Das Phänomen Punk ist ein in der Wissenschaft allseits beliebter Betrachtungsgegenstand. Seit seiner Entstehung Mitte der 70er Jahre beschäftigen sich Subkulturforscher, Musikwissenschaftler, Medienanalytiker und Kulturwissenschaftler mit seinen Hintergründen, seiner Bedeutung und seinen Einflüssen. Auffällig ist jedoch, dass insbesondere musikhistorische Darstellungen der Punk-Epoche mit der Auflösung der wohl bezeichnendsten Punk-Band, der Sex Pistols, 1978 abschließen und weiterführend die nächste wichtige Station der Popmusik-Geschichte auf den Beginn des Grunge Anfang der 90er Jahre reduzieren.1 Dass diese Missachtung und Unterschätzung der dazwischen liegenden Jahre eine Fehlinterpretation war, wird gegenwärtig durch das Wiederaufleben einer dem Punk gefolgten Epoche, Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, deutlich: dem sogenannten Postpunk oder New Wave.2 Zahlreiche erfolgreiche Indie-Bands der letzten Jahre verarbeiten in ihrer Musik eindeutig musikalische Elemente des Postpunks und bekennen sich offen zu dessen Einfluss. Gleichzeitig entstehen neugemischte Kompilationen und dokumentarisches sowie biografisches Filmmaterial über diese Zeit: „Eine junge Generation, die sich an diese Zeit nicht erinnert – manche waren 1984 […] noch nicht einmal geboren – findet sie plötzlich ungeheuer faszinierend.“3 Diese höchst interessante Entwicklung war unter anderem Auslöser für die Entstehung dieser Arbeit. Hinzu kommt, dass Postpunk in der Wissenschaft bisher weitgehend unbeachtet blieb, wobei aktuelle Tendenzen zeigen, dass diese Thematik viel wissenschaftliches Potenzial bereit hält und daher bereits vereinzelte Untersuchungen erschienen sind:4 „All the signs indicate that post-punk is set to be a booming field for investigation and analysis by critics, historians and academics for some time to come.“5
Reynolds machte 2005 mit seiner Veröffentlichung von Rip It Up And Start Again - Postpunk 1978 – 1984 einen ersten, wenn auch eher musikjournalistischen, Schritt in diese Richtung. Darin liefert er auch einen Erklärungsansatz für die aktuelle Wiederentdeckung der Postpunk-Epoche: „Weil Postpunk so lange vergessen war, zählte er zu den wenigen ungenutzten Ressourcen der Retroindustrie und scheint jetzt einen wahren Goldrausch auszulösen.“1 In seinem Werk Retromania argumentiert Reynolds, dass Menschen seit der Renaissance kontinuierlich geradezu besessen waren von kulturellen Artefakten aus ihrer eigenen Vergangenheit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Posthume Mystifizierung eines Stars
2.1 (Post-)strukturalistische Ansätze
2.1.1 Barthes
2.1.2 Middleton
2.2 Fans, Medien und Vermarktung
3. Der Postpunk-Begriff
3.1 Reaktionen auf Punk
3.2 Die Gegenkultur
3.3 Die Postpunk-Initiativen
3.4 Das Ende
4. Postpunk in Manchester
4.1 Voraussetzungen und Einflüsse
4.1.1 Post-Industrial
4.1.2 Politische Veränderungen
4.1.3 Grim Manchester
4.1.4 Musiklandschaft und Identität
4.1.5 Kulturelle Diversität
4.2 Entwicklung
4.2.1 Die Sex Pistols in der Lesser Free Trade Hall
4.2.2 Factory Records und der Haçienda Club
4.3 Fazit Manchester
5. Joy Division
5.1 Bandgeschichte
5.2 Banddeutung
5.3 Ian Curtis und die Bedeutung seines Selbstmordes
5.3.1 Gründe für seinen Selbstmord
5.3.2 Mythoskonstruktion Joy Division
5.3.3 Veränderung der Wahrnehmung von Songtexten
5.3.4 Postpunk in Manchester: Selbstmord-Voraussetzungen?
5.4 Medien, Kult und Vermarktung
6. Fazit
Quellenverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Das Phänomen Punk ist ein in der Wissenschaft allseits beliebter Betrachtungs-gegenstand. Seit seiner Entstehung Mitte der 70er Jahre beschäftigen sich Subkulturforscher, Musikwissenschaftler, Medienanalytiker und Kulturwissenschaftler mit seinen Hintergründen, seiner Bedeutung und seinen Einflüssen. Auffällig ist jedoch, dass insbesondere musikhistorische Darstellungen der Punk-Epoche mit der Auflösung der wohl bezeichnendsten Punk-Band, der Sex Pistols, 1978 abschließen und weiterführend die nächste wichtige Station der Popmusik-Geschichte auf den Beginn des Grunge Anfang der 90er Jahre reduzieren.[1] Dass diese Missachtung und Unterschätzung der dazwischen liegenden Jahre eine Fehlinterpretation war, wird gegenwärtig durch das Wiederaufleben einer dem Punk gefolgten Epoche, Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, deutlich: dem sogenannten Postpunk oder New Wave.[2] Zahlreiche erfolgreiche Indie-Bands der letzten Jahre verarbeiten in ihrer Musik eindeutig musikalische Elemente des Postpunks und bekennen sich offen zu dessen Einfluss. Gleichzeitig entstehen neugemischte Kompilationen und dokumentarisches sowie biografisches Filmmaterial über diese Zeit: „Eine junge Generation, die sich an diese Zeit nicht erinnert – manche waren 1984 […] noch nicht einmal geboren – findet sie plötzlich ungeheuer faszinierend.“[3] Diese höchst interessante Entwicklung war unter anderem Auslöser für die Entstehung dieser Arbeit. Hinzu kommt, dass Postpunk in der Wissenschaft bisher weitgehend unbeachtet blieb, wobei aktuelle Tendenzen zeigen, dass diese Thematik viel wissenschaftliches Potenzial bereit hält und daher bereits vereinzelte Untersuchungen erschienen sind:[4] „All the signs indicate that post-punk is set to be a booming field for investigation and analysis by critics, historians and academics for some time to come.“[5]
Reynolds machte 2005 mit seiner Veröffentlichung von Rip It Up And Start Again - Postpunk 1978 – 1984 einen ersten, wenn auch eher musikjournalistischen, Schritt in diese Richtung. Darin liefert er auch einen Erklärungsansatz für die aktuelle Wiederentdeckung der Postpunk-Epoche: „Weil Postpunk so lange vergessen war, zählte er zu den wenigen ungenutzten Ressourcen der Retroindustrie und scheint jetzt einen wahren Goldrausch auszulösen.“[6] In seinem Werk Retromania argumentiert Reynolds, dass Menschen seit der Renaissance kontinuierlich geradezu besessen waren von kulturellen Artefakten aus ihrer eigenen Vergangenheit, dieses Phänomen jedoch noch nie so ausgeprägt gewesen sei wie derzeit.[7]
Postpunk als ungenutzte Ressource scheint daher als Argument für seine Wiederbelebung auf den ersten Blick einleuchtend, gleichzeitig allerdings zu eindimensional und zu verallgemeinernd. Anhand eines konkreten Beispiels soll in dieser Arbeit gezeigt werden, dass dieser Ansatz als Erklärung zwar eine wichtige, wegweisende Richtung vorgibt, aufgrund der Vielschichtigkeit des Phänomens jedoch nicht ausreichend ist. Dafür soll das gegenwärtige Wiederaufleben der Postpunk-Band näher analysiert werden, welche, insbesondere in den letzten fünf Jahren, den wohl größten Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit sowie kommerziellen Erfolg erzielen konnte: Joy Division. Spätestens seit The Wombats 2007 Let's Dance to Joy Division sangen und mit dieser Single in die holländischen, australischen und britischen Single-Charts einstiegen[8] hatte auch der jüngste Indierock-Fan von dieser Band gehört. Joy Division's Hit-Single Love Will Tear Us Apart wurde 2003 in der bekannten Zeitschrift NME zur besten Single aller Zeiten gewählt und schaffte es auch im Magazin Rolling Stone auf Platz 108 der größten, jemals geschriebenen Songs.[9] Solch Ruhm und Anerkennung erwecken den Eindruck, diese Band könne auf eine langjährige Erfolgsgeschichte und zahlreiche Veröffentlichungen zurückgreifen, doch weit gefehlt. Die Band-Konstellation Joy Division bestand ganze zwei Jahre von 1978 bis 1980 und in dieser Zeit wurden genau zwei Alben veröffentlicht, wodurch ersichtlich wird, dass dies nicht allein die Gründe für ihre gegenwärtige Wiederentdeckung sein können. „The mystique surrounding Joy Division has always been way out of proportion to their record sales.“[10] Dieses Mystische scheint also einen viel größeren Anteil an ihrem aktuellen Erfolg zu besitzen. Doch was ist es, dass diesen Mythos Joy Division ausgelöst hat? Es ist zum einen gewiss ihre Musik, samt ihrer Texte, selbst, die eine düstere, mystische Stimmung erzeugen, es ist aber vor allem, und das wird diese Arbeit zeigen, der frühe Selbstmord des Sängers Ian Curtis, der den Wert und die Authentizität dieser Songs bestätigte und daher verantwortlich ist für den Mythos um Joy Division. In den letzten Jahren wurde dieser aufgrund einer medialen Inszenierung des Sängers Curtis und des Gesamtkonzepts Joy Division zu einem regelrechten Kult, für dessen Erklärung Reynolds' Argument der ungenutzten Ressource Postpunk allein nicht ausreicht. Es ist insbesondere der Suizid von Curtis, der ein unverstelltes Erleben der Songs von Joy Division für seine Rezipienten unmöglich macht.
Um diese These zu belegen, wird zunächst der theoretische Hintergrund zur Erklärung einer posthumen Mystifikation um einen Sänger, vor allem bezüglich der Bedeutung einer veränderten Wahrnehmung seiner Songs, dargestellt. Hierzu wird zum einen auf strukturalistische Ansätze von Barthes und Middleton und zum anderen auf eher medienwissenschaftliche, soziologische Untersuchungen, im Besonderen von Christoph Jacke, eingegangen. Der zweite Teil bildet einen kontextuellen Rahmen, indem vorab der Postpunk-Begriff im Allgemeinen und darauffolgend der Postpunk-Strom aus Manchester, aus dem die Band Joy Division hervorging, im Speziellen detailliert behandelt wird. Diese Darstellungen sind ein unabdinglicher Bestandteil des Verständnisses der Entstehungsgeschichte von Joy Division, dem Verhältnis ihres damaligen Erfolgs zu ihrem aktuellen Kultstatus und ihrem medialen Gesamtvermarktungskonzept. Diese werden im letzten Kapitel in Zusammenhang mit dem Suizid von Curtis gebracht. Abschließend folgt im letzten Teil eine genaue Analyse der Band Joy Division und insbesondere des Selbstmords von Curtis, um die aufgestellte These zu untermauern. Des Weiteren wird in dem Kapitel gezeigt, dass der Suizid von Curtis nicht nur für eine veränderte Wahrnehmung der Songs von Joy Division seitens seiner Rezipienten verantwortlich, sondern auch eng verbunden ist mit der medialen Inszenierung von Joy Division und dem dadurch ausgelösten Joy Division-Kult.
Während sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gegenstands-bereichen der populären Kultur, wie zum Beispiel Phänomenen der populären Musik, in Großbritannien und den USA seit den 60er Jahren in Form der Cultural Studies etablierte, so blieb dieser Forschungsbereich in den kontinentaleuropäischen Ländern weitgehend unbeachtet und konnte sich erst in den letzten zehn bis zwanzig Jahren mehr und mehr durchsetzen.[11] Deshalb ist diese Arbeit ein wichtiger Beitrag für eine solche Entwicklung und sie orientiert sich gleichzeitig an den Charakteristika und Vorgaben der Popkulturforschung, indem sie sich dem Untersuchungsgegenstand kritisch sowie inter- und transdisziplinär nähert und ihn außerdem nur im historischen soziokulturellen Kontext versteht.[12] Eine besonders wichtige Vorgabe bezüglich der Untersuchung eines Produkts der populären Kultur, die in dieser Arbeit vertreten wird, macht Christoph Ja title="">[13] Eine klare, kritische Positionierung wird im Laufe der Arbeit deutlich. Zunächst soll jedoch mittels der Darstellungen einer posthumen Mystifizierung, die theoretische Grundlage bereitgestellt werden.
2. Posthume Mystifizierung eines Stars
Dieses Kapitel soll die theoretische Grundlage liefern, auf die die These dieser Arbeit aufbaut. Es soll gezeigt werden auf welche Weise, durch welche Prozesse und mit welchen Erklärungen ein Mythos und ein Kult um einen, vorrangig tragisch, ums Leben gekommenen Musikers, der zumindest innerhalb seiner eigenen Subkultur bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hatte, entsteht. Damit deutlich wird, wie komplex und interdisziplinär diese Thematik behandelt werden muss, wird es in diesem Kapitel zum einen um semantische Erklärungsansätze gehen sowie im zweiten Teil um eine eher medienwissenschaftliche, soziologische Herangehensweise. Beide dienen der Erklärung einer posthumen Mystifizierung eines Stars.
2.1 (Post-)strukturalistische Ansätze
Um verständlich zu machen wie die Mystifikation um den Tod eines Stars oder Anti-Stars funktioniert und um zu zeigen, dass diese die Wahrnehmung der Musik für den Rezipienten verändert, sollen im Folgenden zwei Theorien exzerpiert werden und sich damit der Thematik angenähert werden. Der erste Teil wird sich mit Roland Barthes Mythentheorie im Allgemeinen beschäftigen, während im zweiten Teil strukturalistische Überlegungen zum Verständnis populärer Musik von Richard Middleton dargestellt und in Zusammenhang gesetzt werden.
2.1.1 Barthes
In seinem Werk Mythen des Alltags (1964) knüpft Barthes direkt an die Erkenntnisse zur Zeichentheorie von Ferdinand de Saussure an, die dieser bereits etwa vierzig Jahre vor Barthes unter dem Namen Semiologie aufgestellt hatte.[14] Doch während Saussure seine Theorie auf zwei Dimensionen beschränkt, den Signifikant (reines Objekt) und das Signfikat (Konzept, Inhalt), erweitert Barthes diese um eine weitere Ebene und verwendet alternative Bezeichnungen: das Bedeutende (Objekt ohne Inhalt), das Bedeutete (Botschaft/Begriff, ohne Bezug zum Objekt) und das Zeichen (Sinn, der sich aus Kombination der beiden vorhergehenden ergibt).[15] Diese drei Ebenen stellen für Barthes ein primäres Zeichensystem der Sprache dar und finden sich ebenso im Mythos wieder. Allerdings ist dieses Schema zum Verständnis des Mythos nicht ausreichend, da dieser „insofern ein besonderes System [ist], als er auf einer semiologischen Kette aufbaut, die bereits vor ihm existiert; er ist ein sekundäres semiologisches System.“[16] Entscheidend beim mythologischen Zeichensystem ist, dass es eine Erweiterung zum primären ist und das primäre Zeichensystem zu einem Bestandteil des Mythos wird. Im Mythos übernimmt das Zeichen, also der Endterminus des primären Systems, die Funktion des Bedeutenden, also gleichzeitig den Ausgangsterminus des mythischen Systems.[17] Dieses neue Bedeutende durchlebt demnach eine Transformation, bei der der Sinn seine Beliebigkeit verliert und sich entleert. Er wird nicht vollständig aufgehoben, doch er verarmt und verliert an Wert, dennoch „bleibt er am Leben und die Form des Mythos nährt sich davon.“[18] Das neue Bedeutete im Mythos erzeugt dann eine unbestimmte Assoziationskette, die die konkrete Geschichtlichkeit aufhebt und gleichzeitig eine „neue Geschichte in den Mythos [...]pflanzt.“[19] Sie erweitert den Ursprung und verdrängt Wissen zu Gunsten der neuen Assoziationen. In Kombination werden beide zu einem neuen übergeordneten Sinn, den Barthes nun Bedeutung nennt, da das Zeichen der Sprache ja bereits Teil des mythologischen Systems ist. Das mythologische Zeichensystem ist also dem linguistischem System übergeordnet und ist deshalb ein sekundäres, metasprachliches System.[20] Die eben erwähnte Bedeutung stellt den Mythos dar, sie ist ein neuer Sinn, der den Ursprung verklärt, entfremdet und deformiert, aber dennoch beinhaltet. „Der Mythos ist weder eine Lüge noch ein Geständnis. Er ist eine Abwandlung.“[21] Trotzdem, der Mythos simuliert eine Natürlichkeit, die kulturelle und soziale Konstrukte als unabänderliches Faktensystem erscheinen lässt, welches selten hinterfragt wird.[22] Was Barthes aufzeigt, ist, dass der Mythos eine unbewusste kollektive Bedeutung bezeichnet, die von der Gesellschaft aus einem semiotischen Prozess abgeleitet wird.[23]
Wendet man nun diese Theorie als Erklärung für eine veränderte Wahrnehmung von Musik nach einem (insbesondere frühen oder dramatischen) Tod eines Stars dieser Musik an, so wird deutlich, dass Barthes Erkenntnisse weiterhin Aktualität besitzen und das Fundament der Mythenkonstruktion unverändert bleibt.[24] Ähnlich wie Sprache funktioniert Musik als primäres Zeichensystem. Lévi-Strauss macht deutlich, dass Musik seine strukturellen Wurzeln in der Sprache hat, seine Zusammensetzung dennoch differenziert ist und Musik daher einen Bewusstseinszustand und eine Kommunikation ermöglicht, zu der Sprache allein nicht in der Lage ist.[25] Das Entscheidende ist, „[the] combination of verse with music is capable of producing a 'sound' that defines the structure of feeling in a particular time and place.“[26] Für Lévi-Strauss ist Musik primär eine Sprache ohne Bedeutung, die in dem Rezipienten das Bedürfnis auslöst, diese Lücke mit eigener Emotion und Sinn zu füllen.[27] Hörte ein Rezipient also vor dem 23. Juli 2011 den Song Rehab von Amy Winehouse, in dem sie über eine mögliche Einweisung in eine Entzugsklinik singt, so füllt er dieses Erlebnis nicht nur mit einem linguistischen Zeichen (die Sängerin möchte nicht in die Entzugsklinik gehen), sondern auch zusätzlich mit Emotionen, eigenen Erfahrungen, mit Bezügen zu einem musikalischem Genre und einer politischen, ethnischen oder kulturellen Aussage. „[...] Songs connect and condense cultural, political and generational relations that articulate the structure of feeling or, more widely, the spirit of the times in ways that mere words are unable to match.“[28]
Mit einem frühen und/oder dramatischen Tod eines Stars kommt das mythologische Zeichensystem ins Spiel. Der Tod stellt das neue Bedeutete dar und besetzt die ursprüngliche Erfahrung mit einer neuen Dimension, die den Ursprung deformiert und dadurch zu einer neuen Bedeutung, also zu einem Mythos führt. Nachdem Amy Winehouse am 23. Juli 2011 mit 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung starb, veränderte sich gleichzeitig die Bedeutung ihres Songs Rehab und insbesondere die Wahrnehmung dieses Songs für seine Rezipienten, die nun ein vor allem durch die Medien erschaffenes Konstrukt mit diesem Song in Verbindung bringen und nicht mehr nur den Song an sich. Anfang 2011 scheiterte ihr Comeback an ihrer Alkoholsucht, nach ihrem Tod schaffte es ihr Demo-Album in 25 Ländern in die Top 10 der Charts.[29]
2.1.2 Middleton
Um die These, dass ein Ereignis wie der Tod eines bedeutenden Musikers die Wahrnehmung und Bedeutung seiner Musik verändert zu festigen und um zu zeigen, dass ebenfalls strukturalistische Ansätze zur Erklärung dieses Phänomens bereits in den Studien zur populären Musik gefunden wurden, soll im Folgenden noch kurz auf die Erkenntnisse von Middleton eingegangen werden. Zum strukturalistischen Verständnis von populärer Musik postuliert Middleton vier zusammenhängende Dimensionen, vier unterschiedliche „continua“[30]: eine generative, eine syntagmatische, eine paradigmatische und eine prozessuale Ebene. Wichtig ist an dieser Stelle insbesondere die vierte Ebene, also das „processual continuum“[31], das einen übergeordneten Kontext in Bezug auf die anderen drei Ebenen darstellt, auf die im Einzelnen nicht näher eingegangen werden muss. Prozessual bedeutet, dass strukturalistische Zeichensysteme nicht statisch oder festgesetzt sind, sondern dass sich Bedeutungen im Zuge eines Austauschs zwischen Produktion und Rezeption transformieren.[32] „All musical events relate forward (through expectation and implication) and back (through memory), and their function and meaning change as the processual dynamic unfolds.“[33] Middleton bezieht sich hierbei ebenfalls auf die Erkenntnisse von Umberto Eco, der feststellt, dass Zeichen in manchen Systemen, wie dem der Musik, vektorielle Funktionen haben und dort nicht nur ihre Charakteristika und Kombination, sondern eben auch ihre Richtung, eine wichtige Rolle für den Sinn spielen.[34] Entscheidend ist also, dass syntagmatische Ketten, zum Beispiel Songs, in Zeit existieren und ihre Bedeutung durch bestimmte Ereignisse, wie einen dramatischen Tod, verändern können:
The meaning of a song like 'People Are Strange' (1967) by The Doors or 'River Man' (1969) by Nick Drake is changed by the premature deaths of Jim Morrison […] and Nick Drake. What was once whimsical becomes redefined as a sign or a prologue, a foretelling of the death not merely of an individual but of a generation.[35]
Auch wenn sich dieser Ansatz auf den ersten Blick von der Erklärung mittels Barthes Mythentheorie unterscheidet, so werden bei genauerer Betrachtung Parallelen und Zusammenhänge deutlich. Eine besondere Rolle spielt dabei der Begriff der Assoziationsketten, den Barthes verwendet um zu veranschaulichen, was durch das neue Element im Mythos ausgelöst wird. Dieser Vorgang kann eng im Zusammenhang mit dem Begriff des processual continuum bei Middleton verstanden, im weitesten Sinne sogar gleichgesetzt werden.
Letztendlich lässt sich anhand beider Theorien verdeutlichen, dass ein dramatischer Tod und vor allem ein Selbstmord eines Musikers die Bedeutung seiner Songs verändern und dadurch ein Mythos entstehen kann, der weitreichende Folgen für die Popularität und den posthumen Erfolg des Künstlers auslösen kann. Im folgenden Kapitel soll daher nun näher auf diesen Prozess eingegangen werden.
2.2 Fans, Medien und Vermarktung
Um praktisch zu verstehen, wie der Suizid eines Musikers zu einem Mythos oder zu einem Kult führt ist es hilfreich weitere Dimensionen in diese Untersuchung miteinzubeziehen und dadurch die Komplexität und Vielschichtigkeit dieses Prozesses zu verdeutlichen. Wichtig sind hierbei insbesondere zwei Aspekte: die Interaktion zwischen dem prominenten Musiker, oder Star, und seinen Rezipienten, bzw. seinen Fans, und die Funktion der Medien und Vermarktung, sowie das Zusammenspiel beider.
Im Bezug auf ersteres stellt Christoph Jacke fest, dass „die Grunddichotomie zwischen Stars und Fans die Grundlage [...] für jeglichen Mythos oder Kult [bildet].“[36] Erreicht wird diese Mystifizierung eines Stars meist durch die Einschränkung des persönlichen Kontakts zwischen ihm und dem Publikum. Bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Vorkommnisse können diesen Effekt unterstützen. Dadurch erhält der Star ein besonderes Charisma, das ihn für sein Publikum verstärkt interessant erscheinen lässt: „Die Mystifizierung eines Stars potenziert sich mit der ihn umgebenden Aura, dem Mythos, u. a. durch Verschleierung und Geheimnisse um seine Person.“[37] Ein substanzieller Aspekt ist hierbei ein verweigerndes Verhalten des Künstlers, zum Beispiel gegenüber der Medien oder gegenüber seiner Fans, was natürlich zu einer gesteigerten Einschränkung des persönlichen Kontakts zum Publikum, wie eben beschrieben, führt. Dieses Verhalten kann auch als Umkodierung, Veränderung oder sogar Infragestellung von Kategorien verstanden werden, da es „Verstöße gegen ein bestehendes gesellschaftliches Werte- und Normensystem impliziert.“[38] Die Verweigerung kann zur Folge haben, dass ein Musiker, der zunächst nur in einer kleinen Teilöffentlichkeit seiner Subkultur eine Art Starstatus besitzt, durch sein Verhalten das Interesse der Medien weckt, zu einer Medienfigur transformiert und dadurch bewusst oder unfreiwillig auch außerhalb seiner Subkultur Bekanntheit und ökonomischen Erfolg erlangt,[39] was unter anderem Auslöser für einen frühen Suizid sein könnte.
Ein früher Selbstmord kann unterschiedliche Funktionen besitzen. Besonders unter Jugendlichen kann er die Konsequenz einer ungelösten Identitätssuche sein, genauso kann er als eine Art von höherer Lebenswirklichkeit verstanden werden, aber insbesondere ist er Mittel zum Protest.[40] Da Selbstmord in der Gesellschaft immer noch ein weitgehend tabuisiertes Thema ist, eignet er sich besonders für Protest- oder Gegenkulturen, um ihren „latent innewohnenden Provokationsansprüchen […] eine Ausdrucksmöglichkeit zu geben.“[41] Hinzu kommen bei ungewolltem ökonomischen Erfolg und drohendem Übersprung von der Sub- in die Main-Ebene, zum Beispiel durch Verweigerung, verschiedene, daraus hervorgehende, Auslöser, die zum Suizid des Hauptrepräsentanten führen können - wie zum Beispiel gesteigerte Erwartungshaltungen vor großen Publika oder Angst vor Authentizitätsverlust gegenüber der eigenen Subkultur.[42] Der Suizid kann als ultimative Möglichkeit der Verweigerung verstanden werden, als Freitod, der den Wert der Musik, der Band und des Musikers unkorrumpierbar bestätigt.
Die posthume Mythossteigerung ist insbesondere bei […] Stars der Fall wenn sie, wie [zum Beispiel Kurt] Cobain, den Eindruck bei ihren Fans erwecken, dass sie an den gesellschaftlichen Umständen verzweifelt sind, im Suizid ihre letzte 'Fluchtmöglichkeit' sehen und damit via Medien in den Köpfen der Rezipienten endgültig zu idealisierten Images generiert werden.[43]
An dieser Stelle wird noch einmal deutlich welch entscheidende Funktion die Medien im Prozess der Mystifizierung und im Bezug auf die Popkultur im Allgemeinen einnimmt: „Ohne Popkultur keine Medien, ohne Medien keine Popkultur.“[44]
Nach dem Tod eines Musikers besitzen Medien eine bedeutende Macht den Verstorbenen als Medienfigur zu inszenieren und damit einen Kult oder Mythos zu kreieren oder zumindest dessen Entstehung entscheidend zu unterstützen. Kurz nach dem Fund des sich selbstgetöteten Kurt Curbains am 8. April 1994 eilten zahlreiche Journalisten, auch überregionaler US-amerikanischer Tageszeitungen, zum Todesort um darüber zu berichten. Einen Monat später strahlte MTV eine mehrstündige Sondersendung mit Interviews, Videoclips und Konzertauftritten Nirvanas aus.[45] Gleichzeitig kurbelte dieses Ereignis eine neue Welle des Verkaufs von Merchandising-Artikeln, also Tonträgern, T-Shirts, Postern usw., an. Hier wird deutlich, dass „Vermarktungs- und Berichterstattungsmechanismen […] dabei ineinander [greifen] und sich […] wechselseitig [verstärken].“[46] Bezüglich der Vermarktung von Musik und Bands scheint es in dem Punkt eine Einigkeit unter den Popkultur-Forschern wie Hinz (1998), DeCurtis (1999) oder Rojek (2011) zu geben, dass jegliche Musik-Genres, sei es der Mainstream-Pop oder die oft als „more authentic“[47] bezeichneten Musikrichtungen der Subkulturen, über die gleichen kommerziellen Wege an die Öffentlichkeit gelangen und ökonomischer Erfolg in allen Fällen eine Rolle spielt.
Popular music texts are not independent of commercialized communication highways. The pop of Abba and Westlife reaches mass audiences by the same gateways as Bob Dylan and 2Pac.[…] These highways may not have the same commercial effect on the texts, but that they exert an effect is not in doubt.[48]
Medien und Vermarktung besitzen also eine entscheidende Funktion bei der Mythenbildung in der populären Kultur. Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass „weder Medien allmächtig, noch die Fans ohnmächtig sind“[49] und auf alle Medienangebote eingehen müssen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. „Allerdings bilden die Medien keine Realität ab, sondern sie konstruieren eine Medienrealität,“ welche von den Rezipienten in Verbindung mit eigenen Identitätsprozessen rekonstruiert und konsumiert wird. Was demnach in diesem Kapitel deutlich wurde, ist, dass die posthume Mystifikation um einen Musiker ein komplexes Gebilde ist, an dem verschiedene Dimensionen wechselwirkend beteiligt sind. Sowohl semiotische Aspekte, als auch die Rolle der Medien und Vermarktung, sowie die Interaktion zwischen dem Musiker als Produzent und dem Fans als Rezipient sind hierbei von Bedeutung.
Um noch einmal kurz auf den Sachverhalt des frühen und/oder dramatischen Todes eines Musikers zurückzukommen, so fand der Musikjournalist Marcus Greil heraus, dass dieser insbesondere ein Phänomen der 70er Jahre darstellt. In seiner Studie Alles oder nichts-Rock'n'Roll-Exitus in den 70er Jahren beschäftigt er sich mit 116 Musikern, die in diesem Jahrzehnt aus dem Leben schieden.[50] Auch der Sänger der Band Joy Divison, Ian Curtis, verbrachte die meiste Zeit seines kurzen Lebens in den 70er Jahren. Joy Division waren Teil der Postpunk-Bewegung Ende der 70er Jahre. Um diese Epoche, erst einmal im Allgemeinen, wird es nun im folgenden Kapitel gehen.
3. Der Postpunk-Begriff
Wie wahrscheinlich allen Musikepochen (und -genre)-Einordnungen ergeht es auch der Postpunk-Verortung: Es gibt in Bezug auf die eindeutige Datierung, die genauen Örtlichkeiten, die gemeinsamen Gedanken, Überzeugungen, Intensionen oder politischen Aussagen kein schwarz oder weiß, kein konkretes richtig oder falsch. Schon gar nicht kann den Akteuren der Zeit das Wissen unterstellt werden, dass sie sich in der Postpunk-Ära befanden. Mit Sicherheit war ihnen an der ein oder anderen Stelle bewusst, dass sie etwas Neues, Noch-Nie-Dagewesenes geschaffen haben,[51] dennoch ist die Bezeichnung Postpunk eine Einordnung, die erst viel später und im Rückblick auf die Musikgeschichte als Ganzes gemacht werden konnte. Eine klare, apodiktische Definition kann demnach an dieser Stelle nicht gefunden werden. Dennoch benötigen wir diese Begrifflichkeiten, um kulturelle Zusammenhänge oder Kausalitäten darstellen, verstehen und erklären zu können und damit eine „Komplexitätsempfindlichkeit“[52] zu schaffen. Konkret im Falle dieser Arbeit wird eine Darstellung des Postpunk-Begriffs unabdinglich, um dem Fortgang der weiteren Kapitel folgen zu können. Um die Hintergründe des Teilaspekts „Postpunk in Manchester“ verstehen zu können soll zuerst die Postpunk-Bewegung als Ganzes betrachtet werden. Nur so können sowohl Entstehung, Bedeutung und Hintergründe der Band Joy Division, als auch der Selbstmord ihres Sängers, nachvollzogen werden.
3.1 Reaktionen auf Punk
Wie der Name Postpunk selbsterklärend vermittelt, handelt es sich bei diesem Begriff um die Zeit und die Musik, die nach dem Punk auftauchte. Dabei handelte es sich allerdings nicht um jegliche Musik nach Punk, sondern um die Musik, die unmittelbar auf Punk reagierte - an der Stelle, an der Punk, vor allem für die Jugendgeneration, nicht mehr ausreichte sich auszudrücken und eine Identitätsplattform darzustellen.[53] Punk war eine Revolution, eine „wütende Stimme der Straße“[54], eine Gegenkultur und gleichzeitig ein Ort der Zuflucht[55] vor Kommerz, sozialen Missständen und Langeweile:
Punk war eine internationale Außenseiter-Ästhetik: dunkel, entfremdet, fremd, voll schwarzen Humors. Er breitete sich 1975 von den Vereinigten Staaten über Großbritannien und Frankreich nach Europa, Japan und Australien aus. Wer sich damals in Großbritannien aufgrund seiner Klassenzugehörigkeit, Sexualität, seiner Wahrnehmungsweise, seines Geschlechts oder seiner persönlichen Referenzen ausgestoßen fühlte, wer sich nutzlos oder wertlos vorkam, für den waren die Sex Pistols ein Haß/Liebe Generator [...].[56]
Auch musikalisch war Punk eine Antwort auf die Mitt-70er, die Zeit der „dinosaur bands“[57] wie Led Zeppelin, Rory Gallagher, Black Sabbath oder Deep Purple. Diese Bands wurden bald zum „worrying genre of prog rock“[58] und lähmten vor allem die junge Generation mit Veröffentlichungen von Dreifach-Alben wie die der Band Yes oder psychedelischen Produktionen von Pink Floyd. Sie spiegelten gleichzeitig Konservatismus (und ironischerweise nicht Progress) und Kommerz der Mainstream-Gesellschaft wieder: „Der bevorzugte Musikstil war Progressive Rock, also alles, was teuer und aufwendig war.“[59]
Natürlich gab es auch Ausnahmen und wichtige Einflüsse zu dieser Zeit. Mit ihrem ganz eigenen Stil leisteten unter anderem Musiker wie Iggy Pop, auch „Godfather of Punk“[60] genannt, und The Velvet Underground einen essentiellen Beitrag zur Entstehung von Punk. Parallel dazu entstand der sogenannte Glam Rock, als dessen erfolgreichste Vertreter David Bowie, Roxy Music und Brian Eno genannt werden können.[61] Diese Interpreten hatten sowohl Einfluss auf die Punkbands[62] als auch auf die Postpunk-Vertreter und verliehen ihnen zum Beispiel ihre melancholischen Elemente. Musikalisch und ästhetisch (Mode) versuchte Punk diese eben genannte „rockistische Old Wave mit konventioneller Musik abzulösen (dem Rock 'n' Roll der Fünfzigerjahre, Garagenpunk, [...]), die den Dinosaurier-Megabands“[63] vorausgegangen war.[64] Diese rückwärts gerichtete Herangehensweise kann beispielhaft für das gesamte Scheitern des Punk verstanden werden, dessen Epoche im Grunde nur ungefähr zwei bis drei Jahre andauerte (1976 – 1978).[65] Das Scheitern des Punk hatte dennoch vielschichtige Ursachen. Problematisch war insbesondere der Misserfolg in Bezug auf die Einhaltung der Punkideale, welche mit gesteigerten finanziellen Gewinnen der Platten- und Medienindustrie in die Brüche gingen: „Der Widerspruch, an dem Punk zu Grunde ging, bestand in dem Versuch, Konsum und Medien von innen heraus zu kritisieren und verändern zu wollen [...].“[66] Punk wurde ein Teil von dem System, gegen das sie versucht hatten zu rebellieren und war somit „zur Parodie seiner selbst geworden.“[67] Hinzu kamen die Grundeinstellungen, Herangehensweisen und Mittel mit denen Punk seine Ideale durchzusetzen versuchte, die sich in der Praxis nicht mit den Vorstellungen zum Teil auch künstlerisch ambitionierter Jugendlichen vereinen ließen. Die Avantgarde des Postpunk hatte Punk „als Aufruf zu ständiger Veränderung begriffen.“[68] Dieser ließ sich mit der Rückkehr zum Rock 'n' Roll der 50er und der No-Future-Einstellung des Punk nicht umsetzen. Es gab eine Zukunft, die sich immer schneller auf sie zubewegte. Dieser Umstand äußerte sich in den vielen Veränderungen und Innovationen, so zum Beispiel in der völlig neuen Rolle und Art des Musikjournalismus,[69] der erstmals alternative Musikzeitungen herausbrachte.[70] Postpunk wollte mehr sagen als nur „fuck you,“[71] seine Songs beschäftigten sich „mit klassischen existenzialistischen Fragen wie dem Kampf mit dem eigenen Ich, der Liebe im Gegensatz zu Einsamkeit, der Absurdität des Daseins, Perversion und Gemeinheit als menschliche Eigenschaften […].“[72] Was sie also vielmehr zu sagen versuchten war: „I'm fucked.“[73]
Punk war eine wichtige Voraussetzung für die Postpunk-Entwicklung, da er eine alternative Bandkultur ermöglichte. Er machte deutlich, dass jeder mit nur wenigen Mitteln eine Band gründen und Musik machen kann und sich damit ausdrücken, auffallen und etwas verändern kann.[74] „Punk hatte den Glauben an die Macht der Musik gestärkt […].“[75] Doch der Ansatz von Punk, durch Zerstörung zu verändern, scheiterte. Postpunk hingegen schaffte es„konstruktiv und vorwärtsgewandt“[76] die unvollendete Revolution des Punk weiterzuleben und -zuentwickeln.
3.2 Die Gegenkultur
Postpunk war also eine musikalische und inhaltliche Reaktion auf Punk und war gleichzeitig eine gemeinschaftliche Bewegung, eine, um dieses Schlüsselzitat an dieser Stelle noch einmal aufzunehmen, „Gegenkultur, die aus vielen Einzelteilen bestand, die aber der Glaube einte, dass Musik die Welt verändern konnte und auch sollte.“[77] Der Begriff Gegenkultur entwickelte sich im Laufe der 60er Jahre. Hintergrund dieser Entwicklung waren technologische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen der Nachkriegszeit und der Zeit des Kalten Krieges in den USA. Wirtschaftlicher Aufschwung und Aufrüstung führten zu einem gesteigerten gesellschaftlichen Wohlstand und zu einem Massenkonsumverhalten. Durch diesen Fordismus und durch die aufkommende Suburbanisierung entstand ein verändertes Klassen- und Familienbewusstsein, das von einem neuen gesellschaftlichen Konformismus geprägt wurde.[78] Hinzu kamen technologische Fortschritte wie die Entwicklung der Atombombe, die wie ein dunkler Schatten im Zeichen des Kalten Krieges stand und deutlich machte wie beängstigend und unberechenbar dieser Fortschritt sein konnte. All diese Entwicklungen waren die Voraussetzungen für jegliche Freiheitsbewegungen und Gegenkulturen der folgenden Jahre, welche mit solchen moralischen und gesellschaftlichen Umständen brechen wollten (somit auch für die Punk- und Postpunk-Bewegung).
[...]
[1] Vgl. Reynolds 2007, 20
[2] In der Literatur werden beide Begriffe annähernd synonymisch verwendet, ich werde mich daher auf den Begriff Postpunk beschränken, schließe damit jedoch beide Begriffe mit ein.
[3] Reynolds 2007, 21
[4] Vgl. zum Beispiel Goddard und Halligan 2010
[5] Reynolds 2009, x
[6] Reynolds 2007, 21
[7] Reynolds 2011, Xiii; Er geht an dieser Stelle sogar weiter und behauptet, dass dieses Nostalgie-Bedürfnis eine dynamische Weiterentwicklung unserer gegenwärtigen Kultur ausbremst und fügt hinzu, dass die Nostalgie ein Indikator für eine Gesellschaft sein könnte, in der es keine Vorwärtsbewegung mehr gibt und wir uns daher an kulturellen Artefakten aus unserer Vergangenheit festhalten. Eine spannende These, die es sich lohnen würde, näher zu untersuchen.
[8] Vgl. Musicvf
[9] Vgl. Hentschel 2008
[10] Reynolds 2009, 361
[11] Vgl. Hinz 1998, 67ff
[12] Vgl. Albrecht 2010, 22; eine umfassende Übersicht zu Entwicklungen, Einflüssen und Methoden der Cultural Studies geben sowohl Hinz 1998 als auch Jacke 2004.
[13] Jacke 2004, 13
[14] Vgl. Barthes 1964, 88
[15] Vgl. Ebd., 90
[16] Ebd. 92
[17] Vgl. Ebd., 95
[18] Ebd., 97
[19] Barthes 1964, 98
[20] Siehe Abb. 1
[21] Barthes 1964, 112
[22] Vgl. Fürst 2009, 6 und Barthes 1964, 128
[23] Vgl. Giza
[24] Vgl. Fürst 2009, 5
[25] Vgl. Lévi-Strauss 1979, 3-51 und Rojek 2011, 67
[26] Rojek 2011, 67
[27] Lévi-Strauss 1981, 647
[28] Rojek 2011, 68
[29] Vgl. Mediatraffic
[30] Middleton 1990, 214
[31] Ebd., 219
[32] Rojek 2011, 54
[33] Middleton 1990, 219
[34] Vgl. Eco 1979, 240
[35] Rojek 2011, 54
[36] Jacke 2004, 278
[37] Ebd., 280
[38] Ebd., 285
[39] Vgl. Ebd., 284 – 297; Besonders interessant wäre hierbei eine genauere Untersuchung des Wechsels von der Sub- in die sogenannte Main-Ebene, vor allem im Bezug auf die Medienberichterstattung. So geschehen in Christoph Jackes 1996 erschienenen Untersuchung zur Medienberichterstattung über die US-Grunge-Band Nirvana.
[40] Spiegel und Seim 2010, 98
[41] Ebd., 99
[42] Vgl. Jacke 2004, 291
[43] Ebd., 291 und vgl. auch Bosshart 1995
[44] Jacke 2004, 19
[45] Vgl. Jacke 1998, 17
[46] Jacke 1998, 21
[47] Rojek 2011, 1
[48] Ebd., 2
[49] Jacke 1998, 22
[50] Greil 1994, 80ff
[51] Universal Pictures 2008, TC 00:32:58
[52] Bolz 2001, 212
[53] Universal Pictures 2008, TC 00:19:46
[54] Reynolds 2005, 22
[55] Vgl. Goddard and Halligan 2010, 6
[56] Savage 2001, 10
[57] Sharp 2007, 40
[58] Ebd., 40
[59] Savage 2001, 112
[60] Glenn 1999
[61] Vgl. Sharp 2007, 40 und Frith 1987, 124
[62] Auch wenn Punkbands wie die Sex Pistols grundsätzlich als Bruch mit der gesamten Popvergangenheit dargestellt wurden, fanden sich vereinzelt immer wieder Rhythmen und Riffs der Glam-Rock-Bands wieder (Vgl. Savage 2001, 75).
[63] Reynolds 2005, 24
[64] Savage 2001, 20
[65] Auch hierzu lässt sich natürlich keine unumstößliche Datierung wiedergeben, doch wird das Ende meist, wie bereits erwähnt, durch die Auflösung der Sex Pistols 1978 festgelegt.
[66] Savage 2001, 11
[67] Reynolds 2005, 22
[68] Ebd., 22
[69] Hinz 1998, 189
[70] Vgl. ebd., 32
[71] Universal Pictures 2008, TC 00:19:27
[72] Ebd., 28
[73] Universal Pictures 2008, TC 00:19:46
[74] Das bedeutet, dass Punkkonzerte, wie zum Beispiel das im nächsten Kapitel besprochene der Sex Pistols ,wichtige Momente des Bewusstwerdens der Wirkung von Musik waren, musikalisch allerdings die im selben Jahr erschienenen Alben von David Bowie und Iggy Pop einen viel größeren Einfluss auf die Musik des Postpunk hatten (vgl. Reynolds 2005, 26).
[75] Reynolds 2005, 34
[76] Ebd.
[77] Ebd., 20
[78] Vgl. Medovoi 2005, 16ff
- Arbeit zitieren
- Marie Meininger (Autor:in), 2013, Postpunk in Manchester, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215608
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