als Unsinns- und Vexierspiel kritisiert. Man glaubte einfach nicht daran, daß dieses Stück irgendetwas auszusagen hätte, geschweige denn von irgendjemand wirklich verstanden werden könne.1 Daß dies jedoch anders ist, wird diese Hausarbeit zeigen.
Es geht in ihr darum, wie “absurde” Dramen funktionieren und welche Spannbreite der Begriff des “Absurden” hat. Dabei wird vor allem auf Samuel Becketts Drama Waiting for Godot Bezug genommen und eine Dramenanalyse - mit Schwerpunkt auf Dramenhandlung, Dramenfiguren, Sprache bzw. Dialog, Handlungsraum und Zeitstruktur - durchgeführt.
2. Leben und Werk Samuel Becketts:
Samuel Beckett wurde am 13. April 1906 in Dublin geboren. Er stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus, das jedoch nicht zur obersten Schicht des Bürgertums gehörte.
Seine Schulausbildung begann Beckett in der Earlsfort House School, einem Präparandenexternat für Jungen. Im Jahre 1920 wechselte er an die Portora Royal School in Enniskillen. Von 1923 bis 1927 studierte Beckett am Trinity College in Dublin und schloß mit dem Bachelor of Arts ab.2 Da seine wissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet waren, wählte ihn seine Universität für den traditionellen Lektorenaustausch mit der namhaften École Normale Supérieure aus und sandte ihn nach Paris.3 Zuvor lehrte er jedoch noch einige Monate am Campbell College in Belfast.4 Schließlich kam er denn im Herbst 1928 in Paris an und startete seinen Lehrauftrag als Lektor für Englisch. Damit begann seine ganz spezielle Bindung an Paris, die für sein weiteres Leben bestimmend wurde. Während dieses Aufenthaltes machte sich Samuel Beckett auch als Dichter einen Namen. So gewann er einen Literaturpreis für sein Gedicht Whoroscope (1930). 1930 kehrte Beckett wieder an das Trinity College zurück und übernahm eine Assistentenstelle. In dieser Zeit erwarb er den akademischen Grad eines Master of Arts und sein Essay über Proust (1931) erschien. Doch bereits im nächsten Jahr entschloß er sich, diese Assistentenstelle wieder zu kündigen. Er zog von Dublin über London nach Paris und schrieb zu diesem Zeitpunkt allerlei Geschichten und Gedichte, übernahm aber auch alle möglichen Gelegenheitsjobs. In dieser Zeit entstanden so seine Kurzgeschichtensammlung More Pricks Than Kicks (1934), sein Gedichtband Echo ’ s Bones and Other Precipitates (1935), sowie sein erster Roman Murphy (1934-37).
Als im Jahre 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, war Beckett gerade zu Besuch bei seiner verwitweten Mutter in Irland. Sofort kehrte er nach Paris zurück und da er ein entschiedener Gegner des nationalsozialistischen Regimes war5, schloß er sich Ende Oktober 1940 der Widerstandsbewegung an. Doch nur zwei Jahre später entging er knapp einer Verhaftung durch die Nazionalsozialisten. Er flüchtete in das Dorf Roussillon-en-Vaucluse und arbeitete dort als Landarbeiter.6 In dieser Zeit begann Beckett seinen Roman Watt (1942-44) zu schreiben. Im Jahre 1945 kehrte er schließlich wieder in sein geliebtes Paris zurück. Es folgte seine wohl produktivste Schaffensperiode: Er schrieb die Theaterstücke Eleutheria (1947) , En attendant Godot (1948) und Fin de Partie (1954-56) , die Romane Molloy (1947-48) , Malone meurt (1948) , L ’ Innommable (1949) , das nocht nicht veröffentlichte Manuskript zu Mercier et Camier (1946) sowie die Kurzgeschichten- und Prosafragmentensammlung Nouvelles et textes pour rien (1950). 7 In dieser Zeit - genauer gesagt im Jahre 1951 - entschloß sich Beckett zudem, einen aktiveren Anteil in der Bühnenarbeit an seinem dramatischen Werk zu nehmen. Das Theater schien wohl seine wahre Berufung geworden zu sein. So verfaßte er in den folgenden Jahren mehrere Dramen, Hörspiele und Spiele, wie beispielsweise All that fall (1956), Krapps last tape (1958), Embers (1959) , Happy Days (1960-61) , Play (1963) , Cascando (1963) , Film (1963-64), Come and go (1965) , Eh Joe (1966), Breath (1970) Not I (1972), That Time (1974), Footfalls (1975), Rockaby (1981), Ohio Impromptu (1981) und Catastrophe (1982). Sein episches Werk ließ er dennoch nicht unberücksichtigt: Es erschienen die Romane Comment c ’ est (1961) und Mercier et Camier (1970) sowie die Erzählungen Premier amour (1970) und Le D é peupleur (1970).8
3. Das Theater des Absurden:
Das Theater des Absurden ist eine Richtung des Theaters und der Dramatik in westeuropäischen Ländern in den 50er und Anfang der 60er Jahre.9 Das Zentrum dieser literarischen Bewegung liegt in Paris. Diese Tatsache hat jedoch nicht zur Folge, daß das absurde Theater seinem Wesen nach französisch sei - ganz im Gegenteil: Viele populäre Dramatiker des Theaters des Absurden leben zwar in Paris und schreiben auch französisch, sind jedoch oftmals ganz anderer Nationalität.10 Das beste Beispiel ist hier wohl der Ire Samuel Beckett, einer der Hauptvertreter des absurden Theaters.
3.1. Begriffserklärung des Wortes “absurd”:
Sowohl das Lexikon als auch der Duden definieren die Bedeutung des Wortes als “unvernünftig, widersinnig”11 /12. In der Umgangssprache bedeutet dieses Wort jedoch nichts weiter als “lächerlich”. Diese Wortbedeutungen haben jedoch nichts mit der des Theaters des Absurden zu tun - ganz im Gegenteil: “Absurd ist etwas, das ohne Ziel ist... Wird der Mensch losgelöst von seinen religiösen, metaphysischen oder transzendentalen Wurzeln, so ist er verloren, all sein Tun wird sinnlos, absurd, unnütz, erstickt im Keim.”13.
3.2. Merkmale des absurden Theaters:
Das Thema in vielen Stücken des absurden Theaters ist die Absurdität der menschlichen Existenz und die Angst davor. Dabei wird sich jedoch nicht mit dieser Absurdität auseinandergesetzt, sie wird vielmehr als ein konkreter Sachverhalt (auf der Bühne) dargestellt. Die Dramatiker des absurden Theaters sind außerdem bemüht, “das Bewußtsein der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins und der Unzulänglichkeit rationaler Anschauungsformen durch den bewußten Verzicht auf Vernunftgründe und diskursives Denken zum Ausdruck zu bringen.”14
3.3. Merkmale der Dramen des absurden Theaters:
Die Dramen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie keine bemerkenswerte Handlung oder Ränkespiel haben. In ihnen kommen Figuren vor, die marionettenhafte Züge aufweisen, die man jedoch nicht als Charaktere bezeichnen könnte. Ein weiteres Merkmal der “absurden” Dramen ist, daß sie kein klar umrissenes Problem haben, welches denn am Ende auch gelöst wird. Diese Dramen bestehen desweiteren nur aus unzusammenhängendem Gerede und spiegeln oftmals nur Träume und Angstvorstellungen wider.15 Die Dramen des Theaters des Absurden stellen außerdem auch gewisse menschliche Grundsituationen dar, wie beispielsweise das Warten, die Vereinzelung, die Kommunikationslosigkeit, die (bereits angedeutete) Angst und der Tod.16
4. Waiting for Godot als “absurdes” Drama:
4.1. Inhaltsangabe:
Den Inhalt dieses Dramas kann man bereits mit wenigen Sätzen zusammenfassen. So ist es auch nicht verwunderlich, daß diese Inhaltswiedergabe nur sehr kurz, dafür aber sehr prägnant ausgefallen ist: Vladimir und Estragon, zwei Landstreicher, warten auf Godot. In der Zwischenzeit vertreiben sie sich auf unterschiedlichste Art und Weise die Zeit. Außerdem begegnet ihnen ein weiteres Figurenpaar - nämlich der brutale Pozzo, der sein “Opfer” Lucky an der Leine mit sich führt. Jeweils am Schluß der insgesamt zwei Akte werden sie von einem Jungen vertröstet, der ihnen sagt, daß Herr Godot morgen ganz bestimmt eintreffen werde. Doch Vladimir und Estragon warten vergeblich auf ihn.
4.2. Handlung:
Bemerkenswert an diesem Drama ist, daß es weder Interessenkonflikte noch irgendwelche Mißverständnisse gibt, mit denen sich die Dramenfiguren auseinandersetzen müssen. Dies hat zur Folge, daß auch keine Ausgangssituation vorhanden ist, die durch die Figuren in eine davon verschiedenartige Endsituation transponiert wird.17 Kann man dabei also von einer Dramenhandlung im aristotelischen Sinne sprechen? Wohl eher nicht. Es handelt sich lediglich um eine statische Situation, die dieses Drama aufzeigt18: das Warten von Vladimir und Estragon auf die Ankunft Godots. Folgendes Textbeispiel belegt dies:
[...]
ESTRAGON: “[...] Let’s go.” VLADIMIR: “We can’t. ESTRAGON: “Why not?” VLADIMIR: “We’re waiting for Godot.”19 [...]
Obwohl die Protagonisten ständig miteinander reden und auch bestimmte Handlungen beziehungsweise Tätigkeiten vollziehen (zum Beispiel: Estragons Versuch, seinen Schuh auszuziehen; Wladimirs Aufstellen eines Klappstuhles), passiert im Grunde genommen nichts Bemerkenswertes. Estragon bemerkt hierzu:
[...]
ESTRAGON: “Nothing happens, nobody comes, nobody goes, it’s awful!”20 [...]
Ein Handlungsfortschritt ist demzufolge nicht zu erkennen. Selbst was die beiden Akte betrifft, stellt man fest, daß der zweite Akt bis in zahllose Einzelheiten hinein lediglich als abgewandelte Repetition des ersten dient: So entspricht Estragons solistische Schuhpantomime zu Beginn des ersten Aktes Vladimirs Solo-Auftritt und Lied am Anfang des zweiten Aktes. Desweiteren treten in beiden Akten ein weiteres Figurenpaar auf21 - nämlich Pozzo und Lucky - und zu guter Letzt erfahren Vladimir und Estragon (sowohl in Akt I als auch in Akt II), daß Godot nicht heute, aber sicherlich morgen kommen wird. So heißt es denn am Schluß:
Akt I: [...]
ESTRAGON: “Well, shall we go?” VLADIMIR: “Yes, let’s go.” [They do not move.]22 [...]
Akt II: [...]
VLADIMIR: “Well, shall we go?”
[...]
1 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 12
2 Simon, Alfred: Beckett. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1991, S. 174-177
3 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 20
4 Simon, Alfred: Beckett. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1991, S. 177
5 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 20-25
6 Simon, Alfred: Beckett. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1991, S. 193-194
7 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 25-26
8 Simon, Alfred: Beckett. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1991, S. 202-222
9 BI-Universallexikon (Bd. 5). 5 Bde., 2., neubearb. und erw.. Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, 1991, S. 191
10 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 16
11 BI-Universallexikon (Bd. 1). 5 Bde., 2., durchges. Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, 1988, S. 18
12 Der Gro ß e Duden. 17., neubearbeitete Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, 1976, S. 38
13 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 14
14 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 14-15
15 Esslin, Martin: Das Theater des Absurden - Von Beckett bis Pinter. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1991, S. 12
16 BI-Universallexikon (Bd. 5). 5 Bde., 2., neubearb. und erw. Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, 1991, S. 191
17 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 126
18 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 126
19 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 11
20 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 48
21 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 127
22 Pfister, Manfred (Hrsg.): Samuel Beckett: Waiting for Godot. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 64
- Quote paper
- Anke Voigt (Author), 2001, Samuel Beckett und das Theater des Absurden - Eine Analyse des Dramas "Waiting for Godot", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22560
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