Der Trend zum Outsourcing, dem Auslagern von Unternehmensbereichen, hat den Gesetzgeber auf den Plan gerufen, führt er doch zur Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland. Das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 enthält daher auch eine Neufassung des § 1 AStG, um diesen Sachverhalten gerecht zu werden. Die bis zur Reform geltende Geschäftschancentheorie wurde durch den Tatbestand der Funktionsverlagerung abgelöst. Diese Bemühungen des deutschen Gesetzgebers fügen sich in den Kontext der zunehmenden Bedeutung internationaler steuerlicher Einkunftsabgrenzung ein. Finanzbehörden der wichtigsten Industrieländer wenden internationalen Sachverhalten zunehmend erhöhte Aufmerksamkeit zu, die sich seit etwa zwei Jahrzehnten in gestiegenen Dokumentationsanforderungen für ausländische Engagements niederschlägt. So haben die Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten im deutschen Recht unter anderem in § 90 Abs. 3 AO Eingang gefunden.
Derartige Einkunftsabgrenzungs- und Berichtigungsvorschriften sollen vermeiden, dass inländische Unternehmen vom deutschen Staat Subventionen für Forschung und Entwicklung beziehen oder Entwicklungskosten steuerlich geltend machen und anschließend die Erlöse aus dem Verkauf der entwickelten Güter durch Einkunftsverlagerung nicht in Deutschland versteuern müssen. Baumhoff/Ditz/Greinert kritisieren das Vorgehen des Gesetzgebers als „eine Besitzstandsabsicherung für alle jemals in Deutschland getätigten Investitionen und die daraus resultierenden Immaterialpositionen“.
Die vorliegende Arbeit möchte sich vorrangig auf den Rechtsstand nach der Unternehmenssteuerreform konzentrieren. Dennoch soll auch die Geschäfts-chancentheorie nicht unbeachtet bleiben. Der Versuch des Gesetzgebers durch mancherlei Verordnungen und Verwaltungsanweisungen die Normierung der Funktionsverlagerung in § 1 AStG weiter auszuführen und näher zu präzisieren, führte selten zur Rechtssicherheit auf Seiten der betroffenen Unternehmen. Viele Kommentatoren kritisieren daher in extenso die Neufassung des § 1 AStG sowie die missglückten Definitionsversuche. Da der deutsche Gesetzesvorstoß vielerorts auch zu einem Eingriff in fremde Besteuerungssphären führt, muss hier auch ein möglicher Verstoß gegen geltendes supranationales Recht diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Vorbemerkungen
- 2 Gesetzgebungs- und Verordnungsüberblick
- 2.1 Geschäftschancentheorie
- 2.2 Funktionsverlagerungsverordnung und Verwaltungsgrundsätze
- 2.3 Unternehmenssteuerreformgesetz 2008
- 3 Grundlagen der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen
- 3.1 Begriff der Funktion
- 3.2 Begriff der Funktionsverlagerung
- 3.3 Formen der Funktionsverlagerung
- 3.4 Sonderfall: Funktionsverdoppelung
- 3.5 Negativabgrenzung
- 4 Steuerliche Bewertung von Funktionsverlagerungen
- 4.1 Begriff des Transferpakets
- 4.2 Bewertung des Transferpakets
- 4.2.1 Gewinnpotentiale
- 4.2.2 Kapitalisierungszeitraum
- 4.2.3 Kapitalisierungszinssatz
- 4.3 Ermittlung des Einigungsbereichs
- 4.4 Escape-Klausel
- 4.5 Preisanpassungsklausel
- 4.6 Praxisbeispiel
- 4.7 Lizenzierung statt Übertragung
- 5 Vereinbarkeit mit internationalen Rechtsgrundsätzen
- 6 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen. Ziel ist es, einen Überblick über die relevanten gesetzlichen Grundlagen und die steuerliche Bewertung solcher Verlagerungen zu geben. Dabei werden sowohl betriebswirtschaftliche als auch steuerliche Aspekte beleuchtet.
- Gesetzliche Grundlagen der Funktionsverlagerung
- Steuerliche Bewertung von Funktionsverlagerungen
- Begriff und Formen der Funktionsverlagerung
- Internationale Rechtsgrundsätze
- Praxisbeispiele und Fallstudien
Zusammenfassung der Kapitel
1 Vorbemerkungen: Dieses Kapitel führt in die Thematik der grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen ein und beleuchtet die steigende Tendenz internationaler Konzerne und des Mittelstandes, Standortvorteile durch Auslandsengagements zu nutzen, insbesondere in Schwellenländern wie den BRIC-Staaten. Es werden sowohl betriebswirtschaftliche (z.B. Kostenoptimierung, Reorganisation von Lieferketten) als auch steuerliche Motive für Funktionsverlagerungen herausgestellt, wobei der Konflikt zwischen dem Interesse der Unternehmen an Steueroptimierung und dem der Staaten an der Sicherung ihres Steueraufkommens betont wird. Die Ausführungen legen den Grundstein für die detailliertere Betrachtung der Thematik in den folgenden Kapiteln.
2 Gesetzgebungs- und Verordnungsüberblick: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die relevanten Gesetze und Verordnungen im Kontext von Funktionsverlagerungen. Es beleuchtet die Geschäftschancentheorie als Grundlage und behandelt die Funktionsverlagerungsverordnung mit ihren Verwaltungsgrundsätzen sowie das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008. Dieser Überblick dient als Grundlage für das Verständnis der steuerlichen Regelungen im weiteren Verlauf der Arbeit. Der Abschnitt liefert einen Rahmen für die nachfolgenden detaillierten Analysen der steuerlichen Aspekte.
3 Grundlagen der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen: Dieses Kapitel definiert zentrale Begriffe wie "Funktion" und "Funktionsverlagerung" und unterscheidet verschiedene Formen von Funktionsverlagerungen. Es analysiert den Sonderfall der Funktionsverdoppelung und grenzt den Begriff der Funktionsverlagerung negativ ab. Dieser Abschnitt legt die semantische Grundlage für die folgende Diskussion der steuerlichen Bewertung und ist essentiell für das Verständnis der komplexen steuerlichen Implikationen.
4 Steuerliche Bewertung von Funktionsverlagerungen: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit der steuerlichen Bewertung von Funktionsverlagerungen. Es definiert den Begriff des "Transferpakets" und erläutert dessen Bewertung, einschließlich der Berücksichtigung von Gewinnpotentialen, des Kapitalisierungszeitraums und des Kapitalisierungszinssatzes. Die Ermittlung des Einigungsbereichs, die Escape- und Preisanpassungsklauseln sowie ein Praxisbeispiel werden ausführlich diskutiert. Schließlich wird die Alternative der Lizenzierung anstelle der Übertragung von Funktionen betrachtet. Dieser Abschnitt stellt den Kern der Arbeit dar und liefert eine detaillierte Anleitung zur steuerlichen Bewertung.
5 Vereinbarkeit mit internationalen Rechtsgrundsätzen: Dieses Kapitel untersucht die Vereinbarkeit der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen mit internationalen Rechtsgrundsätzen. Es analysiert, inwieweit die nationalen Regelungen im Einklang mit internationalen Standards stehen und welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Diese Betrachtung erweitert den Fokus über nationale Grenzen hinaus und berücksichtigt die globale Dimension der Thematik.
Schlüsselwörter
Funktionsverlagerung, Steuerliche Behandlung, Internationale Konzerne, Steueroptimierung, Gesetzgebung, Verordnungen, Bewertung, Transferpaket, Internationale Rechtsgrundsätze, BRIC-Staaten, Kostenoptimierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Steuerliche Behandlung Grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Was ist der Gegenstand dieses Dokuments?
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Welche gesetzlichen Grundlagen werden behandelt?
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Was sind die zentralen Begriffe und wie werden sie definiert?
Zentrale Begriffe wie "Funktion" und "Funktionsverlagerung" werden definiert und verschiedene Formen von Funktionsverlagerungen unterschieden. Der Sonderfall der Funktionsverdoppelung wird analysiert und der Begriff der Funktionsverlagerung wird negativ abgegrenzt. Der Begriff des "Transferpakets" und seine Bewertung werden ebenfalls detailliert erläutert.
Wie wird die steuerliche Bewertung von Funktionsverlagerungen vorgenommen?
Die steuerliche Bewertung von Funktionsverlagerungen wird ausführlich beschrieben. Dies beinhaltet die Bewertung des Transferpakets unter Berücksichtigung von Gewinnpotentialen, Kapitalisierungszeitraum und -zinssatz. Die Ermittlung des Einigungsbereichs, Escape- und Preisanpassungsklauseln werden ebenso behandelt wie ein Praxisbeispiel. Die Alternative der Lizenzierung statt Übertragung von Funktionen wird ebenfalls betrachtet.
Welche Motive stecken hinter Funktionsverlagerungen?
Das Dokument beleuchtet sowohl betriebswirtschaftliche Motive wie Kostenoptimierung und Reorganisation von Lieferketten als auch steuerliche Motive für Funktionsverlagerungen. Der Konflikt zwischen dem Interesse der Unternehmen an Steueroptimierung und dem der Staaten an der Sicherung ihres Steueraufkommens wird hervorgehoben.
Welche internationalen Aspekte werden berücksichtigt?
Das Dokument untersucht die Vereinbarkeit der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen mit internationalen Rechtsgrundsätzen und analysiert, inwieweit die nationalen Regelungen im Einklang mit internationalen Standards stehen und welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Der Einfluss von Schwellenländern, insbesondere der BRIC-Staaten, wird ebenfalls angesprochen.
Welche Kapitel umfasst das Dokument und worum geht es in jedem Kapitel?
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Welche Schlüsselwörter sind relevant für dieses Thema?
Schlüsselwörter umfassen: Funktionsverlagerung, Steuerliche Behandlung, Internationale Konzerne, Steueroptimierung, Gesetzgebung, Verordnungen, Bewertung, Transferpaket, Internationale Rechtsgrundsätze, BRIC-Staaten, Kostenoptimierung.
- Quote paper
- Christian Baltes (Author), 2011, Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215792