Die Frage, ob Menschen friedlich in einer Gesellschaft ohne
Herrschaftsverhältnisse zusammenleben können, oder ob dieses
gleichbedeutend ist mit Chaos, Gewalt und Krieg, wurde wohl schon
immer kontrovers diskutiert. Sie stellt eine Kernfrage der politischen
Philosophie dar, da sie, wie kaum eine andere, die Menschen
polarisiert und auch heute noch mit politischen Tabus behaftet ist:
Wer würde sich selbst freiwillig in einer Diskussion für die
Abschaffung des politischen Systems einsetzen, ohne sich dabei
lächerlich oder gar verdächtig zu machen?
Über Beispiele, wie ganze Regionen ohne funktionierende
Obrigkeit im Chaos versinken, können wir uns tagtäglich in den
Medien informieren: Somalia und der Jemen seien hier genannt, wo
sich lokale Kriegsherren die Macht mit Waffengewalt sichern und die
Zivilbevölkerung unter Angst und Willkür zu Leiden hat.
Ob nun die Abkehr vom organisierten Staatswesen überhaupt
möglich ist, und wenn nicht, warum, soll nun in dieser Arbeit
diskutiert werden. Aristoteles, der Begründer der Politik als
eigenständige Wissenschaft überhaupt, soll mit Thomas Hobbes, der
das erst neuzeitliche Modell der Politischen Theorie schuf, verglichen
werden. Dabei ist es mir wichtig, die grundlegenden Philosophien,
das Verständnis des Menschen und die Methodik der beiden
Philosophen herauszuarbeiten, schließlich sind es die Grundlagen und
Vorgehensweisen, die zum Resultat führen und an denen es sich
bewerten lässt. Abschließend möchte ich beide Ergebnisse
miteinander vergleichen und kritisch hinterfragen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Aristoteles
2.1 Methodik und Philosophie
2.2 Anthropologie und natürliche Herrschaftsverhältnisse
2.3 Natürliche Staatenbildung, Grundlagen und Ziele
3. Thomas Hobbes
3.1 Anthropologie
3.2 Natürliche Konfliktursachen und Machtstreben
3.3 Der Naturzustand - Alle gegen Alle
4. Kontrastive Analyse, Zusammenfassung und Schluß
5. Literaturverzeichnis
1. Einführung: Eine Gesellschaft ohne Staat und Recht?
Die Frage, ob Menschen friedlich in einer Gesellschaft ohne Herrschaftsverhältnisse zusammenleben können, oder ob dieses gleichbedeutend ist mit Chaos, Gewalt und Krieg, wurde wohl schon immer kontrovers diskutiert. Sie stellt eine Kernfrage der politischen Philosophie dar, da sie, wie kaum eine andere, die Menschen polarisiert und auch heute noch mit politischen Tabus behaftet ist: Wer würde sich selbst freiwillig in einer Diskussion für die Abschaffung des politischen Systems einsetzen, ohne sich dabei lächerlich oder gar verdächtig zu machen?
Über Beispiele, wie ganze Regionen ohne funktionierende Obrigkeit im Chaos versinken, können wir uns tagtäglich in den Medien informieren: Somalia und der Jemen seien hier genannt, wo sich lokale Kriegsherren die Macht mit Waffengewalt sichern und die Zivilbevölkerung unter Angst und Willkür zu Leiden hat.
Ob nun die Abkehr vom organisierten Staatswesen überhaupt möglich ist, und wenn nicht, warum, soll nun in dieser Arbeit diskutiert werden. Aristoteles, der Begründer der Politik als eigenständige Wissenschaft überhaupt, soll mit Thomas Hobbes, der das erst neuzeitliche Modell der Politischen Theorie schuf, verglichen werden. Dabei ist es mir wichtig, die grundlegenden Philosophien, das Verständnis des Menschen und die Methodik der beiden Philosophen herauszuarbeiten, schließlich sind es die Grundlagen und Vorgehensweisen, die zum Resultat führen und an denen es sich bewerten lässt. Abschließend möchte ich beide Ergebnisse miteinander vergleichen und kritisch hinterfragen.
2. Aristoteles
Aristoteles, der zwei Arztfamilien entstammte, wurde 384 vor Christus im griechischen Stagira geboren. Mit etwa 18 Jahren trat er in die platonische Akademie ein, wo er fast zwanzig Jahre blieb, zuerst als Schüler, später als Forschender und Lehrender, der auch den Auffassungen seines Lehrers Platon widersprach. Nach Platons Tod mußte Aristoteles Athen aus politischen Gründen (er war promakedonisch eingestellt) im Jahre 347 v. Chr. verlassen. Unterkunft fand er bei seinem ehemaligen Mitschüler Hermias von Assos, dessen Tochter Pythias er sechs Jahre später heiratete und mit der er eine Tochter und einen Sohn Nikomachos (dem er später die Nikomachische Ethik widmete) hatte.
342 v. Chr. schließlich wurde Aristoteles mit der Erziehung Alexanders (dem späteren Alexander der Große), des Sohnes König Philips, betraut. Aristoteles kehrte 335 v. Chr. nach Athen zurück, wo er die „Peripatetische Schule“ gründete und am Lykeion lehrte. Unterstützt von Alexander konnte er sich eine große Privatbibliothek und eine naturwissenschaftliche Sammlung anlegen und sich seinen Forschungen widmen. Nach Alexanders Tod im Jahr 323 v. Chr. fühlte sich Aristoteles wiederum den Anfeindungen der Gegner Makedoniens ausgesetzt und flüchtete auf die Insel Euböa, wo er 322 v. Chr. einer Krankheit erlag.
Aristoteles, der als einer der größten Denker der abendländischen Philosophie gilt, definierte nicht nur die Prinzipien und Grundbegriffe vieler Zweige der theoretischen Wissenschaft, seine Methode des deduktiven Schließen aus Syllogismen und der Verallgemeinerung durch Induktion sind auch heute noch fester Bestandteil in der Methodik wissenschaftlichen Arbeitens.
2.1 Methodik und Philosophie
Im Gegensatz zu seinem Lehrer Platon vertrat Aristoteles die Ansicht, Materie könne nicht von der dahintersteckenden Idee getrennt werden. In seiner Metaphysik postulierte er den Zusammenhang aus dem Sein eines Gegenstandes (actus) und den Möglichkeiten, was es sein kann (potentia). Aristoteles versteht deshalb die Natur als organisches System der Dinge mit all ihren Zielen und Zwecken, was für das Verständnis seiner Staatsphilosophie ebenso wichtig ist wie sein streng hierarchisches Weltbild.
Auch sein Verständnis von Wissenschaften ist geprägt von Hierarchien. Die Politik, die Aristoteles als eigenständige Wissenschaft innerhalb der praktischen Philosophie begründete, nimmt eine anderen Teilgebieten übergeordnete Position ein, da „die Strategik, die Ökonomik, die Rhetorik, ihr untergeordnet sind. Da sie also die übrigen praktischen Wissenschaften in den Dienst ihrer Zwecke nimmt, ... so dürfte ihr Ziel die Ziele der anderen als das höhere umfassen“.[1]
Politik fusioniert dabei mit Ethik, da beide sich mit den Zielsetzungen, dem Streben menschlicher Gemeinschaft, beschäftigen. Das höchste Ziel, die Glückseligkeit (eudaimonia), die Aristoteles in der Nikomachischen Ethik benennt, ist für ihn gleichzeitig Kriterium für die Qualität der möglichen Verfassungen einer polis. In seinem achtbändigen Werk „Politik“ untersucht er die Grundlagen für eine ideale Verfassung indem er sich vom kleinsten Baustein einer Gesellschaft - dem Menschen - über sein Haus und sein Dorf bis hin zum größten Element - dem Staat - vorarbeitet.
2.2 Anthropologie und natürliche Herrschaftsverhältnisse
Der Mensch steht am Beginn Aristoteles´Betrachtungen über der Staat, da er es ist, der in ihm lebt, und der ihn ausmacht. Was unterscheidet die Menschen von den Tieren, die ja z.T. auch Staaten bilden? Zum einen sieht Aristoteles den Menschen als zoon politicon, der von Natur aus ein gemeinschaftsbildendes Lebewesen ist[2], zum anderen - und das ist das Unterscheidungskriterium - die menschliche Vernunft (noos), die ihn befähigt, gut und schlecht zu erkennen und voneinander zu trennen:
„Denn das ist im Gegensatz zu den anderen Lebewesen den Menschen eigentümlich, daß nur sie allein über die Wahrnehmung des Guten und des Schlechten, des Gerechten und des Untgerechten und anderer solcher Begriffe verfügen.“[3]
In Aristoteles streng hierarchischem Weltbild sind nun nicht alle Menschen gleichberechtigt, vielmehr glaubt Aristoteles drei natürliche Herrschaftsverhältnisse despotischen Charakters (arche despotae) zu erkennen. „Alle drei Verhältnisse der häuslichen Gemeinschaft basieren auf Ungleichheit. Alle drei haben dieselbe Bezugsperson, den Vater und Herren“[4]. Die Hausgemeinschaft bildet sich also aus vier Klassen von Menschen.
Der freie Mann ist dabei der von der Natur authorisierte Herrscher. Er gebietet - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise - über seine Frau, seine Kinder und seine Sklaven.[5] Dabei sind die Frauen - deren Aufgabe die Arterhaltung ist - und die Kinder den Unfreien, also Sklaven, übergeordnet. Aristoteles sieht in den Sklaven nur lebende Werkzeuge, die dem Herren zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen. Frauen, Kinder und Sklaven, die den natürlichen Herrschaftsformen unterstehen, kommen für seine Staatsphilosophie nicht in Betracht, denn „die Staatskunst meint eine Herrschaft über freie und Gleiche.“[6]
2.3 Natürliche Staatenbildung, Grundlagen und Ziele
Schließen sich mehrere Hausgemeinschaften zusammen, entsteht das Dorf. Grund für den Zusammenschluß ist, neben einer verbesserten Absicherung gegen mögliche Gefahren, auch die gemeinschaftliche Lösung kommunaler Problemstellungen, die einen Haushalt überfordern würden. Trotzdem sieht er im Dorf nur eine „Erweiterung des Haushaltes“[7].
Aus dem Zusammenschluß mehrerer Dörfer entsteht wiederum die polis, der Staat. Für Aristoteles ist das ein natürlicher Vorgang, er geht davon aus, „daß der Staat zu den von Natur aus bestehenden Dingen gehört und daß der Mensch von Natur aus ein staatsbezogenes Lebewesen ist.“[8] Einen Beweis dafür sieht er in der menschlichen Sprache[9], die - im Gegensatz zu den Lautäußerungen der Tiere - zur Bestimmung gemeinsamer Werte und Rechte dient und dabei die Staatenbildung unterstützt, denn „nicht...schafft die Natur vergeblich.“[10]
Oberstes praktisches Ziel des Staates, wie auch der Menschen, die in ihm Leben, ist die Eudaimonia, das oberste Glück, das für den einzelnen unterschiedlich sein mag, aber von bestimmten, in der Nikomachischen Ethik festgelegten Tugenden abhängig ist. Diese Tugenden werden in den Gesetzen der polis kodifiziert, und da „der Durchschnittsmensch nicht direkt von philosophischen oder ethischen Idealen geleitet wird“[11] sieht Aristoteles es als Aufgabe des Gesetzgebers an, „die Bürger durch Gewöhnung tugendhaft“[12] zu machen.
Für Aristoteles gibt es drei Staatsformen, die er als gleichberechtigt gelten läßt: Monarchie, Aristokratie und Politie. Für ihn ist es nicht wichtig, ob einer, mehrere oder viele herrschen, wichtig ist nur ob ein „gemeinsamer Nutzen“[13] Ziel aller Bestrebungen ist. Dabei verhindert natürlich die Politie, da sie eine breite Masse miteinbindet, das Übergewicht einer bestimmten Gruppe und damit Despotie.
[...]
[1] Bien, Günther (Hrsg.): Aristoteles: „Nikomachische Ethik“, S. 1013a
[2] Schwarz, Franz (Hrsg.): Aristoteles, Politik, I 2, 1253a 19ff.
[3] Aristoteles, Politik, I 2, 1253a 16-19
[4] Braun, Eberhard u.a. „Politische Philosophie“, S.53
[5] Aristoteles, Politik, I 3-7
[6] Aristoteles, Politik, I 7, 1255b 17-20
[7] Aristoteles, Politik, I 2, 1252b 15ff.
[8] Aristoteles, Politik, I 2, 1253a 19ff.
[9] Kunzmann, Peter u.a. „dtv-Atlas zur Philosophie“, S.53
[10] Aristoteles, Politik, I 2, 1253a 8
[11] Hirschberger, Johannes, „Geschichte der Philosophie“, I 234
[12] Bien, Günther (Hrsg.): Aristoteles: „Nikomachische Ethik“, II 1, S.1103b
[13] Aristoteles, Politik, III 6, 1279a 16
- Arbeit zitieren
- Andreas Hennings (Autor:in), 2002, Notwendigkeit staatlicher Ordnung - Aristoteles vs. Hobbes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21781
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