Als der Serienmörder Jürgen Bartsch im Jahr 1967 zum ersten Mal vor Gericht stand, wurde der Prozess für die Öffentlichkeit schnell zum „Jahrhundert-prozess“. Das Interesse für den jungen Mann, der auch der „Kirmesmörder“ oder die „Ruhrpottbestie“ genannt wurde, weil er vier kleine Jungen auf der Kirmes ansprach und sie in einen versteckten Bunker lockte, wo er sich an ihnen verging, sie tötete und zerstückelte, war enorm. Die Medien stilisierten Bartsch zum „Teufel in Menschengestalt“ und für die Gesellschaft war klar, dass die Bestie, wenn man über sie schon nicht die in Deutschland gesetzeswidrige Todesstrafe verhängen durfte, für immer weggesperrt werden musste. Als der Fall im Jahr 1971 zum zweiten Mal aufgerollt wurde, weil Zweifel bestanden, dass beim ersten Mal alles getan worden war, um heraus zu finden, wo die Ursachen lägen für Bartschs Morde, befand sich die BRD in einem Wandel: Durch die 68er-Bewegung liberaler geworden, wurde die Öffentlichkeit sensibler für die gesellschaftlichen Missstände, die Fehler der konservativen Erziehungsmethoden der älteren Generationen und deren mögliche fatale Auswirkungen auf die menschliche Psyche.
Und so wandelte sich auch das Vorgehen der Justiz in der Wahrheitsfindung und auch die Präsentation Jürgen Bartschs in den Medien [...].
Kurioserweise spricht man von einem „Wandel gesellschaftlicher Wahrnehmung“, doch gerade die Gesellschaft war es, die sich 1971 hinsichtlich der Auffassung Bartschs keineswegs verändert hatte: Man wollte immer noch das Monster in ihm sehen und nicht akzeptieren, dass die Ursachen seiner Morde in seiner Psyche zu finden waren und seine psychische Disposition auf sein gesellschaftliches Umfeld zurückzuführen war. Diese Arbeit soll nun in einem ersten Schritt die Unterschiede der beiden Prozesse beleuchten und wie die Wahrnehmung seiner Person sich veränderte. Untersucht werden soll dabei, inwiefern dies mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen hängt. In einem zweiten Schritt soll ein Blick auf die Printmedien – ob seriös wie die Zeit oder der Spiegel oder unseriös wie die Bild-Zeitung oder Illustrierte wie die Quick – geworfen werden, welche unterschiedlichen Bilder sie während der beiden verschiedenen Prozesse zeichneten und welche Meinungen sich in der Bevölkerung über ihn ausbildeten,[...].
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die verschiedenen Urteile der Bartsch-Prozesse im Kontext des gesellschaftlichen Wandels
- Die Berichterstattung in den Printmedien und die Reaktion der Bevölkerung
- Exkurs: Medienwirkungsforschung – Welche Reaktionen können Gewalt- und Verbrechensdarstellungen in den Medien auslösen?
- Die Berichterstattung über den Wuppertaler Prozess von 1967 und die extremen Reaktionen der Bevölkerung: Die Verurteilung einer Bestie.
- Die Berichterstattung über den Düsseldorfer Prozess von 1971: Der Täter wird zum Opfer.
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Unterschiede zwischen den beiden Bartsch-Prozessen (1967 und 1971) und die sich verändernde öffentliche Wahrnehmung seiner Person im Kontext des gesellschaftlichen Wandels der 1960er und 1970er Jahre. Es wird analysiert, wie die Printmedien über den Fall berichteten und welche Reaktionen dies in der Bevölkerung hervorrief. Der Einfluss der Medienwirkungsforschung wird ebenfalls berücksichtigt.
- Der Vergleich der beiden Bartsch-Prozesse und deren Urteile.
- Die Rolle der Medien in der Konstruktion des öffentlichen Bildes von Jürgen Bartsch.
- Die Reaktion der Bevölkerung auf die Medienberichterstattung.
- Der gesellschaftliche Wandel und dessen Einfluss auf die Justiz und die öffentliche Meinung.
- Die Grenzen der Medienwirkung im Kontext des Falls Bartsch.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und beschreibt das enorme öffentliche Interesse am Prozess gegen Jürgen Bartsch im Jahr 1967. Sie hebt den Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung in den 1970er Jahren hervor und betont den Fokus der Arbeit auf den Vergleich der beiden Prozesse und die Medienberichterstattung. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Wandel, Medienberichterstattung und der öffentlichen Meinung über Bartsch.
Die verschiedenen Urteile der Bartsch-Prozesse im Kontext des gesellschaftlichen Wandels: Dieses Kapitel vergleicht die Urteile der Prozesse von 1967 und 1971. Der erste Prozess in Wuppertal endete mit einer harten Verurteilung, die auf die Einschätzung der Gutachter beruhte, die Bartsch als zurechnungsfähig einstuften. Der zweite Prozess in Düsseldorf hingegen zeigte einen Wandel, mit mehr Gutachten und einer differenzierteren Betrachtung von Bartschs psychischem Zustand. Die Veränderungen werden im Kontext der 68er-Bewegung und der sich ändernden gesellschaftlichen Ansichten zu psychischen Erkrankungen diskutiert, wobei die öffentliche Meinung über Bartsch trotz des Wandels weitgehend unverändert blieb.
Die Berichterstattung in den Printmedien und die Reaktion der Bevölkerung: Dieses Kapitel analysiert die Berichterstattung in verschiedenen Printmedien (seriös und unseriös) über die beiden Prozesse. Es untersucht, wie die Darstellung Bartschs in den Medien die öffentliche Meinung beeinflusste und welche extremen Reaktionen dies in der Bevölkerung hervorrief. Dabei wird insbesondere auf die Werke von Kerstin Brückweh und Kathrin Kompisch/Frank Otto zurückgegriffen. Der Einfluss der Medien wird im Kontext der Medienwirkungsforschung diskutiert, wobei die Schwierigkeiten bei der eindeutigen Bestimmung des Einflusses betont werden. Die Vielzahl an empörten Briefen an verschiedene Institutionen unterstreicht dennoch den wahrscheinlichen Einfluss der Medien, insbesondere auf den ersten Prozess. Der zweite Prozess zeigt jedoch, dass die Medien die bereits verfestigte Meinung der Öffentlichkeit nicht ändern konnten.
Schlüsselwörter
Jürgen Bartsch, Serienmörder, Medienberichterstattung, gesellschaftlicher Wandel, 68er-Bewegung, Prozesse, Wuppertal, Düsseldorf, Medienwirkungsforschung, öffentliche Meinung, psychische Erkrankung, Zurechnungsfähigkeit, Verurteilung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Bartsch-Prozesse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die beiden Bartsch-Prozesse (1967 in Wuppertal und 1971 in Düsseldorf) und untersucht die Unterschiede in den Urteilen, die sich verändernde öffentliche Wahrnehmung Jürgen Bartschs im Kontext des gesellschaftlichen Wandels der 1960er und 1970er Jahre, sowie die Rolle der Medienberichterstattung und die Reaktionen der Bevölkerung.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit vergleicht die Urteile der beiden Prozesse, analysiert die Medienberichterstattung (einschließlich seriöser und unseriöser Quellen) und deren Einfluss auf die öffentliche Meinung, untersucht die Reaktionen der Bevölkerung, beleuchtet den gesellschaftlichen Wandel und dessen Einfluss auf Justiz und öffentliche Meinung, und diskutiert die Grenzen der Medienwirkung im Kontext des Falls Bartsch. Die Medienwirkungsforschung spielt dabei eine wichtige Rolle.
Wie werden die Unterschiede zwischen den beiden Bartsch-Prozessen dargestellt?
Der Wuppertaler Prozess (1967) endete mit einer harten Verurteilung aufgrund der Einschätzung von Gutachtern, die Bartsch als zurechnungsfähig einstuften. Der Düsseldorfer Prozess (1971) zeigte einen Wandel mit mehr Gutachten und einer differenzierteren Betrachtung von Bartschs psychischem Zustand, eingebettet in den Kontext der 68er-Bewegung und veränderter gesellschaftlicher Ansichten zu psychischen Erkrankungen. Trotz des Wandels in der juristischen Betrachtung blieb die öffentliche Meinung über Bartsch weitgehend unverändert.
Welche Rolle spielt die Medienberichterstattung in dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert die Berichterstattung in verschiedenen Printmedien, untersucht wie die Darstellung Bartschs in den Medien die öffentliche Meinung beeinflusste und welche Reaktionen dies hervorrief. Es werden dabei die Schwierigkeiten bei der eindeutigen Bestimmung des Einflusses der Medien betont. Die Analyse zeigt, dass die Medien im ersten Prozess die öffentliche Empörung verstärkten, im zweiten Prozess aber die bereits gefestigte Meinung nicht mehr ändern konnten.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit bezieht sich unter anderem auf die Werke von Kerstin Brückweh und Kathrin Kompisch/Frank Otto. Zusätzlich werden die Urteile der Prozesse und die Medienberichterstattung selbst als Quellen herangezogen.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit untersucht den komplexen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Wandel, Medienberichterstattung und der öffentlichen Meinung im Kontext des Falls Bartsch. Sie zeigt auf, wie die Medien die öffentliche Wahrnehmung prägen können, aber auch an Grenzen stoßen, wenn die öffentliche Meinung bereits verfestigt ist. Die unterschiedlichen Urteile spiegeln den gesellschaftlichen Wandel wider, jedoch ohne die öffentliche Meinung signifikant zu beeinflussen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Jürgen Bartsch, Serienmörder, Medienberichterstattung, gesellschaftlicher Wandel, 68er-Bewegung, Prozesse, Wuppertal, Düsseldorf, Medienwirkungsforschung, öffentliche Meinung, psychische Erkrankung, Zurechnungsfähigkeit, Verurteilung.
- Arbeit zitieren
- Janina Vahrenholt (Autor:in), 2009, Die Darstellung des Serienmörders Jürgen Bartsch in den Printmedien und die öffentliche Konstruktion des Bildes einer „Bestie“., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212904