´„Sogar in den besten dieser Werke versagen die Autoren, wenn sie spezifisch Jüdisches zu beschreiben suchen. Kitsch oder […] Sentimentalität“ setzen sich durch, behauptet Ruth Klüger in ihrem Aufsatz „Gibt es ein Judenproblem` in der deutschen Nachkriegsliteratur?“ nach eingehender Untersuchung der Darstellung von Juden in verschiedenen literarischen Werken der entsprechenden Zeit.
„Die Rote“ von Alfred Andersch bilde da keine Ausnahme, es sei ein von Stereotypen durchzogener Roman, der den Vorwurf des latenten Antisemitismus herausfordert: Ob Klügers Urteil gerechtfertigt ist soll Gegenstand der folgenden Untersuchung sein. Dafür wird das speziell Jüdische in dem Roman betrachtet und auf antisemitische Tendenzen hin untersucht.
Nach einer Definition von Antisemitismus, die als Arbeitsgrundlage dienen wird, werden im Weiteren drei zentrale in den Roman eingewebte Motive näher betrachtet, die hauptsächlich in der Juwelierszene (S. 191-214) auftreten: Das Motiv des Kaufens und Verkaufens, das der Ratte und das des Juden Shylocks.
Im letzten Teil wird ein Fazit gezogen werden. Ziel der Arbeit ist es, falls sich die im Titel befindliche Fragestellung nicht bejahen lässt, eine entsprechende Gegenthese zu formulieren und zu begründen, also die Beantwortung der Frage: Welche Absicht verfolgte Andersch mit seiner Darstellung des Jüdischen, die nur scheinbar zum Vorwurf des Antisemitismus berechtigt.
Dabei sollen biographische Hinweise auf eine antisemitische Einstellung Anderschs keine Berücksichtigung finden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Definition von Antisemitismus
- III. Werkimmanente Anhaltspunkte für Antisemitismus in „Die Rote“
- a) Das Motiv des Kaufens und Verkaufens
- b) Das Motiv der Ratte
- Exkurs: Shakespeares Darstellung des Shylocks in „Der Kaufmann von Venedig“
- c) Das Motiv des Juden Shylock
- IV. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Alfred Anderschs Roman „Die Rote“ hinsichtlich des Vorwurfs des latenten Antisemitismus. Ziel ist es, die Darstellung des Jüdischen im Roman zu untersuchen und zu prüfen, ob sich in den verwendeten Motiven antisemitische Tendenzen erkennen lassen. Hierfür wird zunächst eine Definition von Antisemitismus vorgestellt und anschließend anhand von drei zentralen Motiven – dem Motiv des Kaufens und Verkaufens, dem Motiv der Ratte und dem Motiv des Juden Shylock – die Frage untersucht, ob Anderschs Roman als antisemitisch einzustufen ist.
- Definition von Antisemitismus als Arbeitsgrundlage
- Analyse der Darstellung des Jüdischen im Roman
- Untersuchung der Motive des Kaufens und Verkaufens, der Ratte und des Juden Shylock
- Bewertung des Romans im Hinblick auf antisemitische Tendenzen
- Formulierung einer Gegenthese, falls sich der Vorwurf des Antisemitismus nicht bestätigt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Rechtfertigung des Vorwurfs des latenten Antisemitismus in Anderschs Roman „Die Rote“ vor. Die Untersuchung stützt sich auf Ruth Klügers Kritik an der Darstellung von Juden in der Nachkriegsliteratur, die „Die Rote“ als von Stereotypen durchzogenen Roman bezeichnet, der den Vorwurf des latenten Antisemitismus herausfordert. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Analyse des spezifisch Jüdischen im Roman und auf der Suche nach antisemitischen Tendenzen.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Definition von Antisemitismus. Dabei wird auf die Schwierigkeiten bei der Festlegung einer eindeutigen Definition hingewiesen und eine unverbindliche Definition des EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) aus dem Jahr 2005 sowie Helens Feins umfassendere Definition von Antisemitismus vorgestellt.
Im dritten Kapitel wird das Kapitel „Franziska, Vormittag“ aus Anderschs Roman „Die Rote“ analysiert. In diesem Kapitel muss die deutsche Protagonistin Franziska ihren Ring in einem venezianischen Juwelierladen verkaufen. Der Juwelier, der ihre finanzielle Notlage erkennt, nutzt diese aus und kauft ihr den Ring für einen Spottpreis ab. Franziska trifft anschließend auf Kramer, einen ehemaligen NS-Mann, der ihr hilft, einen besseren Preis für den Ring zu erzielen. Schließlich gibt Franziska dem Juwelier das erpresste Geld zurück und teilt ihm mit, dass sie Shakespeare hasst, sobald sie an Shylock aus dessen Stück „Der Kaufmann von Venedig“ denkt. Dieses Kapitel wird auf drei zentrale Motive hin untersucht: das Motiv des Kaufens und Verkaufens, das Motiv der Ratte und das Motiv des Juden Shylock.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, Stereotypen, „Die Rote“, Alfred Andersch, Darstellung des Jüdischen, Motiv des Kaufens und Verkaufens, Motiv der Ratte, Shylock, „Der Kaufmann von Venedig“, EUMC, Helen Fein, Juwelierladen, Franziska, Kramer.
- Quote paper
- Sina Lethaus (Author), 2009, Ist der Vorwurf des latenten Antisemitismus in Alfred Anderschs Roman „Die Rote“ gerechtfertigt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212873