Das Prinzip der Anschaulichkeit
Comenius und sein Orbis sensualium pictus
„Nichts darf gelehrt werden auf Grund bloßer Autorität, sondern alles dadurch, daß es den Sinnen und dem Verstand vorgeführt wird.“
Johann Amos Comenius
Inhaltsverzeichnis:
1. Entstehung und Drucklegung
2. Tradition und Neuansatz im Orbis pictus
3. Nachwirkung des Orbis pictus
4. Das pädagogische System des Comenius
5. Aufbau des Orbis pictus
6. Anhang
7. Literatur- und Bildnachweis
1. Entstehung und Drucklegung
Als Comenius im Oktober 1650 in Sarospartak eine dreiklassige Lateinschule einrichtet, führte er dort im Unterricht stufenweise seine Lateinbücher „Vestibulum“, „Janua linguarum“ und dass bis dahin noch ungedruckte „Atrium“ ein, welche somit auch die Grundlage für seinen Unterricht bildeten. Da der Erfolg dieser Werke in bezug auf den Unterrichtserfolg und somit das Weiterkommen der Schüler im behandelten Stoff nicht gerade sehr zufriedenstellend war, versuchte Comenius als Ergänzung zu den bereits bestehenden Materialien ein Bilderwerk zu schaffen, als dessen Titel er noch 1657, abweichend vom Erstdruck 1658 angibt: „Orbis sensualium pictus, hoc est omnium fundamentalium in mundo rerum et in vita actionum nomenclatura ad ocularem demonstrationem deducta, ut sit Vestibuli et Januae linguarum lucidarium.“
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Inhaltsverzeichnis
1. Entstehung und Drucklegung
2. Tradition und Neuansatz im Orbis pictus
3. Nachwirkung des Orbis pictus
4. Das pädagogische System des Comenius
5. Aufbau des Orbis pictus
6. Anhang
7. Literatur- und Bildnachweis
1. Entstehung und Drucklegung
Als Comenius im Oktober 1650 in Sarospartak eine dreiklassige Lateinschule einrichtet, führte er dort im Unterricht stufenweise seine Lateinbücher „Vestibulum“, „Janua linguarum“ und dass bis dahin noch ungedruckte „Atrium“ ein, welche somit auch die Grundlage für seinen Unterricht bildeten. Da der Erfolg dieser Werke in bezug auf den Unterrichtserfolg und somit das Weiterkommen der Schüler im behandelten Stoff nicht gerade sehr zufriedenstellend war, versuchte Comenius als Ergänzung zu den bereits bestehenden Materialien ein Bilderwerk zu schaffen, als dessen Titel er noch 1657, abweichend vom Erstdruck 1658 angibt: „Orbis sensualium pictus, hoc est omnium fundamentalium in mundo rerum et in vita actionum nomenclatura ad ocularem demonstrationem deducta, ut sit Vestibuli et Januae linguarum lucidarium.“
Es war eine Wiederaufnahme seines schon in „Novissima methodus“ gemachten Vorschlages Lateinbüchern bebilderte Betrachtungen der Dinge hinzuzufügen.[1]
Da in Ungarn ein erfahrener Holzschnittkünstler fehlte konnte er dieses „Lucidarium“ während seines bis Juni 1654 dauernden Aufenthalts in Sarospartak nicht zum Druck bringen. Er versuchte deshalb mit einer dramatischen Aufführung „Schola ludus seu encyclopaedia viva“ sein sich gesetztes Schulziel zu erreichen.
Im Juni 1655 wandte sich Comenius an Michael Endter in Nürnberg als bewährten Verleger illustrierter Werke und übergab ihm sein Manuskript seines „Orbis pictus“ sowie auch die Verbreitung seiner künftigen Werke, von denen jedoch nur das „Atrium“, „Janua sive intrductiorum in Biblia Sacra“ sowie „Novi testamenti epitome“ bei Endter erschienen. Die Anfertigung der Illustrationen des Orbis Pictus zog sich drei Jahre hin, wie Comenius in der Opera didactica 1657 unter Abdruck einer Textprobe und eines Teiles der Vorrede beklagt.
Der „Orbis pictus“ sollte in erster Linie die Erlernung der Lateinsprache erleichtern und war von Comenius zunächst allein mit lateinischem Text versehen worden. Jedoch enthielt die lateinische Vorrede einen Satz, der die Übersetzung auch in andere Sprachen für wünschenswert erklärte: „...wenn es überdies jemand einfiele, auch volkssprachige Fassungen zu schaffen, so könnte das Werk noch drei andere Vorteile bringen.“[2]
Durch diese Bemerkung sah sich offensichtlich Endter veranlasst, nach Entwurf der Illustrationsholzschnitte in aller Eile noch eine deutsche Übersetzung anfertigen und in Comenius´ Lateintext einfügen zu lassen, wahrscheinlich ohne vorherige Absprache mit dem zu dieser Zeit weit entfernten Comenius. Als Übersetzer fungierte Sigmund von Birken. Der Holzschnittkünstler ist nicht bekannt, jedoch besteht Wahrscheinlichkeit, dass es bereits Paul Kreutzberger war. In gewisser Weise scheinen Bildform und Art der Emblemata-Ausgaben des Andreas Alciatus das Muster für die Illustrierung abgegeben zu haben. Die ältere Auffassung, Comenius habe selbst die zeichnerischen Entwürfe geliefert darf nach Schorb als völlig unbegründet und veraltet gelten.
Birken hat bereits die erste Auflage (1658) mit kleinen Zusätzen versehen und plante der von ihm besorgten 2. Auflage (1659) neue Bilder einzufügen. Einerseits sollten diese als Ersatz für nicht gelungene Bilder andererseits als Zusatz mit neuem Text eingefügt werden. Da sich Endter jedoch mit dem Kupferstecher Kreutzberger stritt, kamen diese Änderungen in der Form nicht zustande. Schon jetzt arbeitete Birkel an der Vorbereitung der 3. Auflage, die zwar dieselben Holzschnitte wie die beiden ersten Ausgaben verwendete, aber wesentliche Änderungen und Zusätze aufweist, die jedenfalls nicht von Comenius selbst stammen. Es entsteht langsam der Eindruck als würde Comenius gar nicht mehr an den Überarbeitungen beteiligt sein. Die Frage bleibt auch offen, ob Comenius überhaupt von diesen ganzen folgenden Überarbeitungen wusste und auch sein Einverständnis dazu gab.
Aufgrund der hohen Beliebtheit und der guten Verlegung des Werkes erschien bereits 1666 eine viersprachige Ausgabe, deren italienische und französische Version von Teppati stammt. Der Titelholzschnitt ist neu und stammt erneut von Kreutzberger. Die zweite polyglotte Ausgabe weist eine ungarische Version auf, deren Autor aus Ödenburg stammen dürfte. Da Birken Beziehungen nach Ödenburg hatte, hat er wohl diese Übersetzung vermittelt. Bis 1707 verwandte Endter fast ausnahmslos die alten Holzschnitte sowohl für die zweisprachigen wie für die polyglotten Ausgaben. Erst die zweisprachige Ausgabe von 1720 bringt neue Illustrationen. Spätere Ausgaben haben weitere Veränderungen und Modernisierungen vorgenommen.
Nur die Erstausgabe von 1658 und nur ihre Lateinfassung stammt von Comenius selbst. Diese Erstausgabe kann den Maßstab bilden für das, was Comenius gewollt hat. Die weise Beschränkung auf 4000 Wörter (gegenüber 8000 Wörtern in seiner „Janua“) vermied bewusst eine encyclopädische Überfüllung, während Endter bei einer Auflage den Wortschatz unter Zufügung eines zweiten Teiles im Werk durch eine Unzahl rarer Wörter ergänzen ließ und damit gewiss den Schüler überforderte. Dass Jahrhunderte lang bis in die heutige Zeit Nachdrucke und Bearbeitungen erschienen, beweist, dass das Werk dem Praktiker Anregungen geben konnte, auch als die eigentliche Grundlage veraltet war, indem Latein aufhörte, eine allgemeine Umgangssprache zu sein.
2. Tradition und Neuansatz im Orbis pictus
Der Orbis pictus war zunächst gedacht als ein Hilfsmittel für die Schule und zur mnemotechnischen Aneignung der Lateinsprache dienen. Jedoch ist es nicht richtig, wenn oft behauptet wird, Comenius sei der erste gewesen, der eine solche Idee in die Tat umsetzte und das Bild als Anschauungsmittel für den Unterricht heranzog. Im Gegenteil, der Gedanke scheint schon uralt zu sein. Schon der Heilige Gregorius (+1604) empfahl Wandgemälde für die Kirchen, damit selbst Bürger die des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren, in der Lage wären die Bibelgeschichte zu verstehen. Sie könnten somit belehrt werden und sich durch Anschauung einprägen, was sie nicht den Büchern entnehmen können. Insofern darin schon eine Mnemonik liegt, ging die Antike schon voran, da Cicero Simonides als Erfinder der Bild-Mnemonik preist. Die griechischen Schulmeister und Gelehrten verwandten bei der Vermittlung der Homerlektüre bereits sogenannte Ilische Tafeln, d. h. große Relieftafeln mit Darstellungen der Ereignisse vor Troja.
Das christliche Mittelalter musste sich das neu erarbeiten, aber besonders im ausgehenden Mittelalter gehören Bildkatechismen, Bilderbibeln und Bilderfibeln zum Alltagsgut. Auch das figurale Alphabet, als dessen Erfinder Comenius manchmal hingestellt wird, existiert schon viel länger. Schon Jakob Grüssbeutels „Stimmbüchlein“ (1534) kennt das lebendige ABC.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 (Laut-ABC nach Comenius - Auszug)[3]
Comenius´ Orbis pictus steht also in einer reichen Traditionsreihe und hat keine absolut neuen methodischen Kunstgriffe entdeckt. Allerdings schritt er von dem rein mnemotischen bloßen Erinnerungsbild zum eigentlichen Anschauungsbild vor, aber auch darin hat er Vorgänger, u. a. in Sigismund Evenius´ „Christl. gottseligen Bilderschule“ und Johann Sauberts „Lesebüchlein aus Heiliger Schrift“, die ebenfalls in Nürnberg bei Endter erschienen.
Und trotzdem hat Comenius eine Wende eingeläutet, so deshalb, weil bei aller Verflechtung in die Tradition ein Buch vorliegt, das im Rahmen des Gesamtsystems der Comeniarischen Pädagogik den Menschen mit dem Ganzen konfrontiert und nicht mit dem Einzelnen. Jeder betrachtet dieses Ganze mit seinen eigenen Sinnen und muss sich deshalb dieses Ganze der Welt durch Autopsie aneignen. Diesen Begriff der ganzen Welt will der Orbis pictus vermitteln, und jedes Illustrationsbild gibt in sich einen ganzheitlichen Zusammenhang. „Dieser Bezug zum Ganzen verleiht dem Bilde erst pädagogische Energie, er lässt es mehr sein als ein bloß didaktischer Kunstgriff.“[4] Die Abfolge der Bilder geht von der Genese des Ganzen durch Gott aus und führt systematisch durch die gesamte Schöpfungsgeschichte. Diese systematische Durchführung unter dem Gesichtspunkt einer höheren göttlichen Ordnung gibt dem Orbis pictus den Vorrang auch vor späteren und besser bebilderten Werken ähnlicher Art.
Rein äußerlich bedeutet diese systematische Anordnung eine Stufenfolge in einem Unterrichtsgang vom Leichten zum Schweren und damit eine didaktische Brauchbarkeit, so dass das Buch, wie in der Vorrede betont wird, auch als Bilderlernbuch für noch leseunkundige Kinder dienen konnte. In erster Linie war der Orbis pictus aber für die Lateinschule gedacht und blieb als Lateinbuch lebendig, solange Latein eine Umgangssprache blieb. Durch Mehrsprachigkeit konnte und sollte er nach dem Willen des Autors auch zur Durchdringung der Muttersprache dienen und bei Hinzunahme der modernen Umgangssprachen bot er eine Methodik zur Erlernung einer modernen Fremdsprache, die noch heute nicht überholt ist. Seinen eigentlichen Ort hat der Orbis pictus aber in der Buchtheorie des Comenius , also „in der Panbilblia , dort, wo das geschriebene Wort dem Heranwachsenden noch nicht den Zugang zur Sachenwelt eröffnet. Sein näherer Zweck ist also der, den Kindern den Weg zu den geschriebenen Büchern zu bahnen, auf dass diese dann die weitere Führung übernehmen und die jungen Menschen an das Ganze weiterreichen, das in den drei Büchern Gottes zur Sprache kommt“[5].
3. Nachwirkung des Orbis pictus
Der Orbis pictus ist das Werk, das den Ruhm des Comenius bis in unsere Tage lebendig gehalten hat. Wenn man die stattliche Reihe von über zweihundert Nachdrucken, Neudrucken, Übersetzungen, Bearbeitungen, Auswahlausgaben und Faksimiledrucken betrachtet, so erscheint dieses Buch nahe ´zu als unsterblich, gewiss aber als ein Meilenstein auf dem Gebiete der Pädagogik und der Entwicklung des menschlichen Geistes. Noch in Goethes Jugend war er, wie Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ erzählt, das einzige Kinderbuch und somit das einzige Buch, aus dem die Jugend lernte: „Außer dem Orbis pictus des Amos Comenius kam uns kein Buch in die Hände.“ Goethe erzählt, dass er den Orbis pictus bei einer Begegnung mit Basedow noch vor seinem inneren Auge sah. „Jenes Elementarwerk (gemeint ist das Werk Basedows) zersplittert die Welt ganz und gar, indem das, was in der Weltanschauung keineswegs zusammentrifft, um die Verwandtschaft der Begriffe willen nebeneinander steht, weswegen es auch jener sinnlich methodischen Vorzüge ermangelt, die wir ähnlichen Arbeiten des Amos Comenius zuerkennen müssen.“ (Goethe) Ob oder ob nicht Comenius nun als Erfinder dieser Anschaulichkeit gesehen werden kann, bleibt wahrscheinlich von der Betrachtungsweise her offen. Dennoch lassen sich heute in den Buchhandlungen ähnliche Werke finden, die zumindest die gleiche Grundidee verfolgen. Es gibt einige Bücher, die mit Hilfe der Anschaulichkeit versuchen Begriffe und ihre Bedeutungen zu erklären. So fand ich zum Beispiel in einer Ausgabe eines Buchhändlerkataloges ein Buch mit dem Titel: „Das visuelle Lexikon. 704 Seiten, 6000 Abbildungen, 20000 Begriffe.“ Weiterhin erschienen im gleichen Verlag Bücher mit den Titeln: „Das visuelle Lexikon der Kunst“, „Das visuelle Lexikon der Pflanzen und Tiere“, „Das visuelle Lexikon der Technik“ und weitere mehr (siehe hierzu auch Abbildung 7 im Anhang). Alle diese Bücher haben gemeinsam, dass sie mit Hilfe der Abbildungen versuchen, Begriffe und Zusammenhänge zu erklären. Dies zeigt mir, dass der Gedanke der Anschaulichkeit weiterhin als pädagogisch wertvoll angesehen wird und natürlich auch genutzt wird.
[...]
[1] Vgl. hierzu J. A. Comenius: Orbis sensualium pictus, Einführung, Osnabrück 1964.
[2] J. A. Comenius: Orbis sensualium pictus, Einführung, Osnabrück 1964, keine Seitenangaben im Werk.
[3] ebenda.
[4] K. Schaller: Die Pädagogik des J.A. Comenius und die Anfänge des pädagogischen Realismus im 17. Jahrhundert, Heidelberg 1962, S. 324.
[5] ebenda, S. 336.
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